OGH 11Os5/20z

OGH11Os5/20z26.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Mag. Gerhard S* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 11. Oktober 2019, GZ 27 Hv 52/19b‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129107

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, im Schuldspruch (I./ und II./), demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Mit seiner den Schuldspruch I./ und den Strafausspruch betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch von einem weiteren Tatvorwurf enthält, wurde Mag. Gerhard S* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen des falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*

I./ von 2014 bis 9. Jänner 2018 als Schuldner mehrerer Gläubiger einen Bestandteil seines Vermögens „verheimlicht, beiseite geschafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorgeschützt oder anerkannt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert“ und dadurch die Befriedigung „seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert“, wobei er durch die Tat einen Schaden iHv zumindest 98.859,57 Euro herbeiführte, indem er Versicherungsleistungen der U* Versicherung in Höhe dieses Geldbetrags lukrierte, jedoch in den Insolvenzverfahren AZ 12 S 94/09z des Landesgerichts Linz sowie AZ 26 S 1/18x des Bezirksgerichts Linz verschwieg und privat (etwa für eine Wohnungsrenovierung und „andere Privataufwendungen“) verbrauchte sowie 2016 der P* GmbH, die zu diesem Zeitpunkt selbst bereits in wirtschaftlicher Bedrängnis war, ein Darlehen iHv 30.000 Euro gewährte;

II./ zu nachstehenden Zeiten im Zuge eines Exekutions- oder Insolvenzverfahrens vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis abgegeben und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet, und zwar

1./ am 25. April 2017 im Verfahren AZ 12 S 94/09z des Landesgerichts Linz dadurch, dass er „Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ (Reise- und Veranstaltungsorganisation) verneinte und falsche Angaben zu den bis dahin bereits erhaltenen Leistungen aus dem Verkehrsunfall vom 17. Juni 2013 tätigte;

2./ am 13. Dezember 2017 im Verfahren AZ 26 S 1/18x des Bezirksgerichts Linz dadurch, dass er „Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ (Reise- und Veranstaltungsorganisation) verschwieg;

3./ am 4. Jänner 2018 im Verfahren AZ 17 Se 191/17p [des Landesgerichts Linz], indem er „Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ (Reise- und Veranstaltungsorganisation) verschwieg;

4./ am 5. April 2018 im Verfahren AZ 26 S 1/18x des Bezirksgerichts Linz durch Verschweigung der „Einkünfte bzw Forderungen aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ (Reise- und Veranstaltungsorganisation).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Nach den (rudimentären und zum Teil erst in Zusammenschau mit der Beweiswürdigung fassbaren) Feststellungen des Erstgerichts zum objektiven Tatgeschehen hatte der Angeklagte (jedenfalls) ab 2010 mehrere Gläubiger, insbesondere jene aus einem am 10. März 2010 bestätigten Zahlungsplan zum Verfahren AZ 12 S 94/09z des Landesgerichts Linz und solche, die (außerhalb dieses Zahlungsplans) Exekution gegen ihn führten. Nach dem (nicht näher dargestellten) Zahlungsplan aus dem Jahr 2010 hatte er vier Raten zu bezahlen. Zwei davon beglich er im Jahr 2011, die dritte nur mehr teilweise und die vierte überhaupt nicht. Auf Grund der Nichtzahlung dieser vierten „Zahlungsplanquote“ (von „in etwa“ 30.000 Euro) kam es schließlich zu einem Schuldenregulierungsverfahren (AZ 26 S 1/18x des Bezirksgerichts Linz).

Noch während der Laufzeit des oben erwähnten Zahlungsplans erhielt der Angeklagte nach einem am 17. Juni 2013 erlittenen Verkehrsunfall von einer Versicherung in mehreren Tranchen insgesamt 137.329,57 Euro an (im Urteil nicht näher spezifizierten) Versicherungsleistungen ausbezahlt. Im Insolvenzverfahren AZ 12 S 94/09z gab er im Jahr 2017 hingegen bloß an, er hätte von der Versicherung insgesamt 38.470 Euro erhalten, während er den Restbetrag von 98.859,57 Euro verschwieg.

Im Tatzeitraum zu I./ (von 2014 bis 9. Jänner 2018) wendete der Angeklagte diesen Restbetrag nicht für die Befriedigung seiner Gläubiger auf sondern verbrauchte ihn einerseits „privat, etwa für Wohnungsrenovierung und andere Privataufwendungen“, und andererseits für die Gewährung von Darlehen in sechs bis acht Teilzahlungen mit einer Gesamtsumme von 30.000 Euro an die P* GmbH im Jahr 2016, obwohl er als Minderheitsgesellschafter derselben wusste, dass das Unternehmen bis dahin noch nie einen Gewinn erwirtschaftet hatte.

Weiters gab der Angeklagte zu II./1./ bis II./4./ jeweils vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan ein falsches oder unrichtiges Vermögensverzeichnis ab und gefährdete dadurch die Befriedigung eines Gläubigers, indem er zu den im Tenor angeführten Zeiten in den angeführten Verfahren „Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ (Reise- und Veranstaltungsorganisation) verneinte (II./1./) oder verschwieg (II./2./ und II./3./) oder „Einkünfte bzw. Forderungen aus selbständiger Erwerbstätigkeit“ verschwieg (II./4./) und „falsche Angaben zu den bis dahin bereits erhaltenen Leistungen aus dem Verkehrsunfall vom 17. März 2013 tätigte“ (II./1./).

Zu II./ des Schuldspruchs zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zutreffend auf, dass das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) nicht begründete (vgl RIS‑Justiz RS0128679).

Bereits dieser Mangel erfordert die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch II./. Auf Grund des hier untrennbaren Zusammenhangs des Urteilsinhalts sah sich der Oberste Gerichtshof zudem veranlasst, das Urteil überdies im Schuldspruch I./ und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben (§ 289 StPO):

Für die Frage der Strafbarkeit nach § 292a StGB ist nämlich von Bedeutung, ob nach dem Verkehrsunfall lukrierte Versicherungsleistungen im Zeitpunkt der jeweiligen Abgabe von Vermögensverzeichnissen (hier: iSd §§ 100a und 185 IO) noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden oder bereits verbraucht waren.

Tatobjekt des § 156 StGB ist das Vermögen des Schuldners, das dem Gläubigerzugriff durch Zwangsvollstreckung unterliegt (Kirchbacher in WK2 § 156 Rz 7). Ausgenommen sind lediglich nach der EO unpfändbare Gegenstände, Forderungen und Rechte (vgl § 250 EO und §§ 290 ff EO) bzw nach der IO dem Schuldner verbleibende Werte (Rainer, SbgK § 156 Rz 25 f).

Notwendiger Zweck eines in einem exekutions- oder insolvenzrechtlichen Verfahren abzugebenden Vermögensverzeichnisses (vgl § 47 Abs 2 EO; §§ 100a f, 185 IO) ist, dem Gläubiger oder seinem Interessenwahrer (zB dem Insolvenzverwalter) einen Überblick über die für die Gläubigerbefriedigung in Betracht kommenden Vermögenswerte zu vermitteln (siehe auch RIS‑Justiz RS0001697 zum seit der EO‑Nov 1991 durch das Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs 2 EO ersetzten Offenbarungseid; Plöchl/Seidl in WK2  StGB § 292a Rz 2, 8; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer, StGB4 [2017] § 292a Rz 2 f).

Tatobjekt iSd § 292a StGB ist im Hinblick auf diesen Zweck naturgemäß (nur) das gesamte im Zeitpunkt der Abgabe des Verzeichnisses vorhandene, wirtschaftlich dem Schuldner gehörende Vermögen, und zwar ohne Rücksicht auf dessen konkrete Verwertbarkeit im Einzelfall.

Eine iSd § 292a StGB konkrete Gefährdung der Befriedigung zumindest eines Gläubigers ist allerdings dann zu verneinen, wenn der Besitz von Sachen verschwiegen wird, die der Exekution ohnehin entzogen sind oder wenn die falsche oder unvollständige Angabe eine unpfändbare Forderung betrifft (Plöchl/Seidl in WK2 StGB § 292a Rz 8/1; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer, StGB4 [2017] § 292a Rz 8 f).

Tätigt der Schuldner Falschangaben zu (der Zwangsvollstreckung unterworfenem) Vermögen, das im Zeitpunkt der Abgabe des Vermögensverzeichnisses zwar noch vorhanden ist, das er aber bereits davor beiseite geschafft (oder zum Schein verringert) hat, begründet dies mit Blick auf die bereits dadurch eingetretene Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung mangels weiterer Gefährdung der Gläubiger keine Strafbarkeit nach § 292a StGB (Plöchl/Seidl in WK2 StGB § 292a Rz 8), sondern (nur) eine solche nach § 156 StGB.

Wurde (im maßgeblichen Zeitpunkt noch vorhandenes) Vermögen nicht bereits vorher iSd § 156 StGB beiseite geschafft oder sonst zum Schein verringert, sondern wird es (erst) im Zuge der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses (durch wahrheitswidrige Verneinung oder pflichtwidrige Verschweigung) iSd § 156 StGB verheimlicht (vgl RIS-Justiz RS0094828), ist das solcherart verwirklichte Vergehen nach § 292a StGB dem Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB gegenüber dann (materiell) subsidiär (RIS‑Justiz RS0094707; Plöchl/Seidl in WK2  StGB § 292a Rz 17), wenn die vom (objektiv) falschen oder unvollständigen Vermögensverzeichnis betroffenen Gläubiger mit den durch die Vermögensverheimlichung geschädigten Gläubigern ident sind (vgl 11 Os 145/03; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer, StGB4 [2017] § 292a Rz 12; Tipold, SbgK StGB § 292a Rz 56).

Aufgrund der zum Teil überschneidenden Tatzeiträume zu I./ (2014 bis 9. Jänner 2018) und II./ (25. April 2017 bis 5. April 2018) und der – oben aufgezeigten – unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen für § 292a StGB ist somit in einer neuen Gesamtbeurteilung zu klären, wann (in zeitlicher Relation zu den zu II./ angeführten Vermögensverzeichnissen) durch welche iSd § 156 StGB tatbildliche Handlungen (scheinbare oder wirkliche Verringerung des dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung oder durch Realisierung der Masse unterliegenden Vermögens) eine Gläubigerschädigung iSd § 156 StGB herbeigeführt wurde.

Im zweiten Rechtsgang wird auchzu konkretisieren sein, inwiefern der Angeklagte im Zeitpunkt der jeweiligen Abgabe seines Vermögensverzeichnisses (II./1./ bis II./4.) bereits entstandene – wenn auch noch nicht fällige – Forderungen oder sonstige Einkünfte (iSv regelmäßig zufließendem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit – vgl 12 Os 94/80) hatte, also im jeweiligen Tatzeitpunkt wahrheitswidrig verneinte oder (pflichtwidrig) verschwieg.

Das Urteil war somit im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits nach nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 285e StPO). Mit seiner den Schuldspruch I./ und den Strafausspruch betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Ein Kostenausspruch hatte zu unterbleiben (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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