European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00010.17F.0321.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten G***** und M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit den angefochtenen Urteilen vom 22. November 2016 (ON 104b) und 5. Dezember 2016 (ON 122b) wurden Wolfgang G***** und Julia M***** jeweils der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (jeweils A./) sowie der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (jeweils B./) schuldig erkannt.
Nach den Schuldsprüchen haben sie am 22. April 2016 in I***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken auch mit Markus Gf***** als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Simon K***** und Wolfgang P*****, indem M***** den Genannten einen CO2‑Revolver vorhielt und ankündigte, sie umzubringen, G***** und M***** ein Klappmesser gegen sie richteten und Gf***** und G***** P***** aus dem Fahrzeug zerrten, festhielten und durchsuchten,
A./ mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen abgenötigt und weggenommen, und zwar
1./ K***** etwa 50 Euro;
2./ P***** eine Geldtasche mit etwa 20 Euro und ein Mobiltelefon;
B./ mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod P***** zur Duldung der Wegnahme seiner Bankomat- und Kreditkarte, zur Bekanntgabe der PIN und Duldung der unmittelbar nachfolgenden Behebungen von insgesamt 800 Euro genötigt, wobei P***** in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde.
Gegen das Urteil ON 104b richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*****, gegen jenes zu ON 122b die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M***** aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*****:
Die Verteidigung hat die Vernehmung der Zeugen Thomas E***** und Stefan C***** in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür beantragt, dass der Angeklagte G***** vom Angeklagten Gf***** unter Druck gesetzt, bedroht und – zur Tatbegehung – genötigt worden wäre und mit vom Angeklagten Gf***** ausgehenden erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit zu rechnen gehabt hätte, wenn er sich dessen Anweisungen widersetzt hätte. Auch „von einem maßgerechten Menschen in der psycho‑physischen Situation“ des Angeklagten G***** wäre während der Tat kein anderes Verhalten zu erwarten gewesen. Beide Zeugen hätten unabhängig voneinander etwa drei Wochen vor der Tat jeweils einen unter Einsatz eines Messers geführten tätlichen Angriff des Angeklagten Gf***** auf den Beschwerdeführer beobachtet (ON 104a S 53 ff).
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnten diese Beweisaufnahmen ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben, weil sie weder eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache betreffen (RIS‑Justiz RS0117499 [T4]); aus welchem Grund mehrere Wochen zurückliegende Angriffe des Gf***** auf G***** einen Rückschluss darauf zuließen, dass sich G***** bei der Tatbegehung in einer Situation, die als entschuldigender Notstand nach § 10 Abs 1 StGB zu beurteilen wäre, befunden habe, wurde vom Antragsteller nicht dargetan.
Gleiches gilt für die begehrte ergänzende Befragung des psychiatrischen Sachverständigen (ON 104a S 54). Dass – worauf die Antragstellung abzielte – aus psychiatrischer Sicht aufgrund seiner „psycho‑physischen“ Situation vom Angeklagten G***** selbst kein anderes Verhalten zu erwarten gewesen wäre, würde ihn nämlich nicht exkulpieren (vgl dazu RIS‑Justiz RS0089350, RS0089449, RS0089556 ua).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*****:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die Vernehmung der Zeugin Dr. Karin Kr***** ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag ist nämlich nicht zu entnehmen, welche anlässlich der Einlieferung der Angeklagten M***** am 24. April 2016 von dieser Zeugin gemachten Wahrnehmungen Rückschlüsse darauf zuließen, dass die Angeklagte bei der Begehung der Taten zwei Tage davor zurechnungsunfähig gewesen wäre (ON 104a S 54). Dieser Antrag zielt daher – im Hauptverfahren unzulässigerweise – auf eine Erkundungsbeweisführung ab.
Die im Rahmen der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) als widersprüchlich kritisierten (Negativ-)Feststellungen zur unter Einsatz eines Klappmessers erfolgten Bedrohung des Opfers P***** beziehen sich auf verschiedene Zeitpunkte des Tatgeschehens: Während die Angeklagte M***** im Fahrzeug das Klappmesser zunächst gegenüber den Tatopfern K***** und P***** zum Einsatz brachte, um die Forderung nach Geld zu unterstreichen (US 8, 12), konnte das Gericht nicht feststellen, welcher der Beteiligten letztlich das Messer einsetzte, als P***** die PIN zu seiner Bankomatkarte abgenötigt wurde (US 10). Die Konstatierungen schließen einander demnach nicht aus (RIS‑Justiz RS0117402).
Mit den Aussagen der Tatopfer hat sich das Erstgericht eingehend auseinandergesetzt (US 18 ff); dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 zweiter Fall) zuwider war eine ausdrückliche Erörterung des Umstands, dass diese die Angeklagte M***** nicht identifizieren konnten (ON 104a S 38, 47), nicht erforderlich. Die diesbezüglichen Aussagen stehen den Feststellungen zur Täterschaft der Angeklagten – die auf den Angaben ihrer Mittäter und der Zeugen Emanuel Ga***** und Mathias D*****, denen die Angeklagte unmittelbar nach der Tat von dieser berichtet hatte (US 14, 23), beruhen – nicht entgegen.
Ausgehend von der Urteilsannahme einer im Ausmaß von etwa 50 % eingeschränkten Dispositionsfähigkeit der Angeklagten (US 13) vermisst die Rechtsrüge (Z 9 lit a) detaillierte Feststellungen dazu, welche einzelnen, zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Handlungen die Angeklagte in „voller“ Dispositionsfähigkeit getätigt habe. Sie übergeht dabei einerseits die festgestellte Mittäterschaft (US 11 in ON 122b; Fabrizy, StGB12 § 12 Rz 7) und vermag überdies nicht aus dem Gesetz abzuleiten, inwiefern eine nicht fehlende, sondern bloß eingeschränkte Dispositionsfähigkeit dieser Angeklagten Zurechnungsunfähigkeit begründen sollte.
Zu B./ rügt die Nichtigkeitswerberin das Fehlen von Feststellungen dazu, welche von ihr ausgesprochene oder mitgetragene Drohung mit dem Tod Wolfgang P***** dazu veranlasst habe bzw ihn dazu veranlassen sollte, die Wegnahme seiner Bankomat‑ und Kreditkarte zu dulden, die dazugehörenden PIN zu nennen und den nachfolgenden Behebungen nichts entgegenzusetzen. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern bei der konstatierten Mittäterschaft eine diesbezügliche Konkretisierung vor dem Hintergrund der konstatierten Ausnützung der massiven Einschüchterung des Opfers unter Aufrechterhaltung der Gewaltherrschaft und der immer wieder erfolgten massiven verbalen Drohungen mit dem Tod unter Einsatz des Klappmessers erforderlich sein sollte (vgl US 10; RIS‑Justiz RS0090011, RS0090006).
Auf die von der Angeklagten M***** eigenhändig verfasste „Erläuterung meiner Nichtigkeitsbeschwerde“ war nicht Bedacht zu nehmen, weil das Gesetz nur die Einbringung einer Beschwerdeausführung vorsieht (RIS‑Justiz RS0100152).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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