OGH 10ObS85/15w

OGH10ObS85/15w2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H***** *****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2015, GZ 9 Rs 13/15w‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00085.15W.0902.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 165/12f, SSV‑NF 26/88, (abl W. Panhölzl DRdA 2014/3, 36, Panhölzl in SV‑Komm, § 251a Rz 37 ff) die Frage, ob bei der Beurteilung des Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, neben Beitragsmonaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (als gelernter oder angelernter Arbeiter oder als Angestellter) zusätzlich ‑ obwohl sie im Gesetzestext nicht genannt sind ‑ auch Zeiten der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG zu berücksichtigen sind, verneint. Als Begründung wurde ausgeführt, dass eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke nicht vorliege. Gegen eine planwidrige Unvollständigkeit des § 273 Abs 1 ASVG sprächen bereits die Gesetzesmaterialien zum BudgetbegleitG 2011. Nach diesen habe Übereinstimmung darin bestanden, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein solle. Sollten die Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes im Vergleich zur bisher geltenden Gesetzeslage, die keine Berücksichtigung von Beitragsmonaten nach dem GSVG zuließ, also erschwert werden, liefe deren nunmehrige Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers zuwider. Seien die neuen (erschwerten) Voraussetzungen zugleich für den Bereich des GSVG eingeführt worden, könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dass er bei Normierung der neuen Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes das etwaige Vorliegen von Beitragsmonaten nach dem GSVG nicht bedacht hätte. Eine Ergänzung des § 273 Abs 1 ASVG um Beitragsmonate nach dem GSVG widerspräche demnach der vom Gesetz gewollten Beschränkung (RIS‑Justiz RS0128674). Dieser Standpunkt wurde zuletzt in der Entscheidung 10 ObS 55/15h aufrecht erhalten (vgl auch Födermayr in SV‑Komm § 255 ASVG Rz 119).

2. Auch der Hinweis der Revisionswerberin auf § 251a ASVG führt zu keinem für sie günstigeren Ergebnis. Das Wesen der Wanderversicherungsregelung besteht darin, dass alle erworbenen Versicherungszeiten vom zuständigen Träger so behandelt werden, als ob sie bei ihm erworben worden wären (RIS‑Justiz RS0085037). Hat ein Versicherter Versicherungsmonate sowohl nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz oder nach dem Bauernsozialversicherungsgesetz erworben, so kommen für ihn gemäß § 251a Abs 1 ASVG die Leistungen aus der Pensionsversicherung in Betracht, der er zugehörig ist. Die Leistungszugehörigkeit bestimmt sich nach § 251a Abs 3 ASVG. Danach ist der Versicherte dann, wenn in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag Versicherungsmonate in mehreren Pensionsversicherungen vorliegen, der Pensionsversicherung zugehörig, in der die größere oder die größte Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt. Die Leistungen bestimmen sich dabei nach den Regelungen, die im Bereich der Pensionsversicherung bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden und nur Versicherungsfälle zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen System vorgesehen sind (RIS‑Justiz RS0085021 [T1]). Diesem Grundsatz entspricht es, dass der Versicherungsträger für die Prüfung eines Pensionsanspruchs wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, was die Frage des Berufsschutzes betrifft, nur die in seinem Versicherungszweig erworbenen Versicherungszeiten zu berücksichtigen hat (10 ObS 120/95). Nach ständiger Rechtsprechung gilt auch die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach dem GSVG und dem BSVG gemäß § 251a Abs 8 ASVG nicht für die Frage des Berufsschutzes, sondern nur für die Wartezeit (§ 235) und die Bemessung von Leistungen (10 ObS 70/14p; RIS‑Justiz RS0085042).

3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind die einzelnen Sozialversicherungssysteme (ASVG, GSVG, BSVG) wegen ihrer unterschiedlichen Gestaltungen des Beitrags‑ und Leistungsrechts nicht miteinander vergleichbar, sodass zufolge der bestehenden prinzipiellen Unterschiedlichkeit der einzelnen Sozialversicherungssysteme der Gleichheitsgrundsatz für eine einheitliche Regelung nicht ins Treffen geführt werden kann (RIS‑Justiz RS0107985). Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit tritt in den einzelnen Systemen der österreichischen Pensionsversicherung jeweils unter verschiedenen Bezeichnungen auf, wobei auch der Begriffsinhalt jeweils ein anderer ist. Diese unterschiedliche Regelung ist zum Großteil historisch gewachsen und für das österreichische Pensionsrecht in den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit charakteristisch (vgl 10 ObS 61/91, SSV‑NF 5/26 ua). Gegen eine Nichtberücksichtigung von Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG bei der Frage des Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 bzw § 255 Abs 1 ASVG bestehen daher nach Ansicht des erkennenden Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken (10 ObS 55/15h).

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