OGH 11Os77/05s

OGH11Os77/05s27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Shireen B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17. Mai 2005, GZ 409 Hv 1/05d-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde die Angeklagte Shireen B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 24. Februar 2005 in Wien

(I) Angestellten der Ersten Österreichischen Sparkasse dadurch, dass sie eine Gaspistole der Marke Röhm gegen die Bankkauffrau Andrea R***** richtete und die Herausgabe von Bargeld forderte, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von

40.500 EUR, welches ihr daraufhin von der weiteren Bankangestellten Gabriele I***** ausgefolgt wurde, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

(II) Alexander G***** durch gefährliche Drohung, nämlich indem sie die zu Punkt I genannte Gaspistole mehrfach gegen ihn richtete, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von ihrer weiteren Verfolgung, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Gründe der Z 11a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welcher indes aus den zutreffenden Erwägungen der Stellungnahme der Generalprokuratur keine Berechtigung zukommt.

Vorauszuschicken ist, dass die Anfechtung des Urteils eines Geschworenengerichtes mittels Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 bzw 12 StPO) einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraussetzt. Dabei muss an den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen festgehalten und aus dem Wahrspruch selbst ein Irrtum nachgewiesen werden, wobei ein Rückgriff auf im Wahrspruch nicht festgestellte (angebliche) Ergebnisse des Beweisverfahrens ausgeschlossen ist (14 Os 94/87). Die Erörterung aller aus den Verfahrensergebnissen resultierenden Rechtsfragen ist vielmehr durch die Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 316 StPO) sichergestellt, deren Verletzung nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO mit Nichtigkeit bedroht ist, die vom Obersten Gerichtshof aber nicht gemäß den §§ 290, 344 StPO wahrgenommen werden kann. Indem die Beschwerdeführerin, gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO, ihren Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (Schuldspruch II) mit der Begründung bekämpft, dass es sich um eine straflose Nachtat zum Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB (I) handle, weil der Genötigte kein Dritter, sondern nach seiner Aussage ein mit der Bank ständig zusammenarbeitender Vermögensberater sei, bringt sie eine Tatsache vor, die von den Geschworenen nicht festgestellt wurde, und weicht somit vom Verdikt ab.

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung zum Croquis der Generalprokuratur auf den der Entscheidung 11 Os 15/80 (= EvBl 1980/148) zugrunde liegenden Sachverhalt verweist, in welchem die Abgabe eines Schusses auf einen Polizeibeamten mit der Zielsetzung, ihn von einem Einschreiten abzuhalten, nicht zu einer Verurteilung wegen des Vergehens der Nötigung führte, übersieht sie, dass die Abgabe des Schusses keineswegs als durch den Raub konsumierte straflose Nachtat, sondern als zur Überwindung eines der Tatausführung (des Raubes) entgegengesetzten Widerstandes eingesetzter - deliktsspezifischer (Gewalt gegen eine Person) und nicht darüber hinausreichender - Teil des dem Tatbestand der §§ 142 Abs 1, 143 StGB zu unterstellenden Täterverhaltens bewertet wurde, welches daher nicht einer selbständigen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen war. Für den vorliegenden Fall, in dem ein Dritter zur Abstandnahme weiterer Verfolgung zu nötigen versucht wurde, ist damit nichts zu gewinnen.

Dem Vorbringen zur Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12), wonach die von der Angeklagten beim Raub verwendete Gaspistole der Marke Röhm nicht geeignet gewesen sei, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, weshalb die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB nicht erfüllt sei, ist wiederum zu erwidern, dass durch den Ausspruch, dass der Raub durch Vorhalt einer Gaspistole gegenüber der Genötigten begangen worden war, die Geschworenen die tatsächlichen Eigenschaften dieses Gegenstandes, die seine Qualifizierung als Waffe iSd § 1 Z 1 WaffG begründen, bejahten (vgl 12 Os 12/91). Indem die Beschwerdeführerin diese Eigenschaften bestreitet, entfernt sie sich erneut vom Wahrspruch der Geschworenen. Der Beschwerde mangelt es daher zur Gänze an der prozessordnungsgemäßen Darstellung der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Zu einem amtswegigen Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO besteht mangels Vorliegens eines Rechtsfehlers kein Anlass.

Zu bemerken ist im Übrigen, dass eine Gaspistole, anders als eine Luftdruckpistole, welche Gegenstand der in der Äußerung der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung 13 Os 32/05p war, eine Waffe im technischen Sinn des § 1 WaffenG, und damit auch iSd § 143 StGB ist (s auch EvBl 1995/54).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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