Spruch:
I. Der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Juli 2004, GZ 17 Hv 98/04v-4, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 40 Abs l, 41 Abs 2 und Abs 5 MedienG sowie 486 Abs 1 StPO.
II. Dieser Beschluss wird aufgehoben und das Strafverfahren gegen Dr. Jörg H***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, AZ 17 Hv 98/04v des Landesgerichtes Klagenfurt (derzeit AZ 17 U 183/04z des Bezirksgerichtes Klagenfurt), gemäß §§ 486 Abs 3, 485 Abs 1 Z 6 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG eingestellt. Gemäß § 390 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG hat der Privatankläger Dr. Hans-Peter M***** die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Text
Gründe:
Mit der am 8. Juni 2004 beim Landesgericht Klagenfurt zu AZ 17 Hv 98/04v eingebrachten Privatanklage (ON 2) legt Dr. Hans-Peter M***** Dr. Jörg H***** das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB zur Last, weil er am 25. Mai 2004 in Klagenfurt im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit dem Thema "EU-Wahlauftakt" behauptet habe, dass der Lebensweg des Privatanklägers von "Betrug, Neid und Niedertracht" gekennzeichnet und er ein "Bursche, der schamlos lügt" sei, den Privatankläger sohin in einer für die breite Öffentlichkeit wahrnehmbare Weise einer verächtlichen Eigenschaft und Gesinnung bezichtigt sowie eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt habe, das geeignet sei, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen. Nach dem Anklagevorbringen hätten diese im Zuge einer Pressekonferenz abgegebenen Äußerungen (vom Beschuldigten beabsichtigt) entsprechende Meldungen in den Medien zur Folge gehabt; am 26. und 27. Mai 2004 in der Tageszeitung "Der Standard" und am 27. Mai 2004 in der Tageszeitung "Die Presse" sei von diesen Vorwürfen berichtet worden.
Am l. Juli 2004 legte der Einzelrichter des Landesgerichtes den Akt der Ratskammer "zur Entscheidung über die Zuständigkeit gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO" mit dem Bemerken vor, dass die (auch keine medienrechtlichen Anträge beinhaltende) Privatanklage "kein Medieninhaltsdelikt umfasse", weil damit bloß Äußerungen des Beschuldigten bei einer öffentlichen Veranstaltung, nicht aber deren Veröffentlichung in den Medien inkriminiert würden, woraus sich die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes (§ 9 Abs 1 Z 1 StPO) ergäbe (S 1).
Mit Beschluss vom 15. Juli 2004 (ON 4) schloss sich die Ratskammer dieser Auffassung "mangels Anhaltspunkten für eine Zuständigkeit nach § 41 Abs 2 MedienG" an, sprach die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes aus und "überwies" gemäß § 486 Abs 1 StPO das Strafverfahren an das Bezirksgericht Klagenfurt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss der Ratskammer steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
In § 1 Abs 1 Z 12 MedienG, wonach Medieninhaltsdelikte durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen sind, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung bestehen, hat der Gesetzgeber keinen eigenen Deliktstatbestand vertypt, sondern nur auf mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen verwiesen, welche er für den Fall ihrer Verwirklichung in einem Medium (im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 MedienG) zusammenfassend als Medieninhaltsdelikte bezeichnet und daran besondere Konsequenzen (betreffend etwa Zuständigkeit und Verfahren) knüpft, ohne damit aber die Rechtsnatur des durch das Medium begangenen Deliktes zu ändern. Mit der solcherart bezeichneten Begehung "durch den Inhalt eines Mediums" wird nur der (abstrakte) mediale Multiplikationseffekt umschrieben, der das Delikt charakterisiert, nicht aber die Handlung des Täters. Wird daher etwa eine als üble Nachrede zu qualifizierende Äußerung in einem Medium publiziert, so liegt (übrigens auch dann, wenn die Veröffentlichung vom Tätervorsatz nicht umfasst war) ein Medieninhaltsdelikt vor (11 Os 53/01). § 41 Abs 2 MedienG normiert für Medieninhaltsdelikte die Eigenzuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz, der in Verfahren, die sonst in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fielen, durch einen Einzelrichter zu judizieren hat (§ 41 Abs 3 MedienG).
Maßgebend für die Beurteilung des Gegenstandes der Anklage und der (sachlichen und örtlichen) Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes (im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens) ist nach gesicherter Rechtsprechung das Anklagevorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in seiner Gesamtheit (abermals 11 Os 53/01 mwN). Da nach dem gegenständlichen Anklagevorbringen die inkriminierten Äußerungen in Tageszeitungen veröffentlicht wurden, mithin ein Medieninhaltsdelikt behauptet wird, hat der Privatankläger - implizit - die Zuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt als Mediengericht nach § 41 Abs 2 MedienG in Anspruch genommen. Hält sich der demnach gemäß § 41 Abs 3 MedienG berufene Einzelrichter für sachlich unzuständig, so hat er nicht gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO die Entscheidung der Ratskammer einzuholen, sondern selbst die ihm erforderlich scheinenden Entscheidungen und Verfügungen zu treffen, weil gemäß § 41 Abs 5 MedienG die im Einzelrichterverfahren sonst der Ratskammer zugewiesene Entscheidungskompetenz (§§ 485, 486 StPO) auf ihn als (Medien-)Einzelrichter übergeht (neuerlich 11 Os 53/01). Demgemäß war die Ratskammer zur Fassung des Unzuständigkeitsbeschlusses und zur Verweisung der Strafsache an das Bezirksgericht Klagenfurt nach dem Gesetz nicht legitimiert. Da nach dem zuvor Gesagten nach dem Anklagevorbringen ein Medieninhaltsdelikt (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) vorliegt, ist der Beschluss der Ratskammer auch inhaltlich insoweit verfehlt als damit die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz (§ 41 Abs 2 MedienG) verneint wurde. Nach dieser Bestimmung ist für das Verfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes das mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betraute Landesgericht (örtlich) zuständig, in dessen Sprengel die Tat begangen worden ist. Nach § 40 Abs 1 MedienG gilt für Medieninhaltsdelikte, die in einem Medienwerk (iSd § 1 Abs 1 Z 3 MedienG) - wie etwa einer Tageszeitung (vgl Brandstetter/Schmid MedienG2, § 1 Rz 24 f) - begangen werden, als Tatort der Verlagsort. Da nach dem Inhalt der Privatanklage die inkriminierten Äußerungen in den Tageszeitungen "Der Standard" und "Die Presse" veröffentlicht wurden, war auf Grund des jeweiligen Verlagsortes Wien nach dem (auch in dieser Hinsicht maßgeblichen) Anklagevorbringen das Landesgericht für Strafsachen Wien für das Verfahren über die Privatanklage zuständig.
Bei einem Privatanklagedelikt (hier: das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB) ist zu beachten, dass der Privatankläger sein Anklagerecht verliert, wenn er nicht innerhalb der sechswöchigen Frist des § 46 Abs 1 StPO seinen Verfolgungsantrag beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht gestellt hat (EvBl 1994/20, 1995/41; zuletzt 13 Os 170/98). Diese Frist ist durch Einbringung der Privatanklage beim unzuständigen Landesgericht Klagenfurt nicht gewahrt, vielmehr liegt nunmehr das prozessuale Verfolgungshindernis der subjektiven Verjährung des Privatanklagerechtes vor (Fabrizy StPO9 § 46 Rz 5 f). Da somit nach Aufhebung des (zum Nachteil des Beschuldigten ergangenen - vgl 11 Os 53/0l) Beschlusses der Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt eine Verfahrensfortsetzung durch den Einzelrichter des (zuständigen) Landesgerichtes für Strafsachen Wien, der nunmehr das Verfahren nach Abtretung zwingend einzustellen hätte (§§ 485 Abs 1 Z 6, 486 Abs 3 StPO iVm § 41 Abs 5 MedienG), nicht in Betracht kommt, war das Strafverfahren sofort durch den Obersten Gerichtshof einzustellen (vgl 12 Os 78/99).
Die Kostenentscheidung ist in § 390 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG begründet.
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