OGH 12Os47/12x

OGH12Os47/12x26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter Pa***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2, § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Oktober 2011, GZ 122 Hv 16/11h-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter Pa***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2, § 161 Abs 1 StGB (I./2./) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3, § 161 Abs 1 StGB (I./1./) und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I./ als Präsident und Generalsekretär, somit leitender Angestellter des Vereins P*****

1./ von Dezember 2007 bis Dezember 2008 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Vereins grob fahrlässig die (zu ergänzen: Schmälerung der) Befriedigung wenigstens eines von dessen Gläubigern in einem nicht feststellbaren, 800.000 Euro nicht übersteigenden Betrag dadurch herbeigeführt, dass er kridaträchtig handelte, indem er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen bzw der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vereins in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb;

2./ von Dezember 2008 bis Mitte Mai 2009 Bestandteile dessen Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung von dessen Gläubigern geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er 87.724 Euro bar vom Konto behob, 33.518 Euro für die Bezahlung eigener Rechnungen und Überweisungen auf sein Konto verwendete und insgesamt 72.369,81 Euro an von ihm kontrollierte Rechtsträger, und zwar die G***** GmbH, Pr*****, Verein für H***** und D***** OG ohne wirtschaftliche Gegenleistung überwies;

II./ zwischen Oktober 2008 und 14. Mai 2009 als Organ einer juristischen Person, nämlich als für finanzielle Angelegenheiten zuständiger Generalsekretär des Vereins P***** Beiträge von dessen Dienstnehmern zur Sozialversicherung dem berechtigten Sozialversicherungs-träger, der Wiener Gebietskrankenkasse in Höhe von 7.060,27 Euro vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 8, 9 lit a und 10 StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.

Insoweit die Mängelrüge zum Schuldspruch II./ spekuliert, die Dienstnehmerbeiträge könnten in der möglicherweise nicht mehr liquiden Endphase des Geschäftsbetriebs einbehalten worden sein, macht sie kein Begründungsdefizit im Sinn eines der Fälle des § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend. Die Urteilsannahme ausreichender finanzieller Mittel zur Bezahlung der Dienstnehmerbeiträge (US 11) stützte das Erstgericht nämlich - mängelfrei - darauf, dass kein Hinweis auf eine gänzlich fehlende Liquidität bestanden hätte und die Verantwortung des Angeklagten, es sei „kein Geld“ vorhanden gewesen (ON 64 S 9) ein Einbekenntnis bestehender Überschuldung darstellte (US 12).

Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer angegeben, es sei „ab Mai“ - gemeint offenbar - 2009 „kein Geld mehr da“ gewesen und nach der (gemäß § 252 Abs 2a StPO in der Hauptverhandlung vorgetragenen) Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse waren im gesamten Zeitraum keine Dienstnehmerbeiträge abgeführt worden (ON 24).

Eine Überschreitung der Anklage betreffend Schuldspruch I./1./ liegt den Ausführungen zuwider nicht vor, weil der Angeklagte ohnedies des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen schuldig erkannt wurde (US 8, 17). Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO bezieht sich nämlich auf die Identität von angeklagtem und urteilsmäßig erledigtem Handlungssubstrat, also darauf, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt meinen (RIS-Justiz RS0119791, RS0121607; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502). Die zutreffende Anmerkung der Rüge, die Wortfolge „Schmälerung der“ vor dem Wort „Befriedigung“ im Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) sei - erkennbar versehentlich (vgl US 8 f) - unterblieben, spricht daher ebensowenig einen Nichtigkeitsgrund an wie die Kritik an der Zitierung des Abs 1 des § 159 StGB im Schuldspruch, weil dies keine zusätzliche Subsumtion, sondern bloß einen Hinweis auf den Grundtatbestand darstellt (vgl § 159 Abs 2 StGB: „Ebenso ist zu bestrafen …“).

Die gesetzmäßige Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565, RS0117247, RS0099724; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Indem die zum Schuldspruch II./ - eventualiter zur Mängelrüge - erhobene Rechtsrüge vermeint, einen Rechtsfehler mangels Aufschlüsselung der Beitragsschuld auf die einzelnen Monate zu erkennen, hält sie an der Urteilstatsache ausreichender finanzieller Mittel zur Begleichung der Dienstnehmerbeiträge nicht fest. Ebensowenig orientiert sie sich mit dem bloßen Anzweifeln kridaträchtigen Handelns iSd § 159 Abs 5 Z 3 StGB an dessen unmissverständlicher Feststellung (US 6 ff).

Die (zum Schulspruch I./2./) eine Verurteilung wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2, § 161 Abs 1 StGB anstrebende, die subjektive Tatseite bestreitende Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt ebenfalls die gesetzmäßige Ausführung. Der Angeklagte beachtet nämlich die Feststellung nicht, wonach er wusste und wollte, dass durch die Entnahmen, Überweisungen und Darlehensgewährungen die Befriedigung zumindest eines der mehreren Gläubiger des Vereins in einem 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag vereitelt oder zumindest geschmälert wurde (US 11), womit unmissverständlich Vorsatz iSd § 5 Abs 1 StGB zum Ausdruck gebracht wird. Der in diesem Zusammenhang vom Nichtigkeitswerber behauptete bloß zeitweilige Ausfall der Forderungseinbringung ist gleichfalls urteilsfremd, weil eine endgültige Schmälerung der Gläubigerbefriedigung festgestellt wurde (US 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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