Spruch:
In der Strafsache gegen Alfred W*** (ehemals M***), Andrea L*** (ehemals N***) und Bernhard Z*** wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 erster Fall StGB und anderer Straftaten, AZ 14 E Vr 399/88 des Landesgerichtes Klagenfurt, verletzen das Gesetz:
1./ Der Beschluß vom 13.Juli 1988, ON 28 Punkt 2, in Ansehung der Andrea L***
a/ soweit die Probezeit der im Verfahren 8 E Vr 3.178/84 des Landesgerichtes Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht verlängert wurde, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 7 StPO idF vor der Strafgesetznovelle 1989, BGBl. 242;
b/ soweit die im Verfahren U 889/84 des Bezirksgerichtes Lienz gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, in den Bestimmungen der §§ 43 Abs. 2 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 StGB;
2./ die am 9.September 1988 ohne vorherige rechtswirksame Urteilszustellung an den Berufungswerber Bernhard Z*** verfügte Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Alfred W*** und Bernhard Z*** sowie die Durchführung des Berufungsverfahrens zu AZ 9 Bs 414/88 des Oberlandesgerichtes Graz, in welchem über die Berufungen dieser beiden nicht ordnungsgemäß zum Gerichtstag vorgeladenen Angeklagten in Abwesenheit verhandelt und entschieden wurde, in den Bestimmungen der §§ 466 Abs. 7, 467 Abs. 1 und 5 sowie 471 Abs. 1, 2 und 4 StPO iVm § 489 Abs. 1 StPO.
Gemäß dem § 292 letzter Satz StPO wird der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13.Juli 1988, GZ 14 E Vr 399/88-28, Punkt 2 aufgehoben und es wird diesem Gericht aufgetragen, hievon die Bundespolizeidirektion Wien (§ 2 Abs. 1 Z 4 lit. d und e StRegG), das Bezirksgericht Lienz zu AZ U 889/84 und das Landesgericht Klagenfurt zu AZ 8 E Vr 3.178/84 zu verständigen; ferner wird das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 24. Oktober 1989, 9 Bs 414/88, aufgehoben und die gesetzmäßige Erneuerung des Berufungsverfahrens, beginnend mit der Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Angeklagten Bernhard Z***, angeordnet.
Text
Gründe:
I./ Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13.Juli 1988, GZ 14 E Vr 399/88-28 (Punkt 1) wurden der am 16.Juni 1961 geborene Alfred W*** (ehemals M***) der Vergehen des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 erster Fall StGB und der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, die am 8.Mai 1964 geborene Andrea L*** (ehemals N***) des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 erster Fall StGB und der am 7.Feber 1967 geborene Bernhard (richtig:) Z*** (S 7 ff, 91, 195 u.a.) der Vergehen des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 erster Fall StGB, der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Jeweils als Zusatzstrafen (§§ 31, 40 StGB) wurden über Alfred W*** eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, über Andrea L*** eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 80 S (50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und über Bernhard Z*** eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt. Im Fall der Angeklagten L*** faßte der Einzelrichter überdies den - in der Folge den betroffenen Gerichten nicht unverzüglich mitgeteilten - Beschluß (ON 28, Punkt 2), aus Anlaß der Verurteilung wegen der neuen, innerhalb der jeweils dreijährigen Probezeiten begangenen Straftat (a) die Probezeit der mit Urteil vom 7. Jänner 1985 (rechtskräftig seit 11.Jänner 1985), GZ 8 E Vr 3.178/84-9, gewährten bedingten Nachsicht einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf fünf Jahre zu verlängern und (b) die bedingte Nachsicht der mit Urteil (richtig: Strafverfügung) des Bezirksgerichtes Lienz vom 4.Jänner 1985 (rechtskräftig seit 30. Jänner 1985), GZ U 889/84-3, verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 500 S (30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) zu widerrufen.
Die Angeklagte L*** hatte der Vorladung zur am 13.Juli 1988 neu durchgeführten Hauptverhandlung im Verfahren AZ 14 E Vr 399/88 des Landesgerichtes Klagenfurt zwar nicht Folge geleistet, jedoch beim letzten von ihr wahrgenommenen Hauptverhandlungstermin am 27. April 1988 (ON 22, S 260 unten) Gelegenheit erhalten, sich zum allfälligen Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ U 889/84 des Bezirksgerichtes Lienz zu äußern. Sie unterließ - ebenso wie die Staatsanwaltschaft - die Erhebung von Rechtsmitteln gegen die (ihr am 11.August 1988 zugestellten) Entscheidungen ON 28, und zwar auch gegen den Widerruf der zu AZ U 889/84 des Bezirksgerichtes Lienz gewährten bedingten Strafnachsicht - obwohl in diesem Verfahren bereits mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 11. März 1988, GZ U 889/84-6, die endgültige Strafnachsicht ausgesprochen worden war - und gegen die Verlängerung der Probezeit der zu AZ 8 E Vr 3.178/84 des Landesgerichtes Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht. Im letzterwähnten Verfahren hinwieder wurde am 19.August 1988, also noch vor Rechtskraft des Verlängerungsbeschlusses, die Strafe endgültig nachgesehen (ON 20 im Akt AZ 8 E Vr 3.178/84 des Landesgerichtes Klagenfurt). Im Verfahren AZ 14 E Vr 399/88 des Landesgerichtes Klagenfurt war die zu AZ U 889/84 des Bezirksgerichtes Lienz ausgesprochene endgültige Strafnachsicht zwar zufolge Verlesung des bezirksgerichtlichen Aktes in der Hauptverhandlung (S 283 unten) bereits aktenkundig; erst aufgrund eines zusätzlichen Hinweises der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 27.Feber 1989 hielt der Einzelrichter jedoch am 6.März 1989 fest: "Widerruf der Geldstrafe von 30.000 S (U 889/84) irrtümlich, da bereits endgültig nachgesehen" und verfügte (u.a.): "Keine Verständigung des Strafregisteramtes. Geldstrafe nicht einheben" (S 334). Die Angeklagten W*** und Z*** meldeten bereits in der Hauptverhandlung am 13.Juli 1988 gegen das Urteil "volle Berufung" an (S 284). Der Angeklagte W*** behob die an seinem Wohnort Spittal/Drau am 12.August 1988 postamtlich hinterlegte Urteilsausfertigung am 26.August 1988 (S 369) und führte noch an diesem Tag (Datum der Postaufgabe) sein Rechtsmittel selbst aus (ON 29). Die Zustellung der für den Angeklagten Z*** bestimmten Urteilsausfertigung wurde - ersichtlich infolge Unterlassung jeglichen Hinweises in der Zustellverfügung (S 301) darauf, daß diesem Angeklagten wegen seines bereits aktenkundigen Präsenzdienstes bis Ende September 1988 (S 246, 281) gemäß §§ 505 StPO und 15 Abs. 1 ZustellG durch das unmittelbar vorgesetzte militärische Kommando zuzustellen war - im Postwege an seinem letzten bekannten Wohnsitz in Spittal/Drau versucht; der Gerichtsbrief wurde am 16.August 1988 beim dortigen Postamt 9803 hinterlegt (Rückschein bei S 301).
Am 15.September 1988 gelangten die Akten AZ 14 E Vr 399/88 des Landesgerichtes Klagenfurt zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten W*** und Z*** an das Oberlandesgericht Graz. Im Vorlagebericht vermerkte der Einzelrichter des Landesgerichtes unter anderem, daß die Rechtsmittelausführung des Angeklagten Z*** trotz (vermeintlicher) Urteilszustellung durch Hinterlegung am 16. August 1988 unterlassen worden sei (S 307). Das Berufungsgericht ordnete mit Verfügung vom 27.September 1988 den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufungen für den 24. Oktober 1988, 11 Uhr 15, am Sitz des Bezirksgerichtes Villach an. Die Vorladung der Angeklagten wurde unter ihren aktenkundigen Anschriften in Spittal/Drau verfügt (Alfred W*** hatte diese Anschrift auch noch in seiner Rechtsmittelschrift ON 29 angegeben). Aufgrund einer im Wege des Gendarmeriepostens Spittal eingeholten Auskunft der Lebensgefährtin des Alfred W*** wurde in der Folge die Zustellung der Vorladung an den Angeklagten W*** unter einer Anschrift in Hard (Vorarlberg) versucht (siehe S 373 dA 14 E Vr 399/88). Die an beide Berufungswerber ergangenen Vorladungen wurden postamtlich hinterlegt, und zwar für den Angeklagten W*** am 11. Oktober 1988 beim Postamt 6971 Hard, für den Angeklagten Z*** am 5.Oktober 1988 beim Postamt 9803 Spittal/Drau. Eine Behebung dieser Vorladungen durch die Adressaten ist nicht erweislich (Mitteilungen der Postämter 6971 Hard ON 56 und 9803 Spittal/Drau ON 58 dA 14 E Vr 399/88; Auskunft des ersteren Postamtes vom 20. Oktober 1988 im Akt 9 Bs 414/88 des Oberlandesgerichtes Graz). Im Wege des vom Oberlandesgericht Graz ersuchten Gendarmeriepostens Spittal kam dem Angeklagten W*** aber eine formlose Mitteilung des Termins für den Gerichtstag zu, in welcher infolge eines Versehens als Uhrzeit 14 Uhr (statt 11 Uhr 15) aufschien (Beilagen zu ON 36 und 37 in 14 E Vr 399/88; ON 50 letzter Absatz und ON 59 dieses Aktes und Vermerk des Landesgerichtspräsidiums Klagenfurt vom 24. Oktober 1988 im Berufungsakt). Am 10.Oktober 1988 gab der Angeklagte W*** dem Oberlandesgericht Graz noch telefonisch seine Absicht bekannt, zum Gerichtstag zu erscheinen (AV in AZ 9 Bs 414/88).
Als dennoch die Angeklagten W*** und Z*** zur am 24. Oktober 1988 von 11 Uhr 15 bis 11 Uhr 35 am Sitze des Bezirksgerichtes Villach durchgeführten Berufungsverhandlung nicht erschienen, faßte das Berufungsgericht den Beschluß auf Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten gemäß den §§ 471 Abs. 4, 489 Abs. 1 StPO und erkannte dahin, daß auf die Berufungen wegen Nichtigkeit gemäß dem § 467 Abs. 2 StPO keine Rücksicht genommen werde und die Berufungen wegen Schuld und Strafe als unbegründet zurückgewiesen würden (ON 32 und 33 dA 14 E Vr 399/88 des Landesgerichtes Klagenfurt).
Am 29.Dezember 1988 brachten die Verurteilten W*** und Z*** (durch ihren gemeinsamen, von ihnen erst an diesem Tag bevollmächtigten Verteidiger) jeweils als "Antrag auf Hemmung des Strafvollzuges, Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, Wiedereinsetzungsantrag" bezeichnete Schriftsätze ein, in denen sie vorbrachten, zur Zeit der Hinterlegung der Vorladungen zur Berufungsverhandlung ständig berufsbedingt von ihren Wohnsitzen abwesend gewesen zu sein. Durch diesen Umstand sowie durch die Anführung einer unrichtigen Uhrzeit in der W*** im Wege seiner Freundin zugekommenen und von ihm an den Angeklagten Z*** weitergegebenen Information über den Verhandlungstermin seitens der Gendarmerie seien die beiden Berufungswerber außerstande gewesen, den Termin wahrzunehmen. Bernhard Z*** brachte darüber hinaus vor, mangels einer den Bestimmungen des Zustellgesetzes entsprechenden Urteilszustellung zur Ausführung der Berufung nicht in der Lage gewesen zu sein und beantragte die neuerliche Urteilszustellung (ON 36 und 37).
Dieses Vorbringen wurde durch die hierüber durchgeführten Erhebungen nicht widerlegt: Insbesondere steht neben dem bereits erwähnten Übermittlungsversehen in der Frage der Uhrzeit der Berufungsverhandlung auch fest, daß im Oktober 1988 Alfred W*** in der Schweiz und Bernhard Z*** in Bad Gastein beschäftigt (und aufhältig) waren (ON 52 und 59). Unterlagen über die Ausfolgung der postamtlich hinterlegten Gerichtsbriefe (Urteilsausfertigung für Bernhard Z***, Vorladungen der Angeklagten W*** und Z*** zur Berufungsverhandlung) an die Empfänger liegen bei den Zustellpostämtern nicht auf (ON 56 und 58); Anhaltspunkte dafür, daß die Adressaten infolge Rückkehr an ihre Wohnorte innerhalb der Abholfrist in der Lage gewesen sein könnten, die hinterlegten Sendungen zu beheben, kamen nicht hervor.
Rechtliche Beurteilung
Schon der vom Einzelrichter des Landesgerichtes Klagenfurt in der Hauptverhandlung vom 13.Juli 1988 gefaßte Beschluß in Ansehung bedingt nachgesehener Strafen der Andrea L*** (ON 28, Pkt 2 a und b dA 14 E Vr 399/88) steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Da der Beschluß auf endgültige Strafnachsicht (§ 43 Abs. 2 StGB, § 497 StPO) der materiellen Rechtskraft fähig ist (EvBl. 1974/176; ÖJZ-LSK 1979/137 zu § 43 Abs. 3 StGB aF), setzt der Widerruf der bedingten Strafnachsicht - von der Verwirklichung eines Widerrufsgrundes und der Einhaltung der Widerrufsfrist abgesehen - auch voraus, daß die Strafe noch nicht endgültig nachgesehen wurde. Eben dies war hier der Fall, weshalb der Widerruf der bedingten Nachsicht wegen der in der Probezeit begangenen strafbaren Handlung gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 2 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 StGB verstieß.
Die Probezeit der im Verfahren AZ 8 E Vr 3.178/84 des Landesgerichtes Klagenfurt gewährten bedingten Strafnachsicht wurde noch vor der Änderung des § 494 a StPO durch die erst am 1.Juli 1989 in Kraft getretene Strafgesetznovelle 1989 BGBl. 242 verlängert. Nach der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO aF) hatte das erkennende Gericht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zwar von einem Widerruf einer bedingten Strafnachsicht abzusehen, die Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit (wie auch die Erteilung von Weisungen und die Bestellung eines Bewährungshelfers) hingegen jenem Gericht zu überlassen, dessen Vorentscheidung vom Beschluß nach dem § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO betroffen war (§ 494 a Abs. 7 StPO aF; EvBl. 1989/37). Ungeachtet der indessen eingetretenen Gesetzesänderung - gemäß dem § 494 a Abs. 7 StPO idF der Strafgesetznovelle 1989, BGBl. 242, kann nunmehr das erkennende Gericht im Beschluß auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung auch die Probezeit verlängern - gereicht die Überschreitung der (damaligen) Grenzen der Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts Klagenfurt durch den Ausspruch der Verlängerung der Probezeit der Angeklagten L*** zum Nachteil; denn in jenem Verfahren, in welchem nach den damals geltenden Zuständigkeitsvorschriften die Verlängerung der Probezeit hätte ausgesprochen werden können, kam es (noch dazu vor Rechtskraft des unzulässigerweise im neuen Strafverfahren ergangenen Verlängerungsbeschlusses) zur endgültigen Strafnachsicht.
Aber auch im Verfahren über die Berufungen der Angeklagten W*** und Z*** wurde das Gesetz verletzt:
Gemäß dem § 466 Abs. 7 StPO ist dem Beschwerdeführer (Berufungswerber) vom Bezirksgericht eine Urteilsabschrift zuzustellen; ihm steht nach dem § 467 Abs. 1 StPO das Recht zu, binnen vierzehn Tagen bzw. - nach einer mehr als 5-tägigen Hauptverhandlung binnen vier Wochen (§ 285 Abs. 3 StPO) - eine Ausfertigung der Gründe seiner Berufung beim Erstgericht zu überreichen und allenfalls neue Tatsachen oder Beweismittel unter genauer Angabe aller zur Beurteilung ihrer Erheblichkeit dienenden Umstände anzuzeigen. Eine Ausfertigung der Berufung (Berufungsausführung) ist dem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen seine Gegenausführung überreichen könne; erst nach Überreichung dieser Gegenausführung oder Ablauf der hiezu bestimmten Frist sind alle Akten dem Rechtsmittelgericht vorzulegen (§ 467 Abs. 5 StPO). Die erwähnten Vorschriften gelten gemäß dem § 489 Abs. 1 StPO dem Sinn nach auch für das Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters des Gerichtshofes erster Instanz.
Da davon auszugehen ist, daß der Angeklagte Z*** infolge Ortsabwesenheit vom Zustellversuch, der entgegen den Vorschriften der §§ 505 StPO und 15 ZustellG durch die Post an seiner Wohnanschrift statt durch das vorgesetzte militärische Kommando unternommen wurde, nicht fristgerecht Kenntnis erlangte, ist diesem Angeklagten die Urteilsausfertigung bisher überhaupt nicht wirksam zugestellt worden (§ 17 Abs. 3 ZustellG). Die dessenungeachtet verfügte Aktenvorlage an das Berufungsgericht und das weitere Berufungsverfahren wurden sohin durchgeführt, ohne daß dem Angeklagten Z*** Gelegenheit geboten worden wäre, von dem ihm gemäß den §§ 489 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO zustehenden Recht zur Ausführung der Berufung Gebrauch zu machen.
Überdies war es diesem Angeklagten, aber auch dem Mitangeklagten W***, infolge Hinterlegung ihrer Vorladungen trotz
ständiger - auch die Behebung der hinterlegten Sendung innerhalb der Abholfrist hindernder - Ortsabwesenheit sowie infolge unrichtiger Information seitens der Gendarmerie über den Verhandlungstermin verwehrt, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über ihre Berufungen teilzunehmen und dort ihren Standpunkt zu vertreten. Die Durchführung der Berufungsverhandlung und die Erledigung der Berufungen in ihrer Abwesenheit verstießen sohin gegen die (gemäß dem § 489 Abs. 1 StPO gleichfalls sinngemäß im Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters des Gerichtshofes erster Instanz anzuwendenden) Vorschriften des § 471 StPO, wonach der Vorsitzende den Angeklagten zum Gerichtstag rechtzeitig - unter Wahrung einer dreitätigen Vorbereitungsfrist (Abs. 2) - vorzuladen (Abs. 1) und in dieser Vorladung darüber zu belehren hat, daß auch im Fall seines Ausbleibens mit Berücksichtigung des in der Berufungsausführung und in der Gegenausführung Vorgebrachten über die Berufung dem Gesetze gemäß erkannt werden würde (Abs. 4). Die Berufungsentscheidung verstieß darum zum Nachteil der Angeklagten gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 3 MRK;
§§ 489 Abs. 1, 473 Abs. 3 und 4 StPO; SSt. 42/41; EvBl. 1955/62;
SSt. 24/39; 12 Os 44/88; 13 Os 169/81; 12 Os 107/78). In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)