OGH 11Os66/24a

OGH11Os66/24a27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 12. März 2024, GZ 38 Hv 57/23a‑15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00066.24A.0827.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Angeklagte ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in S* im Zeitraum von 2. Jänner 2022 bis 31. Juli 2023 die ihr von der S* GmbH als Shopleiterin des „S*“ eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch die Vollmachtgeberin in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, „indem sie Rubbel- und Brieflose ohne Kundenauftrag und Bezahlung am Lottoterminal aktivierte und einlöste“, wodurch der S* GmbH ein Schaden von 143.181,87 Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Bereits aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, dass dem Schuldspruch eine der Angeklagten zum Nachteil gereichende, von dieser nicht geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[5] Untreue (§ 153 StGB) setzt in objektiver Hinsicht unter anderem die missbräuchliche Vornahme (oder Unterlassung) eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung im Namen des Vertretenen voraus. Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt demnach als Tathandlung der Untreue, selbst wenn es durch einen Machthaber erfolgt, nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0094733, RS0095943, RS0094545 [T8 und T9]; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20 ff und 24; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 153 Rz 50 ff, 54 f, 135 ff; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 15 und 49, 51).

[6] Nach den getroffenen Feststellungen hat die Angeklagte „[Brief- und Rubbel-]Lose ohne Kundenauftrag und ohne Bezahlung an sich [genommen]“, diese „aktiviert“, aufgerubbelt und die Gewinne eingelöst (US 3). Dadurch entstand der S* GmbH ein Vermögensschaden in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe, der sich aus der Summe ergibt, welche die S* GmbH der Lottogesellschaft für die zwar (bereits vor der einen bestimmten Zeitpunkt der Rechnungslegung auslösenden Aktivierung) regulär bestellten und erhaltenen (US 2 f), aber tatsächlich nicht an Endkunden weiterverkauften Lose zu bezahlen hatte (US 3, 6, 8).

[7] Das Vorgehen der Beschwerdeführerin stellt sohin weder die Vornahme eines Rechtsgeschäfts noch eine sonstige rechtliche Handlung für die Machtgeberin, sondern vielmehr eine bloß (faktische) Entnahme aus dem Vermögen der Machtgeberin durch verbrauchenden Gebrauch (Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 179; Salimi, SbgK § 127 Rz 158 ff) dar.

[8] Für die abschließende Beantwortung der (weiterhin) zur Beurteilung stehenden Frage, ob die inkriminierte Zueignung durch das Ausnützen einer faktisch bestehenden Verfügungsmöglichkeit über anvertraute Güter (§ 133 StGB) oder aber durch den Bruch fremden Gewahrsams (§ 127 StGB) erfolgte (vgl Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 229 f und § 133 Rz 34 ff; RIS‑Justiz RS0093492), fehlt es ebenfalls – auch in subjektiver Hinsicht – an einer ausreichenden Feststellungsbasis.

[9] Dieser Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des Urteils und macht eine neue Verhandlung unvermeidlich, weshalb sich ein Eingehen auf die (aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO erhobene) Beschwerdeargumentation erübrigt.

[10] Das angefochtene Urteil war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

[11] Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war die Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

[12] Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7).

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