European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128368
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 69,80 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Bezeichnung der ursprünglich beklagten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse war gemäß § 23 Abs 1 und § 538t Abs 1 ASVG von Amts wegen auf Österreichische Gesundheitskasse zu berichtigen.
Der Kläger ist der Vater des am 2. 9. 2017 geborenen Sohnes F*. Er lebt von der Mutter des Kindes getrennt. Beide Eltern sind obsorgeberechtigt. Der Sohn war vom 1. 6. 2018 bis 6. 8. 2018 am Wohnsitz des Klägers „hauptwohnsitzlich“ gemeldet und tatsächlich bei ihm wohnhaft. Der Kläger bezog in diesem Zeitraum auch Familienbeihilfe. Der Sohn kehrte unstrittig wieder in den Haushalt der Mutter zurück.
Aus Anlass der Geburt des Sohnes beantragten die Eltern die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Variante 365 Tage + 61 Tage („12 + 2“). Die Mutter bezog Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens bis 1. 6. 2018. Der Kläger bezog in weiterer Folge Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens vom 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018 in Höhe von 4.026 EUR.
Mit Bescheid vom 11. 9. 2018 widerrief die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens an den Kläger für den Zeitraum 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018 und verpflichtete ihn zur Rückzahlung der erhaltenen Leistungen in Höhe von 4.026 EUR. Es fehle an der Voraussetzung einer mindestens 91‑tägigen gemeinsamen Hauptwohnsitzmeldung des Klägers und des Sohnes, sodass keine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG vorgelegen sei.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, das für den Zeitraum 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018 bezogene Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von 4.026 EUR zurückzuzahlen. Im Fall getrennt lebender Eltern stelle es keine Anspruchsvoraussetzung dar, dass der gemeinsame Hauptwohnsitz auch über den Bezugszeitraum hinaus aufrecht fortbestehen müsse. Es liege kein Rückforderungsgrund im Sinn des § 31 KBGG vor.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass für die Begründung eines gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 KBGG eine dauerhafte Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft von zumindest 91 Tagen erforderlich sei, an der es aber im Fall des Klägers fehle.
Das Erstgericht verpflichtete den Kläger mit Urteil zum Rückersatz des im Zeitraum 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018 empfangenen Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von 4.026 EUR.
Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es feststellte, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, das für den Zeitraum 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018 bezogene Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von 4.026 EUR zurückzuzahlen. Es bejahte das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts des Klägers und seines Sohnes im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 17/19a. Der Gesetzgeber habe ungeachtet der Novellierungen des § 2 Abs 6 KBGG die Möglichkeit geschaffen und beibehalten, das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Variante 12 + 2 zu beziehen. Bei Inanspruchnahme dieser Variante genüge auch eine zweimonatige Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem beziehenden Elternteil und dem Kind zur Begründung eines gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG. Es wäre „geradezu ein Schildbürgerstreich des Gesetzgebers“, hätte er beabsichtigt, dass weiterhin die Bezugsvariante 12 + 2 zur Verfügung stehe, aber bei getrennten Wohnsitzen der Eltern dem Elternteil, der das Kind nur zwei Monate betreue, das zuerkannte Kinderbetreuungsgeld wieder entzogen werden sollte. Die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes sei daher unberechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
In seiner ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Revision.
Die Revision ist zulässig, weil sich die Rechtslage nach dem Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz geändert hat. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin macht geltend, dass § 2 Abs 6 KBGG mit der Novelle BGBl I 2019/24 novelliert worden sei. Für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts sei nunmehr erforderlich, dass dieser mindestens 91 Tage andauere. Dabei handle es sich um eine authentische Interpretation des Gesetzgebers, sodass diese Voraussetzung auch schon nach früherer Rechtslage gegolten hätte. § 2 Abs 6 KBGG in der geltenden Fassung sei mit 1. 7. 2018 in Kraft getreten und daher nunmehr anwendbar.
Dem ist entgegenzuhalten:
1.1 Entscheidend für das Vorliegen einer dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft gemäß § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53 war, dass diese tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen (daher keine Ex post‑Beurteilung: 10 ObS 50/19d zu § 2 Abs 3 FamZeitbG = RS0132594 [T3]). Zutreffend hat das Berufungsgericht dargestellt, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 17/19a eine vergleichbare Fallkonstellation wie im vorliegenden Fall zu beurteilen hatte. Er führte – noch zu § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53 – aus, dass nach der systematischen und der historischen Auslegung der Bestimmungen der §§ 2 Abs 6 und Abs 8 sowie 24b KBGG bei getrennt lebenden Elternteilen, die sich für die Inanspruchnahme der Bezugsvariante 12 + 2 (nunmehr: 365 Tage + 61 Tage) entschieden haben, eine „dauerhafte“ Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG an derselben Wohnadresse auch dann gegeben ist, wenn diese im Verlängerungszeitraum nur von zweimonatiger Dauer ist und das Kind anschließend wieder in den Haushalt der Mutter zurückkehrt (RS0132594).
1.2 Würde bei getrennt lebenden Elternteilen ein gemeinsamer Haushalt während der auf zwei Monate reduzierten Mindestdauer zur Begründung einer „dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft“ nicht ausreichen, wären sie von der Bezugsvariante 12 + 2 (365 Tage + 61 Tage) von vornherein ausgeschlossen. Getrennt lebenden Eltern wäre es verwehrt, die Kinderbetreuung in der Weise flexibel zu gestalten, dass ein Elternteil die Mindestbezugsdauer in Anspruch nimmt. Dieses Ergebnis stünde nicht nur der Zweckrichtung des KBGG entgegen, die Flexibilität bei der Wahl der Bezugsdauer und bei der Handhabung von Bezugswechseln zu fördern, sondern auch der Intention des Gesetzgebers, im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Wahlfreiheit zu stärken (10 ObS 17/19a; 10 ObS 51/19a).
2.1 § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG lautet in der geltenden Fassung der Novelle BGBl I 2019/24 wie folgt:
„(6) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften (mindestens 91 Tage durchgehend) Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind.“
2.2 Die Novelle BGBl I 2019/24 wurde am 21. 3. 2019 ausgegeben. § 2 Abs 6 KBGG in der geltenden Fassung BGBl I 2019/24 trat jedoch gemäß § 50 Abs 23 KBGG rückwirkend mit 1. 7. 2018 in Kraft.
2.3 Gemäß § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG in der geltenden Fassung liegt ein gemeinsamer Haushalt daher nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer „dauerhaften (mindestens 91 Tage durchgehenden) Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft“ an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch „hauptwohnsitzlich“ gemeldet sind. Die Gesetzesmaterialien (IA 584/A 26. GP ) enthalten keine näheren Aufschlüsse. Abänderungsanträge, die einen Entfall des Klammerausdrucks mit dieser Frist in § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG vorsahen, wurden abgelehnt (AA‑75 und 76 BlgNR 26. GP ). Der Ausschuss für Familie und Jugend ging davon aus, dass die im Kinderbetreuungsgeldgesetz definierte Dauerhaftigkeit der Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft im Ausmaß von mindestens 91 Tagen als Voraussetzung für eine Anspruchsberechtigung für alle Eltern unter Berücksichtigung des Kindeswohls und im Hinblick auf die Treffsicherheit dieser Anspruchsvoraussetzung einer Evaluierung unterzogen wird (AB 494 BlgNR 26. GP 2).
2.4 Unberührt von der Novelle BGBl I 2019/24 (und auch von der jüngsten Novelle des KBGG, BGBl I 2019/75) blieb hingegen § 2 Abs 8 KBGG. Für getrennt lebende Elternteile normiert diese Bestimmung, dass der antragstellende Elternteil, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, darüber hinaus obsorgeberechtigt sein muss und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG (Anspruch auf Familienbeihilfe und tatsächlicher Bezug der Familienbeihilfe) in eigener Person erfüllen muss. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Verfahren nicht strittig.
2.5 Unverändert in Kraft steht auch die von § 24b KBGG seit dem BGBl I 2016/53 normierte Möglichkeit, Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Bezugsvariante 365 Tage + 61 Tage (426 Tage) in Anspruch zu nehmen (bis dahin: Bezugsvariante 12 + 2, § 24b KBGG idF BGBl I 2009/116). Die Mindestbezugsdauer für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens beträgt nach wie vor 61 Tage (§ 24b Abs 4 KBGG idF BGBl I 2016/53).
3.1 Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG idF BGBl I 2019/24, nämlich der 1. 7. 2018, fällt in den Zeitraum von 2. 6. 2018 bis 1. 8. 2018, in dem der Kläger Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens bezog.
3.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können zwar die Wirkungen einer Gesetzesänderung nicht Tatbestände ergreifen, die vor dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (RS0008694 [T4]). Dieser zeitliche Geltungsbereich ist aber nur für einmalige oder jene mehrgliedrigen oder dauernden Sachverhalte abgrenzbar, die zur Gänze in die Geltungszeit des alten oder des neuen Gesetzes fallen. Andernfalls gelten für einen Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (10 ObS 57/19h mwN; RS0008715).
3.3 Das Vorliegen einer „dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft“ iSd § 2 Abs 6 KBGG ist ein Dauersachverhalt (10 ObS 57/19h). Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass zwar für den Zeitraum ab Beginn des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs (2. 6. 2018 bis 30. 6. 2018) noch § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53 anwendbar war. Beginnend mit dem 1. 7. 2018 gilt jedoch die Bestimmung des § 2 Abs 6 idF BGBl I 2019/24. Danach fehlte es dem Kläger jedoch an einer mindestens 91 Tage durchgehenden Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft im Anspruchszeitraum.
4.1 Auch nach der neuen Rechtslage wäre es getrennt lebenden Eltern nicht möglich, das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Bezugsvariante „365 Tage + 61 Tage“ zu beziehen, forderte man auch vom zweiten Elternteil einen gemeinsamen Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 KBGG in Form einer seinen Anspruchsteil von 61 Tagen übersteigenden, mindestens 91 Tage durchgehenden Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft. An den dafür bereits in 10 ObS 17/19a ausgeführten Gründen hat sich nichts geändert (vgl auch 10 ObS 65/19k, Pkt 4.8: „Wie sich die Neuregelung einer Mindestdauer von 91 Tagen mit der nach wie vor aufrechten Mindestbezugsdauer von 61 Tagen [§ 3 Abs 5 KBGG] vereinen lässt, erklären die Gesetzesmaterialien nicht. Ungelöst bleibt auch das Problem, inwieweit ein nicht mit dem anderen im gemeinsamen Haushalt lebender Elternteil [einkommensabhängiges] Kinderbetreuungsgeld nur für die Mindestbezugsdauer von 61 Tagen in Anspruch nehmen soll.“).
4.2 Da der dargestellte Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt für eine Lösung der hier zu beurteilenden Frage liefert, bedarf es einer teleologischen Reduktion der Bestimmung des § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG idgF, um der ratio legis gegen einen hier zu weiten Wortlaut der Bestimmung zur Geltung zu verhelfen. Eine teleologische Reduktion einer Norm setzt stets den Nachweis voraus, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (6 Ob 181/12d mwH; RS0008979; RS0106113; Kerschner/Kehrer in Klang 3 §§ 6, 7 ABGB Rz 69 mwH).
5.1 Der Gesetzgeber verfolgt in diesem Zusammenhang im KBGG einen zweifachen Regelungszweck:
5.2 Erstens wurde, wie bereits in der Entscheidung 10 ObS 17/19a ausgeführt, mit der Novelle BGBl I 2009/116 die Mindestbezugsdauer pro Bezugsblock generell auf zwei Monate (nunmehr: 61 Tage) herabgesetzt; außerdem wurde das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Variante „12 + 2“ neu geschaffen (§ 24b KBGG). Der vom Gesetzgeber damit verfolgte Zweck liegt darin, dass die kürzere Mindestbezugsdauer Vätern den Zugang zum Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erleichtern sollte und deren Beteiligung an der Kinderbetreuung damit gefördert werden sollte. Den Eltern sollte eine flexiblere Handhabung ermöglicht und der abwechselnde Bezug erleichtert werden (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 4). An diesem Gesetzeszweck hat sich nichts geändert.
5.3 Zweitens stellte der Gesetzgeber mit der Normierung einer Mindestdauer von 91 Tagen zur Begründung einer dauerhaften Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft in § 2 Abs 6 KBGG für den Anwendungsbereich des KBGG klar, dass zusätzlich zur Absicht, eine dauerhafte Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen, und zu deren tatsächlicher Begründung ein weiteres Element der (Mindest‑)Dauer einer solchen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu treten habe. Eine Sonderregelung wurde in § 2 Abs 6 letzter Satz KBGG für Krisenpflegeeltern vorgesehen. Danach hat eine Krisenpflegeperson unabhängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisenpflegekind vorliege, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für dieses Krisenpflegekind, sofern sie es mindestens 91 Tage durchgehend in einer Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft betreut. Auch in diesem Zusammenhang verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, der Gruppe der „typischen Kurzzeitpflegepersonen“ keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld einzuräumen (ErläutRV 584/A 26. GP 3).
6.1 Diese beiden Gesetzeszwecke lassen sich zwar in Fällen, in denen beide Eltern mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben und einen Bezugswechsel beim Kinderbetreuungsgeld anstreben, vereinbaren. Anders ist dies im Fall getrennt lebender Eltern, denen der Gesetzgeber aber bei Erfüllung der sonstigen in § 2 Abs 8 KBGG genannten Voraussetzungen ausdrücklich einen Anspruch zubilligt. Vor diesem Hintergrund bleibt aber der dargestellte zweifache gesetzgeberische Regelungsanspruch hinter dem Wortlaut des § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG zurück (RS0008979). Denn diese Bestimmung differenziert nicht danach, ob Eltern gemeinsam oder getrennt leben. Die (verdeckte) Lücke in der gesetzlichen Regelung besteht in diesem Fall im Fehlen einer nach der dargestellten ratio legis erforderlichen Ausnahmeregelung für getrennt lebende Eltern, die Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der von § 24b Abs 2 KBGG vorgesehenen Variante „365 Tage + 61 Tage“ beantragen wollen.
6.2 Ein sich aus dem Gesetzeszweck ergebender Grund, aus dem getrennt lebende Eltern von der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Bezugsvariante „365 Tage + 61 Tage“ gemäß § 24b Abs 2 KBGG ausgeschlossen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Die Gruppe der getrennt lebenden Eltern, die lediglich die von § 2 Abs 8 KBGG geforderten zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen müssen, unterscheidet sich keinesfalls so weit von der Gruppe der im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern, dass ihr Ausschluss von dieser Bezugsvariante sachlich gerechtfertigt wäre.
7. Ergebnis: § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG in der geltenden Fassung BGBl I 2019/24 ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass bei getrennt lebenden Elternteilen, die sich für die Inanspruchnahme der Bezugsvariante „365 Tage + 61 Tage“ (früher: „12 + 2“) entschieden haben, eine „dauerhafte“ Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG an derselben Wohnadresse auch dann als erfüllt anzusehen ist, wenn diese im „Verlängerungszeitraum“ nur von 61‑tägiger Dauer ist und das Kind anschließend wieder in den Haushalt des anderen Elternteils zurückkehrt.
8. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht im Ergebnis dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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