OGH 12Os74/06h

OGH12Os74/06h21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Medienrechtssache des Privatanklägers Mag. Rudolf V***** gegen Dr. Jörg H***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 2005, GZ 091 Hv 151/05z-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des Verteidigers Dr. Rami zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 2005, GZ 091 Hv 151/05z-7 (nunmehr AZ 17 Hv 117/05i des Landesgerichtes Klagenfurt) verletzt, soweit damit in Ansehung des Faktums 1. der Privatanklage das Vorliegen des prozessualen Verfolgungshindernisses der Versäumung der Frist des § 46 Abs 1 StPO verneint und das Strafverfahren in diesem Umfang an das Landesgericht Klagenfurt abgetreten wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 46 Abs 1, 56 Abs 1 und Abs 3 StPO iVm § 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG idF BGBl 1993/91.

Der Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben und das Strafverfahren gegen Dr. Jörg H***** wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, AZ 091 Hv 151/05z des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (nunmehr AZ 17 Hv 117//05i des Landesgerichtes Klagenfurt) auch in Ansehung des Faktums 1. der Privatanklage gemäß §§ 486 Abs 3, 485 Abs 1 Z 6 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG aF eingestellt.

Gemäß § 390 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG hat der Privatankläger Mag. Rudolf V***** auch in diesem Umfang die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit der am 11. Juli 2005 beim Landesgericht Klagenfurt zum AZ 17 Hv 117/05i eingebrachten Privatanklage (ON 2) legt Mag. Rudolf V***** dem Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg H***** die Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB zur Last, weil er ihn

1. in einer am 21. Juni 2005 in Klagenfurt abgehaltenen Pressekonferenz, über die (vom Beschuldigten beabsichtigt) in der Ausgabe der „Kärntner Tageszeitung" vom 22. Juni 2005 berichtet worden sei, und

(entgegen der Äußerung des Privatanklägers vom 31. Juli 2006 unmissverständlich auch:)

2. im Anschluss an die Pressekonferenz in der Rundfunksendung „ORF-Mittagsjournal"

im Zusammenhang mit dessen Befassung des Verfassungsgerichtshofes in der sogenannten Kärntner Ortstafelfrage als „Verrückten" bezeichnet habe.

Die Einzelrichterin des Landesgerichtes Klagenfurt sprach mit Beschluss vom 14. September 2005 (ON 5) die örtliche Unzuständigkeit dieses Gerichtshofes aus und ordnete (gemäß § 486 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG) die Abtretung des Verfahrens an das gemäß § 41 Abs 2 (zweiter Satz) MedienG idF BGBl 1993/91 (sonder-)zuständige Landesgericht für Strafsachen Wien an.

Nach dem Einlangen des Aktes am 12. Oktober 2005 bei diesem Gericht stellte die hier zuständige Einzelrichterin mit Beschluss vom 18. Oktober 2005 (ON 7) das Verfahren zum Anklagefaktum 2. gemäß § 486 Abs 3 iVm § 485 Abs 1 Z 6 StPO sowie § 41 Abs 5 MedienG ein und ordnete zum Faktum 1. der Privatanklage (gemäß § 58 StPO) die (Rück-)Abtretung an das Landesgericht Klagenfurt an. Zur Begründung führte sie aus, dass zufolge der Eigenzuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (§ 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG aF) das prozessuale Verfolgungshindernis der Versäumung der Frist des § 46 Abs 1 StPO nur hinsichtlich des Faktums 2., nicht aber auch in Ansehung des Faktums 1. der Privatanklage vorliege, weil diese hiezu rechtzeitig beim dafür (sachlich und) örtlich zuständigen Landesgericht Klagenfurt eingebracht worden sei.

Nach dem Einlangen des Aktes beim Landesgericht Klagenfurt ordnete die Einzelrichterin dieses Gerichtshofes eine (in der Folge abberaumte) Hauptverhandlung an (AS 1 verso).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Oktober 2005 steht - wie der Generalprokurator in seiner dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - insoweit mit dem Gesetz nicht in Einklang, als damit zum Faktum 1. der Privatanklage das Vorliegen des prozessualen Verfolgungshindernisses der Versäumung der Frist des § 46 Abs 1 StPO verneint und in diesem Umfang das Strafverfahren an das Landesgericht Klagenfurt (rück-)abgetreten wurde.

Die zur Wahrung des Anklagerechtes nach § 46 Abs 1 StPO erforderliche Einbringung einer Privatanklage innerhalb der dort genannten sechswöchigen Frist setzt nach ständiger Judikatur (EvBl 1994/20; EvBl 1995/41; zuletzt 12 Os 1/05x) die fristgerechte Stellung des Verfolgungsantrages beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht voraus. Werden (wie hier) in einer Privatanklage, welche in ihrem Umfang und ihrer Gestaltung der freien Disposition des Privatanklägers unterliegt, mehrere Sachverhalte inkriminiert, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem Gerichtsstand der Konnexität (§ 56 StPO; 12 Os 55, 56/99), der ua für den Fall zusammentreffender, vor verschiedene Gerichte gleicher Ordnung gehörender Strafsachen, über deren eine ihrer Art nach nur eines der Gerichte entscheiden kann, die (ausschließliche) Zuständigkeit dieses Gerichtes vorsieht (§ 56 Abs 3 StPO).

Nach § 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG in der vorliegend anzuwendenden Fassung vor der Mediengesetznovelle 2005 (vgl Z 55 und 56 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 49/2005) war für Strafverfahren wegen in einer (inländischen oder ausländischen) Rundfunksendung begangener mit Strafe bedrohter Handlungen (ausschließlich) das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig. Da nach dem - für die Beurteilung der (sachlichen und örtlichen) Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht maßgeblichen (zuletzt 12 Os 1/05x) - Anklagevorbringen eine der inkriminierten Äußerungen in einer Rundfunksendung getätigt wurde (Anklagefaktum 2.), war gemäß § 41 Abs 2 zweiter Satz MedienG aF iVm § 56 (Abs 1 und) Abs 3 StPO für das Strafverfahren über den gesamten Gegenstand der Privatanklage ausschließlich das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig. Daraus folgt, dass durch die Einbringung der Privatanklage beim somit unzuständigen Landesgericht Klagenfurt und im Hinblick auf das Einlangen des Aktes beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 12. Oktober 2005, sohin nach dem Ablauf der (spätestens mit der Einbringung der Privatanklage am 11. Juli 2005 in Gang gesetzten) Frist des § 46 Abs 1 StPO der Verlust des Anklagerechtes und damit das - vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende (SSt 58/30) - prozessuale Verfolgungshindernis der subjektiven Verjährung des Privatanklagerechtes (Fabrizy StPO9 § 46 Rz 5 f) eingetreten ist. Die Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hätte daher das Strafverfahren auch in Ansehung des Faktums 1. der Privatanklage gemäß §§ 485 Abs 1 Z 6, 486 Abs 3 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG einzustellen gehabt.

Da nach Aufhebung des (zum Nachteil des Beschuldigten ergangenen) Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im aufgezeigten Umfang eine Verfahrensfortsetzung nicht in Betracht kommt, war das Verfahren sofort durch den Obersten Gerichtshof einzustellen (12 Os 1/05x).

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