European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00149.17D.1219.000
Spruch:
Jürgen S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 (ON 74) setzte das Landesgericht für Strafsachen Graz die mit Beschluss vom 4. Juni 2017 über Jürgen S***** verhängte (ON 36) und vom Oberlandesgericht Graz am 29. Juni 2017 zu AZ 10 Bs 167/17k, 10 Bs 177/17f fortgesetzte (ON 46) Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fort.
Nachdem der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 18. Oktober 2017 einen Enthaftungsantrag gestellt hatte (ON 85a S 24), ordnete das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom selben Tag (ON 86) erneut die Haftfortsetzung aus den bisherigen Gründen an. Unter einem bestimmte es die Substituierbarkeit der Haft gegen Leistung einer Sicherheit von 500.000 Euro und weitere gelindere Mittel nach § 173 Abs 5 Z 1, Z 4, Z 5 und Z 6 StPO.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Graz den Beschwerden des Jürgen S***** (ON 75, 87) gegen diese beiden Beschlüsse – soweit hier von Relevanz – nicht Folge und sprach aus, dass die Untersuchungshaft aus den schon vom Erstgericht angenommenen Gründen fortzusetzen, jedoch gegen eine Kaution von 500.000 Euro sowie die vom Landesgericht für Strafsachen Graz angeführten gelinderen Mittel aufzuheben ist.
Dabei erachtete das Beschwerdegericht Jürgen S***** dringend verdächtig, er habe in H***** und an anderen Orten
I./ die ihm als handelsrechtlichem Geschäftsführer der R***** GmbH ***** durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft sowie jenes der Objekt Alpha R***** GmbH & Co KG *****, der Objekt Beta R***** GmbH & Co KG ***** und der Objekt Penthouse R***** GmbH & Co KG ***** zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch die genannten Gesellschaften in dem 300.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag von 589.768 Euro am Vermögen geschädigt hat, indem er
1./ im Mai 2010 Reinhold K***** betrieblich nicht veranlasste Rabatte der Objekt Alpha R***** GmbH & Co KG, der Objekt Beta R***** GmbH & Co KG und der Objekt Penthouse R***** GmbH & Co KG von insgesamt 24.768 Euro auf das Entgelt für den Kauf der Wohnungen Top 38, 61, 62 und 71 des Projekts R***** als Gegenleistung für die von der K***** GmbH gegenüber der G***** Holding GmbH erbrachten Bauleistung gewährte;
2./ im September 2010 44.000 Euro aus Mitteln der R***** GmbH für der G***** Holding GmbH erbrachte Leistungen der W***** – W***** GmbH bezahlte;
3./ im November 2010 mit Forderungen der R***** GmbH im Ausmaß von 521.000 Euro gegen Forderungen der J***** GmbH und der P***** GmbH gegenüber der S***** GmbH aufrechnete;
II./ im Zeitraum vom 6. August 2010 bis zum 28. März 2012 als Geschäftsführer der G***** Holding GmbH (ON 46 S 10 iVm ON 105 S 4) deren Vermögen durch Veräußerung eines Teils der Liegenschaft EZ 1119 KG ***** um einen zumindest um 542.000 Euro unter den Entstehungskosten liegenden Kaufpreis vorsätzlich verringert und dadurch die Befriedigung zumindest eines ihrer Gläubiger, und zwar der S***** AG in dem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß von 542.000 Euro vereitelt.
In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Beschwerdegericht dieses Verhalten als Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I./) sowie als Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 iVm § 161 Abs 1 StGB (II./).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts sowie gegen die Höhe der Kaution gerichtete Grundrechtsbeschwerde des Jürgen S*****.
Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=13Os125/06s&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True EvBl 2007/47, 252; RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0061004&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T5], http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0112012&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T5] und http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0121605&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T3]).
Demzufolge kann die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Judikatur nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0110146, RS0112012 [T6] und http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0114488&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [insbesondere T2]).
Überdies gilt im Verfahren über Grundrechtsbeschwerden das Neuerungsverbot, maßgebender Zeitpunkt für die Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ist somit die Beschlussfassung durch das Oberlandesgericht (RIS-Justiz RS0106584; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 12).
Diese Anfechtungskriterien verfehlt das nach Art einer Schuldberufung bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts gerichtete, die gebotene Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Beschwerdegerichts (ON 105 S 4 ff iVm ON 46 S 4 bis 8 und 10 bis 12) vermissen lassende Vorbringen.
Soweit die Beschwerde eine Abschwächung des Tatverdachts mit Bezugnahme auf Ergebnisse der Hauptverhandlungen vom 8. November 2017 (ON 103) sowie vom 22. November 2017 (ON 117) und den Bericht des Landeskriminalamts Steiermark vom 21. November 2017 (ON 116) behauptet, argumentiert sie bloß mit Verfahrensergebnissen, die dem Oberlandesgericht zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht zur Verfügung standen.
Die gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz erhobenen Einwände gehen daran vorbei, dass Gegenstand der Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde immer nur die letztinstanzliche Entscheidung selbst sein kann (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 46 mwN).
Die Höhe einer Kaution ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes nur insoweit relevant, als sie nicht unverhältnismäßig in Relation sowohl zu den persönlichen Verhältnissen einschließlich der finanziellen Lage des Angeklagten als auch zum Gewicht der Straftat und ihren Folgen sei, mit anderen Worten ihre Festsetzung nicht willkürlich erfolgen darf (RIS-Justiz RS0126238; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 61; vgl auch Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 180 Rz 7; EGMR 28. 9. 2010 [GK], 12050/04, Mangouras/Spanien
).
Das Beschwerdegericht hat das diesbezügliche Vorbringen der Haftbeschwerde, wonach sich der Angeklagte zufolge Entziehung seines Vermögens durch Privatinsolvenz zur Erbringung der Sicherheitsleistung seiner Eltern bedienen müsse, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geradezu willkürlich nicht berücksichtigt worden sei (ON 87), erörtert. Zudem hat es auf den hohen Erfolgsunwert der dem Angeklagten angelasteten Verbrechen und den bislang nach dem Anlassbericht der Steuerfahndung vom 15. Mai 2017 (ON 24) nicht geklärten Verbleib von verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von 246.123,28 Euro der S***** GmbH an den Beschwerdeführer (ON 24 S 21) hingewiesen, sodass davon auszugehen sei, diesem stehe ein entsprechender Fluchtfonds zur Verfügung. Auch mit der Höhe der Kaution hat sich das Oberlandesgericht eingehend auseinandergesetzt (BS 8 ff), wobei die unsubstantiierte Beschwerdebehauptung, wonach eine Orientierung der Kautionshöhe am laut dringender Verdachtslage angenommenen Schadensumfang unzulässig sei, überdies keine Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 oder Z 5a StPO anspricht.
Die im erwähnten Bericht der Steuerfahndung (ON 24) eingeräumte mangelnde Nachvollziehbarkeit der buchhalterischen Erfassung der Vorgänge bei der S***** GmbH bzw bei Jürgen S***** (ON 24 S 23) steht den Erwägungen des Oberlandesgerichts dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht entgegen.
Eine willkürliche Festsetzung der Kautionshöhe liegt somit entgegen der Grundrechtsbeschwerde nicht vor.
Diese war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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