Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichem Ausmaß ab 1. 3. 2002 zu gewähren, wird abgewiesen. Der Kläger hat seine Kosten des Verfahrens selbst zu tragen."
Text
Entscheidungsgründe:
Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I Nr 1/2002).
Der am 24. 2. 1942 geborene Kläger stellte am 26. 2. 2002 an die beklagte Partei den Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Zu dem für ihn relevanten Stichtag 1. 3. 2002 hat der Kläger das 60. Lebensjahr vollendet und insgesamt 516 Versicherungsmonate (491 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, 16 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung und 9 Ersatzmonate für Zeiten des Präsenzdienstes) erworben.
Mit Bescheid vom 9. 4. 2002 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers ab, weil ein (männlicher) Versicherter Anspruch auf diese begehrte Pensionsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres habe, wenn und sobald er 540 Beitragsmonate erworben habe. Der Kläger erfülle diese Anspruchsvoraussetzung nicht.
Das Erstgericht erkannte das dagegen erhobene, auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 3. 2002 gerichtete Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von EUR 300 monatlich auf. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die hier anzuwendende Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG im Wiederspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 79/7/EWG stehe. Aufgrund der unmittelbaren Wirkung dieses Gleichbehandlungsgebotes sei die Bestimmung des § 253b Abs 1 ASVG auf den Kläger in der Weise anzuwenden, dass - wie bei weiblichen Versicherten - aufgrund des unstrittigen Erwerbs von 480 Beitragsmonaten zum Stichtag (1. 3. 2002) als weitere Anspruchsvoraussetzung die Vollendung des 60. Lebensjahres genüge. § 588 Abs 7 Z 1 ASVG, der für männliche Versicherte den Erwerb von 540 Beitragsmonaten verlange, sei insoweit aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes unbeachtlich. Da der Kläger auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistung nach § 253b Abs 1 Z 4 ASVG unstrittig erfülle, bestehe das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie bereits der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt, hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile in der Entscheidung 10 ObS 284/02s vom 14. 1. 2003 näher begründet, dass die Bestimmung des § 588 Abs 7 ASVG entgegen der Ansicht der Vorinstanzen keine für Männer und Frauen unterschiedliche "Anhebung" der für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erforderlichen Anzahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung (im Dauerrecht) zum Inhalt hat, sondern lediglich jenen Personenkreis umschreibt, der nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen einer Übergangsbestimmung von der Anhebung des Pensionsanfallsalters ausgenommen sein soll. Die Regelung des § 588 Abs 7 ASVG fällt daher unter die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG und steht somit nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht (vgl idS auch 10 ObS 377/02t; 10 ObS 378/02i und 10 ObS 11/03w). Da sowohl der Klagevertreter, die beklagte Partei als auch der Beklagtenvertreter an zumindest einem der genannten Verfahren beteiligt waren, kann im Hinblick auf § 15a OGHG auf die Begründung dieser Entscheidungen verwiesen werden.
Aber auch die vom Kläger in seiner Revisionsbeantwortung gegen das Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832, vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Verletzung eines Bauprinzips der Verfassung werden vom erkennenden Senat nicht geteilt. Es ist zwar richtig, dass der Verfassungsgesetzgeber immer wieder Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs dadurch "unterlaufen" hat, dass er vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetze als Verfassungsgesetz wieder in Kraft setzte oder die Gesetzesaufhebung in ähnlicher Weise unwirksam machte (Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundes-Verfassungsrecht9 Rz 146; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3 Art 44 II.3). Diese der rechtspolitischen Kritik ausgesetzte Verfassungsgesetzgebung ist verfassungsrechtlich nur dann unzulässig, wenn dadurch ein Baugesetz der Verfassung verletzt wird (VfSlg 15.373). Eine solche Verletzung wird von einem Teil der Lehre wegen Verletzung des rechtsstaatlichen und des gewaltenteilenden Grundprinzips behauptet (Walter/Mayer aaO mwN; zuletzt etwa Hiesel, Von der Verfassungsunkultur zur verfassungswidrigen Verfassungsgesetzgebung? AnwBl 2001, 306 [308 f]). Freilich muss dem "einfachen" Verfassungsgesetzgeber im Lichte des demokratischen Grundprinzips bei einer harmonisierenden Auslegung auch in diesem Bereich ein gewisser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzsprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofes (nur) zu einer speziellen und eingegrenzten Problematik ausgeschaltet, das rechtsstaatliche Prinzip aber nicht in breiten und unbestimmten Ausmaß beeinträchtigt wird, erscheint dem Senat der Gestaltungsspielraum des einfachen Verfassungsgesetzgebers nicht überschritten (vgl 10 ObS 353/02p; 10 ObS 17/03b; 10 ObS 18/03z ua).
Da unbestritten feststeht, dass der Kläger lediglich 507 Beitragsmonate erworben hat und daher die Anspruchsvoraussetzungen für die von ihm begehrte Leistung nach § 588 Abs 7 ASVG nicht erfüllt, war in Stattgebung der Revision der beklagten Partei das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt (Kuderna, ASGG2 Erl 7 zu § 77 mwN ua). Soweit der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung dazu auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens verweist, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Frage, ob ein Kostenersatzanspruch nach Billigkeit besteht, nach der zitierten Gesetzesstelle nicht nur dieser Umstand, sondern auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten zu beachten sind. Der Kläger verweist dazu auf den Inhalt des Pensionsaktes. Aus dem Pensionsakt ergibt sich, dass der Kläger bis 14. 1. 2002 Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld und Pensionsvorschuss in nicht näher feststellbarer Höhe bezogen hat, der Kläger mit Stichtag 1. 3. 2003 die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erfüllt und die Höhe der Pension mit EUR 2.131,37 brutto monatlich errechnet wurde. Damit sind aber berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit rechtfertigen könnten, nicht bescheinigt. Ein Kostenersatz nach Billigkeit hat daher nicht stattzufinden.
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