OGH 11Os116/09g

OGH11Os116/09g8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rene M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 13. Mai 2009, GZ 10 Hv 166/08w-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch von ähnlicher Delinquenz enthält - wurde Rene M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG, teils in Verbindung mit § 12 dritter Fall StGB (I), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (II), des Vergehens der Bestimmung zur versuchten Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG iVm §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB (III) und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG idF BGBl I 2002/134 (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er von Anfang 2005 bis August 2008 in N***** und anderen Orten in wiederholten Angriffen

I. vorschriftswidrig Suchtgifte in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich amphetaminhältiges Speed mit einer Reinsubstanz von insgesamt zumindest 667,60 Gramm, anderen teilweise in der Absicht überlassen, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen in die Grenzmenge übersteigenden Mengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei er zu 11 Hv 134/01k des Landesgerichts Leoben bereits wegen strafbarer Handlungen, die jenen nach § 28a Abs 1 SMG idgF gleich zu halten sind, verurteilt worden ist, indem er

1. teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit den abgesondert verfolgten Gino Bö*****, Andreas H***** und Alexander B***** zumindest 1.280 Gramm amphetaminhältiges Speed (Reinheitsgehalt von 43 %) an nicht näher bekannte Abnehmer in der Diskothek B***** sowie bei Rave-Veranstaltungen im Bundesgebiet gewinnbringend verkaufte, teils zum gewinnbringenden Verkauf durch die abgesondert verfolgten Gino Bö*****, Andreas H***** und Alexander B***** dadurch beitrug, dass er gemeinsam mit den genannten Personen das angeführte Speed mit Schüsslersalzen aufstreckte und in „Baggies" zu 0,8 bzw 1 Gramm zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs portionierte;

2. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit den abgesondert verfolgten Gino Bö***** und Andreas H***** 120 Gramm amphetaminhältiges Speed (Reinheitsgehalt von 86 %) an nicht näher bekannte Abnehmer im Zuge von Rave-Veranstaltungen und in der Diskothek B***** in N***** gewinnbringend verkaufte;

3. im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit dem abgesondert verfolgten Andreas H***** insgesamt 50 Gramm amphetaminhältiges Speed (Reinheitsgehalt von zumindest 20 %) an nicht näher bekannte Personen insbesondere im Zuge von Rave-Veranstaltungen und in der Diskothek B***** größtenteils gewinnbringend verkaufte und teils unentgeltlich bzw zum Einkaufspreis zur Verfügung stellte;

4. zum gewinnbringenden Verkauf von zumindest 30 Gramm amphetaminhältigem Speed (Reinheitsgehalt von zumindest 20 %) durch die abgesondert verfolgten Gino Bö***** und Alexander B***** dadurch beitrug, dass er gemeinsam mit den genannten Personen das angeführte Speed mit Schüsslersalzen aufstreckte und in „Baggies" zu 1 Gramm zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs portionierte;

II. vorschriftswidrig Suchtgifte in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen in der Absicht überlassen, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen in die Grenzmenge übersteigenden Mengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei er zu 11 Hv 134/01k des Landesgerichts Leoben bereits wegen strafbarer Handlungen, die jenen nach § 28a Abs 1 SMG idgF gleich zu halten sind, verurteilt worden ist, indem er teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit den abgesondert verfolgten Andreas H***** und Gino Bö***** insgesamt zumindest 805 Stück Ecstasy-Tabletten (US 9: 40,25 g MDMA) an die abgesondert verfolgten Almaz Hi***** (700 Stück), Gino Bö***** (5 Stück), sowie an weitere nicht näher bekannte Personen im Zuge von Rave-Veranstaltungen und in der Diskothek B***** größtenteils gewinnbringend verkaufte und teils unentgeltlich bzw zum Einkaufspreis zur Verfügung stellte;

III. mit dem Vorsatz, dass Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Verkehr gesetzt werde, den abgesondert verfolgten Alexander B***** dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zu erwerben, indem er B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Andreas H***** 2.000 Euro zum Zwecke des Ankaufs von zumindest 115 Gramm amphetaminhältigem Speed (Reinheitsgehalt von 86 %) übergab, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil der nicht näher bekannte Lieferant B***** trotz Übergabe des Geldes kein Suchtgift lieferte;

IV. im Zeitraum von Anfang 2005 bis zumindest Mai 2008 vorschriftswidrig Suchtgifte erworben, indem er Kokain, amphetaminhältiges Speed, Ecstasy-Tabletten und Marihuana (vom 1. 1. 2008 bis Mai 2008) teilweise kaufte und teilweise im Zuge des gemeinsamen Suchtgift-Konsums unentgeltlich zur Verfügung gestellt erhielt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO richtet sich gegen die Schuldsprüche zu I.1., 2. und 3. sowie II. und III.

In welcher Wohnung das „Strecken" des Amphetamins erfolgte (in der des Angeklagten oder in der des abgesondert verfolgten Alexander B*****), betrifft zum Schuldspruch I.1. keine entscheidende Tatsache. Die Tatrichter (US 13 f) gründeten überdies ihre Mengenfeststellungen keineswegs ausschließlich auf den Ort der Bearbeitung des Suchtgifts (und die damit im Zusammenhang getätigte Einlassung des Beschwerdeführers vor der Polizei), sodass mit der dazu zitierten, im Urteil nicht spezifisch erörterten Aussage des Zeugen B***** keine erhebliche Tatsache angesprochen wird.

Zur teilweisen Annahme eines Reinheitsgehalts an Amphetamin von 86 % hat das Erstgericht ausführlich Stellung genommen (US 11 f, 15), wobei keineswegs von bloß einer Bezugsquelle ausgegangen wurde. Dass Beweisergebnisse für verschiedene Lieferanten vorliegen, musste somit - dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider - keiner gesonderten Auseinandersetzung im Urteil unterzogen werden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Auf die abschwächenden Angaben des Zeugen B***** wurde konkret Bedacht genommen (US 12).

Die Rüge einer Sachverhaltsfeststellung als aktenwidrig verkennt das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 47; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Die vermissten Erhebungsergebnisse zur Testung des erworbenen Suchtgifts durch einen Abnehmer mit dem Ergebnis eines Reinheitsgehalts über 40 % (US 12) finden sich im Übrigen in der Aussage des Polizeibeamten GI L***** ON 25 S 41.

Feststellungen zu verschiedenen Reinheitsgehalten bei verschiedener Herkunft der jeweils tatverfangenen Suchtgiftquanten (I.1., 2. zu I.3., 4.) schließen einander keineswegs aus und erfüllen daher nicht den dritten Fall des § 281 Abs 1 Z 5 StPO. Daraus folgt allerdings umgekehrt nicht - wie der Nichtigkeitswerber eigenständig beweiswürdigend spekuliert - dass Suchtgift verschiedener Herkunft nicht von gleicher Reinheit sein kann.

Der Vorwurf in diesem Zusammenhang, das Erstgericht habe gegen das Gebot amtswegiger Wahrheitsforschung verstoßen (Z 5a als Aufklärungsrüge), legt nicht dar, aus welchem Grund der Rechtsmittelwerber selbst an entsprechender Antragstellung gehindert gewesen sei (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 50).

Dass kein Suchtgift sichergestellt und analysiert werden konnte, erweckt beim Obersten Gerichtshof - der Tatsachenrüge (Z 5a) entgegen - keine erheblichen Bedenken gegen die festgestellte Qualität der verpönten Stoffe der Schuldsprüche I.1. und 2.

Hinsichtlich des Faktums III. findet sich die vermisste Auseinandersetzung mit dem teilweise Leugnen des Angeklagten in US

19. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit bleibt unsubstantiiert, jener nicht zureichender Begründung der subjektiven Tatseite ist angesichts der logisch und empirisch korrekten Erwägungen (Vorleben, gemeinsame Finanzierung, sonstiges einschlägiges Verhalten) verfehlt. Die Verantwortung des Nichtigkeitswerbers, selbst nie Suchtmittel verkauft zu haben, wurde in US 11 erörtert. Dem entgegen bedurfte es keines gesonderten Eingehens auf fehlende Wahrnehmungen dritter Personen (etwa des Zeugen Hi*****) zur eigenen Verkaufstätigkeit des Angeklagten. Im Übrigen ist auf die Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB zu verweisen (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 69).

Die materiellrechtlichen Rügen (Z 9 lit a und 10) halten nicht - wie prozessual erforderlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584) - am Tatsachensubstrat der angefochtenen Entscheidung fest: Die angeblich fehlenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Faktum III. finden sich in US 10; gegen eine straflose Vorbereitungshandlung im Grunde eines bloßen Zurverfügungstellens der Wohnung beim Faktum I.1. streiten die Konstatierungen US 7 f (iVm US 2) hinsichtlich der Beteiligung des Beschwerdeführers am Verarbeiten und Verkaufen des Suchtgifts, welche auch bei der (durch einen „Verweis" auf einen „diesbezüglichen Beweisantrag" nicht an Argumentationskraft gewinnenden) Forderung nach einer Subsumtion der Faktengruppe I unter „§ 28 SMG" außer Acht gelassen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat sich die Subsumtion des Faktums IV unter § 27 Abs 1 erster Fall SMG idF BGBl I 2002/134, wiewohl ein Teil des Tatzeitraums nach dem 1. Jänner 2008 lag und die genannte Bestimmung gegenüber § 27 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2 SMG in der geltenden Fassung (vgl US 10) in ihrer Gesamtauswirkung für den Täter nicht günstiger war (RIS-Justiz RS0124177; die in 13 Os 151/07s zum Verhältnis von § 28a Abs 3 SMG und § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG aF entwickelte Argumentation steht dem für den hier relevanten Günstigkeitsvergleich zufolge differenter gesetzlicher Konstruktion nicht entgegen).

Aus 13 Os 168/08t folgt überdies lediglich, dass Erwerb und Besitz ein- und desselben Suchtgiftquantums lediglich eine strafbare Handlung begründen, nicht aber, dass im Schuldspruch nicht beide alternativen Begehungsformen enthalten sein dürften. Rechtlich verfehlt ist die gesonderte Annahme von Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (I) und § 28 Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (II), weil § 28a Abs 4 Z 3 SMG - vergleichbar dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB - zu einer Subsumtionseinheit führt, sodass § 28a Abs 1 SMG, nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifiziert - ungeachtet der unselbständigen Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG - auch bei gleichartiger Realkonkurrenz stets nur ein einziges Verbrechen begründet (RIS-Justiz RS0117564 und RS0123912). Da aber einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23) und andererseits dem durch die - von diesem ausgelöste - aggravierende Wertung des Zusammentreffens „mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen" (US 21) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen ist (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bestand - in diesem Punkt entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - kein Anlass zu einem amtswegigen Vorgehen des Obersten Gerichtshofs (11 Os 34/06v). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO), wobei hinsichtlich der verfehlten Subsumtion keine (dem Angeklagten zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS-Justiz RS0118870). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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