European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00119.23A.1123.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Jugendstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden.
* A* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * K* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II./) und * A* sowie * N* jeweils des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (I./) und des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben am 7. Jänner 2023 in H*
„I. * A* und * N* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, * K* mit Gewalt sowie durch gefährliche Drohung zu einer Handlung genötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, und zwar zur Ausführung eines Raubes zum Nachteil der B*‑Filiale H* und zur Übergabe der Raubbeute in Höhe von EUR 5.200,00, indem
1) * A* den * K* – nach einem aus Feigheit nicht durchgeführten Überfall auf eine T*-Filiale – mit der Faust schlug, und * N* ihn durch Anschreien durch konkludente Androhung von weiteren Körperverletzungen einschüchterte;
2) * A* ihm insbesondere Mobiltelefon und Geldbörse abnahm und drohte, dass er diese Sachen erst nach Durchführung eines Raubes zurück bekommen würde;
3) * A* den * K* – nach einem zuerst nicht gewagten Überfall auf die B*-Filiale – abermals schlug und sinngemäß androhte, er könne das bis Mitternacht mit ihm machen, aber vorher (bis zur Durchführung des Raubes) würde K* nicht nach Hause gehen dürfen, und * N* ihn erneut durch Anschreien durch konkludente Androhung von weiteren Körperverletzungen einschüchterte;
II. * K*, * A* und * N* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von zumindest EUR 5.200,00 Verfügungsberechtigten der B*-Filiale H* mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem * K* die Kassiererin * P* von hinten mit zumindest einer Hand an der linken Schulter erfasste und ihr einen Stoß nach rechts versetzte, um sie von der offenen Kassenlade wegzudrängen, daraufhin zumindest EUR 5.200,00 Bargeld aus der Kassenlade ergriff und im Zuge der Flucht aus der Filiale sich aus dem Festhaltegriff der * P* losriss, sowie sich aus dem Festhaltegriff der Angestellten * S* losriss, sodass * S* rücklings zu Boden fiel,
wobei * A* und * N* den * K* durch die in Punkt I. dargestellte gefährliche Drohung sowie durch Absprache mit A* zur Ausführung der Tat bestimmten
und * A* und * N* zur Ausführung des Raubes insoweit beitrugen, als sie ihn gemeinsam zur B*-Filiale begleiteten und A* in der Nähe wartete, während N* tatplanmäßig mit K* in die Filiale ging und dort zwei Dosen Energy-Drinks kaufte, damit K* beim Öffnen der Kassenlade den abgesprochenen Raub begehen konnte.“
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*. Sie verfehlt ihr Ziel.
[4] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich der Schöffensenat mit der Einlassung des Angeklagten K* ohnedies befasst und dabei auch Abweichungen in seinen Angaben berücksichtigt (US 10). Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) waren die Tatrichter jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Details seiner Aussage zu erörtern.
[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht vor dem Hintergrund der dem Beschwerdeführer angelasteten Bestimmungstäterschaft (§ 12 zweiter Fall StGB) nicht klar, welche Feststellungen in Bezug auf die Gewaltanwendung zusätzlich erforderlich gewesen wären. Bleibt lediglich anzumerken, dass die auszuführende strafbare Handlung nicht in allen Einzelheiten festgelegt werden muss (RIS‑Justiz RS0089717; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 12 Rz 10).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[7] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde (§ 285i StPO, § 498 Abs 3 StPO).
Klarstellend ist zu bemerken:
[8] Zwar kann eine strafbare Bestimmung (§ 12 zweiter Fall StGB) auch in Form einer – damit echt ideal konkurrierenden – strafbaren Handlung erfolgen (vgl etwa RIS‑Justiz RS0109970, RS0090837; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 12 Rz 10).
[9] Vorliegend trifft jedoch die (der Anklageschrift [ON 44] und der Entscheidung des Oberlandesgerichts über den Anklageeinspruch [ON 49] folgende) rechtliche Annahme des Erstgerichts, die Angeklagten A* und N* hätten durch das ihnen angelastete Verhalten neben dem Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB auch noch das Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (I./) verwirklicht, nicht zu. Denn die den Angeklagten angelasteten Vermögensangriffe und deren jeweils damit einhergehende Bereicherungsvorsatz zielten (tateinheitlich) auf dieselben Sachwerte desselben Opfers ab (vgl auch die Konstatierungen US 8, 9), welcher Umstand ihnen aber nicht zweifach angelastet werden kann. In der vorliegenden Konstellation wird der Vermögensaspekt der Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) zum Nachteil des Angeklagten K* von der zugleich erfolgten Bestimmung (§ 12 zweiter Fall StGB) zur Begehung des (strenger strafbedrohten) Raubes (§ 142 Abs 1 StGB) konsumiert (vgl dazu Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 57 ff).
[10] Damit wäre das den Angeklagten A* und N* zu I./ des Schuldspruchs angelastete Verhalten (bloß) als in echter Idealkonkurrenz verwirklichtes (erneut dazu RIS‑Justiz RS0109970; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 12 Rz 10) Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zu beurteilen gewesen.
[11] Zu einem amtswegigen Vorgehen (§ 290 Abs 1 StPO) sah sich der Oberste Gerichtshof mangels konkreten Nachteils für die genannten Angeklagten nicht veranlasst (vgl RIS‑Justiz RS0114927, RS0095389). Zwar hat das Erstgericht das Zusammentreffen von „zwei Verbrechen“ als erschwerend gewertet (US 14). Damit hat es aber bloß den auch bei richtiger rechtlicher Beurteilung vorliegenden Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von strafbaren Handlungen nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB zum Ausdruck gebracht, ohne den im Vergleich zu einer Nötigung (§ 105 Abs 1 StGB) höheren Unrechtsgehalt einer Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) eigens in Rechnung zu stellen (§ 32 Abs 2 StGB). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht an die verfehlte Subsumtion nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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