European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00066.16X.0714.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Dennis L***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./) sowie der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W*****
I./ am 26. November 2015 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Thomas S***** als Mittäter (§ 12 StGB) Hassan D***** mit Gewalt unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Jacke, zwei Mobiltelefone, fünf Gramm Heroin und fünf Gramm Kokain sowie 70 Euro Bargeld mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem er ihn unter der Vorgabe, er wolle Suchtgift kaufen, zu einem abgelegenen Ort lotste, sich vor dem Opfer aufbaute und äußerte, er werde heute für sein Suchtgift nicht bezahlen, Thomas S***** mit einem Holzstock von etwa 30 cm Länge auf Hassan D***** einschlug und sie die angeführten Gegenstände aus der Jacke entnahmen und flüchteten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Annahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Das Schöffengericht stellte folgenden Sachverhalt fest (US 5 f):
„Als Hassan D***** am vereinbarten Treffpunkt eintraf, stellte sich der Angeklagte vor ihn und äußerte, dass er diesmal das Suchtgift nicht bezahlen werde. Hinter Hassan D***** befand sich Thomas S*****, der für den Angeklagten überraschend einen Holzstock mit einer Länge von ca 30 cm zog und von hinten mehrmals auf Hassan D***** einschlug. In der Folge entstand ein Gerangel, im Zuge dessen Thomas S***** Hassan D***** die Jacke vom Körper riss und an den Angeklagten weiterreichte, während Hassan D***** zu Boden fiel. Während Hassan D***** am Boden lag, hielt der Angeklagte seine Jacke und durchsuchte in Kenntnis des eingesetzten Holzstocks die Jacke nach den bestellten Drogen. Anschließend flüchteten der Angeklagte und Thomas S***** mit der Jacke und den darin befindlichen Dingen ...
Der Angeklagte wollte bereits ursprünglich mit Gewalt und während des Vorfalls auch in Kenntnis des von Thomas S***** eingesetzten Holzstocks, somit unter Verwendung einer Waffe die Jacke des Hassan D***** samt allen sich darin befindlichen Gegenständen, insbesondere das zuvor von ihm bestellte Suchtgift wegnehmen und sich sowie Thomas S***** durch die Wegnahme und Zueignung unrechtmäßig bereichern.“
Die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet die geforderte rechtliche Konsequenz nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0118416), indem sie fehlende Gleichwertigkeit mit einer Waffe im Sinn des Waffengesetzes lediglich behauptet, ohne darzulegen, weshalb ein 30 cm langer Holzstock ungeeignet sein sollte, bei dessen Einsatz zur Gewaltanwendung gegen eine Person die Abwehrfähigkeit des Opfers unmittelbar herabzusetzen und solcherart den Gewahrsamsbruch zu erleichtern (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 143 Rz 16; Eder‑Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 18; RIS‑Justiz RS0093928). Dass der Holzstock „bestenfalls“ als Scheinwaffe (vgl RIS‑Justiz RS0093883) zu qualifizieren wäre, wird ebenfalls ohne Ableitung aus dem Gesetz vertreten.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde argumentiert, bis zur Vollendung des Delikts wäre nur Thomas S***** aktiv gewesen, der Angeklagte hätte weder an der Gewaltanwendung noch an der Wegnahme mitgewirkt, orientiert sie sich nicht an den tatrichterlichen Feststellungen und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Das Vorbringen, wonach der Umstand, dass Thomas S***** die Jacke des Opfers an den Angeklagten weiterreichte, nichts am davor bereits begründeten „eigenen Herrschaftsverhältnis“ und damit am Alleingewahrsam des Erstgenannten ändern könnte, erschöpft sich neuerlich in einer Behauptung und bleibt methodisch vertretbare Ableitung der gewünschten rechtlichen Konsequenz schuldig (RIS‑Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die gegenständliche Deliktsqualifikation demjenigen Beteiligten zugerechnet wird, der entweder selbst die Waffe beim Raubüberfall verwendet oder dessen Vorsatz sich auf die Verwendung der Waffe durch einen anderen Beteiligten bezieht, wobei die Zustimmung (im Sinn eines bedingten Vorsatzes) zum Waffeneinsatz auch konkludent und auch während der Tatausführung erfolgen kann ( Eder‑Rieder in WK 2 StGB § 143 Rz 14). Derjenige, der in Kenntnis und unter Ausnützung des Waffeneinsatzes am Abtransport der Beute vom Tatort, demnach an der Wegnahme mitwirkt (sukzessive Mittäterschaft), setzt eine Ausführungshandlung und haftet als unmittelbarer Täter (RIS‑Justiz RS0094036 [T5 und T6]). Die Sachwegnahme ist beim Raub – gleich wie beim Diebstahl – nicht bereits dann erfolgt, wenn der Täter die Sache ergriffen hat, sondern erst dann, wenn sie aus dem tatsächlichen Machtbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers entfernt wurde (RIS‑Justiz RS0093833).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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