OGH 11Os88/15y

OGH11Os88/15y17.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zoltan P***** und Laszlo I***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster, dritter und vierter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 17. April 2015, GZ 25 Hv 103/14t‑232, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00088.15Y.0917.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch A./ zugrundeliegenden Taten (auch) unter § 130 erster, dritter und vierter Fall StGB, demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie im Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Zoltan P***** und Laszlo I***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster, dritter und vierter Fall, 15 StGB (A./), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e (richtig:) Abs 3 StGB (C./) schuldig erkannt.

Nach § 20 Abs 1 (richtig: Abs 3) StGB wurde „betreffend beide Angeklagten jeweils ein Betrag von 22.000 Euro für verfallen“ erklärt (US 7).

Inhaltlich der Schuldsprüche haben sie ‑ zusammengefasst wiedergegeben ‑ zwischen 10. und 14. Jänner 2014 in S***** und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

A./ gewerbsmäßig und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen, schweren Diebstählen und Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, anderen fremde Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht und zwar in 25 im Urteilsspruch im Detail bezeichneten Angriffen aus Einfamilienhäusern und Kraftfahrzeugen Bargeld, Schmuck, Uhren, Mobiltelefone und Taschen;

B./ Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem sie bei mehreren, im Urteilsspruch im Detail bezeichneten, unter A./ genannten Taten Zulassungsscheine, Führerscheine, E‑Cards und Mitgliedskarten an sich nahmen;

C./ unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, indem sie bei mehreren, im Urteilsspruch im Detail bezeichneten, unter A./ genannten Taten Kredit‑ und Bankomatkarten an sich nahmen.

Der Angeklagte Zoltan P***** erhebt gegen seine Schuldsprüche eine auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, während der Angeklagte Laszlo I***** seine Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 2, 3, 4, 5 und 9 (zu ergänzen: lit a) leg cit bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zoltan P*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag des Angeklagten auf fotogrammetrische Auswertung der an einigen Tatorten festgestellten Schuhabdruckspuren (US 11, 14) und auf Vergleich mit jenen Schuhen, die der Antragsteller gerade in der Justizanstalt trug (ON 213 S 51), zu Recht abgewiesen (ON 213 S 53 f; vgl auch US 13), weil der Antrag nicht erklärte, wie ein Spurenvergleich ohne sicheres und taugliches Vergleichsmaterial stattfinden soll. Selbst der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung an, die zu diesem Zeitpunkt von ihm getragenen Schuhe der Größe 45 „von einem hier“, also nach den Taten, gekauft zu haben (ON 231 S 23).

Die Mängelrüge (Z 5) unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0116504, RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281

Rz 455). Mit der isolierten Hervorhebung bloß von Teilen der Erwägungen der Tatrichter vernachlässigt sie deren Darlegung, die Täterschaft würde sich aus einer Mehrzahl von ‑ anschließend näher bezeichneten ‑ Umständen ergeben (US 11, 12 und 14). Die Kritik, dass die von der Beschwerde jeweils einzeln zitierten Indizien für sich allein für einen Schuldbeweis nicht ausreichen würden, zeigt kein Begründungsdefizit auf, sondern bekämpft in dieser Form unzulässig bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Den weiteren Ausführungen zuwider (Z 5 vierter Fall) setzte sich das Schöffengericht ohnehin damit auseinander, dass der Zeuge Armin K***** die von den Angeklagten verwendete Sprache als „eher nicht“ ungarisch eingeschätzt hatte, gelangte aber ‑ willkürfrei ‑ zu dem Ergebnis, dass sich der Zeuge geirrt haben dürfte, weil er nur einen kurzen Zuruf gehört habe (US 12).

Der Einwand fehlender Erörterung (Z 5 [richtig:] zweiter Fall) der Deposition des Zeugen Franz S*****, bei der Rufdatenrückerfassung bestehe eine gewisse Bandbreite bei der Standortbestimmung (ON 213 S 42), geht fehl, weil das Erstgericht ohnedies nur von einem Nahbereich der Tatorte ausging, in welchem die Ferngespräche stattgefunden hatten (US 12).

Schließlich vermag die Mängelrüge (Z 5 zweiter, vierter Fall) im Zusammenhang mit den von den Angeklagten behaupteten Casinobesuchen zur Nachtzeit ein Begründungsdefizit nicht aufzuzeigen, weil die Tatrichter ohnehin von tatsächlich erfolgten Casinoaufenthalten ausgingen (US 10), aber auch mitberücksichtigten, dass das Casino ohne Kontrolle wieder verlassen werden kann (US 14).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) führt Umstände ins Treffen, die dem Angeklagten die vorliegenden Beweisergebnisse als zu seiner Überführung nicht ausreichend erscheinen lassen, und zwar die Entfernung von 300 m zwischen einem der Tatorte und dem Fundort einer (erst kurz davor entsorgten) Zigarettenkippe mit dem DNA‑Profil des Erstangeklagten, die Standortungenauigkeit bei der Rufdatenauswertung, die Unerheblichkeit des in der Schweiz erfolgten Zugestehens von Einbruchsdiebstählen ebendort und die ‑ schon erwähnte ‑ Deposition des Zeugen K***** über die Sprache der Täter.

Damit versucht sie lediglich, die tatrichterliche Beweiswürdigung anzuzweifeln, ohne Bedenken erheblicher Art gegen die aufgrund einer Fülle belastender Indizien zustande gekommenen Sachverhaltsannahmen erwecken zu können.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Laszlo I*****:

Entgegen dem Widerspruch des Beschwerdeführers wurden in der Hauptverhandlung die „Daten einer Nachrichtenübermittlung“ (vgl ON 196 S 11 ff) verlesen (ON 231 S 24).

Die Verfahrensrüge (Z 2) scheitert mit ihrer lapidaren Behauptung, es habe sich bei den verwerteten Daten um solche aus einer als verfassungswidrig erkannten Vorratsdatenspeicherung gehandelt, daran, dass vorliegend mit gerichtlich bewilligter Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 21. April 2013 (ON 11) eine Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung gemäß § 134 Z 2 StPO eingeholt wurde.

Die weitere Verfahrensrüge (Z 3) beschränkt sich ‑ unter Verweis auf das Vorbringen zu Z 2 und Z 4 (dazu gleich) ‑ auf die bloße Behauptung einer Verletzung von „§ 135 iVm § 140 Abs 1 StPO“, legt aber nicht dar, weshalb die in § 140 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO normierten Voraussetzungen für die Verwertung des durch die Auskunft gemäß § 134 Z 2 StPO erzielten Ergebnisses (§ 134 Z 5 StPO) nicht vorgelegen sein sollten.

In der Hauptverhandlung gab der Verteidiger des Angeklagten im Zusammenhang mit der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung an: „Daher glaube ich, sofern sich die Anklage primär auf diese Angaben der Datenerfassung stützen will, dass es notwendig sein wird, informierte Vertreter dieser Telefongesellschaften einzuholen (gemeint: zu befragen), zum Beweis dafür, welche Daten sie weitergegeben haben“ (ON 231 S 23).

Der darauf bezugnehmenden Verfahrensrüge (Z 4) fehlt die Basis, weil der Angeklagte keinen ausdrücklichen Antrag gestellt und auch nicht auf einer Beschlussfassung durch den Senat bestanden hat.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) enthält vorerst die gleiche verfehlte Argumentation wie jene des Mitangeklagten, weil sie einzelne Indizien aus der Gesamtbetrachtung nimmt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur Mängelrüge des Angeklagten P***** verwiesen.

Darüber hinaus kritisiert sie der Sache nach bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter in Bezug auf die Vermögenslage des Nichtigkeitswerbers und dessen Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit behaupteten Bordellbesuchen (US 13). Entgegen der Rüge ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus den einschlägigen Erfahrungen der Angeklagten, der Faktenvielfalt, dem zielgerichteten Vorgehen und dem gesamten Tatgeschehen (US 14) eine willkürfreie Begründung.

Zu den Schuldsprüchen C./ vermeint die Rechtsrüge des Zweitangeklagten (Z 9 [zu ergänzen:] lit a; richtig: Z 10), dass die Feststellungen zu diesen Schuldsprüchen (US 10) die Verurteilungen nicht zu tragen vermögen, weil ihnen die vom ersten Satz des § 241e Abs 1 StGB geforderte Bereicherungstendenz (oder die vom zweiten Satz des § 241e Abs 1 StGB bezeichnete Tatkonstellation) nicht zu entnehmen ist.

Hiezu ist vom Obersten Gerichtshof klarzustellen, dass sowohl Tenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) als auch Gründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) übereinstimmend zweifelsfrei erkennen lassen, welche strafbaren Handlungen nach Meinung des Erstgerichts durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet wurden, nämlich Vergehen nach § 241e Abs 3 StGB. Die (bloß) falsche Bezeichnung der strafbaren Handlung im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) bleibt sanktionslos (RIS‑Justiz RS0116669; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 622 ff; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 32; jüngst 15 Os 163/14f).

Somit geht auch die Subsumtionsrüge an den erstgerichtlichen Schuldsprüchen vorbei.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ in weitgehender Übereinstimmung mit der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich jedoch davon, dass dem Urteil in Ansehung beider Angeklagter der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, weil die angefochtene Entscheidung (mit Blick auf den kurzen Tatzeitraum) in Bezug auf Schuldspruchpunkt A./ keine Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Intention der Beschwerdeführer enthält, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (dazu eingehend Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS‑Justiz RS0092527, RS0107402) und insoweit den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug vermissen lässt (RIS‑Justiz RS0119090).

Überdies ist vom Obersten Gerichtshof festzuhalten, dass der Verfallsausspruch für jeden Angeklagten auf eine Summe von 22.000 Euro, welche dem Gesamtwert der Beute entspricht (US 15, A./I.), lautet.

Sind aber Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Solidar‑ oder (wie hier) Kumulativhaftung ist nicht vorgesehen (Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 34; RIS‑Justiz RS0129964; 12 Os 25/13p).

Da sich die Berufungen der Angeklagten nicht gegen das Verfallserkenntnis richten, ist auch diesbezüglich amtswegiges Vorgehen erforderlich (RIS‑Justiz RS0119220 [T9, T10]).

Demgemäß war das angefochtene Urteil aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch A./ zugrundeliegenden Taten (auch) unter § 130 erster, zweiter und vierter Fall StGB, demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch über den Verfall aufzuheben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt zu verweisen.

Mit den Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO (zur amtswegigen Maßnahme s Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).

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