OGH 11Os4/23g

OGH11Os4/23g14.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter im Verfahren zur Unterbringung des * M* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 21. Oktober 2022, GZ 13 Hv 21/22w‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00004.23G.0314.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des * M* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

[2] Danach hat er am 2. August 2022 in P* unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Psychose, wahrscheinlich aus dem schizophrenen Formenkreis im Sinne einer paranoiden Schizophrenie, * R* gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er auf dem Balkon seiner Wohnung stehend einen nahezu leeren handelsüblichen Müllsack, bei dem er zuvor am geschlossenen Ende eine Auswölbung, die einem Kopf ähnlich sah und somit einen angedeuteten Kopf formte, hochhielt und mit einem durchgehenden raschen Schnitt unterhalb des angedeuteten Kopfes – vergleichbar dem Durchschneiden der menschlichen Kehle – mit einem handelsüblichen Brotmesser mit einer Länge von rund 35 Zentimetern (davon Klingenlänge rund 20 Zentimeter) durchschnitt, dabei mit dem am Vorplatz in einer Entfernung von 10 bis 15 Metern stehenden R* immer wieder Blickkontakt aufnahm und unmittelbar nach dem Durchschneiden des Müllsacks mit dem Brotmesser mit der Spitze voran drohend auf R* zeigte, somit eine Tat begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[4] Die Mängelrüge reklamiert offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur inneren Tatseite (US 4 f). Das Erstgericht habe diese ausschließlich auf den objektiven Tathergang gestützt, ohne die psychische Krankheit des Betroffenen zu berücksichtigen.

[5] Die Behauptung einer offenbar unzureichenden Begründung muss stets sämtliche beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Ansehung der bekämpften Feststellung berücksichtigen, widrigenfalls sie ihren gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt. Jene Einwände des Beschwerdeführers, die nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen und die Beweiswürdigung nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigen, müssen daher von vornherein erfolglos bleiben (RIS‑Justiz RS0116504 [T1 und T2]). Indem die Mängelrüge die ausführliche, auf die psychische Erkrankung des Betroffenen explizit Bezug nehmende Beweiswürdigung zur inneren Tatseite auf US 11 f übergeht, ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt.

[6] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat den gesamten Urteilssachverhalt zugrundezulegen und demnach auch den im Urteil in Ansehung der subjektiven Tatseite festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen (RIS‑Justiz RS0099724). Zudem genügt es zur prozessförmigen Ausführung einer Rechtsrüge oder Subsumtionsrüge nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz zu behaupten. Diese ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116569).

[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verabsäumt es, ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen zu Bedeutungsgehalt und Ernstlichkeit der Drohung sowie zur inneren Tatseite gesetzeskonform darzulegen, warum die durch Gesten unter Verwendung eines Messers erfolgte, ernst gemeinte Ankündigung, dem Bedrohten die Kehle durchzuschneiden, objektiv nicht geeignet sein sollte, diesem begründete Besorgnisse einzuflößen (siehe aber RIS‑Justiz RS0092753 [insbesondere T3], RS0092168).

[8] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) lässt wiederum nicht erkennen, warum das Erstgericht bei der Urteilsfällung am 21. Oktober 2022 verhalten gewesen sein sollte, § 21 Abs 3 StGB in der Fassung des am 15. Dezember 2022 beschlossenen und am 1. März 2023 in Kraft getretenen Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes 2022, der demnach weder Tatzeit- noch Urteilszeitrecht (in erster Instanz) darstellt, zu berücksichtigen. Der in diesem Zusammenhang einzig begründend ins Treffen geführten Entscheidung des EGMR (17. 9. 2009, 10249/03, Scoppola/Italien) ist eine Verpflichtung zur Anwendung im Entscheidungszeitpunkt noch gar nicht in Kraft getretener (milderer) gesetzlicher Bestimmungen gerade nicht zu entnehmen (RISJustiz RS0087462 [insbesondere T6], RS0088808; vgl auch Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 6 und 18).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits nach der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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