Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der 22-jährige Manfred G*** (zu I/) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und (zu II/) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er in der Nacht zum 30.Juni 1986 zwischen Grund und Wullersdorf
I/ mit der am 17.Jänner 1975 geborenen Silvia W***, somit mit einer unmündigen Person, den außerehelichen Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten, nämlich einen etwa 10 cm langen und 1 cm tiefen, in die Weichteile hinabreichenden Scheideneinriß und eine tiefgehende Zerreissung des Jungfernhäutchens, verbunden mit starken, Blutarmut verursachenden Blutungen, zur Folge hatte;
II/ unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Silvia W*** diese durch die zu I/ inkriminierten Tathandlungen zur Unzucht mißbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Die Geschwornen hatten die auf das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen einschließlich der Erfolgsqualifikation des § 206 Abs 2 erster Fall StGB lautende Hauptfrage 1 mit sieben uneingeschränkten, auch den Eintritt einer schweren Körperverletzung des Opfers als Tatfolge bejahenden Ja-Stimmen und einer eingeschränkten, lediglich eine leichte Körperverletzung annehmenden (und solcherart die qualifizierende Tatfolge verneinenden) Ja-Stimme beantwortet. Die Hauptfrage 2 nach dem Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses wurde hingegen stimmeneinhellig bejaht. Mit seiner nominell auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützten, der Sache nach indes die Gründe der Z 11 lit b und Z 12 des § 345 Abs 1 StPO reklamierenden Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte zum einen geltend, daß Silvia W*** nicht seiner Aufsicht unterstanden und daher der Tatbestand des § 212 Abs 1 StGB nicht verwirklicht worden sei; zum anderen wendet er ein, daß der Beischlaf keine schwere Körperverletzung des Tatopfers im Sinn des § 84 Abs 1 StGB zur Folge gehabt habe, sodaß die Tat nicht dem § 206 Abs 2 erster Fall StGB unterstellt werden hätte dürfen. Die Beschwerde entbehrt größtenteils der gesetzmäßigen Ausführung; im übrigen ist sie unbegründet.
Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO kann ein Schuldspruch nur angefochten werden, wenn die dem Angeklagten nach dem Wahrspruch der Geschwornen zur Last fallende Tat unter Verletzung oder unrichtiger Anwendung des Gesetzes vom Gericht als gerichtlich strafbare Handlung erklärt worden ist. Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes ist daher, daß an den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen, deren Richtigkeit nicht angefochten werden kann, festgehalten und auf deren Grundlage ein Rechtsirrtum dargetan wird; ein Rückgriff auf im Wahrspruch nicht festgestellte angebliche Ergebnisse des Beweisverfahrens ist ausgeschlossen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 2, 7, 8 zu § 345 Z 11 a). Vorliegend ist dem dem Schuldspruch zu Punkt II/ des Urteilssatzes zugrundeliegenden Wahrspruch in tatsächlicher Hinsicht eindeutig zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die (unter Punkt I/ bezeichnete) Tat unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen Silvia W*** begangen hat, die Geschwornen mithin ein solches Aufsichtsverhältnis als erwiesen angenommen haben. Indem die Beschwerde dies negiert und stattdessen lediglich unter Hinweis auf verschiedene Beweisergebnisse darzutun versucht, daß in Wahrheit kein derartiges Aufsichtsverhältnis bestanden habe, führt sie die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus.
Ebenso erfordert aber auch die gesetzmäßige Geltendmachung einer Subsumtionsrüge nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO, daß am bezüglichen Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen festgehalten wird (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 8 zu § 345 Z 12). Daher ist bei der Beantwortung der Rechtsfrage, ob die dem Beschwerdeführer zu Punkt I/ des Urteilssatzes angelastete Tat (§ 206 Abs 1 StGB) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Tatopfers zur Folge hatte (und demnach gemäß § 206 Abs 2 erster Fall StGB qualifiziert ist), ausschließlich vom Wahrspruch auszugehen; ein Rückgriff auf die im Zuge des Verfahrens eingeholten Gutachten der medizinischen Sachverständigen - wie ihn die Beschwerde unternimmt - ist dabei nicht zulässig, sodaß die Beschwerde in dieser Beziehung nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist. Nach den Feststellungen im Wahrspruch hat die zur Tatzeit 11-jährige Silvia W*** durch die Tat (§ 206 Abs 1 StGB) einen etwa 10 cm langen und 1 cm tiefen, in die Weichteile hinabreichenden Scheideneinriß und eine tiefgehende Zerreissung des Jungfernhäutchens, verbunden mit starken, Blutarmut verursachenden Blutungen erlitten. Bei Berücksichtigung der Wichtigkeit des betroffenen Organs, der Intensität und des Ausmaßes des gesundheitlichen Nachteils sowie der Gefährlichkeit der bei dem unmündigen Tatopfer weitere gesundheitsschädliche Folgen (zur Blutarmut führende Blutungen) nach sich ziehenden Verletzung haftet aber der auf diesen Konstatierungen beruhenden Rechtsmeinung der Geschwornen, daß es sich dabei um eine schwere Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB gehandelt hat (was im übrigen - worauf lediglich illustrativ verwiesen sei - aus medizinischer Sicht von beiden beigezogenen ärztlichen Sachverständigen, wenngleich jeweils aus anderen Gründen, gleichfalls angenommen worden war; vgl. S 287, 304 f dA), ein Rechtsirrtum nicht an (vgl. Burgstaller im Wr. Komm. Rz. 18 ff, Foregger-Serini StGB3 Erl. III, Kienapfel BT I2 RN 11 ff und Leukauf-Steininger Komm.2 RN 6 jeweils zu § 84 StGB). Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 206 Abs 2 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen sowie die brutale Vorgangsweise, als mildernd hingegen den bisherigen untadeligen Wandel, das reumütige Geständnis sowie eine gewisse Enthemmung durch den Genuß alkoholischer Getränke.
Diesen Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch der öffentliche Ankläger mit Berufung; ersterer strebt die Herabsetzung der Strafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung an, letzterer begehrt hingegen eine Erhöhung der Strafe.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe nicht nur richtig und vollständig festgestellt, sondern im Ergebnis auch zutreffend gewürdigt. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe, wie dies der Angeklagte reklamiert, kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, sodaß es schon aus diesem Grund an den Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 StGB fehlt. Davon abgesehen kommt angesichts dessen, daß das Strafgesetzbuch durchwegs zeitnahe, dem durchschnittlichen Unrechts- und Schuldgehalt strafbarer Handlungen angepaßte Strafdrohungen vorsieht, deren Untergrenzen, sofern solche - wie im Falle des hier maßgebenden Strafsatzes - überhaupt normiert sind, auch für günstig gelagerte Fälle im Regelfall ausreichen, eine außerordentliche Strafmilderung nur in besonderen, atypisch leichten Fällen in Betracht, wovon aber vorliegend - dem Berufungsvorbringen des Angeklagten zuwider - keine Rede sein kann. Die Schwere der personalen Täterschuld des Angeklagten erfordert vielmehr eine entsprechend strenge Strafe, die jedenfalls über dem gesetzlichen Mindestmaß der auf Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren lautenden Strafdrohung des § 206 Abs 2 erster Strafsatz StGB gelegen sein muß. Dem Begehren um Strafreduktion konnte daher nicht nähergetreten werden.
Andererseits bedarf es aber zur Erreichung der Strafzwecke auch nicht der von der Staatsanwaltschaft angestrebten Erhöhung der Strafe. Denn auch unter Berücksichtigung der von der Anklagebehörde ins Treffen geführten Strafzumessungserwägungen entspricht das in erster Instanz gefundene Strafausmaß der tat- und täterbezogenen Schuld des Angeklagten und dem Gewicht der von ihm verschuldeten Rechtsgutverletzung.
Es war somit beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen und über die Rechtsmittel insgesamt spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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