OGH 10ObS75/18d

OGH10ObS75/18d13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Bianca Hammer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert‑Stifter-Straße 65–67, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. Mai 2018, GZ 6 Rs 62/17k‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00075.18D.0913.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Bei der Gesamtrente im Sinn des § 210 ASVG muss es sich immer um eine Dauerrente handeln, wie sich aus § 210 Abs 4 ASVG iVm § 210 Abs 1 ASVG ergibt. Der Umstand, dass der Unfallversicherungsträger über die Bildung einer Gesamtrente (noch) nicht abgesprochen hat und– beispielsweise – für die Folgen des neuen Arbeitsunfalls wegen der noch nicht eingetretenen Konsolidierung der Unfallsfolgen nur eine vorläufige Versehrtenrente zuerkannt hat, steht der Entscheidung des Gerichts über eine Gesamtrente grundsätzlich nicht entgegen (10 ObS 277/94, SSV‑NF 8/125, mH auf 9 ObS 1/87, SSV‑NF 1/5; Müller in SV‑Komm § 210 ASVG Rz 15 mwH). Der gesetzliche Auftrag des § 209 Abs 1 ASVG geht dahin, die Dauerrente tunlichst bald festzustellen, weshalb die Zweijahresfrist nicht als Regel, sondern als Grenzfall angesehen werden soll (RIS‑Justiz RS0084296). Das gilt auch für die Gesamtrentenfeststellung (10 ObS 113/06z, SSV‑NF 20/52 mwN). Ist daher – wie im vorliegenden Fall – das Begehren auf Gewährung einer Gesamtrente vor Ablauf der Zweijahresfrist des § 209 Abs 1 ASVG gerichtet, so bedarf es der Feststellung, ob bereits eine Konsolidierung der Unfallfolgen eingetreten ist (10 ObS 277/94, SSV‑NF 8/125; RIS‑Justiz RS0084382).

2.  Der Kläger leidet an den Folgen einer Berufskrankheit Nr 45 gemäß Anlage 1 zu § 177 ASVG (Adenokarzinome der Nasenhaupt‑ und Nasennebenhöhlen durch Staub von Hartholz). In dem im Vorverfahren 24 Cgs 181/16x des Erstgerichts am 9. 11. 2016 geschlossenen Vergleich anerkannte die Beklagte das Vorliegen dieser Berufskrankheit Nr 45 und verpflichtete sich, dem Kläger eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 25 % der Vollrente ab 2. 2. 2016 zu zahlen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. 4. 2017 anerkannte die Beklagte auch das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr 33 gemäß Anlage 1 zu § 177 ASVG (durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit) beim Kläger, aus der seit 2. 4. 2016 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 5 % resultiert.

3.  Strittig ist im Revisionsverfahren noch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung einer Gesamtrente für die Folgen dieser Berufskrankheiten, den die Vorinstanzen abgewiesen haben. Der Revisionswerber rügt vor allem, dass es an einer Feststellung fehle, ob bereits eine Konsolidierung der Folgen der Berufskrankheit Nr 45 eingetreten sei. Dies trifft jedoch nicht zu, weil das Erstgericht – wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – gestützt auf die Ergebnisse des oben zitierten Vorverfahrens nicht nur festgestellt hat, dass dem Kläger für die Folgen der Berufskrankheit Nr 45 (nur) eine vorläufige Versehrtenrente zuerkannt wurde, sondern auch, dass dies geschah, weil das Krankheitsbild als noch nicht abgeschlossen betrachtet wurde. Das Berufungsgericht hat auch auf diese Feststellung verwiesen und nicht lediglich, wie vom Revisionswerber geltend gemacht, auf den Umstand, dass dem Kläger eine vorläufige Versehrtenrente für die Folgen der Berufskrankheit Nr 45 zuerkannt wurde. Eine Unvertretbarkeit der auf dieser Feststellungsgrundlage beruhenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Fall mangels Konsolidierung der Folgen der Berufskrankheit Nr 45 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Gesamtrente noch nicht vorgelegen gewesen seien, zeigt der Revisionswerber mit seinen Ausführungen nicht auf.

4.  Der Kläger hat bereits in der Berufung eine Verletzung der Begründungspflicht durch das Erstgericht (auch) als Mangelhaftigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der behaupteten Mangelhaftigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens verneint, sodass dies in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0042963; RS0042981).

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