European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00058.17X.0622.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Ilija K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung im Sinn von impulshaftem und dissozialem Verhalten (ICD 10 F 71.1), Marion B***** mit Gewalt gegen deren Person fremde bewegliche Sachen, und zwar deren Handtasche samt 56 Euro Bargeld, einem Mobiltelefon und einer Autobahnvignette, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem er sie gegen das Schienbein trat und ihr die Handtasche entriss, wobei deren Henkel abriss (US 4), also eine Tat begangen, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die nominell auf Z 4, Z 5, Z 5a, Z 9 lit a und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, welche nicht berechtigt ist.
In der Hauptverhandlung beantragte der (zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsene; vgl § 268 ABGB) Betroffene, die „Bestellung eines Sachwalters“ (welcher seine Eltern oder die gesetzlichen Vertreter ausfindig hätte machen können) bzw die Ausforschung seiner Eltern zum Beweis dafür, dass er bei diesen „gut aufgehoben ist, diese sehr wohl für ihn Sorge tragen können bzw eine Gefährlichkeit dann nicht mehr vorliegt“ (ON 43 S 20).
Dieser Beweisantrag bezog sich nur auf den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 1 StGB, weshalb dessen Abweisung keinen als Nichtigkeitsgrund beachtlichen Verfahrensmangel (Z 4) darstellen kann (RIS‑Justiz RS0114964).
Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902). Dies missachtet die Beschwerde, indem zwischen den Nichtigkeitsgründen nach Z 5, Z 5a, Z 9 lit a und Z 11 nicht differenziert wird. Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, gehen zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS‑Justiz RS0100183).
Die Nichtigkeitsbeschwerde behauptet, die Feststellung, wonach der Betroffene auf Befehl der „Teufelsstimme“ gehandelt habe, wobei er wusste, fremdes Gut, auf das er keinen Anspruch hatte, durch Gewalt wegzunehmen, und sich oder Dritte durch die Zueignung unrechtmäßig bereichern wollte, wäre unbestimmt und aktenwidrig (Z 5 erster und letzter Fall), weil die Diskretionsfähigkeit und die Dispositionsfähigkeit des Betroffenen zur Tatzeit aufgehoben waren (vgl demgegenüber US 4, wonach lediglich die Dispositionsfähigkeit nicht gegeben war). Dieses Vorbringen verkennt, dass die Zurechnungsunfähigkeit zwar die Schuldfähigkeit ausschließt, keineswegs jedoch ein vorsätzliches Handeln im Sinn des § 5 StGB (RIS‑Justiz RS0088967; vgl zu den Begriffen der Undeutlichkeit und Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5: RIS‑Justiz RS0099425, RS0089983, RS0099431).
Dass der Betroffene in der Hauptverhandlung leugnete, gegen die Beine des Opfers getreten zu haben, haben die Tatrichter in der Beweiswürdigung berücksichtigt (US 7), weshalb Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht gegeben ist.
Entgegen dem weiteren Vorbringen (inhaltlich Z 5 letzter Fall) schilderte das Opfer bei seiner Zeugenvernehmung sehr wohl eine Gewaltanwendung durch den Betroffenen (US 7, ON 43 S 13). Warum es entscheidend (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399) sein sollte, ob der Betroffene mit seinen Tritten und Stößen das Opfer traf, bleibt offen. Der Beschwerdeführer verkennt außerdem, dass auch das Reißen an der vom Opfer getragenen Handtasche, wobei die Henkel abrissen, Gewaltanwendung gegen eine Person darstellt (RIS‑Justiz RS0093941 [T6, T8, T15, T18]).
Ein § 281 Abs 1 Z 5a StPO entsprechendes Vorbringen wurde nicht erstattet.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert, es lägen keine Feststellungen betreffend das Ausüben von Gewalt gegen eine Person vor, legt sie nicht dar, weshalb die Feststellungen auf US 4 eine Subsumtion unter den Gewaltbegriff des § 142 Abs 1 StGB nicht tragen sollten.
Indem die weitere Beschwerde ausführt, der Betroffene habe darauf hingewiesen, er wolle im Falle seiner Freilassung seine Medikamente einnehmen, wird betreffend die Gefährlichkeitsprognose keine der in § 21 StGB genannten Erkenntisquellen (Person, Zustand und Art der Tat) in Frage gestellt (Z 11 zweiter Fall), sondern ein bloßes Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0118581).
In der Kritik am Unterbleiben der bedingten Nachsicht der Unterbringung (Z 11 zweiter Fall) ist gleichfalls bloß ein Berufungsvorbringen zu erblicken (vgl Ratz in WK 2 StGB § 45 Rz 14; RIS‑Justiz RS0099865).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
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