OGH 12Os72/14a

OGH12Os72/14a25.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. März 2014, GZ 40 Hv 1/13z‑68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00072.14A.0925.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte der Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB „idF BGBl Nr. 599/1988“ (I./), der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 Z 1 erster Fall, Abs 4 vierter Fall StGB (II./), der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (III./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (IV./) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (V./) schuldig erkannt.

Danach hat er in N***** und F*****

I./ Personen, die seiner Obhut unterstanden und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, körperliche und seelische Qualen zugefügt, und zwar

A./ zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen Herbst 2003 und 31. Mai 2009 seiner am 20. August 1997 geborenen Tochter Corina R*****, indem er ihr regelmäßig Faustschläge gegen den Körper, insbesondere gegen den Bauch sowie regelmäßig Tritte und Ohrfeigen versetzte;

B./ zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen Herbst 2004 und 31. Mai 2009 seinem am 1. August 1998 geborenen Sohn Niklas R*****, indem er ihm regelmäßig Faustschläge gegen den Körper, insbesondere gegen den Bauch sowie regelmäßig Tritte und Ohrfeigen versetzte;

II./ gegen unmündige Personen durch wiederholte körperliche Misshandlungen und teilweise auch Körperverletzungen, eine längere, ein Jahr übersteigende Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

A./ gegen die am 20. August 1997 geborene Corina R***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 1. Juni 2009 und 19. August 2011,

B./ gegen den am 1. August 1998 geborenen Niklas R***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 1. Juni 2009 und 31. Juli 2012,

indem er den Genannten wiederholt und regelmäßig Faustschläge gegen den Körper, insbesondere gegen den Bauch, sowie regelmäßig Tritte und Ohrfeigen versetzte und sie so am Körper misshandelte, wobei Niklas R***** auch mehrmals Verletzungen in Form von Hämatomen erlitt;

III./ gegen Personen durch wiederholte körperliche Misshandlungen und teilweise auch Körperverletzungen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

A./ gegen Corina R***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 20. August 2011 und Juli 2012 sowie

B./ gegen Niklas R***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen 1. August 2012 und Ende Jänner 2013,

indem er den Genannten wiederholt und regelmäßig Faustschläge gegen den Körper, insbesondere gegen den Bauch, sowie regelmäßig Tritte und Ohrfeigen versetzte, dem Niklas R***** darüber hinaus im Jänner 2013 sein Knie gegen den Körper stieß und beide Opfer so am Körper misshandelte, wobei Niklas R***** auch mehrmals Verletzungen in Form von Hämatomen erlitt;

IV./ zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen zumindest November 2012 und Jänner 2013 Corina R***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr mindestens viermal zumindest einen Finger in ihre Vagina einführte und damit Stoßbewegungen vollzog, wobei er mit einer Hand die Hände seines Opfers hinter dessen Rücken fixierte und es so festhielt;

V./ zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen zumindest November 2012 und Jänner 2013, indem er seine am 20. August 1997 geborene minderjährige Tochter Corina R***** mehrmals teilweise an der bekleideten und teilweise an der unbekleideten Brust betastete, zumindest zweimal ihre Hand nahm, auf seinen Penis oberhalb der Bekleidung legte und mit ihrer Hand dort Reibbewegungen vollzog, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw an sich von einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vornehmen lassen.

 

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde. Diese schlägt fehl.

 

Zu den Schuldsprüchen II./ und III./:

Soweit die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) in der konstatierten Eignung der Tathandlungen, die Lebensführungsfreiheit der Opfer (bloß) „zu beeinträchtigen“ (US 5 erster Absatz) einen Widerspruch zur festgestellten Eignung der Übergriffe, die Kinder des Angeklagten in deren freien Lebensführung „schwerwiegend zu beeinträchtigen“ (US 6 dritter Absatz), erblickt, lässt sich dieser unter Beachtung der Häufigkeit, Intensität und Dauer der regelmäßig gegenüber den unmündigen bzw sodann minderjährigen Tatopfern über sechs bzw fünf Jahre hinweg gesetzten Gewalthandlungen und die dadurch bei diesen bewirkten körperlichen und seelischen Qualen (US 14 zweiter Absatz sowie US 22 f) bei gebotener Gesamtschau der Entscheidungsgründe in Richtung der qualifizierten Beeinträchtigungseignung klarstellend auflösen (RIS‑Justiz RS0099636, RS0117402 [T17], RS0127377; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440).

Mit seiner bloße Scheinbegründungen relevierenden Kritik (Z 5 vierter Fall) an den Annahmen zur subjektiven Tatseite übergeht der Angeklagte die unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandenden (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452) Erwägungen des Erstgerichts zum äußeren Geschehensablauf (US 13 letzter Absatz) und den daraus rechtsstaatlich vertretbar gezogenen Schluss auf ein zu Grunde liegendes Wollen und Wissen. Überdies unterlässt der Beschwerdeführer neuerlich die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394). Mit Spekulationen über die „im Sinne einer Erziehungsmaßnahme getätigten Gewaltakte“ als bloßes „Reaktivverhalten“ ohne Fortsetzungsvorsatz bekämpft der Angeklagte unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffensenats (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 451) und lässt auch die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zu den tatauslösenden Stresssituationen attestierende Einschätzung des Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie, Univ.‑Prof. Dr. Reinhard H***** (US 15 f) unberücksichtigt.

Weshalb die als „Erziehungsmittel“ gesetzten Gewalthandlungen nicht mit der Absicht verbunden sein könnten, fortgesetzt am Körper zu misshandeln, und die solcherart getroffenen Feststellungen zueinander in einem unauflöslichen Widerspruch stünden, ist nicht erkennbar. Vor allem betrifft die Motivation für die inkriminierten Übergriffe keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0088761; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 443).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), welche Feststellungen „hinsichtlich des notwendigen Zustandes der Angst“ und zur „gravierenden Beeinträchtigung“ bei den Opfern vermisst, legt nicht dar, weshalb nicht bereits die bloße Eignung der gesetzten Gewalthandlungen, die Lebensführungsfreiheit der Opfer erheblich zu beeinträchtigen, zur Tatbildverwirklichung hinreichen sollte (Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 107b Rz 3 f; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 8 f); sie übergeht überdies die diesbezüglich ohnehin ‑ unter Berücksichtigung von Häufigkeit, Intensität und Dauer der regelmäßig den unmündigen bzw sodann minderjährigen Opfern über sechs bzw fünf Jahre hinweg versetzten, stets mit Schmerzen, teils auch mit Hämatomen verbundenen Ohrfeigen, Faustschlägen (insbesondere gegen den Bauch) und Tritten zu den Schuldsprüchen I./ bis III./ zutreffend (RIS‑Justiz RS0127377) ‑ konstatierte Eignung zur schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensführungsfreiheit der Opfer (US 5 erster und fünfter Absatz, US 6 erster und dritter Absatz). Auch das seitens des Beschwerdeführers zitierte Schrifttum lässt im Übrigen die bloße Eignung zur Bewirkung permanenter bzw häufig auftretender Angstzustände genügen. Dass dadurch die Lebensgestaltung des Opfers tatsächlich in der angeführten Weise beeinflusst wird, ist nicht erforderlich (Schwaighofer in WK2 StGB § 107a Rz 11, § 107b Rz 9; Winkler, SbgK § 107b Rz 109 f). Im Übrigen kommen die gleichfalls ‑ wenn auch disloziert ‑ festgestellten seelischen Qualen der Tatopfer (US 14 zweiter Absatz und US 23) den vom Rechtsmittelwerber geforderten Angstzuständen gleich.

Das Erstgericht hat auch den bereits bei jeder einzelnen (als regelmäßiges „Erziehungsmittel“ gesetzten [US 5 erster Absatz, US 11 erster Absatz, US 14 zweiter Absatz]) Gewalttat auf Fortsetzung seiner Übergriffe über einen längeren Zeitraum gerichteten Vorsatz des Angeklagten konstatiert (US 6 f).

 

Rechtliche Beurteilung

Soweit die zum Schuldspruch II./ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach auch Z 9 lit a [auch zum Schuldspruch III./]) Feststellungen zur Frage vermisst, „zu welchem konkreten Zeitpunkt sich der Vorsatz des Angeklagten auf Manifestation einer Gewaltbeziehung gerichtet hat“ und solcherart sowohl die Bestimmbarkeit des Beginns der qualifikationsbegründenden mehr als einjährigen Frist (§ 107b Abs 4 vierter Fall StGB) als auch generell tatbildmäßiges Verhalten nach § 107b StGB bestreitet, orientiert sie sich prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584) nicht an den getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Nichtigkeitswerber im (gesamten) Zeitraum von 1. Juni 2009 bis 19. August 2011 bzw bis 31. Juli 2012 seine Tathandlungen mit dem Wissen und Willen gesetzt hat, diese länger als ein Jahr gegenüber den unmündigen Opfern auszuüben (US 6 f; Winkler, SbgK § 107b Rz 143).

Wenn die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) mit Blick auf das bereits nach § 107b StGB umfasste Tatbestandsmerkmal der Dauer der Gewaltausübung im erschwerend gewerteten „längeren Tatzeitraum beim Punkt I) des Tenors“ (US 23 letzter Absatz) einen Verstoß gegen das (gemeint:) Doppelverwertungsverbot erblickt, verkennt sie, dass dieser Erschwerungsgrund ausschließlich den Schuldspruch I./ betrifft (US 23 letzter Absatz).

 

Zum Schuldspruch V./:

Entgegen dem nominell auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Vorbringen ist unter Berücksichtigung der den Schuldsprüchen IV./ (§ 201 Abs 1 StGB) und V./ (§ 212 Abs 1 Z 1 StGB) zu Grunde liegenden unterschiedlichen Tathandlungen nicht zu erkennen, inwieweit die Tatrichter „eine echte Konkurrenz zwischen § 201 (1) und § 212 StGB“ rechtsirrig bejaht hätten. Mit Blick auf die zum Schuldspruch IV./ getroffene Negativfeststellung, wonach der zusätzliche Einsatz (auch) von Autorität, um den der Tatausführung entgegenstehenden Opferwillen zu brechen (US 8 erster Absatz), nicht konstatiert werden konnte, hat der Schöffensenat ein solches Konkurrenzverhältnis vielmehr verneint (US 23 vierter Absatz; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 50, § 212 Rz 15).

Demgemäß geht auch die argumentativ auf der Annahme eines solchen Konkurrenzverhältnisses aufbauende Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) ins Leere.

 

Zum Schuldspruch IV./:

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ihr Ziel, indem sie unter Missachtung der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (RIS-Justiz RS0116504; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487), insbesondere der belastenden Angaben des Opfers Corina R***** und des von der genannten Zeugin anlässlich der vorgeführten kontradiktorischen Vernehmung gewonnenen persönlichen Eindrucks des Schöffensenats, weiters der Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei und vor dem Haft- und Rechtsschutzrichter sowie der ohnehin erfolgten Berücksichtigung von Unsicherheiten des Tatopfers bei Depositionen zum Zeitpunkt und zur Häufigkeit der gesetzten Übergriffe (US 16 ff), die konstatierten Tathandlungen in Zweifel zu ziehen sucht. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag sie dabei nicht zu wecken. Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift seinem Wesen nach nämlich erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie es die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt ‑ wird dadurch nicht ermöglicht (RIS‑Justiz RS0118780; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487 und 491). Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO abstellt (RIS‑Justiz RS0099674).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) ist zu entgegnen, dass die Tatrichter dem Gebot gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht gehalten sind, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, oder sich mit jedem gegen ihre Beweiswürdigung möglichen, erst in der Rüge konkret erhobenen Einwand bereits im Voraus auseinanderzusetzen. Dass aus den (logisch und empirisch einwandfrei) ermittelten Prämissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch mit mängelfreier Begründung für eine diesem nachteilige Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aus Z 5 nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0099455, RS0098717, RS0098778, RS0098541, RS0099419, RS0106295; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass bei der als Dauerdelikt mit tatbestandlicher Handlungseinheit konzipierten Bestimmung des § 107b StGB (Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 107b Rz 2; Schwaighofer in WK² StGB § 107b Rz 23; Fabrizy, StGB11 § 107b Rz 5) durch die ‑ ohne größere zeitliche Unterbrechung ‑ fortgesetzten tatbestandlichen Vorgangs-weisen im Sinn des § 107b Abs 2 StGB lediglich eine strafbare Handlung verwirklicht wird (Zusammenfassung mehrerer Taten ähnlich dem § 29 StGB; vgl Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 1 und Rz 53; Fabrizy, StGB11 § 107b Rz 5; Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 107b Rz 18; JAB 2. GewaltschutzG, 106 BlgNR 24. GP, 23).

Dies gilt auch bei Tathandlungen gegenüber einem zunächst unmündigen Opfer (wie hier in Bezug auf die im Schuldspruch II./ erfassten Taten), welche vom Täter nach Erreichen der Mündigkeit des betroffenen Kindes fortgeführt werden (wie hier vom Schuldspruch III./ erfasst). Bei körperlichen Misshandlungen, Körperverletzungen oder anderen Gewaltausübungen iSd § 107b Abs 2 StGB sind daher sowohl die vor als auch die nach Erreichen des 14. Lebensjahres des Opfers gesetzten, im zeitlichen Konnex stehenden Gewaltakte zusammenzufassen und zwecks Subsumierung unter § 107b Abs 1 StGB auf ihre Summenwirkung hin zu prüfen (Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 107b Rz 9; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 23 ff; Winkler in SbgK § 107b Rz 13 und Rz 102 ff; Bertel/Schwaighofer/Venier StGB BT I12 § 107b Rz 3; Fabrizy, StGB11 § 107b Rz 4).

Für die Verwirklichung der Qualifikation nach § 107b Abs 3 Z 1 erster Fall StGB ist dabei allerdings maßgeblich, dass die mehrfachen tatbestandlichen Handlungen iSd § 107b Abs 2 StGB bereits vor Erreichen des 14. Lebensjahres des Opfers einer fortgesetzten, also längere Zeit andauernden Gewaltausübung entsprechen (Winkler in SbgK § 107b Rz 120 f). Genügen die wiederholten Tathandlungen (auch unter Berücksichtigung der gebotenen Gesamtbetrachtung von Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung; vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 107b Rz 10; Winkler in SbgK § 107b Rz 108; 13 Os 143/11w, SSt 2011/69; RIS‑Justiz RS0127377) gegenüber dem unmündigen Opfer (noch) nicht dem Erfordernis einer fortgesetzten Gewaltausübung, dann erfüllt der nach dem 14. Geburtstag des Opfers weiterhin Gewaltakte setzende Täter ab Erreichen des zeitlichen Kriteriums zwar den Grundtatbestand des § 107b Abs 1 StGB, nicht aber die Qualifikation nach § 107b Abs 3 Z 1 erster Fall StGB. Dessen ungeachtet bilden die mehrfachen Tathandlungen vor und nach dem 14. Lebensjahr des Tatopfers eine einzige strafbare Handlung.

Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieser die Schuldsprüche II./ und III./ betreffenden Nichtigkeit bestand indes keine Veranlassung, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres konkret benachteiligt (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), zumal dem aufgezeigten Umstand noch im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung getragen werden kann (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff). Weil das Erstgericht ohnehin rechtsrichtig das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen als erschwerend wertete, liegt fallbezogen auch unter dem Blickwinkel der Strafbemessung (Z 11 zweiter Fall) kein Nachteil vor (14 Os 102/00; 13 Os 62/10g; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 711; vgl Ebner in WK² StGB § 33 Rz 2). Eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts bei der Entscheidung über die Berufung an den soweit verfehlten Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht daher nicht (RIS‑Justiz RS0118870).

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass das Erstgericht den Schuldspruch I./ nach der im Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage fällte, obwohl diese bei streng fallbezogen anzustellendem Vergleich für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger war als das im Urteilszeitpunkt in Geltung stehende Recht (§ 61 zweiter Satz StGB). Da dies dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, besteht insoweit kein Anlass zu einem Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (13 Os 93/12v; Höpfel/U. Kathrein in WK2 StGB § 61 Rz 2 und 14).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers ‑ bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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