Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck verletzt insoweit, als es die Berufungsverhandlung am 23. Juli 1987 in Abwesenheit des Angeklagten ohne dessen rechtswirksame Vorladung durchführte und über dessen Berufung erkannte, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 489 Abs 1, 471 Abs 1 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Manfred Karl K*** nach dessen gehöriger Vorladung bzw. allfälligen Vorführung aus der Strafhaft (§ 471 Abs 3 StPO) zur (neuen) Berufungsverhandlung aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. April 1987, GZ 28 Vr 2360/86-14, wurde Manfred Karl K*** des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt. Gegen diesen Schuldspruch hat Manfred Karl K*** rechtzeitig in einem an das Landesgericht Innsbruck gerichteten Schreiben vom 8. April 1987 (ON 15 dA) der Sache nach Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld angemeldet und nach Zustellung einer Urteilsausfertigung am 3. Juni 1987 beim Erstgericht auch rechtzeitig innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist ein Schriftstück eingebracht, das seinem Inhalt nach als Ausführung einer Nichtigkeits- und Schuldberufung anzusehen war (ON 16 dA). Die vom Oberlandesgericht Innsbruck am 23. Juli 1987 durchgeführte Berufungsverhandlung fand in Abwesenheit des Angeklagten Manfred Karl K*** statt, nachdem dessen Ladung zur Berufungsverhandlung am 16. Juli 1987 bei der Post hinterlegt worden war. Nach Verlesung der Berufungsanmeldung, ON 15 dA, sowie der Berufungsschrift, ON 16 dA, hat das Oberlandesgericht Innsbruck mit Entscheidung vom 23. Juli 1987, AZ 8 Bs 372/87, der Berufung des Angeklagten K*** (wegen Nichtigkeit und Schuld sowie der in der Schuldberufung enthaltenen; vgl. § 467 Abs 3 StPO in Verbindung mit dem § 489 Abs 1 StPO Berufung wegen Strafe) keine Folge gegeben. Nachträglich stellte sich heraus, daß eine rechtswirksame Ladung des Angeklagten K*** zur Berufungsverhandlung (durch Hinterlegung des Schriftstückes mit der Vorladung zur Berufungsverhandlung bei der Post) nicht erfolgt war, weil sich der Angeklagte mit seiner Familie in der Zeit vom 13. bis 25. Juli 1987 im Ausland (Italien) aufgehalten hatte, demnach die bei der Post hinterlegte Vorladung zu der für den 23. Juli 1987 festgesetzten Berufungsverhandlung erst am 27. Juli 1987 (Montag) bei der Post beheben konnte und somit erst an diesem Tag von dem - inzwischen aber bereits verstrichenen - Termin der Berufungsverhandlung Kenntnis erlangt hatte (vgl. die angeschlossenen, von der Staatsanwaltschaft Innsbruck veranlaßten Polizeierhebungen).
Rechtliche Beurteilung
Nach der gemäß § 489 Abs 1 StPO für das Berufungsverfahren gegen Urteile des Einzelrichters eines Gerichtshofes erster Instanz anzuwendenden Vorschrift des § 471 Abs 1 StPO ist für den Fall, daß zur Entscheidung über die Berufung ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung angeordnet wird, u.a. der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte rechtzeitig vorzuladen und in der Vorladung auf die Folgen seines Ausbleibens hinzuweisen (§ 471 Abs 4 StPO). Gemäß dem § 80 Abs 1 StPO sind für die - nicht zu eigenen Handen vorzunehmende (vgl. § 79 Abs 3 StPO) - Vorladung des Angeklagten zur Berufungsverhandlung die Vorschriften des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (und sinngemäß die allerdings im vorliegenden Fall nicht weiter in Betracht kommenden §§ 87, 89, 91 und 100 der ZPO), anzuwenden. Gemäß dem § 17 Abs 3, vierter Satz, ZustellG gelten hinterlegte Sendungen aber nicht als zugestellt, wenn sich - so wie dies im vorliegenden Fall zutrifft - ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Es lag somit keine rechtswirksame Zustellung der Ladung des Angeklagten K*** zu der vom Oberlandesgericht Innsbruck am 23. Juli 1987 durchgeführten Berufungsverhandlung vor, sodaß der Angeklagte in seinem - ihm sogar verfassungsrechtlich eingeräumten (vgl. Art. 6 Abs 3 lit. c MRK) - Recht auf Anhörung (auch) im Berufungsverfahren (vgl. § 473 Abs 3 und Abs 4 StPO in Verbindung mit dem § 489 Abs 1 StPO) verletzt wurde. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß für den Berufungssenat des Oberlandesgerichtes Innsbruck im Zeitpunkte der Berufungsentscheidung am 23. Juli 1987 nach der damaligen Aktenlage die Unwirksamkeit der Zustellung der Vorladung des Angeklagten zur Berufungsverhandlung nicht erkennbar war. Diese (objektiv vorliegende) Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten Manfred Karl K*** ersichtlich zum Nachteil (siehe u.a. SSt. 41/42).
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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