Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried K***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I A) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I B) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II A, B) schuldig erkannt. Demnach hat er
„I. Renate K*****
A) in Drosendorf mit Gewalt
1) Ende Februar/Anfang März 2007, indem er sie zu Boden stieß, sie an den Haaren auf das Bett in das Schlafzimmer zerrte, sich dort auf ihren Körper setzte, sie ohrfeigte und dann ihre Beine hochriss, zur Duldung
a) einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er an ihr einen Analverkehr unternahm,
b) des Beischlafs genötigt, indem er sich vaginal befriedigte;
2) am Gründonnerstag, den 5. April 2007, indem er sie an den Haaren packte und ihr Gesicht gegen seinen Penis drückte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sich von ihr oral befriedigen ließ;
B) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt [vgl US 18] in Drosendorf, indem er sie gegen einen Kasten stieß und schrie: 'Das nächste Mal muss dein Vater dein Blut an der Wand übermalen, so werde ich dich schlagen', gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;"
II) fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 EUR nicht übersteigenden Wert beschädigt, und zwar
A) am 20. Juni 2007 in Wien den Kofferraumdeckel (zu ergänzen: des Autos) der Renate K*****, indem er auf diesen mit der Faust einschlug und ihn dadurch eindellte, wodurch diese einen Schaden von ca 1.000 EUR erlitt;
B) am 3. September 2007 in Drosendorf jeweils vier Autoreifen, indem
er diese zerstach, wobei
- 1) Renate K***** einen Schaden von 352 EUR und
- 2) Christiane K***** einen Schaden von 200 EUR erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert zutreffend eine in der Abweisung seines Antrags auf Beischaffung sämtlicher Abrechnungen samt dazugehörigen Einzelgesprächsnachweisen betreffend die (näher bezeichnete) Mobiltelefonnummer der Zeugin Renate K***** für den Zeitraum 3. Juni 2007 bis Ende Juni 2007 gelegene Verletzung von Verteidigungsrechten. Beweisziel war, dass deren Aussage, wonach sie nach der endgültigen Beendigung der Beziehung zum Angeklagten am 7. Juni 2007 jeden Kontakt abgelehnt und ihrerseits von diesem durch Telefonate und SMS beharrlich verfolgt wurde, der Unwahrheit entspreche und vielmehr die Zeugin selbst mit der vom Angeklagten durchgeführten Beendigung der Beziehung nicht fertig wurde und deshalb diesen ständig mit Anrufen und SMS geradezu belagerte (S 89 f/II).
Der erstgerichtlichen Abweisungsbegründung (S 93/II) zuwider kommt der in Rede stehenden Beweisführung nach Lage des Falls sehr wohl Relevanz zu. Der Angeklagte bestreitet bis auf ein Sachbeschädigungsfaktum sämtliche ihm zur Last gelegten Taten, die Angaben der - einzigen - Belastungszeugin Renate K***** fanden nur durch teilweises (bis zur S 6 der 19-seitigen kontradiktorischen Vernehmung ON 19) Vorführen des Videobands und deren Vortrag Eingang ins Beweisverfahren (S 97/II).
Mangels anderer Verfahrensergebnisse zur Frage, welcher Darstellung die höhere Glaubwürdigkeit gebührt, verdienen auch nicht unmittelbar das Tatgeschehen betreffende Umstände erhöhte Beachtung (vgl 14 Os 59/94, 11 Os 77/99, 13 Os 15/07s ua).
Mit Blick darauf, dass Renate K***** bei ihrer ersten Anzeige am 20. Juni 2007 (S 121 f) ihren ehemaligen Lebensgefährten Siegfried K***** zwar einer Sachbeschädigung und diverser Tätlichkeiten bezichtigte, die angeschuldigten Vergewaltigungen aber erst am 25. Juni noch vage (S 17/I), dann etwas präziser am 28. Juni 2007 (S 85 f/I) und den inkriminierten Anal- bzw Oralverkehr erst bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung vom 14. September 2007 zur Sprache brachte (ON 19), hätte das Erstgericht den in Rede stehenden Beweisantrag nicht mit der - im Urteil nachgeholten - weiteren Begründung abweisen dürfen, selbst wenn Renate K***** den Angeklagten mehrfach angerufen habe, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass ihre Angaben über die einzelnen Tatabläufe nicht der Wahrheit entsprächen (US 10 f). Steht hier die Aussage des Angeklagten, er habe die Beziehung zu Renate K***** beendet (S 191, 213/I), jener der Genannten entgegen, sie habe dies getan und keinerlei Kontakt („kein Anruf, keine SMS"; ihr Schreiben vom 19. Juni 2007, S 301/I) mit dem Angeklagten gewünscht, so liegt in der Abweisung des auf Widerlegung der Angaben der einzigen Belastungszeugin gerichteten Beweisantrages ein Akt vorgreifender Beweiswürdigung. Kommt doch der Glaubwürdigkeitsbeurteilung fallbezogen besondere Bedeutung zu. Da der Beweisantrag der Aufklärung einer mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten angeschuldigten Vorsatztat dient, findet eine Auskunft des Mobilfunkbetreibers in § 135 Abs 3 Z 3 StPO Deckung.
Da das angefochtene Urteil von der Richtigkeit der Angaben der Belastungszeugin Renate K***** abhängt, war es bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO). Ein Eingehen auf das weitere Rechtsmittelvorbringen erübrigt sich. Jedoch zeigt die Strafzumessungsrüge (inhaltlich Z 10; Ratz in WK2 § 29 Rz 6, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 652) zutreffend eine in der Verletzung des Zusammenrechnungsgrundsatzes des § 29 StGB gelegene Nichtigkeit des Schuldspruchs zu II A und B auf, legten die Tatrichter dem Angeklagten doch die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zur Last, ohne zu beachten, dass bei schadensqualifizierten Delikten dieser Art bloß ein Vergehen verwirklicht ist.
Im zweiten Rechtsgang werden im Übrigen explizite Feststellungen zum angelasteten Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I B) zu treffen sein (sie finden sich im angefochtenen Urteil disloziert in Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung; US 15, 18 f), wobei - schon mit Blick auf allfällige Verjährung - die Tatzeit („zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt"; US 2) zu präzisieren sein wird (vgl US 18).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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