European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00007.15Z.0224.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Vater des mj D***** und der mj L***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 28. 6. 2012, GZ 45 Pu 90/10a‑130, bis auf weiteres zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 138 EUR an den mj D***** und von 116 EUR an die mj L***** verpflichtet.
Die mj L*****, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, beantragte am 29.7.2014 (eingelangt am 31. 7. 2014) beim Erstgericht die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG mit dem Vorbringen, der Unterhaltsschuldner habe nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhalt nicht zur Gänze geleistet, weshalb gegen ihn am 25. 7. 2014 beim Bezirksgericht Leopoldstadt die Exekution beantragt worden sei.
Der mj D*****, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, beantragte am 6. 8. 2014 (eingelangt am 11. 8. 2014) beim Erstgericht die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG. Auch er brachte im Wesentlichen vor, der Unterhaltsschuldner habe nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhalt nicht zur Gänze geleistet, weshalb gegen ihn am 25. 7. 2014 beim Bezirksgericht Leopoldstadt die Exekution beantragt worden sei.
Wie sich aus dem VJ‑Register ergibt, hatte das Bezirksgericht Leopoldstadt mit Beschluss vom 5. 8. 2014 zu GZ 18 E 3717/14v die Forderungsexekution bewilligt. Das Bezirksgericht Leopoldstadt war für die Erteilung der Exekutionsbewilligung aber unzuständig, weil der Verpflichtete laut einer Zentralmeldeauskunft bereits seit 15. 7. 2014 an einer Adresse in Wien 10 seinen Hauptwohnsitz hatte. Die an der Adresse im Sprengel des Bezirksgerichts Leopoldstadt am 20. 8. 2014 hinterlegte Exekutionsbewilligung wurde von ihm nicht behoben.
Das Erstgericht bewilligte beiden Minderjährigen antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG und zwar für den mj D***** vom 1. 8. 2014 bis 30. 6. 2017 in Höhe von monatlich 138 EUR (ON 175) und für die mj L***** vom 1. 7. 2014 bis 30. 6. 2019 in Höhe von monatlich 116 EUR (ON 174).
Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, den Unterhaltsvorschussantrag beider Minderjährigen ab. Nach der ZMR‑Auskunft ON 172 sei der Unterhaltsschuldner an der im Exekutionsantrag angegebenen Adresse im Sprengel des Bezirksgerichts Leopoldstadt nur bis 15. 7. 2014 gemeldet gewesen, danach sei er im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten gemeldet gewesen. Der mit 25. 7. 2014 datierte Exekutionsantrag der beiden Minderjährigen sei daher am 30. 7. 2014 beim (dafür unzuständigen) Bezirksgericht Leopoldstadt gestellt worden. Es wäre den Minderjährigen zumutbar gewesen, vor Einbringung eines Exekutionsantrags jene Maßnahmen zu setzen, die eine zielführende Exekution erleichtern. Im Hinblick auf den sich aus der ZMR‑Auskunft ON 172 ergebenden mehrfachen Wechsel des Wohnsitzes durch den Unterhaltsschuldner hätte daher bereits vor Einbringung des Exekutionsantrags die ZMR‑Anfrage durchgeführt werden müssen, um eine Antragstellung beim unzuständigen Gericht zu vermeiden. Dass der Exekutionsantrag vom (unzuständigen) Bezirksgericht Leopoldstadt bewilligt worden sei, sei nicht maßgeblich, weil die Exekutionsbewilligung zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (dem 13. 8. 2014) noch nicht rechtskräftig und die Antragstellung beim unzuständigen Gericht ‑ ex ante betrachet ‑ dennoch nicht als zielführend zu bewerten gewesen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Verhaltensobliegenheiten von antragstellenden Kindern bei häufig wechselndem Wohnsitz des Unterhaltsschuldners vorliege.
In ihrem Revisionsrekurs bringen die Minderjährigen vor, es habe zum Zeitpunkt der Exekutionsantragstellung aktenkundig keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Unterhaltsverpflichtete seine Adresse geändert habe. Es würde zu weit führen, wenn die Behörde vor jedweder Tätigkeit eine automatische Überprüfung der Daten der am Verfahren beteiligten Personen vorzunehmen hätte. Die Exekutionsführung sei daher sehr wohl als zielführend und erfolgversprechend zu werten. Zudem habe sich das Bezirksgericht Leopoldstadt ‑ wenngleich irrtümlich ‑ als zuständig erachtet, indem es ohne Durchführung einer ZMR‑Abfrage die Exekution bewilligt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts ‑ mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS‑Justiz RS0112769 [T10]).
2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 Ob 62/14m vom 21. 10. 2014 (im Rechtsinformationssystem des Bundes RIS‑Justiz veröffentlicht seit 7. 2. 2015) mit ausführlicher Begründung zu den Verhaltensobliegenheiten des Kindes im Unterhaltsvorschussverfahren bei häufig wechselndem Wohnsitz des Unterhaltsschuldners Stellung genommen. Die Aussagen dieser Entscheidung lassen sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen, dass Unterhaltsvorschüsse iSd § 3 UVG nur dann gewährt werden, wenn das Kind vorher Schritte initiiert hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine zielführende Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen. Aufgrund der Subsidiarität der Vorschussgewährung gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen muss der Exekutionsantrag grundsätzlich zielführend in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch zu lukrieren. An den Exekutionsantrag sind daher inhaltliche Anforderungen zu stellen, die ihn ‑ ex ante aus Sicht des Antragstellers betrachtet ‑ zur sofortigen Geschäftsbehandlung geeignet erscheinen lassen. In diesem Sinn ist das Einlangen bei dem (ex ante betrachtet) zuständigen Gericht notwendig. Auch wenn das unzuständige Gericht den Antrag gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht überweisen muss, kann die Einbringung eines Exekutionsantrags bei „irgendeinem“ Gericht kein tauglicher Antrag (im Sinne einer „Wahrung“ des Einbringungsmonats iSd § 8 UVG) sein. Maßgeblich ist vielmehr das Einlangen des Exekutionsantrags beim zuständigen Gericht, soweit dieses auch ex ante als zuständig erkennbar war (RIS‑Justiz RS0129828). Dem durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretenen Kind sei es zumutbar, bei häufigem Wohnsitzwechsel oder bei häufigem Wechsel des Arbeitsplatzes durch den Unterhaltsschuldner jene Maßnahmen (ZMR‑Anfrage, Hauptverbandsabfrage) zu setzen, die eine zielführende Exekutionsführung ermöglichen (RIS‑Justiz RS0129829). War zum Zeitpunkt der Vorschussantragstellung für das durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretene Kind bereits ohne besonderen Aufwand ‑ nämlich durch eine ZMR‑Anfrage ‑ erkennbar, dass der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt bereits an einer anderen Adresse wohnhaft bzw aufhältig war, hätte vor Einbringung des Exekutionsantrags eine ZMR‑Abfrage durchgeführt werden müssen, um eine Antragstellung beim unzuständigen Gericht zu vermeiden.
3. Von diesen Grundsätzen weicht die Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht ab. Es ist immer eine Beurteilung des Einzelfalls, inwieweit eine Verpflichtung des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers besteht, von einem Exekutionsantrag eine Meldeanfrage durchzuführen. Zum Zeitpunkt der Vorschussantragstellung am 31. 7. 2014 bzw am 11. 8. 2014 wäre für die durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertretenen Minderjährigen bereits ohne besonderen Aufwand, nämlich durch eine ZMR‑Anfrage, erkennbar gewesen, dass der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Sprengel des Bezirksgericht Leopoldstadt wohnhaft war. Dass der Unterhaltsschuldner seinen Wohnsitz häufig wechselt, war bereits aus der der im Akt erliegenden ZMR‑Anfrage ON 119 vom 16. 4. 2012 sowie aus dem sonstigen Akteninhalt ersichtlich. Es ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts es hätte daher auch im vorliegenden Fall vor Einbringung des Exekutionsantrags eine neuerliche ZMR‑Anfrage durchgeführt werden müssen, um eine Exekutionsführung beim unzuständigen Gericht zu vermeiden, jedenfalls vertretbar.
Der Umstand, dass der am 30. 7. 2013 eingebrachte Exekutionsantrag vom (unzuständigen) Bezirksgericht Leopoldstadt bewilligt wurde, vermag dieses Ergebnis nicht zu ändern. Zur Bewilligung der Exekution ist (ausschließlich) das in den §§ 18 und 19 EO bezeichnete Exekutionsgericht zuständig (§ 4 EO). Bei der Exekution auf Forderungen hat das Gericht als Exekutionsgericht einzuschreiten, bei dem der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 18 Z 4 EO). Infolge der Wohnsitzverlegung in den Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten wäre im vorliegenden Fall bereits das Bezirksgericht Favoriten zur Bewilligung der Forderungsexekution ausschließlich zuständig gewesen (§ 51 EO), sodass das Bezirksgericht Leopoldstadt seine Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen hatte. Kann das zuständige Gericht ermittelt werden, ist das Verfahren an dieses zu überweisen ( Angst/Jakusch/Pimmer , EO 15 § 51).
Demnach war ‑ ungeachtet der Erteilung der Exekutionsbewilligung durch das unzuständige Exekutionsgericht ‑ die Antragstellung bei diesem (unzuständigen) Gericht ‑ ex ante betrachtet ‑ nicht zielführend. Die Aussage, die Einbringung eines Exekutionsantrags bei „irgendeinem“ Gericht könne kein tauglicher Antrag im Sinne einer Wahrung des Einbringungsmonats iSd § 8 UVG sein, trifft auch auf diesen Fall zu.
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