OGH 10ObS4/17m

OGH10ObS4/17m21.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2016, GZ 11 Rs 78/16v‑10, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 23. Juni 2016, GZ 17 Cgs 57/16k‑6 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00004.17M.0321.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1. August 2015 eine Alterspension in Höhe von monatlich 1.546,40 EUR mit den seither erfolgten Pensionsanpassungen abzüglich geleisteter Zahlungen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 841,49 EUR (darin 140,25 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die im März 1955 geborene Klägerin war vom 1. 11. 1973 bis 31. 7. 2015 als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Seit 1996 übte sie diese Tätigkeit nur noch in Teilzeit mit 20 Wochenstunden aus.

Mit Schreiben vom 19. 6. 2015 beantragte sie bei der beklagten Partei die Umwandlung ihrer seit 1. 9. 1995 bezogenen Berufsunfähigkeitspension in eine Alterspension.

Die Gesamtgutschrift auf dem Pensionskonto der Klägerin zum 1. 8. 2015 beträgt 21.449,56 EUR.

Mit Bescheid vom 1. 12. 2015 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf Alterspension ab 1. 8. 2015 und sprach aus, dass die Pension ab 1. 8. 2015 monatlich 1.333 EUR betrage und die mit Bescheid vom 29. 4 .1996 gewährte Berufsunfähigkeitspension mit 31. 7. 2015 erlösche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage der Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr ab 1. 8. 2015 die Alterspension in Höhe von monatlich 1.546,40 EUR zu zahlen. Die Beklagte habe die monatliche Pensionskontoleistung von 1.546,40 EUR wegen der früheren Inanspruchnahme zu Unrecht um 13,8 % vermindert.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt beantragte die Abweisung der Klage. Der Abschlag von 13,8 % aufgrund des früheren Pensionsantritts sei nach § 5 APG zu Recht erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aufgrund einer Gesamtgutschrift auf dem Pensionskonto der Klägerin von 21.649,56 EUR errechne sich nach § 5 Abs 1 APG grundsätzlich eine monatliche Bruttoleistung von 1.546,40 EUR. Wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pensionsleistung aus eigener Pensionsversicherung bestehe, dann gelte eine für diese Pensionsleistung geltende Verminderung auch für die hinzutretende Leistung (§ 5 Abs 3 APG). Gelte für die Berufsunfähigkeitspension eine Verminderung, dann gelte diese auch für die Alterspension. Gemäß § 6 Abs 2 APG sei die Berufsunfähigkeitspension nach § 5 APG unter Anwendung des § 6 Abs 1 letzter Halbsatz APG und die Zahl der Monate ab dem Stichtag bis zum Monatsersten nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu ermitteln, wenn die Berufsunfähigkeitspension vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werde. Die Klägerin habe ab 1. 9. 1995 eine Berufsunfähigkeitspension bezogen, somit in insgesamt 175 Monaten bis zum Monatsersten nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres. Für jeden dieser Monate sei gemäß § 5 Abs 2 APG ein Abschlag von 0,35 % vorzunehmen (insgesamt 61,25 %), der nach § 6 Abs 1 letzter Halbsatz APG mit 13,8 % gedeckelt sei. Von der monatlichen Bruttoleistung der Alterspension sei daher der für die Berufsunfähigkeitspension berechnete Abschlag von 13,8 % vorzunehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass es der Klägerin die mit Bescheid zuerkannte Leistung zusprach und das Mehrbegehren abwies. Die Höhe der Berufsunfähigkeitspension der Klägerin habe sich nach dem Steigerungsbetrag (§ 261 Abs 1 ASVG) und einem Zurechnungszuschlag nach § 261a ASVG errechnet, wobei nach § 261a Abs 4 ASVG die Höhe des Zurechnungszuschlags unter Berücksichtigung eines allfälligen Erwerbseinkommens am Stichtag festzustellen und ab Beginn des Monats nach der Änderung des Erwerbseinkommens neu festzusetzen gewesen sei. Die durch das 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I 2012/35, geänderten Bestimmungen des § 4 Abs 2 Z 1 und des § 5 Abs 2 und 3 APG seien am 1. 1. 2013 in Kraft getreten. Für Personen, die nach 1954 geboren seien und zumindest einen Versicherungsmonat vor dem 1. 1. 2005 erworben hätten, sei mit 1. 1. 2014 eine Erstgutschrift gebildet worden. Bei der Erstgutschriftsbildung komme § 261 ASVG im Rahmen der Parallelrechnung zur Anwendung. Die von der Klägerin aufgrund ihrer neben der bezogenen Berufsunfähigkeitspension ausgeübten Beschäftigung geleisteten Pensionsbeiträge seien in dieser Erstgutschrift berücksichtigt worden, sodass die Anwendung der Abschlagsregelung gerechtfertigt sei. Die Klägerin habe die Berufsunfähigkeitspension bereits 19 Jahre und 7 Monate vor Erreichen des Regelpensionsalters in Anspruch genommen. Die Berechnung der Alterspension nach § 5 APG unter Berücksichtigung der in § 5 Abs 3 APG vorgesehenen Minderung von maximal 13,8 % sei daher nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob die in § 5 Abs 3 APG vorgesehene Verminderung der Pensionsleistung auch dann zur Anwendung gelange, wenn die Versicherte neben einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit weiterhin eine pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht habe aufgefunden werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei beantwortete Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, dass es zu keiner Verminderung ihrer Alterspension nach § 5 Abs 3 APG kommen könne, weil ihr die Berufsunfähigkeitspension ohne Abschläge gewährt worden sei.

2. Die Beklagte meint hingegen, eine einmal erlangte Vorteilsgewährung (ungekürzter Bezug einer Berufsunfähigkeitspension seit dem Jahr 1995) eröffne nicht den Anspruch, dass diese Vorteilsgewährung auch im Zuge einer Neuberechnung eines Pensionsanspruchs, nunmehr des Alterspensionsanspruchs, weiter wirke, sodass auch dieser ungekürzt zu gewähren sei. Dies umso weniger, als die Berechnung des Ausmaßes der Alterspension gemäß § 5 APG auf einer neuen gesetzlichen Grundlage erfolge. Nicht relevant sei die Höhe der tatsächlich bezogenen Berufsunfähigkeitspension. Anders als in dem vom Obersten Gerichtshof zu 10 ObS 184/08v entschiedenen Fall habe die Klägerin die Berufsunfähigkeitspension bezogen. Es liege eine nicht unbeträchtliche Bezugsdauerverlängerung vor, dies zudem ohne Abschlag. Die Heranziehung der Abschlagsregelung sei somit aufgrund der bestehenden klaren Gesetzesregelung rechtsrichtig erfolgt. Die Abschlagsregelung sei durch ihren Zweck auch materiellrechtlich nachvollziehbar und begründbar.

Hiezu wurde erwogen:

3. Der Klägerin gebührt die Alterspension im unverminderten Ausmaß des § 5 Abs 1 APG:

4.1. Es ist unstrittig, dass der Klägerin die Berufsunfähigkeitspension entsprechend der Rechtslage zum Stichtag dieser Pension ohne einen Abschlag (wegen Inanspruchnahme vor dem Erreichen des Regelpensionsalters) gebührte.

4.2. Das Regelpensionsalter der Klägerin ist ihr 60. Geburtstag (§ 16 Abs 6 APG iVm § 253 Abs 1 ASVG).

5.1. Bei einem Pensionsantritt vor dem Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters vermindert sich das Ausmaß der monatlichen Bruttoleistung der Alterspension (§ 5 Abs 1 APG) – abgesehen von den Fällen der Korridorpension und der Schwerarbeitspension – um 0,35 % für jeden Monat des früheren Pensionsantritts (§ 5 Abs 2 APG). Besteht bei Eintritt des Versicherungsfalls ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pensionsleistung aus eigener Pensionsversicherung, „so gilt die Verminderung nach Abs 2 für diese Pensionsleistung auch für die hinzutretende Leistung“ (§ 5 Abs 3 APG).

5.2. Mit der Reglung des § 5 Abs 2 APG soll der Vorteil, den eine versicherte Person durch den früheren Pensionsantritt und damit längeren Leistungsbezug hat, unter Heranziehung versicherungsmathematischer Prinzipien ausgeglichen werden. Der Vorteil besteht darin, dass durch das Vorziehen von Pensionsleistungen im Durchschnitt mehr Pensionsbezüge und damit eine höhere Pensionsgesamtsumme aus dem System lukriert werden kann ( Rainer/Pöltner in SV‑Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 28). Die Abschlagshöhe von 0,35 % der Leistung pro Monat des früheren Pensionsantritts (= 4,2 % pro Jahr) wurde aus § 261 Abs 4 ASVG idF des BudgetbegleitG 2003, BGBl I 2003/71) übernommen ( Rainer/Pöltner in SV‑Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 30).

5.3. Der allgemeine Abschlag nach § 5 Abs 2 APG (0,35 % der Leistung pro Monat des früheren Pensionsantritts vor Erreichen des Regelpensionsalters) ist für die Berechnung der Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension und Erwerbsunfähigkeitspension relevant, weil § 6 APG zunächst auf die Pensionsberechnung gemäß § 5 APG verweist, in der Folge jedoch einige besondere Regelungen betrifft, insbesondere bezüglich der mit der 7. Novelle zum APG (Art 118 Z 1 BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111) eingeführten Begrenzung der Abschlagshöhe mit 13,8 % der Leistung ( Rainer/Pöltner in SV‑Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 38). Die gleiche Begrenzung sieht auch § 264 Abs 4 idgF des BudgetbegleitG 2011 vor. Der allgemeine Abschlag kommt darüber hinaus bei der Berechnung der Alterspension von Personen zur Anwendung, die die Langzeitversicherungsregelung nach § 617 Abs 13 ASVG (§ 306 Abs 10 GSVG, § 295 Abs 11 BSVG) in Anspruch nehmen und die ab 1955 geboren sind (vgl § 25 Abs 4 APG), für die also die Pensionsberechnung nach dem APG gilt ( Rainer/Pöltner in SV‑Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 39).

6.1. § 5 Abs 3 APG wurde der Regelung des § 261 Abs 7 ASVG idF 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, bereits in der Stammfassung des APG nachgebildet. Sie lautet:

„(7) Besteht bei Eintritt eines Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit oder des Alters ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus eigener Pensionsversicherung, so gilt die Verminderung nach Abs 4 für diese Pension auch für die hinzutretende Leistung.“

6.2. Zuvor lautete der mit dem ASRÄG 1997 (54. ASVG‑Novelle, BGBl I 1997/139) eingefügte § 261 Abs 7 ASVG wie folgt:

„(7) Bei Anwendung des Abs 4 ist, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Leistung bereits ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung mit Ausnahme von Pensionen aus dem Versicherungsfall des Todes bestanden hat, der Stichtag dieser Pension heranzuziehen.“

6.3. Mit dem ASRÄG 1997 wurden die Bestimmungen über den Steigerungsbetrag (Höhe) einer Alters‑ oder Invaliditätspension (§ 261 ASVG) und (§ 261 iVm § 274 ASVG) einer Berufsunfähigkeitspension neu geregelt. Wenn die Versicherte die Pension vor Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch nahm, waren für jedes Jahr zwei Steigerungspunkte abzuziehen, wobei eine Deckelung mit 15 % eingezogen wurde (§ 261 Abs 4 ASVG).

6.4. Die novellierte Fassung ist mit 1. 1. 2000 in Kraft getreten (§ 572 Abs 1 Z 1 ASVG). Auf Bezieher einer Invaliditäts‑(Berufsunfähigkeits‑)pension mit Stichtag vor dem 1. 1. 2001 war § 261 ASVG in der am 31. 12. 1999 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden (§ 572 Abs 9 ASVG).

6.5 . Gründler (Handbuch zur Pensionsreform 2003, 139) führt zu § 261 Abs 7 idF ASRÄG 1997 aus, dass es bei Umwandlung einer Direktpension in eine andere (zum Beispiel Invaliditätspension in Invaliditätspension, Invaliditätspension in Alterspension, vorzeitige Alterspension in Alterspension) bei der Verminderung gemäß Abs 4 bleibe, wie sie bei der ursprünglichen Pension berechnet worden sei. Die sprachliche Gestaltung sei nicht geglückt, weil gerade bei der Umwandlung in eine Alterspension eben nicht Abs 4 zur Anwendung komme, was nach dem Wortlaut des Abs 7 aber erforderlich sei. Wörtlich interpretiert käme Abs 7 daher nur bei der Umwandlung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in eine Pension des gleichen Versicherungsfalls in Betracht. Die Praxis der Pensionsversicherungsträger gehe aber über diese Bedenken hinweg und rechne auch bei der Umwandlung in eine Alterspension mit der ursprünglichen Verminderung.

6.6. Nach den Gesetzesmaterialien zum 2. SVÄG 2003 (ErläutRV 310 BlgNR 22. GP  18) sollte „durch die Umformulierung des § 261 Abs 7 ASVG bzw der entsprechenden Parallelbestimmungen im GSVG und BSVG … klarer zum Ausdruck kommen, dass der Abschlag bei Inanspruchnahme einer Pensionsleistung vor dem Regelpensionsalter auch für eine spätere Invaliditäts‑(Berufsunfähigkeits‑)pension oder eine Erwerbsunfähigkeitspension bzw für eine Alterspension heranzuziehen ist (vorausgesetzt, die vorangehende Leistung gebührt noch bei Eintritt des neuerlichen Versicherungsfalls)“.

6.7. Zu § 261 Abs 7 ASVG idF des 2. SVRÄG 2003 hat der Oberste Gerichtshof Folgendes ausgesprochen:

a) Diese Bestimmung ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass trotz eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit die Verminderung nach Abs 4 nicht eintritt, wenn die Leistung vom Versicherten tatsächlich nicht in Anspruch genommen wurde. Die Abschlagsregelung ist somit nicht anzuwenden, wenn die Versicherte erstmals mit Eintritt des Regelpensionsalters eine Pensionsleistung tatsächlich in Anspruch nimmt und damit eine Verlängerung der Bezugsdauer der Pension, welche durch die Anwendung der Abschlagsregelung ausgeglichen werden soll, tatsächlich gar nicht vorliegt (10 ObS 184/08v, SSV‑NF 23/8 = SZ 2009/12).

b) Bezieht die Versicherte bereits eine Eigenpension (Invaliditätspension, Berufsunfähigkeits-pension, Erwerbsunfähigkeitspension) und beantragt sie eine Alterspension, dann gilt die Verminderung auch für die hinzutretende Leistung, der Abschlag bleibt der (dem) Versicherten (10 ObS 13/12b).

7.1.  Rainer/Pöltner (in SV‑Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 81 f) führen aus, dass nach § 5 Abs 3 APG ein in der Pensionshöhe berücksichtigter Abschlag beibehalten wird, wenn bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalls (etwa des Alters) aus eigener Pensionsversicherung bereits eine Pensionsleistung gebührt (etwa aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit). Nehme zum Beispiel eine Person mit zuerkanntem Anspruch auf Invaliditätspension, bei deren Berechnung die Pensionshöhe durch einen Abschlag von 13,8 % der Leistung vermindert worden ist, eine Schwerarbeitspension in Anspruch, so komme nicht der niedrigere Abschlag für die Schwerarbeitspension zur Anwendung, sondern weiterhin der Abschlag von 13,8 % der Leistung. Aber auch bei einem Übergang in eine normale Alterspension sei bei Berechnung der anschließenden Leistung der einmal gelangte Abschlag anzuwenden.

7.2. Der vom Berufungsgericht gebilligten Vorgehensweise des Erstgerichts liegt im Ergebnis die Ansicht zugrunde, bei der Berechnung einer Verminderung der nach Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommenen Alterspension, die an eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit anschließt, sei der Stichtag der früher in Anspruch genommenen Pension heranzuziehen. Diese Ansicht teilt der Oberste Gerichtshof nicht. Eine solche Vorgehensweise ist im APG nicht angeordnet und wurde auch nicht zu § 261 Abs 7 ASVG idF ASRÄG 1997 vertreten, wonach bei Anwendung des § 261 Abs 4 ASVG der Stichtag der früheren Pension heranzuziehen ist, auf die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der späteren Leistung bereits ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch bestand (s oben Punkt 6.5.).

7.4. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung (s Punkt 7.1.) an, wonach § 5 Abs 3 APG nicht anders als § 261 Abs 7 ASVG idF 2. SVRÄG 2003 auszulegen ist, ist doch letzterer Vorbild des § 5 Abs 3 APG. Dieser ist demnach dahin zu verstehen, dass ein in der Höhe der bescheidmäßig zuerkannten Direktpension, die bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalls tatsächlich in Anspruch genommen wird, berücksichtigter Abschlag bei der Berechnung der Pensionsleistung aus dem neuen Versicherungsfall zur Anwendung kommt.

7.5. Enthält daher – wie im Fall der Klägerin – eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit keine Verminderung der Pensionsleistung, dann vermindert sich auch die daran anschließende, nach Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommene Alterspension nicht.

Dies führt zur Klagsstattgebung.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

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