Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der am 29. 4. 1942 geborene Kläger beantragte die Umwandlung seiner Berufsunfähigkeitspension in eine Alterspension mit Erreichen des Regelpensionsalters.
Die beklagte Partei anerkannte den Anspruch auf Alterspension ab 1. 5. 2007, setzte die Pensionshöhe (darin enthalten Kinderzuschuss und Ausgleichszulage) ab 1. 5. 2007 mit monatlich 1.406,62 EUR und ab 1. 1. 2008 mit monatlich 1.442,08 EUR fest und sprach unter einem aus, dass der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitspension gemäß § 100 ASVG mit 30. 4. 2007 erlischt.
Das Erstgericht wies das auf eine höhere Alterspension gerichtete Klagebegehren ab und bestimmte die Alterspension wie im Bescheid festgesetzt.
Das Berufungsgericht gab im zweiten Rechtsgang der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, bei Berechnung der Alterspension sei die in § 261 Abs 4 ASVG vorgesehene Kürzung des Steigerungsbetrags von 52,167 % auf 44,342 % nicht anzuwenden, weil es durch den Bezug der Alterspension ab 1. 5. 2007 nicht zum „Hinzutreten“ einer Leistung iSd § 261 Abs 7 ASVG gekommen sei, sei doch der zuvor bestandene Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension mit 30. 4. 2007 erloschen. Es sei ungerecht, einen freiwilligen früheren Pensionsantritt mit Fällen gleichzusetzen, in denen der Versicherte durch Krankheit oder Unfall zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer vorzeitigen Berufsunfähigkeitspension gezwungen sei. Diese Auslegung verbiete sich schon wegen des Gebots verfassungskonformer Gesetzesauslegung unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes.
Dazu ist auszuführen:
1. Es entspricht dem Modell der Leistungsgerechtigkeit, dass jener Versicherte, der die Pension vor Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch nimmt, mit versicherungsmathematisch berechneten Abschlägen rechnen muss und jener, der sie später in Anspruch nimmt, ebensolche Zuschläge erhält. Nur diese Berechnungsweise stellt sicher, dass sich die Gesamtaufwendungen der Pensionsversicherung nicht verändern, gleichgültig, ob die Versicherten früher oder später in Pension gehen (Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2000, BGBl I 2000/92, RV 181 BlgNR 21. GP).
2. In diesem Sinn regelt § 261 ASVG das Ausmaß der Alters-(Invaliditäts-)pension. § 261 Abs 4 (idF BGBl I 2003/145, 2. SVÄG 2003) sieht einen Abschlag für Frühpensionisten vor. Die Leistung ist bei Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters (§ 253 Abs 1) zu vermindern. Das Ausmaß der Verminderung beträgt für je zwölf Monate der früheren Inanspruchnahme 4,2 % der Leistung; das Höchstausmaß der Verminderung beträgt 15 % der zuvor ermittelten Summe der Steigerungspunkte. Besteht bei Eintritt eines Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit oder des Alters ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus eigener Pensionsversicherung, so gilt die Verminderung nach Abs 4 für diese Pension auch für die hinzutretende Leistung (§ 261 Abs 7 ASVG).
3. Nach den Gesetzesmaterialien zum 2. SVÄG 2003 (RV 310 BlgNR 22. GP 18) sollte durch die Umformulierung des § 261 Abs 7 ASVG klarer zum Ausdruck kommen, dass der Abschlag bei Inanspruchnahme einer Pensionsleistung vor dem Regelpensionsalter auch für eine spätere Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)pension oder eine Erwerbsunfähigkeitspension bzw für eine Alterspension heranzuziehen ist (vorausgesetzt, die vorangehende Leistung gebührt noch bei Eintritt des neuerlichen Versicherungsfalls).
4.1. In seiner Entscheidung 10 ObS 184/08v, SSV-NF 23/8, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Verminderung bei der Alterspension erfolgt, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls des Alters ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus eigener Pensionsversicherung besteht. Hintergrund der Abschläge seien letztlich versicherungsmathematische Erwägungen; der vorgesehene Abschlag soll die Verlängerung der Bezugsdauer bei Pension bei gleichartiger Berücksichtigung der Restlebenserwartung möglichst ausgleichen. Es soll sichergestellt werden, dass der Frühpensionist - aus dem Blickwinkel der Versicherungsmathematik - keinen finanziellen Vorteil erhält.
4.2. Bezieht der Kläger also bereits eine Eigenpension (Berufsunfähigkeitspension/ Invaliditätspension/Erwerbsunfähigkeitspension) und beantragt eine Alterspension, so gilt die Verminderung auch für die hinzutretende Leistung (§ 261 Abs 7 ASVG), der Abschlag bleibt ihm (10 ObS 184/08v, SSV-NF 23/8; Resch, Sozialrecht5, 139; Gründler, Handbuch zur Pensionsreform 2003, 139 [noch] zu § 261 Abs 7 ASVG idF des BudgetbegleitG 2003).
5. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang.
5.1. Dass jeder Anspruch auf eine laufende Leistung aus eigener Pensionsversicherung mit Anfall einer anderen derartigen Leistung erlischt, ergibt sich aus § 100 Abs 2 ASVG. Mehrere direkte Renten können nicht nebeneinander bezogen werden (Teschner/Widlar/Pöltner, § 100 ASVG 62. Erg-Lfg Anm 3).
5.2. Die Ansicht, dass bei der Alterspension keine Abschläge zu erfolgen haben, weil ein Versicherter, der die Berufsunfähigkeitspension vor Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommen habe, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, bis zum Regelpensionsalter erwerbstätig zu sein und ihm also nicht die Wahlmöglichkeit offengestanden sei, früher oder später in Pension zu gehen, findet in § 261 ASVG keine Grundlage. Pensionen wegen Alters und wegen geminderter Arbeitsfähigkeit folgen in den Grundzügen denselben Berechnungsmethoden (Teschner in Tomandl, SV-System, 19. Erg-Lfg 394).
6. Die Auslegung, dass der Abschlag bei Inanspruchnahme einer Pensionsleistung vor dem Regelpensionsalter ebenso für eine spätere Alterspension heranzuziehen ist, ist auch im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes und des diesem immanenten Sachlichkeitsgebots (RIS-Justiz RS0054018 [T2]) unbedenklich. Verwirklicht der Gesetzgeber das rechtspolitische Ziel, dass sich die Gesamtaufwendungen der Pensionsversicherung nicht erhöhen, gleichgültig, ob der Versicherte früher oder später in Pension geht (siehe oben Pkt 1), hält er sich im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit (VfSlg 16.923). Diese unterliegt - außer bei einem Exzess - nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle (RIS-Justiz RS0053889 [T7]) und ist insoweit nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen. Nicht jede subjektiv als ungerecht empfundene einfachgesetzliche Regelung verletzt den Gleichheitsgrundsatz (10 ObS 148/03t, SSV-NF 17/68).
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