OGH 10ObS148/09a

OGH10ObS148/09a8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Güldeste G*****, vertreten durch Dr. Klaus Schiller und Mag. Markus Schablinger, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, Bahnhofplatz 1, 4021 Linz, wegen Pflegegeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juli 2009, GZ 11 Rs 129/09h-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte das Land Oberösterreich als Pflegegeldträger schuldig, der am 21. 7. 1971 geborenen Klägerin Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von 273,40 EUR monatlich vom 1. 11. 2006 bis 30. 9. 2007 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab.

Es ging für die Zeit bis September 2007 von folgendem monatlichen Pflegebedarf aus: 4 Stunden im Zusammenhang mit dem Besteigen und Verlassen der Dusche oder Badewanne, 30 Stunden (Mindestwert) für das Zubereiten von Mahlzeiten, 3 Stunden für das Einnehmen von Medikamenten (Richtwert) und 4 x 10 Stunden für das Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und Medikamenten, für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, für die Pflege der Leib- und Bettwäsche und für Wege außer Haus (jeweils Fixwerte).

Für die Zeit ab Oktober 2007 nahm das Erstgericht einen monatlichen Pflegebedarf von 4 Stunden im Zusammenhang mit dem Besteigen und Verlassen der Dusche oder Badewanne sowie von 2 x 10 Stunden für das Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und Medikamenten und die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände (jeweils Fixwert) an.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil (mit einer Maßgabe hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens). Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts hinsichtlich des relevanten Pflegebedarfs. Im Pflegegeldrecht sei nur die eigene Existenz der pflegebedürftigen Person gesichert. Daher sei eine notwendige Unterstützung bei der Betreuung der eigenen (nicht behinderten) Kinder aufgrund der behinderungsbedingten Unfähigkeit, den Haushalt nicht nur für sich, sondern auch für den Rest der Familie zu führen, nicht pflegegeldrelevant. Die allein beim Besteigen und Verlassen der Dusche oder Badewanne notwendige Unterstützung begründe keinen Pflegebedarf bei der täglichen Körperpflege entsprechend dem Mindestwert nach § 1 Abs 4 der EinstV zum OÖ PGG (25 Stunden pro Monat); vielmehr sei ein dem tatsächlichen Aufwand angemessener Zeitwert von vier Stunden pro Monat heranzuziehen.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend.

Der Oberste Gerichtshof hat in der zum BPGG ergangenen Entscheidung 10 ObS 329/98z = SSV-NF 12/141 ausführlich begründet, dass das Pflegegeldrecht nur die Personen erfassen will, die selbst der Pflege in Form notwendiger Betreuung und Hilfe bedürfen, während die Einschränkungen in Bezug auf Verrichtungen, die sich aus vertraglichen oder familienrechtlichen Verpflichtungen ergeben, irrelevant sind (ebenso Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld2 [2008] Rz 26). Dies gilt - im Hinblick auf die wörtliche Identität von § 1 BPGG und § 1 OÖ PGG - auch für das das Pflegegeld betreffende oberösterreichische Landesrecht. Die in der Zulassungsbeschwerde angeführte Entscheidung 10 ObS 13/00k (SSV-NF 14/21), in der es im Wesentlichen um die Frage der Ausnützung von Synergieeffekten bei der Beheizung eines Mehrpersonenhaushalts ging, steht dem nicht entgegen: Auch in dieser Entscheidung wird ausdrücklich betont, dass nur die Bedürfnisse der betreffenden Person selbst und ihre Fähigkeit, die notwendigen Verrichtungen durchzuführen, relevant sind. Die von der Klägerin erblickte Widersprüchlichkeit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung liegt nicht vor.

In der Entscheidung 10 ObS 173/95 (SSV-NF 9/84) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass dann, wenn der Betroffene in der Lage ist, die tägliche Körperpflege grundsätzlich allein vorzunehmen, und nur für einzelne dabei anfallende, im Verhältnis zum Gesamtaufwand unbedeutende Handgriffe der Hilfe anderer Personen bedarf, hiefür nicht der gesamte für die Unterstützung bei der täglichen Körperpflege vorgesehene Mindestwert als Betreuungsaufwand zu veranschlagen ist. Umgekehrt gesprochen liegen die Voraussetzungen für die Heranziehung des Mindestwerts gemäß § 1 Abs 4 der EinstV zum BPGG (dieser Regelung entspricht § 1 Abs 4 der EinstV zum OÖ PGG) nur dann vor, wenn der Betroffene bei der täglichen Körperpflege in relevantem Umfang der Unterstützung durch eine Hilfsperson bedarf (RIS-Justiz RS0085428). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass von einer erheblichen Unterschreitung eines Mindestwerts etwa dann auszugehen ist, wenn die einzelnen Verrichtungen lediglich einen Aufwand verursachen, der deutlich unter der Hälfte des normierten Mindestwerts liegt (zuletzt 10 ObS 12/08z = RIS-Justiz RS0109875 [T8]). In einem solchen Fall ist nicht der Mindestwert zu veranschlagen, sondern der tatsächliche Zeitaufwand für die erforderlichen Betreuungsleistungen (RIS-Justiz RS0109875 [T6]).

Da sich die Berufungsentscheidung in den angeführten Punkten an die höchstgerichtliche Judikatur hält, ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

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