European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00044.18I.0705.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche (unter anderem zu Vergewaltigungsvorwürfen betreffend Samantha F***** [B./2./ bis 4./]) enthaltenden Urteil wurde Michael K***** der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./1./ bis 3./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (B./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (C./1./ und 2./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (C./1./a./ und b./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (D./) schuldig erkannt.
Danach hat er
A./ in F***** andere am Körper verletzt, und zwar
1./ Samantha F***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 2011 und 2012 durch das Versetzen zumindest eines Stoßes, wodurch sie mit dem Gesicht gegen einen Kasten stieß und dadurch Hämatome im Gesicht erlitt;
2./ Dominic F***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 2013 und 2014 durch das Versetzen eines Trittes, wodurch er auf eine Stiege fiel und Abschürfungen sowie Hämatome an beiden Unterarmen, Händen, Knien und Unterschenkel erlitt;
3./ Laura-Madlen F***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Frühling 2014 durch Schläge gegen Gesicht und Oberkörper, wodurch sie eine Rötung im Gesicht sowie Hämatome am rechten Oberarm und im seitlichen rechten Rippenbereich erlitt;
B./ in F***** zwischen einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2008 bis Ende 2013 in zahlreichen wiederholten Angriffen, jährlich etwa fünf bis sechs Mal, eine wehrlose Person, nämlich die tief schlafende und durch die Einnahme von Schlaftabletten beeinträchtigte Samantha F***** unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht, dass er eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er sie digital penetrierte oder vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
C./ in F***** mit unmündigen Personen den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er
1./ zwischen Sommer 2012 und September 2014 in zumindest zehn Angriffen seinen Finger in die Vagina seiner am 20. November 2001 geborenen Stieftochter Laura‑Madlen F***** einführte und teils versuchte, seinen erigierten Penis einzuführen, wobei er sich teils gleichzeitig selbst mit der Hand befriedigte und die zeitlich zuletzt gesetzte Tat eine schwere Körperverletzung der Laura-Madlen F***** (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte („1.a“);
2./ zwischen Sommer 2013 und September 2014 in zumindest zwei Angriffen an dem Penis seines am 13. März 2004 geborenen Sohnes Dominic F***** Handonanie vornahm, wobei er sich gleichzeitig selbst mit der Hand befriedigte und die zeitlich zuletzt gesetzte Tat eine schwere Körperverletzung des Dominic F***** (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte („2.a“);
D./ durch die zu C./ beschriebenen Taten geschlechtliche Handlungen an seinem leiblichen Sohn und an seiner Stieftochter vorgenommen, „wobei er die Vaterschaft von Laura-Madlen F***** vor diesen Tatzeitpunkten anerkannt hatte“.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, Z 5, Z 5a und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Gregor R***** und Max Kl***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte während der Arbeit nie durch Alkoholkonsum aufgefallen sei und er daher keineswegs fast täglich betrunken gewesen sei, weshalb die Stichhaltigkeit der Opferangaben auch in den sonstigen Aussagen zweifelhaft erscheine“ (ON 82 S 27 iVm ON 26), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Sache nach zielte das Beweisbegehren auf eine Kontrolle der Glaubwürdigkeit der Angaben der Opfer sowie darauf, der Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn auch eine Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben grundsätzlich zulässig ist (RIS‑Justiz RS0098429, RS0028345), ließen sich dem Antragsvorbringen keine – für den Erfolg eines solchen Begehrens erforderlichen (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]) – konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Opfer hätten in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt.
Entsprechendes gilt für den Antrag auf Vernehmung des Matthias F***** zum Beweis dafür, dass dieser und Samantha F***** „den Angeklagten trotz einvernehmlicher Scheidung verfolgen“ würden, wobei dem Beweisbegehren darüber hinaus nicht zu entnehmen war, weshalb die Durchführung des begehrten Zeugenbeweises das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS‑Justiz RS0118444).
Das zur Fundierung des Antrags nachgetragene Beschwerdevorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).
Der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stellt es keinen Widerspruch dar, wenn das Gericht Zeugenangaben zu verschiedenen Fakten einmal als ausreichende Grundlage für einen entsprechenden Schuldspruch einstuft, in anderen Fällen jedoch nicht (vgl RIS‑Justiz RS0098372; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.126). Damit kann aus dem Umstand, dass der Schöffensenat in Bezug auf sexuelle Angriffe gegen Samantha F***** keine Gewaltanwendung feststellen konnte (Schuldspruchfaktum B./ sowie Freispruchfakten B./2./ bis 4./), kein Begründungsmangel in Bezug auf die Annahme einer Körperverletzung zum Nachteil dieses Opfers (Schuldspruch A./1./) abgeleitet werden.
Mit der pauschalen Kritik, wonach die Angaben der Opfer „sehr vage und zeitlich nicht nachvollziehbar bzw zuordenbar“ seien, bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Schuldberufung.
Der Rechtsmitteleinwand, das Erstgericht hätte die Depositionen der Zeugen „A und B“ unberücksichtigt gelassen (Z 5 zweiter Fall), bleibt ohne entsprechende Konkretisierung.
Indem die Beschwerde mit eigenständigen Überlegungen die Stichhaltigkeit der Aussagen der Opfer bezweifelt, auf angeblich unerörtert gebliebene (vgl aber US 12 f, 15) Zeugenangaben (Petra W***** und Corinna M*****) verweist und weiters Verfahrensergebnisse zur fehlenden Alkoholauffälligkeit des Angeklagten an seinem Arbeitsplatz hervorkehrt, bekämpft sie erneut in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung.
Die (der Sache nach aus Z 5a unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge erhobene) Kritik an der unterbliebenen Einholung eines Sachverständigengutachtens zu angeblichen Konfabulationstendenzen der Laura-Madlen F***** lässt offen, inwieweit der Beschwerdeführer an darauf gerichteter (aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützter) Antragstellung gehindert war (vgl RIS‑Justiz RS0115823).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Indem die Beschwerde das Anzeigeverhalten der Opfer als unplausibel erachtet und auf gesundheitliche sowie psychische Probleme der Zeugin Samantha F***** verweist, erweckt sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.
Bleibt anzumerken, dass der in diesem Zusammenhang erhobene Rechtsmitteleinwand, wonach Samantha F***** nach massiven Vorfällen „weitere sexuelle Handlungen (…) gegen ihren Willen zuließ“, unverständlich und damit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.
Indem sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf den Feststellungen angeblich zuwiderlaufende Beweisergebnisse beruft geht sie daran vorbei, dass prozesskonformes Aufzeigen materieller Nichtigkeit stets unbedingtes Festhalten an den getroffenen Konstatierungen erfordert (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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