European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00122.14D.1127.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian L***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im Zeitraum von (richtig:) 1. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2004 in H*****P***** und E***** bei G***** in zwei Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an der am 18. Februar 1996 geborenen Stefanie L***** vorgenommen, indem er sie jeweils an ihrer nackten Scheide betastete.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der vom Beschwerdeführer behauptete „Widerspruch“ zwischen der Feststellung des (mit Blick auf das Schutzalter des Opfers hier entscheidenden: RIS‑Justiz RS0098557 [T10, T14]) Tatzeitraums in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; US 2) und deren (verfehltem) Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO [US 1]) beruht ‑ bei gebotener Gesamtschau der Entscheidungsgründe ‑ auf einem offenkundigen Schreibfehler im Hauptverhandlungsprotokoll und (von dort ersichtlich übernommen) in der schriftlichen Ausfertigung des Urteilsspruchs.
Aus der Feststellung des Geburtsdatums des Opfers mit 18. Februar 1996 in Verbindung mit der Konstatierung geschlechtlicher Handlungen mit einer unmündigen Person (US 2 f), der Erwähnung des Alters des Opfers mit „erst sieben oder acht Jahren“ zu den Tatzeitpunkten und mit dem Hinweis auf den längeren, seit der Tat verstrichenen Zeitraum (jeweils US 4) ergibt sich zweifelsfrei, dass die Tatrichter von einer ‑ in diesem Sinn auch angeklagten - Tatbegehung zwischen 1. Jänner 2003 und 31. Dezember 2004 ausgingen, wie sie dies auch in den Entscheidungsgründen feststellten (US 2). Ein längeres Zurückliegen der Taten wäre bei einem mit 1. Jänner 2013 beginnenden Tatzeitraum nicht gegeben, während ein (auch derzeit noch in der Zukunft liegendes) Ende des Tatzeitraums mit 31. Dezember 2014 überhaupt ausscheidet. Nicht zuletzt wäre der im Referat der entscheidenden Tatsachen angeführte Tatzeitraum auch wegen der im Urteilszeitpunkt bereits in Vollzug stehenden, seit 15. Mai 2012 rechtskräftig verhängten vierjährigen Freiheitsstrafe (US 2) unmöglich.
Das somit zweifelsfreie Vorliegen eines bloßen Schreibfehlers begründet keinen Widerspruch im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440).
Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter bei den Feststellungen zum „zweiten Vorfall“ im Freibad E***** mit den Angaben der Zeugen Stefanie L***** (US 3 f), Veronika L***** (US 5) und Gerhard F***** (US 5) auseinandergesetzt und auch dargelegt, weshalb die eine vorsätzliche Berührung des Opfers leugnenden Angaben des Angeklagten als Schutzbehauptung verworfen wurden (US 4). Dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war das Erstgericht dabei nicht gehalten, die Aussagen des Angeklagten und der genannten Zeugen in all ihren Details gesondert zu erörtern. Die von den erkennenden Richtern auch aus dem äußeren Geschehen abgeleiteten (US 5 vierter Absatz) Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind im Übrigen auch unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu bemängeln, zumal der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen oder Wollen nicht zu beanstanden und bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882).
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der „
Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sein kann (RIS‑Justiz RS0102162).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem neuerlichen Verweis auf die Verantwortung des Angeklagten und besonders hervorgehobene Passagen der Angaben der Zeugen Stefanie L*****, Veronika L***** und Gerhard F***** keine nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierenden Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583) an der Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu erwecken. Der Beschwerdeführer stellt den von den Tatrichtern aus den angeführten Beweisen abgeleiteten Schlüssen (US 4 f) vielmehr bloß für ihn günstigere Schlussfolgerungen gegenüber und bekämpft damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den Feststellungen zum gezielten (unter der Badebekleidung erfolgten und auch nach dem Versuch von Stefanie L*****, dem Angeklagten zu entkommen, fortgesetzten) Streicheln der nackten Schamlippen des Opfers (US 3) und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb hier nicht von einer geschlechtlichen Handlung (RIS‑Justiz RS0095186 [T4], RS0095194, RS0102142) auszugehen gewesen wäre.
Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter und dritter Fall) verkennt, dass bei nachträglicher Verurteilung gemäß § 31 Abs 1 StGB die Strafbemessung mit Rücksicht auf die neu hinzugekommenen Strafzumessungsgründe nach Maßgabe jener vorzunehmen ist, die im damaligen Verfahren richtigerweise heranzuziehen gewesen wären (§ 40 erster Satz StGB; vgl dazu Ratz in WK2 StGB § 40 Rz 2), und weder die Annahme des Zusammentreffens von zwei Verbrechen mit einer Vielzahl von Vergehen und darüber hinaus die Fortsetzung über einen längeren Zeitraum als erschwerend (vgl 11 Os 27/05p) noch die Wertung des geringen Alters des Opfers (mit Blick auf die Altersgrenze von vierzehn Jahren) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot begründet (RIS‑Justiz RS0090958).
Auch die Kritik am Unterbleiben (teil‑)bedingter Strafnachsicht aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen (US 6 vorletzter Absatz) zeigt keinen unvertretbaren Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung auf, sondern macht lediglich einen Berufungsgrund geltend (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu ergangenen Äußerung der Verteidigung bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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