OGH 12Ns32/19f

OGH12Ns32/19f14.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen *****, AZ D 61/11, D 70/11, D 156/11 (DV 28/12, DV 29/12, DV 30/12) des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag des Disziplinarbeschuldigten auf Ablehnung des Anwaltsrichters Dr. W***** wegen Ausschließung gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120NS00032.19F.0514.000

 

Spruch:

Anwaltsrichter Dr. W***** ist von der Entscheidung über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt ***** gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Dezember 2017, AZ D 61/11, D 70/11 und D 156/11 (DV 28/12, DV 29/12, DV 30/12), nicht ausgeschlossen.

 

Gründe:

Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 26 Ds 12/18s über die im Spruch genannte Berufung des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt ***** zu entscheiden.

Der Disziplinarbeschuldigte zeigte die Ausgeschlossenheit des Anwaltsrichters Dr. W***** an, weil dieser gegen ihn wiederholt unberechtigt Disziplinaranzeigen erstattet habe. Die Vorwürfe hätten sich als haltlos erwiesen, er sei zu 26 Os 12/16h und 26 Os 9/15s freigesprochen worden. In einem weiteren Disziplinarverfahren (D 77/12) habe sich der als Untersuchungskommissär eingesetzte Dr. W***** für befangen erklärt und sei abgesetzt worden.

Anwaltsrichter Dr. W***** erklärte in seiner Stellungnahme, sich nicht für befangen zu erachten. Er habe im August 2009 aufgrund des Verhaltens des Rechtsanwalts ***** eine Sachverhaltsbekanntgabe bei der Rechtsanwaltskammer Wien eingebracht und im März 2017 die Verständigung über die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens (AZ D 139/09) erhalten. In einem weiteren gegen ***** geführten Verfahren sei er im Jahr 2012 zum Untersuchungskommissär bestellt worden und habe aufgrund des damals noch anhängigen Verfahrens AZ D 139/09 seine Befangenheit angezeigt. Zwischenzeitig sei es in einem zivilgerichtlichen Verfahren zu unauffälligen beruflichen Kontakten zwischen ihm und dem Disziplinarbeschuldigten als Rechtsvertreter der Gegenpartei gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Der relevante Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Anwaltsrichter Dr. W***** hat im August 2009 bei der Rechtsanwaltskammer Wien eine Sachverhaltsbekanntgabe eingebracht, die den Vorwurf eines ungebührlichen Verhaltens des Disziplinarbeschuldigten ***** im Zusammenhang mit einer zwischen ihm und dem Anzeiger geführten beruflichen Korrespondenz im Juli 2009 betraf. Dieses Disziplinarverfahren (AZ D 139/09) wurde am 19. April 2016 mit rechtskräftigem Freispruch beendet (26 Os 9/15s). Im gegen ***** geführten Disziplinarverfahren der Rechtsanwaltskammer Wien, AZ D 77/12, erklärte Anwaltsrichter Dr. W*****, nachdem er im Mai 2012 zum Untersuchungskommissär bestellt worden war, aufgrund des noch anhängigen Disziplinarverfahrens AZ D 139/09 seine Befangenheit.

Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0097086 [T5]; Lässig,WK‑StPO § 43 Rz 10 f mwN).

Dies ist angesichts der oben dargelegten Konstellation einer zehn Jahre zurückliegenden, im beruflichen Zusammenhang erfolgten Anzeigenerstattung des Anwaltsrichters gegen den Disziplinarbeschuldigten in einem nunmehr rechtskräftig beendeten Disziplinarverfahren und bei zwischenzeitig unauffälligem Kontakt der Parteien in Ausübung ihrer Berufstätigkeit nicht der Fall.

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