European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00054.14D.0828.000
Spruch:
Im Verfahren AZ 61 Hv 38/09t des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen
1./ die mit Verfügung vom 5. September 2012, GZ 61 Hv 38/09t‑46, erfolgte Verständigung des Strafregisteramts gemäß § 5 Abs 1 StRegG, soweit bei der Berichtigung zu B./ die Anführung des § 27 Abs 2 SMG unterblieb,
2./ die im Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. Dezember 2012, GZ 61 Hv 38/09t‑51, vertretene und im Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 12. März 2013, AZ 17 Bs 32/13z, geteilte Rechtsansicht, wonach für die Eintragung in das Strafregister bzw für die Berichtigung einer früheren Mitteilung der vom erkennenden Gericht gemäß § 260 Abs 1 Z 2 StPO ergangene Schuldspruch auch dann maßgeblich ist, wenn der Oberste Gerichtshof dessen (teilweise) Unrichtigkeit in einer Entscheidung festgestellt, insoweit ein Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO aber nicht für notwendig erachtet hat, demnach eine ‑ für die Berichtigung des Strafregisters erforderlich gehaltene ‑ Korrektur der unrichtigen Bezeichnung einer strafbaren Handlung nicht erfolgt ist und daran auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu §§ 290 Abs 1 und 295 Abs 1 StPO nichts zu ändern vermag, deren Bezugspunkt ausschließlich die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Berufung ist,
§ 3 Abs 1 (idF vor BGBl I 2013/161), Abs 2 Z 5 und § 5 Abs 1 StRegG.
Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, die Landespolizeidirektion Wien von der Verurteilung des Sekou K***** zu GZ 61 Hv 38/09t‑17 des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Juli 2009 zu B./ (auch) wegen § 27 Abs 2 SMG zu verständigen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Juli 2009, GZ 61 Hv 38/09t‑17, wurde Sekou K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und 15 Abs 1 StGB (A./) sowie (richtig:) der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.
Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 29. Oktober 2009, AZ 12 Os 139/09x (ON 27), zurück. In dieser Entscheidung wurde ‑ soweit hier von Relevanz - angemerkt, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen zum Erwerb und Besitz von Marihuana ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des Angeklagten die privilegierende Strafbestimmung des § 27 Abs 2 SMG zur Anwendung hätte kommen müssen. Da dies in Ansehung der richtig nach § 28a Abs 2 SMG vorgenommenen Strafzumessung ohne nachteilige Auswirkung für den Angeklagten blieb, bedurfte es keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO, zumal keine ‑ dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende ‑ Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO bestand (RIS‑Justiz RS0118870).
Mit Urteil vom 16. Dezember 2009, AZ 17 Bs 396/09y (ON 32), gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung des Angeklagten nicht Folge. Die erstinstanzlich verhängte Freiheitsstrafe erachtete es auch unter Berücksichtigung des Umstands der (vom Obersten Gerichtshof aufgezeigten) unrichtigen Subsumtion (US 3) als schuld‑ und tatangemessen.
Das Erstgericht ordnete unter Punkt 3./ der Endverfügung vom 22. Dezember 2009 (ON 34) die Verständigung des Strafregisteramts (von der Verurteilung) mittels Strafkarte (StReg1) an. Nach dem VJ‑Ausdruck der am 23. Dezember 2009 abgefertigten Strafkarte wurden darin die strafbaren Handlungen ‑ ersichtlich aufgrund teilweisen Irrtums bei der Aus‑ und Abfertigung ‑ mit „§ 28a Abs 2 Z 1 SMG; § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG; § 28 Abs 1 fünfter Fall SMG“ angegeben.
Über mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 8. August 2012, BMJ‑4052655/0001‑IV 7/2012, initiiertes Ersuchen des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. August 2012 betreffend Berichtigung des Strafregisters bezüglich des fehlenden Hinweises auf § 15 StGB und ‑ im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung vorzunehmender ‑ Prüfung in Bezug auf die Aufnahme der Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG (ON 43), ordnete die Vorsitzende mit Verfügung vom 5. September 2012 (ON 46) die Verständigung des Strafregisteramts gemäß § 5 Abs 1 StRegG an, wonach die Eintragung zur Verurteilung zu AZ 61 Hv 38/09t des Landesgerichts für Strafsachen Wien „richtig zu lauten hat (unter Entfall der Zitierung des § 28 Abs 1 fünfter Fall SMG):
A./ § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG
B./ § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG“.
In der Mitteilung an den Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. September 2012 erachtete sie eine Berichtigung des Strafregisters im darüber hinausgehenden Umfang aus den im nachfolgenden Zurückweisungsbeschluss angeführten Gründen für nicht erforderlich (ON 45).
Mit Beschluss vom 31. Dezember 2012, GZ 61 Hv 38/09t‑51, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Berichtigung der Strafregistereintragung durch Anführung auch des § 15 StGB beim Schuldspruch A./ und des Abs 2 des § 27 SMG beim Schuldspruch B./ mangels Antragslegitimation zurück. Davon abgesehen, sei eine Berichtigung des Strafregisters auch nicht erforderlich, weil § 3 Abs 2 Z 5 StRegG nicht auf die Erscheinungsform der Straftat, derentwegen die Verurteilung erfolgt ist, abstellt, § 15 StGB auf die „Bezeichnung der strafbaren Handlung“ keinen Einfluss nimmt und daher nicht in der Strafkarte anzuführen ist. Die privilegierende Bestimmung des § 27 Abs 2 SMG könne in das Strafregister nicht aufgenommen werden, weil der Wortlaut der §§ 2 Abs 1 Z 1 und 3 Abs 1 und Abs 2 Z 5 StRegG das Gericht zur Eintragung des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) des Sekou K***** wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG verpflichtete, der mangels eines Vorgehens des Obersten Gerichtshofs nach § 290 Abs 1 StPO unberührt blieb. Eine ‑ von der Staatsanwaltschaft beantragte -Berichtigung des Strafregisters durch eine formlose Mitteilung iSd § 5 Abs 1 StRegG hätte zur Voraussetzung, dass die im Strafregister enthaltenen Angaben über eine Verurteilung unrichtig sind, also die Eintragungen insbesonders nicht mit dem Entscheidungsinhalt iSd § 3 Abs 1 (richtig: Abs 2) Z 5 StRegG übereinstimmen. Bei unrichtiger Bezeichnung der strafbaren Handlung, derentwegen die Verurteilung erfolgt ist, bedürfe es zunächst einer tatsächlich korrigierenden Entscheidung eines zuständigen Richters, die im vorliegenden Fall weder durch den Obersten Gerichtshof erfolgte (vgl § 290 Abs 1 StPO), noch durch das Erstgericht bewirkt werden kann (vgl § 270 Abs 3 StPO unter weiterem Hinweis auf RIS‑Justiz RS0107405). Daran vermöge auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu §§ 290 Abs 1 und 295 Abs 1 StPO (vgl RIS‑Justiz RS0118870) nichts zu ändern, deren Bezugspunkt ausschließlich die Entscheidung des Oberlandegerichts über die Berufung sei (ON 51 S 3 f).
Mit Beschluss vom 12. März 2013, AZ 17 Bs 32/13z (ON 57), gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 52) nicht Folge, weil ‑ soweit hier von Relevanz ‑ eine amtswegige Berichtigung der Strafregistereintragung aus den als zutreffend erachteten Erwägungen des Erstgerichts nicht geboten sei (ON 57 S 11).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 61 Hv 38/09t des Landesgerichts für Strafsachen Wien das Gesetz verletzt:
Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 StRegG sind in das Strafregister ua alle rechtskräftigen Verurteilungen durch inländische Strafgerichte aufzunehmen. Nach § 3 Abs 1 StRegG in der hier relevanten Fassung vor BGBl I 2013/161 haben die in erster Instanz erkennenden Gerichte der Bundespolizeidirektion (nunmehr Landespolizeidirektion) Wien die Verurteilung nach Eintritt der Rechtskraft durch Übersendung von Strafkarten mitzuteilen, die entsprechend Abs 2 Z 5 leg cit die Bezeichnung der strafbaren Handlung, derentwegen die Verurteilung erfolgt ist, und die Zeit ihrer Begehung zu enthalten haben.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, von der abzugehen kein Anlass besteht, hat das Berufungsgericht, sofern sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst sieht, die Bindungsanordnung des § 295 Abs 1 erster Satz StPO zu vernachlässigen und bei seiner Berufungsentscheidung von der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs auszugehen (RIS‑Justiz RS0118870; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 27a; Fabrizy, StPO11 § 295 Rz 1b; kritisch Heigenhauser, JBl 2005, 358). Dementsprechend ist auch das Erstgericht bei der Ausstellung der Endverfügung und der Strafkarte insoweit nicht an seinen eigenen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden, sondern muss ‑ ebenso wie bei der Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 622 ff) ‑ von der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs ausgehen (vgl EvBl‑LS 2012/104, 620 [mit Hinweis Ratz]; Erlass des BMJ vom 15. Februar 2012, BMJ‑S470.004/0001‑IV 3/2011).
Gemäß § 5 Abs 1 StRegG hat ein inländisches Strafgericht, sobald ihm zur Kenntnis gelangt, dass die im Strafregister enthaltenen Angaben über eine Verurteilung unrichtig sind, hievon der Landespolizeidirektion Wien Mitteilung zu machen. Mit Bedacht auf die dargestellte Bindung des Erstgerichts an die Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs waren daher die Nichtaufnahme der Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG beim Schuldspruch B./ in der der Bundespolizeidirektion Wien betreffend Sekou K***** übermittelten Strafkarte sowie die Ablehnung der insoweit nach § 5 Abs 1 StRegG gebotenen Berichtigung verfehlt.
Da bei unterlassener Bedachtnahme gemäß § 31 StGB das Erstgericht im Wege des in § 410 StPO geregelten Verfahrens die im Nach-Urteil verhängte Strafe auch dann als Zusatzstrafe zu deklarieren und dies dem Strafregisteramt mitzuteilen hat, wenn zu einer Reduktion letztlich keine Veranlassung besteht (vgl RIS‑Justiz RS0107405; Ratz in WK2 StGB § 31a Rz 11; Lässig, WK‑StPO § 410 Rz 2), also selbst eine Korrektur auszusprechen hat, ist diese Konstellation mit der hier vorliegenden nicht unmittelbar vergleichbar.
Anzumerken bleibt, dass im Interesse der Aussagekraft einer Strafregisterauskunft auch die „auf die Bezeichnung der strafbaren Handlung, derentwegen die Verurteilung erfolgt ist“ (§ 3 Abs 2 Z 5 StRegG), keinen Einfluss nehmende Entwicklungsstufe einer Tat mitgeteilt werden sollte (vgl EvBl‑LS 2012/104, 620 [mit Hinweis Ratz]; ders kritisch in JBl 2008, 708 [710]).
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