OGH 11Os34/06v

OGH11Os34/06v20.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gebhart als Schriftführer, in der Strafsache gegen Albert T***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 27. Oktober 2005, GZ 15 Hv 218/04a-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte schuldig erkannt, „die Verbrechen nach dem § 28 Abs 2 (vierter Fall), Abs 3 (erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG" begangen zu haben.

Danach hat er im Jahr 1997 gewerbsmäßig mindestens 8.000 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 1.600 Gramm Kokainbase, welches er im Zuge mehrerer Übergaben erworben hatte, durch zahlreiche gewinnbringende Verkäufe in Verkehr gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Indem sich die Verfahrensrüge (Z 4) gegen die Abweisung des die Ablehnung des Vorsitzenden geltend machenden Gesuchs (S 5 f/II) wendet, übersieht sie, dass der herangezogene Nichtigkeitsgrund (abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall des § 74a StPO) eine Befassung des Gerichtshofs im Rahmen der Hauptverhandlung voraussetzt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 303 f). Demgegenüber ist die gegenständliche Entscheidung - außerhalb der Hauptverhandlung - der Bestimmung des § 74 Abs 1 StPO entsprechend durch den Präsidenten des Erstgerichts erfolgt (ON 48), womit der Rechtsmittelausschluss des § 74 Abs 3 erster Satz StPO Platz greift.

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 5a, der Sache nach Z 4) erfolgte die Abweisung (S 42/II) zweier auf die Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Shengulj F***** gerichteter Beweisanträge ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Der Antrag auf Einholung einer Auskunft des ÖAMTC Graz über einen bestimmten Panneneinsatz (S 41/II iVm S 474/I) hätte nämlich mit Blick auf die Aussage des Zeugen AI Werner P*****, der ÖAMTC habe ihm mitgeteilt, dass derartige Daten nicht zur Verfügung stehen (S 442/I), darlegen müssen, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme dennoch das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Der Antrag auf Anfrage bei der Wirtschaftskammer Österreich zum Beweis dafür, dass der Angeklagte erst ab den Jahren 1998 bzw 1999 eine Begleit- und eine Telefonsexagentur betrieben hatte und deshalb die Aussage des Zeugen F*****, Wolfgang S***** habe ihm den Angeklagten schon im Jahr 1997 als Person vorgestellt, welche sich „auf diesem Geschäftsbereich betätige", nicht richtig sein könne (S 41/II iVm S 475 f/I), ging schon im Ansatz fehl, weil selbst eine dem Beweisbegehren entsprechende Auskunft der relevierten Mitteilung nicht zwingend entgegengestanden wäre.

Im Übrigen verkennt die Rüge das Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a, der sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen und solcherart die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel voraussetzt. Dies bedeutet, dass ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter abgeleitete Einwände ebenso wenig zur prozessförmigen Darstellung der Rüge geeignet sind, wie Eindrücke, Hypothesen oder Spekulationen des Beschwerdeführers (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

Den dargelegten gesetzlichen Erfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie die volle Unbefangenheit des Vorsitzenden in Zweifel zieht, die tatrichterlichen Erwägungen zu den - im Übrigen für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage irrelevanten - finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kritisiert, einzelne Überlegungen der mängelfrei begründeten beweiswürdigenden Argumentationskette des Erstgerichts isoliert angreift und dieser eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Rechtlich verfehlt ist die Annahme mehrerer „Verbrechen nach dem § 28 Abs 2 (vierter Fall), Abs 3 (erster Fall) und Abs 4 Z 3 SMG", weil die letztgenannte Bestimmung - vergleichbar der des für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB - eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Suchtmittelmengen normiert, sodass § 28 Abs 2 SMG, nach § 28 Abs 4 Z 3 qualifiziert - ungeachtet der unselbständigen Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Satz (erster Fall) SMG - auch bei gleichartiger Realkonkurrenz stets nur ein einziges Verbrechen begründet (13 Os 156/02; zuletzt 15 Os 30/05h, 14 Os 28/05g, 13 Os 65/05s). Da aber einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23) und andererseits dem durch die - von diesem ausgelöste - aggravierende Wertung des Zusammentreffens „mehrerer Verbrechen mit einem Vergehen" (US 18) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen ist (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bestand kein Anlass zu einem amtswegigen Vorgehen des Obersten Gerichtshofes. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO), wobei hinsichtlich der verfehlten Subsumtion keine (dem Angeklagten zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (13 Os 21/04, EvBl 2004/174; zuletzt 11 Os 138/05m).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte