OGH 10ObS35/14s

OGH10ObS35/14s25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. W*****, vertreten durch Mag. Dr. Anton Schäfer LL.M., Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Josefstädter Straße 80, 1081 Wien, wegen Kostenerstattung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. Jänner 2014, GZ 25 Rs 121/13z‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Das Urteil des Berufungsgerichts wurde dem Rechtsvertreter des Klägers am 7. Februar 2014 [= Freitag] ausgefolgt (vgl den angeschlossenen Zustellnachweis, aus dem auch hervorgeht, dass es andernfalls am Postamt 6857 zur Abholung ab 10. 2. 2014 [= Montag] hinterlegt worden wäre).

Die dagegen erhobene Revision brachte der Klagevertreter am Montag, dem 10. März 2014, und damit verspätet ‑ persönlich und per FAX beim Erstgericht ein, nicht jedoch im „Elektronischen Rechtsverkehr“ (ERV).

Im Schriftsatz wurde nur behauptet, die Revision werde in „Papierform“ erhoben, weil das EDV-System der Kanzlei (am Hauptsitz des Klagevertreters in Liechtenstein) nicht an das ERV-System angeschlossen sei, da sich die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer für die Zuteilung eines ADVM‑Codes für Rechtsanwälte im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs des EWRA (entgegen § 7 Abs 2 erster Satz ERV 2006) „als nicht zuständig erklärt“ habe.

Eine Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorlagen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141), wurde nicht vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am ERV verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Bei Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag, dem 1. 5. 2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im ERV eingebracht werden, hat das Gericht ein fristgebundenes Verbesserungs-verfahren durchzuführen (RIS-Justiz RS0128266).

Die bisherige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht im elektronischen Weg eingebrachten Eingabe keine die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit dem 1. 5. 2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV‑Teilnehmer/innen nunmehr den ERV zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Abgehen von seiner Nutzung soll ‑ als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) ‑ zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1).

Nach der Rechtsprechung genügt die ohne nähere Begründung und Bescheinigung aufgestellte Behauptung, dass die Einbringung im ERV, also auf elektronischem Weg, nicht möglich sei, nicht (2 Ob 184/13t; 10 ObS 176/13z; jüngst: 10 ObS 172/13m; RIS‑Justiz RS0128266 [T9]). Offen steht nur die Bescheinigung der Unmöglichkeit der elektronischen Einbringung (RIS-Justiz RS0124215 [T8]; RS0124335 [T5]; RS0124555 [T4]).

Die Aktenrückstellung, um den einschreitenden Rechtsanwalt unter Fristsetzung zur Einbringung der Revision im ERV (oder zur Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten hiefür ausnahmsweise nicht vorlagen) aufzufordern, konnte hier aber unterbleiben. Auch wenn der Klagevertreter eine Verbesserung fristgemäß vornähme, gälte sein Anbringen nämlich nur als zum ursprünglichen Zeitpunkt (hier: 10. 3. 2014 [= Montag]) eingebracht (§ 85 Abs 2 ZPO). Damit würde sich an der Verspätung des Rechtsmittels aber nichts ändern, weil die vierwöchige Frist für die Einbringung der Revision (§ 505 Abs 2 ZPO) bereits am Freitag, dem 7. März 2014, endete.

Dieser Schluss ergibt sich insbesondere aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 17 Abs 2 ZustG ist der an der Abgabestelle nicht angetroffene Empfänger von der (beabsichtigten) Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige ist aber noch keine Zustellung, sondern eine rechtserhebliche Tatsache (Walter/Mayer, Zustellrecht § 17 Anm 18; Larcher, Zustellrecht Rz 412). Als zugestellt gilt diesfalls nach § 17 Abs 3 dritter Satz ZustG ein hinterlegtes Dokument mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird (Larcher, Zustellrecht Rz 417; Wessely in Frauenberger-Pfeiler/N. Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg],Österreichisches Zustellrecht² § 17 ZustG Rz 7).

Hier ist aber der Fall gegeben, dass der Empfänger das Zustellstück noch am Tag der Verständigung (von der beabsichtigten Hinterlegung), also vor Beginn der Abholfrist nach § 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG, ausgefolgt erhielt. Mit Stumvoll (in Fasching/Konecny² ErgBd § 7 ZustG Rz 21) ist dieser Fall dahin zu beurteilen, dass hier kein zu heilender oder geheilter Zustellmangel (§ 7 ZustG) vorliegt, sondern ein Sonderfall einer Zustellung am Postamt (nach neuer gesetzlicher Ausdrucksweise: bei der Geschäftsstelle des Zustelldiensts) nach § 24a Z 1 ZustG (Ort des Antreffens) anzunehmen ist, die bereits damit die Zustellung wirksam werden lässt. Folglich endete die vierwöchige Revisionsfrist nicht erst am 10. 3., sondern bereits am 7. 3. 2014.

Die außerordentliche Revision muss daher als verspätet zurückgewiesen werden. Darüber ist gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG im Dreiersenat zu entscheiden ( Neumayr in ZellKomm² § 11a ASGG Rz 2; 10 ObS 7/13x).

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