OGH 12Os52/13h

OGH12Os52/13h20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Christa M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 20. März 2013, GZ 7 Hv 4/13t-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christa M***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat sie in W***** und andernorts unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer schizoaffektiven Störung

I./ andere gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ am 18. Mai 2012 Mag. Karin F***** durch die gegenüber Tanja H***** getätigte Äußerung, sie werde H***** jetzt noch nicht erschießen, sondern ihre Sachwalterin, wobei sie einen Zettel mit den Daten der Mag. F***** vorwies;

2./ am 23. Mai 2012 die Polizeibeamten Franz K***** und Josef G***** durch die Äußerung, sie werde diese erschießen lassen;

3./ vor dem 14. September 2012 Regina R***** durch die Äußerung, sie werde sie umbringen lassen;

II./ am 10. Dezember 2012 den Polizeibeamten Norbert P*****, der im Begriff stand, sie in die Justizanstalt W***** einzuliefern, mit Gewalt an dieser Amtshandlung zu hindern versucht, indem sie ihm mehrere Schläge gegen den Kopf versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Der Begründungsmangel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt dann vor, wenn aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache festgestellt wurde, aus welchen konkreten Gründen die Feststellung solcher Tatsachen erfolgte, oder wenn nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (RIS-Justiz RS0117995). Unvollständigkeit im Sinne der Z 5 zweiter Fall ist gegeben, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316). Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0099413). Zudem muss der Begründungsmangel entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0106268) betreffen und der Beschwerdeführer an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nehmen (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504).

Weil es für die Subsumtion unter § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht erforderlich ist, dass die Drohung beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis hervorruft (RIS-Justiz RS0127353; Schwaighofer in WK2 § 107 Rz 5 iVm § 105 Rz 61; Kienapfel/Schroll StudB BT3 § 107 Rz 4 iVm § 105 Rz 43; Jerabek in WK2 § 74 Rz 33; Seiler, SbgK § 107 Rz 3 bis 6 und Rz 10 bis 20; Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 15), betreffen die eben darauf gestützten Einwände der Beschwerdeführerin ebenso wenig wie jene, die Sachwalterin hätte von der Drohung nichts erfahren und hätte als Zeugin vernommen werden müssen (der Sache nach Z 5a, wobei die Aufklärungsrüge nur mit der Behauptung erhoben werden kann, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war; vgl RIS-Justiz RS0115823) entscheidende Tatsachen. Im Übrigen übergeht die Betroffene die ohnehin hiezu angestellten Erwägungen des Erstgerichts (US 6 und 7). Mit der gegen II./ gerichteten Argumentation, die Nichtigkeitswerberin hätte in Anwesenheit von vier Beamten „im letzten Gang“ der Justizanstalt nicht mehr flüchten können, wird kein formales Begründungsdefizit geltend gemacht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394), sondern bloß der Versuch unternommen, die Beweiswürdigung des Erstgerichts gleich einer nur im Verfahren vor Einzelrichtern vorgesehenen Berufung wegen Schuld anzugreifen.

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungs-voraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Einwand erhebt, die Beteiligten hätten gewusst, dass die Betroffene unter Sachwalterschaft stehe, sich daher nicht ernstlich bedroht gefühlt und die Betroffene hätte auch keine entsprechende Absicht gehabt, setzt sie sich über die erstgerichtlichen Feststellungen (US 3 und 4) hinweg und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Ausführung. Die zuletzt erhobene Kritik, es hätten „ergänzende Einvernahmen ... erfolgen müssen“, bedarf mangels Konkretisierung keiner inhaltlichen Erwiderung. Neuerlich als Aufklärungsrüge verstanden genügt es, auf das zuvor im Rahmen der Mängelrüge Ausgeführte zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldete; ON 54 S 30) Berufung folgt (§ 285i StPO).

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