OGH 10ObS34/18z

OGH10ObS34/18z17.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr.

 Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert‑Weiß‑Weg 10, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Kostenerstattung (Revisionsinteresse 878,40 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 20. Dezember 2017, GZ 12 Rs 104/17a‑20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 6. September 2017, GZ 31 Cgs 58/16p‑15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00034.18Z.0417.000

 

Spruch:

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in ihrem Zuspruch von 397,60 EUR und hinsichtlich der Abweisung von 7.446,80 EUR als unbekämpft unberührt bleiben, werden im Übrigen – somit im Umfang von 878,40 EUR – aufgehoben. In diesem Umfang wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Bei der Klägerin lag ein Lipödem IV (Stadium II) an den Hüften, an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie an den Oberarmen vor.

Der in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Salzburger Gebietskrankenkasse stehende Facharzt für Haut‑ und Geschlechtskrankheiten Dr. M***** führte bei der Klägerin in seiner Ordination in zwei Sitzungen eine lymphologische Liposkulptur in Sedoanalgesie und Tumeszenz‑Lokalanästhesie der Hüften, Oberschenkel und Knieregionen innen sowie außen, der Unterschenkel und der Oberarm durch und legte jeweils postoperative Kompressionsverbände an den Beinen und Armen an. Unstrittig ist, dass es sich dabei um eine Krankenbehandlung (und nicht um eine kosmetische Behandlung) handelt. Der Klägerin wurden Kosten in Höhe von 9.000 EUR in Rechnung gestellt, die sie bezahlt hat.

Mit Bescheid vom 6. 9. 2016 entsprach die beklagte Partei dem Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten mit einem Betrag von 277,20 EUR und wies das Mehrbegehren auf Kostenerstattung (im Umfang von 8.722,80 EUR) ab.

Das Erstgericht sprach der Klägerin weitere 1.276 EUR zu und wies das Mehrbegehren von 7.446,80 EUR (unbekämpft) ab.

Es traf unter anderem folgende weitere Feststellungen:

Die bei der Klägerin durchgeführte Behandlung unterscheidet sich nicht von Liposuktionen in Tumeszenz-Anästhesie, die an den Abteilungen für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie durchgeführt werden. Hätte die Klägerin diese Leistungen als Sachleistung in einer öffentlichen Krankenanstalt in Anspruch genommen, wären ihr keine Kosten erwachsen.

Im Honorartarif des Gesamtvertrags der beklagten Partei (Stand 1. 10. 2015) ist die lymphologische Liposkulptur nicht als Einzelleistungsposition enthalten. Der Honorartarif sieht unter Punkt „V. Operationsgruppenkatalog (LG 15)“ vor, dass bei nicht in der Honorarordnung gesondert geregelten Operationen (LA 01), die in der Ordination erbracht werden, im Einvernehmen mit der beklagten Partei (chefärztliche Bewilligung) von Vertragspartnern für operative Eingriffe die OP‑Gruppen I bis V (Position 2001 bis 2005) verrechnet werden können.

Der Vertragstarif beträgt für die jeweiligen Positionen:

Pos. Nr

Bezeichnung

Tarif

2001

Operativer Eingriff – OP Gruppe I

44 EUR

2002

Operativer Eingriff – OP Gruppe II

80 EUR

2003

Operativer Eingriff – OP Gruppe III

136 EUR

2004

Operativer Eingriff – OP Gruppe IV

200 EUR

2005

Operativer Eingriff – OP Gruppe V

319 EUR

   

 

Die Behandlung der Klägerin wurde vom chefärztlichen Dienst der beklagten Partei als „OP‑Gruppe V des Honorartarifs“ (für eine Operation) medizinisch befürwortet.

In den allgemeinen Bestimmungen zur OP‑Gruppe V des Honorartarifs ist unter den Abkürzungen angeführt, dass jeweils die Bereiche Kopf, Hals‑Nacken, Oberarm, Unterarm, Hand, Schulter, Brust, Rücken, Bauch, Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß als ein „Operationsfeld“ gelten.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Klägerin gemäß § 131 Abs 1 ASVG der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 % jenes Betrags gebührt, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Als entsprechender Vertragspartner gelte ein niedergelassener Facharzt für Haut‑ und Geschlechtskrankheiten. Da die lymphologische Liposkulptur nicht als Einzelleistungsposition im Honorartarif der beklagten Partei enthalten sei, sei für die Höhe der zu leistenden Kostenerstattung zu prüfen, welche tariflich erfasste Pflichtleistung mit der im konkreten Fall erfolgten Behandlung vergleichbar sei. Die lymphologische Liposkulptur entspreche vom Schwierigkeitsgrad bzw der Intensität des Eingriffs – wie auch ursprünglich durch den Chefarzt der beklagten Partei bewilligt – der Operationsgruppe V. Es sei daher als vergleichbare Pflichtleistung im Gesamtvertrag eine Vergütung pro Operationsfeld (2 x Oberarme, 2 x Oberschenkel inklusive Hüfte und Knieregion, 2 x Unterschenkel) heranzuziehen. Die Höhe der zu erstattenden Kosten berechne sich wie folgt: 6 x OP‑Gruppe V = 319 EUR x 6 = 1.917,60 EUR x 80 % = 1.531,20 EUR + Erstkontakt im Quartal: 22 EUR = 1.553,20 EUR abzüglich bereits erhaltener 277,20 EUR = 1.276 EUR. Das Mehrbegehren sei abzuweisen, da eine Kostenerstattung nach Marktpreisen bei vergleichbaren Pflichtleistungen nicht in Frage komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin lediglich weitere 397,60 EUR an Behandlungskosten zu erstatten; das darüber hinausgehende Klagebegehren im Umfang von 8.325,20 EUR wurde abgewiesen.

Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass das in der Honorarordnung für operative Eingriffe vorgesehene Honorar für die einzelnen OP‑Gruppen (Gruppe I bis V) nicht nur einmal, sondern 6 x zustehe. Dass vom chefärztlichen Dienst der beklagten Partei „die OP‑Gruppe V des Honorartarifs der beklagten Partei 1x medizinisch befürwortet“ worden sei, hindere nicht eine Kostenerstattung in höherem Ausmaß. Das Gericht habe vielmehr eine selbständige Prüfung vorzunehmen, ohne dabei in irgendeiner Weise an eine Stellungnahme eines Chefarztes gebunden zu sein. Zu beurteilen sei, ob der Begriff „operativer Eingriff“ ausgehend von der Tarifstaffel LA 01 bedeute, dass ein (einziger) „operativer Eingriff“ auch dann vorliege, wenn an einem Patienten in einer Sitzung mehrere Eingriffe vorgenommen werden. Wenngleich die Tarifansätze im Operationsgruppenkatalog zu einem großen Teil auf einzelne chirurgische Interventionen abstellen (etwa Position 2211: „Incision eines Abszesses“), sei diesem doch auch die Zusammenfassung mehrerer Eingriffe in einem Tarifansatz nicht fremd. Ähnliches gelte auch für Sonderleistungen aus den Fachgebieten (LG 04). Auch dort werde teilweise auf Operationsgebiete verwiesen. Daraus sei die Wertung der Vertragsparteien des Gesamtvertrags abzuleiten, in einer Sitzung vorgenommene und quasi „inhaltlich zusammengehörige“ Eingriffe in einem Tarifansatz zusammenzufassen. Als Maßstab der „Zusammengehörigkeit“ könne auf die eingangs des Operationsgruppenkatalogs definierten „Operationsfelder“ zurückgegriffen werden. Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, dass an der Klägerin sechs operative Eingriffe (2 x Hüften und Oberschenkel, 2 x Unterschenkel und 2 x Oberarme) vorgenommen worden seien.

Des weiteren sei zu klären, in welche OP‑Gruppe die bei der Klägerin vorgenommenen sechs Liposkulpturen einzuordnen seien. Dazu sei zunächst festzuhalten, dass die Differenzierung in 5 OP‑Gruppen kein Spezifikum der Tarifstaffel LA 01 darstelle. Vielmehr seien in der Honorarordnung auch für die einzelnen Fachgebiete nach OP‑Gruppen differenzierende Tarifstaffeln vereinbart worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Parteien des Gesamtvertrags die Tarifstaffel LA 01 so verstanden haben, dass in die einzelnen Tarife jeweils Operationen einzustufen seien, die den Operationsgruppen in den einzelnen Fachgebieten entsprechen. Dabei falle auf, dass nur im Fachgebiet der Augenheilkunde überhaupt Tarife für Operationen der OP‑Gruppen IV und V vorgesehen seien, während in den anderen Fachgebieten – insbesondere der Dermatologie und der Chirurgie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie und Orthopädie – Operationen nur höchstens bis zur OP‑Gruppe III vorgesehen seien. Dies könnte dafür sprechen, dass nach der Einschätzung der Parteien des Gesamtvertrags vom Schwierigkeitsgrad höher einzustufende Operationen, die nicht dem Fachgebiet der Augenheilkunde zuzurechnen sind, nicht mehr in einer Ordination, sondern in einer Krankenanstalt zu erbringen seien. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Einordnung der Liposkulptur könnte die Einordnung vergleichbarer Operationen in anderen Fachgebieten bieten. Im Fachgebiet der Dermatologie kämen dafür die in der Tarifstaffel LA 12 (Dermatologie/OP‑Gruppe III) genannten operativen Eingriffe, nämlich die Excision von Tumoren mit Verschiebe‑/Rotations‑/Z‑ oder Naht‑Lappenplastik (Position 2355) bzw eine Lasertherapie angiomatöser Tumoren (Position 2356) in Betracht. In den Fachgebieten der Chirurgie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie und Orthopädie käme die in der Tarifstaffel LA 09 genannte Entfernung tiefer, nicht tastbarer, jedoch röntgenologisch lokalisierter Fremdkörper (Position 2355) in Frage. Hingegen sei wohl davon auszugehen, dass eine Liposkulptur in Umfang und Schwierigkeit über eine – in die OP‑Gruppe II eingereihte – Dermoabrasio (Position 2330) hinausgehe. Dies führe zu der Schlussfolgerung, dass in tarifrechtlicher Hinsicht an der Klägerin sechs operative Eingriffe der OP‑Gruppe III vorgenommen worden seien. Demgemäß habe die Klägerin Anspruch auf Kostenerstattung im Umfang von 674,80 EUR (136 EUR x 6 x 0,8 + Erstkontakt), wovon die beklagte Partei bereits 277,20 EUR ersetzt habe. Der Anspruch bestehe daher im Umfang von weiteren 397,60 EUR zu Recht.

Die Revision sei zulässig, weil der Auslegung des Operationsgruppenkatalogs der beklagten Partei eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung erhebt die Klägerin Revision mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts (im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils) dahin abzuändern, dass der Klägerin ein weiterer Kostenersatz von 878,40 EUR, sohin insgesamt 1.276 EUR, zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1.1 Nach § 131 Abs 1 ASVG gebührt einem Anspruchsberechtigten, der nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nimmt, der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlungen im Ausmaß von 80 vH des Betrags, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre.

1.2 Der Versicherte muss also nicht die Vertragseinrichtung des Krankenversicherungsträgers in Anspruch nehmen, sondern kann auch dann, wenn eine Sachleistung zur Verfügung steht, andere Leistungserbringer aufsuchen, die in keinem Vertragsverhältnis mit dem Krankenversicherungsträger stehen. In diesem Fall hat er das Honorar für die Leistung selbst zu zahlen, bekommt aber einen Teil der Kosten rückerstattet (§ 131 Abs 1 ASVG; Schober in Sonntag , ASVG 8 § 131 Rz 2).

2.1 Kostenerstattungen für Leistungen, hinsichtlich derer ein Tarif im Gesamtvertrag nicht vorgesehen ist, haben sich an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren (vgl RIS‑Justiz RS0113972 zu Kostenzuschüssen). Welche tariflich erfasste Pflichtleistung mit der im konkreten Fall erfolgten Behandlung oder Untersuchung vergleichbar ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt in erster Linie eine Tatfrage da. Dabei kann es einerseits auf die Art der Leistungen an sich, also auf ihre Methode und ihren Zweck, andererseits aber auch auf den im Einzelfall erforderlichen Sach‑ und Personalaufwand ankommen (RIS‑Justiz RS0113972).

2.2 Im vorliegenden Fall besteht in der Honorarordnung des Gesamtvertrags der Beklagten kein ausdrücklicher genannter Tarif für die an der Klägerin erbrachte lymphologische Liposkulptur. Die Honorarordnung enthält ihrem System nach unter der Überschrift „V. Operationsgruppenkatalog (LG 15)“ Auflistungen einzelner medizinischer Fachgebite (Augenheilkunde, Chirurgie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie, Orthopädie, Dermatologie, Gynäkologie, Hals‑, Nasen‑, Ohrenheilkunde und Urologie). Für jedes Fachgebiet werden bestimmte Operationen bzw Eingriffe angeführt und der dazugehörige Tarif genannt. In einer weiteren Auflistung „Nicht gesondert geregelte Operationen (LA 01)“ sind operative Eingriffe genannt, die in der Ordination erbracht werden, in der Honorarordnung nicht explizit geregelt sind und nach chefärztlicher Bewilligung verrechnet werden können. Dabei handelt es sich um eine Tabelle von fünf OP‑Gruppen („OP‑Gruppe I“ bis „OP‑Gruppe V“), für die jeweils bestimmten Tarife festgesetzt sind. Der für einen operativen Eingriff der OP‑Gruppe I vorgesehene Tarif (44 EUR) ist der niedrigste und der für einen operativen Eingriff der OP‑Gruppe V vorgesehene Tarif (319 EUR) der höchste. Angaben zum Inhalt der einzelnen operativen Leistungen fehlen.

3. Der Standpunkt der Revisionswerberin geht dahin, dass die bei ihr vorgenommenen Eingriffe der Schwierigkeit bzw Intensität der OP‑Gruppe V entsprechen (wie dies von Chefarzt der beklagten Partei auch festgestellt und befürwortet wurde) und der Erstattungsbetrag sich aus einer Multiplikation dieses – als Abgeltung für Einzelleistungen zu verstehenden – Ansatzes pro Körperregion bzw Operationsgebiet mal 6 (2 x für Oberschenkel und Hüfte, 2 x für die Unterschenkel und 2 x für die Oberarme) ergebe. Nach Ansicht der Revisionswerberin fehlen Feststellungen, die einen Vergleich dieser Eingriffe mit anderen Operationen – insbesondere mit jenen der vom Berufungsgericht herangezogenen Operationsgruppe III – ermöglichen.

Demgegenüber meint die beklagte Partei, dass entsprechend der pauschal (ohne Bezugnahme auf die Anzahl der betroffenen Körperregionen und die Anzahl der Sitzungen) vorgenommenen Bewertung ihres Chefarztes zwar der höchstdotierte Tarif für die OP‑Gruppe V, dieser aber nur einmal (oder allenfalls pro Sitzung, also insgesamt 2 x) zu erstatten sei. Andernfalls wäre die konkreten Schwere der Beeinträchtigungen festzustellen und der konkrete Schwierigkeitsgrad bzw Operationsaufwand zu klären gewesen.

4.1 Da die Gerichte an die Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Beklagten nicht gebunden sind (RIS‑Justiz RS0115257), stellt sich im Hinblick auf diese Standpunkte die Frage, wie der Begriff des „operativen Eingriffs“ im Katalog „Nicht gesondert geregelte Operationen“ zu verstehen ist.

4.2 Gesamtverträge sind in ihrem normativen Teil (zu dem auch die Honorarordnung zu zählen ist) nach den Regeln der §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RIS‑Justiz RS0124647), wobei dem Systemverständnis und der Verteilungsentscheidung des historischen Gesetzgebers besondere Bedeutung zukommt ( Kletter in Sonntag , ASVG 8 § 342 Rz 2).

4.3 Vor diesem Hintergrund ist durch Auslegung der Honorarordnung zu ermitteln, ob ein (einziger) zu honorierender Eingriff auch dann vorliegt, wenn in einer bzw zwei Sitzungen mehrere gleichartige Eingriffe vorgenommen werden (Pauschalverrechnung) oder ob diese Eingriffe einzeln, also jeweils gesondert zu honorieren sind (Einzelverrechnung). Schließlich könnte die Auslegung zu einer degressiven Verrechnung führen, indem berücksichtigt wird, dass der Schwierigkeitsgrad bei in einer Sitzung vorgenommenen mehreren (gleichartigen) Eingriffen sinkt und der Sach‑ und Personalaufwand niedriger wird, weshalb die Ansätze verschiedener Operationsgruppen heranzuziehen wären.

5. In der Honorarordnung fällt auf, dass bei bestimmten Fachgebieten (zB Urologie, Augenheilkunde) die Eingriffe einzeln definiert sind. Dies hängt offenbar damit zusammen, dass die Eingriffe typischerweise nur eine bestimmte Körperregion betreffen. In dem Teil der Honorarordnung, in dem die Operationen für das Fachgebiet der Dermatologie aufgelistet sind, zeigt sich, dass in nicht seltenen Fällen auf mehrere gleichartige Eingriffe bzw technisch gleichartige Behandlungen größerer Hautflächen abgestellt wird, weshalb für die Verrechnung „Operationsfelder“ maßgeblich sind. Diese werden in den Allgemeinen Bestimmungen zum Operationsgruppenkatalog als „Kopf, Hals-Nacken, Oberarm Unterarm, Hand, Schulter, Brust, Rücken, Bauch, Oberschenkel, Unterschenkel, Fuß“ definiert. Hier kommt es letztlich – im Vergleich zur Honorierung eines jeden einzelnen Eingriffs – zu einer verringerten Honorierung, falls in einem Operationsfeld mehrere gleichartige Eingriffe vorgenommen werden. In einem solchen Fall kann nämlich typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Aufwand geringer ist als bei Eingriffen in verschiedenen Körperregionen.

6. Welche der im Tarifkatalog enthaltenen tarifierten Leistungen der an der Klägerin (an Hüften, Ober‑ und Unterschenkel sowie den Oberarmen) durchgeführten lymphologischen Liposkulptur vergleichbar ist, ist mangels entsprechender Tatschenfestellungen noch nicht beurteilbar. Vor einer Einordnung der an der Klägerin erbrachten Leistungen ist insofern eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zu schaffen, als – nach Erörterung mit den Parteien und Durchführung eines Beweisverfahrens Feststellungen zur Art der Leistung an sich, also zur Methode der Eingriffe und deren Zweck und Schwierigkeitsgrad im Vergleich zu anderen tarifierten Operationen sowie zum dabei erforderlichen Sach- und Personalaufwand zu treffen sind. Erst dann kann eine Beurteilung dahin vorgenommen werden, wie bei der an der Klägerin vorgenommenen lymphologischen Liposkulptur die Schwierigkeit bzw der erforderliche Personal- und Sachaufwand pro Sitzung einzuschätzen ist, insbesondere auch, ob sich Schwierigkeit und Aufwand verringert haben oder ob sie für jede einzelne der betroffenen Körperregionen (Oberarme, Oberschenkel und Unterschenkel) gleich geblieben sind. Letztlich ist also zu beurteilen, ob eine Einzelverrechnung, eine degressive Honorierung oder eine Pauschalverrechnung zu erfolgen hat und welcher der fünf in Frage kommenden Positionen im Tarif der „Nicht gesondert geregelten Operationen“ (LA 01) die Eingriffe zuzurechnen sind.

Aus diesem Grund sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf dem § 52 Abs 1 ZPO.

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