OGH 10ObS13/00k

OGH10ObS13/00k22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich T*****, Pensionist, *****, vertreten durch Mag. Gernot Stitz, Rechtsanwalt in Voitsberg, gegen die beklagte Partei Bundespensionsamt, 1031 Wien, Barichgasse 38, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Oktober 1999, GZ 8 Rs 136/99b-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. November 1998, GZ 24 Cgs 216/97p-16, insoweit als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 23. 9. 1997 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 2. 5. 1997 auf Zuerkennung eines Pflegegeldes mit der Begründung ab, der Pflegebedarf betrage nicht mehr als 30 Stunden monatlich.

In der gegen den ablehnenden Bescheid der beklagten Partei erhobenen Klage begehrt der Kläger Pflegegeld im höchstmöglichen Ausmaß.

Das Erstgericht erkannte dem Kläger Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. 6. 1997 zu.

Es stellte fest, dass der am 16. 3. 1945 geborene Kläger mit seiner Gattin und zwei Kindern in einem über 16 Stufen zu erreichenden Einfamilienhaus, das mit festen Brennstoffen beheizt werde, wohne. Er bedürfe (wegen fallweise auftretender Schwindelzustände) beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne sowie beim Waschen und Abtrocknen des Rückens und der Füße Hilfe. Er benötige auch Hilfe beim An- und Ausziehen von Kleidungsstücken, die über die Zehen angezogen werden müssen, weil er sich auf Grund degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule nicht entsprechend bücken könne. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, selbst zu kochen, weil er nicht längere Zeit ohne die Benützung beider Stützkrücken stehen könne. Die Herbeischaffung von Lebensmitteln, Medikamenten und von Heizmaterial könne ohne fremde Hilfe nicht durchgeführt werden, ebensowenig die Pflege der Leib- und Bettwäsche und die Reinigung der Wohnung. Der Kläger bedürfe darüber hinaus der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn.

In rechtlicher Hinsicht sei unter Berücksichtigung der festgestellten Einschränkungen ein durchschnittlicher monatlicher Pflegebedarf von 94 Stunden (jeweils 10 Stunden für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn; 30 Stunden für die Zubereitung von Mahlzeiten; 4 Stunden für Hilfe beim Baden und Duschen und 10 Stunden für die teilweise erforderliche Hilfe beim An- und Auskleiden) gegeben, weshalb der Kläger Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2 habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang des Zuspruches von Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. 6. 1997 als Teilurteil, hob das Ersturteil in seinem übrigen Umfang, also hinsichtlich des Begehrens eines Pflegegeldes in Höhe der Differenz zwischen der Stufe 1 und 2, auf und verwies die Sozialrechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht erachtete über den von der beklagten Partei im Berufungsverfahren nicht mehr bestrittenen Pflegebedarf von 44 Stunden (jeweils 10 Stunden für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, Pflege der Leib- und Bettwäsche sowie Mobilitätshilfe im weiteren Sinn und 4 Stunden für Hilfe beim Baden und Duschen) hinaus noch einen weiteren Hilfsbedarf von 10 Stunden für die Herbeischaffung von Heizmaterial als berechtigt. Der gegenteiligen Ansicht der beklagten Partei, das Herbeischaffen von Heizmaterial im Rahmen der Beheizung des Einfamilienhauses erfordere keinen ins Gewicht fallenden Mehraufwand an Zeit und Mühe einer dritten Person, hier der Ehegattin des Klägers, sei nicht zu folgen. Auch der Umstand, dass Angehörige die Hilfeleistungen durchführen, sei für den Pflegegeldanspruch der pflegebedürftigen Person ohne Bedeutung. Der Pflegebedarf des Klägers betrage somit jedenfalls 54 Stunden monatlich und rechtfertige den Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 1. In der Frage des Betreuungsaufwandes für die Zubereitung von Mahlzeiten und die teilweise Hilfe beim An- und Auskleiden erachtete das Berufungsgericht eine weitere Klärung des Sachverhaltes für erforderlich.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihren Revisionsausführungen die Ansicht, die Herbeischaffung von Heizmaterial stelle im vorliegenden Fall keine pflegegeldrelevante Hilfsverrichtung dar, weil es schon der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass bei einem Vier-Personen-Haushalt der allfällige Mehraufwand, der darin liegen könnte, das Heizmaterial nicht für drei sondern für vier Personen herbeizuschaffen entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht nennenswert ins Gewicht falle.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates ist bei der Prüfung der Frage, ob ein Hilfsbedarf nach § 2 EinstV für die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial anzunehmen ist, zunächst anhand der konkreten Situation zu beurteilen, ob die betreffende Hilfsverrichtung erforderlich ist (10 ObS 24/99y; 10 ObS 331/98v; SSV-NF 9/83 ua; Pfeil, Pflegevorsorge 181 f und BPGG 89). So ist etwa ein Bedarf nach fremder Hilfe zur Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial zu verneinen, wenn eine Zentralheizung vorhanden ist, sofern der Pflegebedürftige diese zu bedienen imstande ist oder die Wartung und Temperatursteuerung nicht vom Pflegebedürftigen vorgenommen werden muss (zB Fernwärme, Gasetagenheizung). Wenn der Pflegebedürftige die Temperatursteuerung der Heizung (Raumthermostat) nicht selbst besorgen kann, ist ebenfalls kein Hilfsbedarf anzunehmen, weil dies keinen besonderen Aufwand erfordert (SSV-NF 10/79). Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, könnte trotz Anschlusses an eine bestehende Zentralheizung ein anzuerkennender Mehrbedarf allerdings dann bestehen, wenn der Wohnraum der pflegebedürftigen Person wegen deren schlechten Gesundheitszustandes auch außerhalb der üblichen Heizperiode beheizt oder während dieser auf eine höhere Temperatur gebracht werden muss (auch SSV-NF 10/79; 9/83; zustimmend Pfeil aaO 89).

Nach der bereits zu § 105a ASVG ergangenen Rechtsprechung des erkennenden Senates war der Umstand, dass Angehörige zur Betreuung oder zur Verrichtung von Hilfeleistungen vorhanden waren, für die Gewährung des Hilflosenzuschusses ohne Bedeutung, weil für die Frage des Hilflosenzuschusses nur auf die Bedürfnisse der betreffenden Person selbst und ihre Fähigkeit, die nach ihrem objektiven Lebenskreis notwendigen Verrichtungen durchzuführen bzw den Umfang der dafür erforderlichen Hilfeleistung abzustellen gewesen sei. Diese Rechtsansicht wurde wiederholt bestätigt (vgl SSV-NF 2/32; 2/86; 4/63; 5/46; 5/115), in der Entscheidung SSV-NF 4/63 allerdings auf Hilfeleistungen beschränkt, die einen ins Gewicht fallenden Aufwand an Zeit und Mühe erfordern. Andere Hilfeleistungen mussten hingegen außer Betracht bleiben, zumal sie bei Bedarf und nach Möglichkeit jedermann, also auch jemand, der zum Hilfsbedürftigen in keinem Naheverhältnis steht, unentgeltlich zu leisten bereit sei. Diese Rechtsprechung zum Hilflosenzuschuss ist auch auf das Pflegegeld anwendbar (SSV-NF 9/83 mwN). So wurde beispielsweise in der Entscheidung SSV-NF 12/13 ausgesprochen, dass ein Hilfsbedarf für die Beheizung des Bades mit einem Elektroheizgerät nicht anzunehmen sei, weil diese im Zusammenhang mit den übrigen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen besorgt werden könne und ein ins Gewicht fallender Mehraufwand an Zeit und Mühe einer Pflegeperson damit nicht verbunden sei (vgl auch SSV-NF 10/79). In der von der beklagten Partei zitierten Entscheidung 10 ObS 166/95 (= SSV-NF 9/83) wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen zur näheren Klärung der Frage, ob die Mitbeheizung des Wohnraumes der Pflegegeldwerberin im Rahmen der Beheizung des Einfamilienhauses ihres Sohnes durch eine Etagenheizung einen ins Gewicht fallenden Mehraufwand an Zeit und Mühe einer dritten Person erfordere, aufgehoben. Ähnliche Erwägungen gelten auch für den Hilfsbedarf bei der Einnahme von Medikamenten, die im Zusammenhang mit der Einnahme der Mahlzeiten erfolgen kann und keinen nennenswerten Mehraufwand erfordert (SSV-NF 12/13).

Nach den Feststellungen erfolgt die Beheizung des vom Kläger mit seiner Gattin und zwei Kindern bewohnten Einfamilienhauses durch eine Zentralheizung mit festen Brennstoffen. Es ist weiters unstrittig, dass dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen die Herbeischaffung des benötigten Heizmaterials nicht mehr zumutbar ist und er daher zu dieser Verrichtung fremder Hilfe bedarf. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung, dass die Herbeischaffung des für eine Zentralheizung eines Einfamilienhauses benötigten Heizmaterials (feste Brennstoffe) mit einem erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verbunden ist und daher von in keinem Naheverhältnis zum Pflegebedürftigen stehenden Personen, regelmäßig nur gegen entsprechendes Entgelt besorgt wird. Die notwendige Herbeischaffung des Heizmaterials durch eine Hilfsperson stellt daher eine pflegegeldrelevante Hilfsverrichtung dar. Die von der beklagten Partei vertretene Ansicht, bei einem Vier-Personen-Haushalt falle ein allfälliger Mehraufwand, der darin liegen könnte, das Heizmaterial nicht nur für drei, sondern für vier Personen herbeizuschaffen, entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht nennenswert ins Gewicht, würde im Ergebnis dazu führen, dass bei im Familienverband lebenden Pflegegeldwerbern kaum jemals ein Hilfsbedarf für die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial anzuerkennen wäre, was aber vom Gesetzgeber zweifellos nicht beabsichtigt war.

Die von der Revisionswerberin zitierte Entscheidung 10 ObS 166/95 (= SSV-NF 9/83) betraf insofern einen etwas anders gelagerten Sachverhalt, als die damalige Klägerin im zentralbeheizten Einfamilienhaus ihres Sohnes einen eigenen Raum bewohnte, somit an der Beheizung des Hauses durch ihren Sohn partizipierte und der erkennende Senat in diesem Fall die Ansicht vertrat, dass ein bei der Feststellung des Hilfsbedarfes der damaligen Klägerin im Zusammenhang mit der Beheizung ihres Wohnraumes zu berücksichtigender erheblicher Mehraufwand nicht von vornherein anzunehmen sei, jedoch beispielsweise dadurch entstehen könnte, dass der Wohnraum der Klägerin wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes auch außerhalb der üblichen Heizperiode auf höhere Temperatur gebracht werden müsste. Im vorliegenden Fall hat der Kläger hingegen selbst für die Beheizung seines Einfamilienhauses zu sorgen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger fremde Hilfe nur für das Herbeischaffen des Heizmaterials benötigt und er das Nachlegen von Heizmaterial noch selbst besorgen kann, wäre dadurch ein Abweichen von dem für diese Hilfsverrichtung in § 2 EinstV ausdrücklich als fix bezeichneten Zeitwert von 10 Stunden monatlich nicht gerechtfertigt (vgl 10 ObS 342/99p; SSV-NF 8/61; 74 und 104 uva).

Der Pflegebedarf des Klägers übersteigt somit jedenfalls 50 Stunden monatlich. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das Verfahren hinsichtlich eines Zuspruches der Pflegegeldstufe 1 als bereits spruchreif beurteilt und insoweit ein Teilurteil gefällt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Der Kläger ist jedenfalls mit einem Teil seines Anspruches durchgedrungen und hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Kosten im Umfang der im § 77 Abs 2 ASGG dafür vorgesehenen Kostenbemessungsgrundlage. Hingegen kommt ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei schon im Hinblick auf die Kostenersatzregel des § 77 Abs 1 Z 1 ASGG nicht in Betracht.

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