OGH 13Os32/05p

OGH13Os32/05p27.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel Sch***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 17. Mai 2004, GZ 33 HV 66/04k-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl und des Verteidigers Mag. Dr. Lechenauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. Mai 2004, GZ 33 Hv 66/04k-30, verletzt im Schuldspruch nach § 143 erster Satz zweiter Fall StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung unter § 143 erster Satz zweiter Fall StGB und im Strafausspruch aufgehoben und dem Landesgericht Salzburg insoweit die Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg als (Jugend-)Schöffengericht vom 17. Mai 2004, GZ 33 Hv 66/04k-30, das einen rechtskräftigen Teilfreispruch vom Vorwurf des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB enthält, wurde Daniel Sch***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (zu ergänzen: erster Satz) zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 23. Jänner 2004 in N***** der Edith M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich 8.145 Euro abnötigte, indem er eine „Luftdruckpistole" gegen sie richtete und sie aufforderte, alles Geld herzugeben.

Über ihn wurde unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten verhängt, wovon gemäß § 43a Abs 1 (auf US 7 richtig: Abs 3) StGB ein Strafteil von 14 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Während der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtete (S 328), erhob die Staatsanwaltschaft zu dessen Nachteil Berufung (ON 34), über die der Gerichtshof zweiter Instanz noch nicht entschieden hat.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz zum Teil nicht in Einklang:

Die rechtliche Annahme waffenqualifizierten Raubes nach § 143 erster Satz zweiter Fall StGB wurde auf die Verwendung einer ungeladenen „Luftdruckpistole" bei der Raubtat gegründet (US 4). Dem vorbezeichneten Waffenbegriff unterfallen jedenfalls Waffen im technischen Sinn des § 1 WaffG, mithin Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen oder bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden. Andere Gegenstände kommen als qualifikationsbegründend (§ 143 StGB) nur dann in Betracht, wenn sie nach ihrer konkreten Anwendbarkeit und Wirkungsweise unter dem Aspekt einer Beseitigung oder Herabsetzung der menschlichen Angriffs- oder Abwehrfähigkeit durch unmittelbare Einwirkung einer Waffe iSd § 1 Z 1 WaffG gleichkommen.

Eine ungeladene Schusswaffe ist grundsätzlich als Drohmittel für einen Raub nach § 143 erster Satz zweiter Fall StGB geeignet (Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 20; 10 Os 181/84). Als „sonstige Schusswaffe" (§ 2 Abs 1 Z 4 WaffG) ist eine Luftdruckpistole jedoch nur dann einzustufen, wenn mit ihr feste Körper (Geschosse) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können und sie die Kriterien als Waffe (§ 1 WaffG) erfüllt (Ellinger/Wieser Waffengesetz 1996, 41).

„Soft-(Air)-Guns" verschießen durch komprimierte Luft oder Federdruck feste Körper (Kunststoffkugeln) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung. Da die damit zu verschießenden Plastikkugeln aber eine dermaßen geringe Verletzungskapazität aufweisen, dass sie vom Wesen her nicht dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen und sie auch nicht beim Schießsport Verwendung finden, mangelt es solchen Produkten sowohl an der Zweckbestimmung nach § 1 Z 1 WaffG als auch an der für den funktionalen Waffenbegriff des § 143 erster Satz zweiter Fall StGB verlangten Gleichwertigkeit (Ellinger/Wieser aaO, 41; EvBl 2001/180). Nach der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Stellungnahme eines konzessionierten, zum Handel mit Waffen berechtigten Gewerbetreibenden ist die sichergestellte „Tatwaffe" eine „Softgun-Pistole" der Marke Wester Arms, Modell WA40F, die zum Verschießen von Plastikkugeln in einer Stärke von ca 5 mm geeignet ist und je nach Abzugstärke ab einem Alter von 14 bzw 18 Jahren erworben werden kann (S 173).

Im Hinblick auf dieses unberücksichtigt gebliebene Beweisergebnis bestehen Anhaltspunkte, dass der inkriminierte Raub bloß mit einer als „Spielzeugpistole" (Attrappe) einzustufenden „Soft-Gun" verübt und die Waffenqualifikation des § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB zu Unrecht bejaht wurde. Demzufolge wären zur rechtsrichtigen Qualifikationsbeurteilung nähere Konstatierungen zur Art und konkreten Wirkungsweise des beim Raub verwendeten Gegenstandes erforderlich gewesen. Dieser Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO bewirkende, dem Angeklagten nachteilige Feststellungsmangel (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 ff) erfordert die Urteilskassation im Umfang des Erkenntnisses.

Die vom Strafausspruch abhängige Anordnung der Bewährungshilfe gilt damit gleichfalls als beseitigt (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 28).

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