OGH 10ObS16/13w

OGH10ObS16/13w26.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Dezember 2012, GZ 11 Rs 124/12b‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00016.13W.0226.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit eine „zumutbare“ Änderung“ der im Sinne des Tätigkeitsschutzes nach § 255 Abs 4 ASVG maßgebenden „einen“ Tätigkeit darstellt, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und bildet als Frage des Einzelfalls regelmäßig keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (10 ObS 72/12d uva).

2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die bisherige Tätigkeit der Klägerin als Hilfsarbeiterin in einer Bäckerei im Wesentlichen im Vorbereiten und Zubereiten von Mehlspeisen, in leichten Zureicharbeiten, im Zusammenstellen der auszuliefernden Waren, Ladetätigkeiten, Aufräum- und Reinigungsarbeiten bestand. Im Hinblick darauf qualifizierten die Vorinstanzen die der Klägerin noch zumutbare Tätigkeit einer Kommissioniererin von Waren mit geringem Gewicht (zB Versandfertigmachen dieser Waren) in unterschiedlichen Bereichen der industriellen Lebensmittelproduktion als Teiltätigkeit der bisherigen Tätigkeit und erachteten sie als zumutbare Verweisungstätigkeit.

3. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen.

3.1. Eine Verweisung iSd § 255 Abs 4 ASVG ist dann zumutbar, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist. Kriterien sind dabei neben dem technischen Umfeld unter anderem auch die Kontakte mit Mitarbeitern und Kunden sowie die räumliche Situation, etwa ob die Arbeiten im Freien oder am Fließband auszuüben sind. Der Branche kann keine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen; sie kann aber bei der Konkretisierung des Umfelds eine Rolle spielen (RIS‑Justiz RS0100022). Ein anderer Tätigkeitsbereich wäre jedenfalls dann unzumutbar, wenn er eine wesentliche Änderung des beruflichen Umfelds des Versicherten bedeuten würde, wie zB das Erlernen gänzlich neuer Tätigkeiten oder den Verweis auf eine Tätigkeit, die in einem anderen arbeitskulturellen Umfeld erbracht werden muss (wie etwa Bauhilfsarbeiter in der Textilbranche - RIS‑Justiz RS0100022 [T10]). So wurde etwa die Verweisung eines Muldenkippenfahrers in einem Steinbruch auf die Tätigkeit eines Zustellers als nicht zumutbar erachtet; hingegen wurde die Verweisung eines LKW‑Fahrers auf die Tätigkeit eines Klein‑LKW‑Fahrers oder Zustellers ebenso wie die Verweisung eines (gelernten) Bäckers in einem Kleinbetrieb auf die Tätigkeit eines (gelernten) Bäckers in einem gewerblichen Mittelbetrieb als zumutbar angesehen (RIS‑Justiz RS0100022 [T12, T11]).

3.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich, weil die Branche die gleiche sei, beide Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne direkten Kundenkontakt ausgeübt werden und die Verweisungstätigkeit nicht das Erlernen gänzlich neuer Tätigkeiten erfordere, weicht von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab. Dass die Klägerin in ihrer bisherigen Tätigkeit Kundenkontakt hatte, der im Rahmen der Verweisungstätigkeit wegfällt, steht nicht fest. Dass die Teiltätigkeit nach der Gewichtung im Arbeitsablauf oder nach ihrem zeitlichen Umfang eine untergeordnete Bedeutung in der bisher ausgeübten „einen“ Tätigkeit zugekommen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0100022 [T13]), wird gar nicht behauptet.

Da die Revisionswerberin somit keine für die Entscheidung des Verfahrens relevante Rechtsfrage aufzuzeigen vermag, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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