European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00047.20A.0915.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten D***** werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des P***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Miroslav D***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1./) und Igor P***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach haben in S***** und andernorts
1./ D***** am 14. Juli 2001 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als unmittelbarer Täter gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Michal B***** den Gianmaria V***** getötet, indem sie ihm einen Messerstich in den Rücken versetzten und in den Kopf schossen;
2./ P***** zu der unter Punkt 1./ angeführten strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er zu nicht mehr feststellbaren Tagen vor dem bzw am 14. Juli 2001 bei der Erstellung des Tatplans mithalf und die Schusswaffe und das für den Tatplan erforderliche Fahrzeug besorgte.
Die Geschworenen bejahten die zum Angeklagten D***** nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage 1 und die zum Angeklagten P***** nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB gestellte Hauptfrage 2. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf § 345 Abs 1 Z 6 und Z 10a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die nach Berichtigung des Protokolls der Hauptverhandlung und Urteilsangleichung mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss der Vorsitzenden vom 8. Juni 2020 (ON 593) neu ausgeführt wurden (ON 610, 611).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten D*****:
Das allgemein gehaltene einleitende Vorbringen der Fragenrüge (Z 6) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weswegen die den Angeklagten D***** betreffende Hauptfrage 1 den gesetzlichen Kriterien des § 312 Abs 1 StPO nicht entsprechen sollte. Sie enthält nämlich sämtliche gesetzlichen Merkmale der betreffenden strafbaren Handlung, demnach die (subintellegiert [vgl RIS-Justiz RS0089093, RS0089114 {T3}, RS0113270]: vorsätzliche) Tötung einer anderen Person (§ 75 StGB) wie auch – durch Anführung der Identität des Opfers, des Tages der Tatbegehung sowie des soweit wie möglich konkretisierten Tatorts und Beschreibung der Tatmodalität (wonach D***** und B***** dem Opfer im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter einen Messerstich in den Rücken versetzten und einen Kopfschuss zufügten) – die zur deutlichen Bezeichnung der Tat erforderlichen besonderen Umstände.
Aus welchem Grund diese Hauptfrage – trotz des erwähnten bewussten und gewollten Zusammenwirkens der Angeklagten D***** und B***** – darüber hinaus auch „die Art der durch die gewaltsame Einwirkung jeweils zugefügten Verletzung und die daraus allenfalls resultierende Todesfolge bezogen auf die jeweilige Einwirkung“ des Angeklagten D***** einerseits und des Angeklagten B***** andererseits (ersichtlich gemeint also die konkrete Zuordnung der einzelnen Verletzungen und ihrer Folgen zu den einzelnen Tathandlungen der Genannten) sowie weitere Konkretisierungen zur Todesursache hätte enthalten müssen, obwohl Mittäter ohnehin grundsätzlich für ihre Tatbeiträge wechselseitig verantwortlich sind (vgl RIS-Justiz RS0090006, RS0089886), lässt die Rüge prozessordnungswidrig im Dunkeln (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23 und 43). Gleiches gilt für die Behauptung einer unzureichenden Bezeichnung des Tatorts und der „Tatzeit (Uhrzeit)“ (vgl RIS-Justiz RS0117498).
Die prozessordnungskonforme Geltendmachung einer unterlassenen Fragestellung erfordert – neben der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der konkret vermissten Frage und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen (RIS-Justiz RS0117447) – die Berücksichtigung der Gesamtheit der hiefür ins Treffen geführten Beweisergebnisse; die Heranziehung einzelner, isoliert aus dem Kontext gerissener Verfahrensergebnisse reicht hingegen nicht aus (RIS-Justiz RS0120766 [T2 bis T4]).
Das weitere – das Unterbleiben einer auf Tatbegehung nach §§ 15, 75 StGB bzw auf Zufügung einer (schweren) Körperverletzung gerichteten Fragestellung rügende – Vorbringen genügt diesen Voraussetzungen nicht. Es stützt sich bloß auf einzelne Passagen der Angaben des Zeugen Mohammad Pa*****, wonach ihm berichtet worden sei, dass das Opfer nach der von D***** gesetzten Tathandlung noch gelebt habe und erst aufgrund des weiteren Vorgehens des Angeklagten B***** gestorben sei. Übergangen werden jedoch die mit der vorliegenden Fragestellung nach einer im bewussten und gewollten Zusammenwirken (und somit in wechselseitiger Verantwortlichkeit [RIS-Justiz RS0089886, RS0089521]) dieser beiden Angeklagten erfolgten Tatbegehung in Übereinstimmung stehenden (US 2; RIS‑Justiz RS0108727) Aussagepassagen dieses Zeugen, wonach D***** den Tötungsauftrag gemeinsam mit B***** übernommen habe (ON 315 S 76 iVm ON 524 S 5).
Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf die erwähnten Angaben des Zeugen Pa***** schließlich auch das Unterbleiben einer nach dem Rücktritt vom Versuch des Mordes im Sinn des § 16 Abs 1 StGB gestellten Zusatzfrage rügt, unterlässt sie erneut die gebotene methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz, weshalb trotz des – sich sogar aus der von der Beschwerde selbst zitierten Aussagepassage ergebenden – Umstands, dass B***** dem Angeklagten D***** die Pistole aus der Hand gerissen haben soll (vgl ON 315 S 77), von Freiwilligkeit auszugehen wäre (RIS‑Justiz RS0090216, RS0089813; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23 und 43). Im Übrigen wäre bei – wie hier konstatierter – Beteiligung mehrerer die Verhinderung der Tat oder die freiwillige Erfolgsabwendung erforderlich (§ 16 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB; RIS‑Justiz RS0090274, RS0090269, RS0090513).
Die von der Tatsachenrüge (Z 10a) eingangs geäußerte (im Wesentlichen rechtspolitische) Kritik an der zu diesem Nichtigkeitsgrund entwickelten ständigen Rechtsprechung, die, weil sie „unhaltbar und grundrechtswidrig“ sei, „unbedingt zu überdenken und abzuändern“ wäre, kann auf sich beruhen, zumal – auch aus grundrechtlicher Sicht – kein Anlass zur Ausweitung des Anwendungsbereichs dieses Nichtigkeitsgrundes durch eine an der „Zweifelsregel (in dubio pro reo)“ orientierte (vgl aber RIS-Justiz RS0102162) Neuausrichtung des Begriffs „erhebliche Bedenken“ im Sinn bloß einfacher Bedenken besteht (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 488 ff; 15 Os 149/15y).
Ausgehend vom solcherart feststehenden Maßstab des lediglich auf unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung abstellenden Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0118780) vermag das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Indem es sich darauf beschränkt, auf einzelne Beweisergebnisse – etwa dass das Grenzkontrollsystem keinen Grenzübertritt des Angeklagten D***** registrierte, er in einem Aktenvermerk nicht aufscheint, diesem keine der am Tatort sichergestellten DNA-Spuren zugeordnet werden konnten und der Zeuge Ivan Po***** bestritt, etwas von D***** gehört zu haben – hinzuweisen, die Angaben mehrerer Zeugen eigenständig zu analysieren, Mutmaßungen über deren Aussagemotivation anzustellen sowie eigene Schlussfolgerungen zur Rolle der Angeklagten Ludmilla Ba***** und zur Entstehungsgeschichte der in dieser Sache vorliegenden Informationen darzulegen, dient es vielmehr allein der im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässigen Beweiswürdigungskritik nach Art einer Berufung wegen Schuld und verfehlt damit den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Der Angeklagte hat die angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe bei Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ON 576 ausdrücklich zurückgezogen (S 18). Nach Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls und Urteilsangleichung sowie neuerlicher Zustellung führte die Verteidigerin nunmehr auch die Berufung mit dem Bemerken aus, dass die Berufung nur zurückgezogen worden war, „weil nur eine 16‑jährige Freiheitsstrafe“ in Protokoll und Urteilsausfertigung aufgeschienen war. Auch in dieser Konstellation ist aber ein einmal abgegebener Rechtsmittelverzicht unwiderruflich (11 Os 78/08t; 13 Os 143/09t; RIS‑Justiz RS0099945, RS0100062, RS0100103; Ratz, WK‑StPO § 284 Rz 8), sodass auch die Berufung dieses Angeklagten zurückzuweisen war (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:
Der von der Fragenrüge (Z 6) zunächst erhobene Vorwurf, die den Angeklagten P***** betreffende Hauptfrage 2 erfülle die gesetzlichen Kriterien nicht, weil diese nicht erkennen lasse, ob die Tötungshandlungen von dessen Vorsatz erfasst gewesen seien, orientiert sich prozessordnungswidrig nicht daran, dass bei den an die Geschworenen zu richtenden Fragen im Gesetzestext – wie auch beim Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB – nicht ausdrücklich formulierte und solcherart subintellegierte Vorsatzformen nicht erwähnt werden müssen (RIS-Justiz RS0089093, RS0089114 [T3], RS0113270; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 33).
Der gänzlich allgemein gehaltene weitere Einwand, es wäre „eine“ Eventualfrage zu stellen gewesen, unterlässt die deutliche und bestimmte Bezeichnung der konkret vermissten Fragestellung; insoweit misslingt der Rüge ihre gesetzmäßige Darstellung (RIS-Justiz RS0117447).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) beschränkt sich darauf, zu den hinter den belastenden Aussagen der Zeugen Pa***** und Adrian K***** liegenden Motiven Vermutungen anzustellen, die Rolle des Zeugen Peter Ka***** sowie dessen Ermittlungsmethoden und jene des Zeugen Peter G***** eigenständig als für Manipulationen anfällig zu bewerten und schließlich zu betonen, dass das Beweisverfahren keine Hinweise dafür ergeben habe, dass es sich bei P***** um einen – wie vom Zeugen K***** behauptet – bekannten Waffenhändler handle.
Solcherart führt die Tatsachenrüge keine aktenkundigen Beweisergebnisse an, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen im bereits erörterten Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufkommen lassen, sondern übt ebenso lediglich Kritik an der Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS-Justiz RS0119583).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten P***** folgt (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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