European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00047.23V.0516.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der am * 1983 geborene Kläger bezog aufgrund des Bescheids der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom 3. September 2015 (Gewährungszeitpunkt) ab 1. September 2015 Rehabilitationsgeld. Es ist im Verfahren unstrittig, dass dem Kläger (nach § 255 Abs 2 Satz 3 ASVG) Berufsschutz als Konstrukteur zukommt und er im Zeitpunkt der Gewährung von Rehabilitationsgeld nicht in der Lage war, irgendeiner geregelten Tätigkeit am Arbeitsmarkt nachzugehen.
[2] Zum Entziehungszeitpunkt hat sich der Gesundheitszustand des Klägers gebessert. Er ist (wegen des dabei forcierten Arbeitstempos) zwar weiterhin nicht in der Lage, den Beruf des Konstrukteurs oder einen in diesem Verweisungsfeld gelegenen Beruf auszuüben. Ihm ist aber nunmehr eine Umschulung zum Industriekaufmann mit Lehrabschlussprüfung (und danach eine Tätigkeit als solcher) möglich. Die Umschulung ist innerhalb von maximal zwei Jahren zu absolvieren und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu rechnen.
[3] Mit Bescheid vom 23. Dezember 2020 sprach die Beklagte aus, dass durch berufliche Maßnahmen der Rehabilitation eine der Qualifizierung maßgeschneiderte arbeitsplatznahe Ausbildung zum Industrie-Bürokaufmann mit Lehrabschlussprüfung zweckmäßig und zumutbar sei, sowie, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien, und entzog dem Kläger das Rehabilitationsgeld mit 31. Jänner 2021.
[4] Das Erstgericht sprach aus, dass durch berufliche Maßnahmen der Rehabilitation eine der Qualifizierung entsprechende maßgeschneiderte arbeitsplatznahe Ausbildung zum Industrie‑Bürokaufmann mit Lehrabschlussprüfung zweckmäßig und zumutbar sei und medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien. Das Klagebegehren auf Feststellung, dass beim Kläger über den 31. Jänner 2021 hinaus weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliege und er daher über den 31. Jänner 2021 hinaus für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit – bzw solange Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien – Anspruch auf Rehabilitationsgeld im gesetzlichen Ausmaß aus der Krankenversicherung habe, wies es ab. Es stellte den eingangs gekürzt wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte rechtlich, dass berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nunmehr zweckmäßig und zumutbar seien.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Der Beweisrüge folgte es nicht. Wenn der berufskundliche Sachverständige zum Zeitpunkt der schriftlichen Gutachtenserstellung „mangels Kenntnisstands“ keine sichere Aussage zur Wiedereingliederungsmöglichkeit machen habe können, bedeute dies nicht, dass die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Prognose erst ab diesem Zeitpunkt Geltung haben solle. Die vom Erstgericht zu den Arbeitsmarktchancen nach erfolgter Umschulung getroffene Feststellung reiche für eine abschließende Beurteilung der Sozialrechtssache aus. Es müsse (nur) eine realistische Chance bestehen, dass der Umgeschulte nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz finden werde.
Rechtliche Beurteilung
[6] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[7] 1. Der Kläger wendet sich in der außerordentlichen Revision ausschließlich gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im Entziehungszeitpunkt ein – dem Anspruch auf Rehabilitationsgeld (nunmehr) entgegen stehender (§ 255b iVm § 254 Abs 1 Z 2 ASVG) – Rechtsanspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestanden habe.
[8] 2. Nach § 253e Abs 2 ASVG sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nur solche, durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität im Sinne des § 255 ASVG beseitigt oder vermieden werden kann und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen .
[9] 3. Der Kläger bezweifelt nicht, dass er infolge einer erfolgreichen Umschulung auf den umgeschulten Beruf verweisbar wäre und eine Invalidität durch die Umschulung vermieden werden könnte (vgl § 255 Abs 5 ASVG). Nach dem festgestellten Sachverhalt ist überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu rechnen, wobei das Erstgericht dabei insbesondere die Arbeitsplatzsituation und den allgemein bekannten Fachkräftemangel berücksichtigte.
[10] 3.1. Mit der bloßen Wiedergabe jener Kriterien, nach denen die Zweckmäßigkeit und die Zumutbarkeit von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zu prüfen sind (vgl RS0113667 [T6]) und der Behauptung, dass das Berufungsgericht diese Kriterien verkannt habe, legt der Kläger nicht dar, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht konkret unrichtig erscheint, sodass die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043603).
[11] 3.2. Soweit der Kläger die Zumutbarkeit einer Umschulung mit der Behauptung in Zweifel zu ziehen sucht, dass diese aufgrund seines Leistungskalküls von der Stundenanzahl deutlich verringert werden müsste, damit sie der Kläger auf subjektiver Ebene überhaupt bewältigen könne, übergeht er die Feststellungen, dass bei einer solchen Umschulung auf das Leistungskalkül der Umschüler Rücksicht genommen wird und er zu einer solchen Ausbildung trotz seines eingeschränkten Leistungskalküls – insbesondere der Reduktion auf 30 Wochenstunden der Umschulung – auch in der Lage wäre.
[12] 3.3. Mit dem Verweis auf einzelne Beweisergebnisse (bestimmte Passagen der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten) und dem daraus gezogenen Schluss, dass die Zumutbarkeit der Umschulung (seine Arbeitsmarktchancen) erst nach dem Entziehungszeitpunkt (während des gerichtlichen Verfahrens) eingetreten sei, das Rehabilitationsgeld also zumindest bis einschließlich Juli 2022 weiter zu gewähren gewesen wäre, geht der Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
[13] Die Vorinstanzen bezogen die Feststellungen über die Zumutbarkeit der Umschulung erkennbar auf den Entziehungszeitpunkt. Der dagegen erhobenen Beweisrüge des Klägers, in der er die Ersatzfeststellung begehrte, dass (erst) „jetzt mit Stand 10. August 2022“ mit einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu rechnen sei (und davor, also insbesondere im Entziehungszeitpunkt, umgekehrt noch nicht), folgte das Berufungsgericht nicht. Soweit der Kläger in der Revision nunmehr einen sekundären Feststellungsmangel erkennen will, weil diese in der Berufung geltend gemachte Ersatzfeststellung nicht getroffen worden sei, ist ihm zu entgegnen, dass die Feststellungsgrundlage nicht mangelhaft ist, wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen (RS0053317).
[14] 4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision somit zurückzuweisen.
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