European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00033.15Y.1022.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.049,04 EUR (darin enthalten 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die klagende Partei ist Haftpflichtversicherer eines Rechtsanwalts, der als Vertragserrichter den Käufern einer Wohnung für die Schäden zu haften hat, die diesen durch die Nichtaufklärung über das Fehlen einer baubehördlichen Bewilligung für die von ihnen gekaufte Dachgeschoßwohnung entstanden sind. Auch die Haftung der beklagten Partei als vermittelnde Immobilienmaklerin für die Unterlassung einer solchen Aufklärung steht fest. Im Rekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass diese Personen im Innenverhältnis zu gleichen Teilen für den den Käufern entstandenen Schaden haften.
Die klagende Partei hat an die Käufer auf deren Schadenersatzforderungen diverse Zahlungen geleistet und begehrte den Ersatz dieser Beträge im Wesentlichen gestützt auf § 896 ABGB iVm § 67 VersVG von der beklagten Partei. Im Rekursverfahren sind davon nur mehr die Kosten für Baumaßnahmen zur Erlangung der Baubewilligung strittig.
Zu diesen brachte die klagende Partei im ersten Rechtsgang vor, dass insgesamt 68.128,19 EUR aufzuwenden gewesen wären. Davon wurde ein (nicht aufgeschlüsselter) Teilbetrag von 26.823,04 EUR geltend gemacht.
Mit Urteil vom 30. 11. 2011 sprach das Erstgericht aus, dass das Klagebegehren (unter anderem in diesen Punkt) dem Grunde nach zu Recht bestehe. Über Berufung der beklagten Partei wurde dieses Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben. Es seien zu jedem der geltend gemachten Schäden nachvollziehbare Feststellungen zu treffen, ob das dem Schädiger vorgeworfene Verhalten für den geltend gemachten Schaden kausal sei.
Im zweiten Rechtsgang schränkte die klagende Partei das noch offene Begehren entsprechend der vom Berufungsgericht angenommenen gleichteiligen Haftung im Innenverhältnis um 50 % ein. Damit machte sie an Kosten für Baumaßnahmen zur Erlangung der Baubewilligung nur noch 13.411,52 EUR geltend.
In seinem Urteil im zweiten Rechtsgang ging das Erstgericht davon aus, dass diese erforderlichen Baukosten 57.188,49 EUR ausmachten. Die klagende Partei habe zuletzt die Hälfte von 39,37 % der von ihr angenommenen angemessenen Baukosten geltend gemacht. Es stehe ihr daher auch nur die Hälfte von 39,37 % des als berechtigt festgestellten Betrags, sohin 11.257,55 EUR zu. Im Umfang dieses Zuspruchs erwuchs das Urteil in Rechtskraft.
Die klagende Partei erhob (auch) gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von 2.153,97 EUR an Kosten der Baumaßnahmen Berufung. In diesem Umfang hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts auf. Die erfolgte Teileinklagung des Baukostenersatzes sei unter Zugrundelegung des Vorbringens der klagenden Partei rechnerisch nicht nachvollziehbar und unschlüssig.
Im dritten Rechtsgang dehnte die klagende Partei das verbliebene Klagebegehren von 2.153,97 EUR auf 17.273,39 EUR sA aus. Sie brachte vor, dass der vom Erstgericht festgestellte, angemessene Aufwand zur Erlangung der Baubewilligung 57.188,49 EUR betrage. Davon stünden ihr 50 % zu. Bisher habe sie davon nur 13.411,52 EUR eingeklagt, von denen noch 2.153,97 EUR offen seien. Nunmehr werde auch der Restbetrag geltend gemacht. Das Klagebegehren wurde daher (offenbar aufgrund eines Rechenfehlers) um 15.119,42 EUR ausgedehnt.
Daraufhin wendete die beklagte Partei ein, dass über das Vermögen des Bauträgers der von ihr vermittelten Wohnung nach Vertragsunterfertigung und vor Fertigstellung der Wohnung das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Sie hafte nur für den Schaden, der dadurch entstanden sei, dass bei Abschluss des Kaufvertrags keine gültige Baubewilligung vorgelegen habe. Da im Rahmen einer Bauführung gewisse Arbeiten erst zum Ende der Bauphase durchgeführt würden, sei davon auszugehen, dass diese Arbeiten auch bei vorliegender Baubewilligung nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt worden wären. Für solche Schäden sei die ihr vorgeworfene Pflichtwidrigkeit nicht kausal.
Das Erstgericht gab dem (verbliebenen) Klagebegehren ohne Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens zur Gänze statt und verpflichtete die beklagte Partei, der klagenden Partei 17.273,39 EUR sA zu zahlen. Rechtlich führte es aus, dass die Frage der Kausalität mittlerweile entschieden sei, da das Berufungsgericht die getroffenen Feststellungen im zweiten Rechtsgang seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Da auch geklärt sei, dass die klagende Partei Anspruch auf Ersatz der Hälfte der von ihr aufgewendeten Kosten habe, sei das restliche Klagebegehren zur Gänze berechtigt.
Der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht Folge und hob das angefochtene Urteil neuerlich auf. Grundvoraussetzung für die Beurteilung, welchen Schaden die beklagte Partei kausal verursacht habe, sei die Klärung des hypothetischen Verlaufs im Fall einer erfolgten Aufklärung. Das Erstgericht habe die klagende Partei bislang nicht darauf hingewiesen, dass es schon an einem tragfähigen Vorbringen zur Kausalität des ausgedehnten Klagebegehrens fehle. Erst wenn überhaupt von einem Vertragsabschluss auch bei erfolgter Aufklärung auszugehen sei, stelle sich die weitere Kausalitätsfrage, welche der ‑ von der klagenden Partei bezahlten ‑ Werkleistungen die Käufer alleine wegen der fehlenden Information hätten tragen müssen und welche sie unabhängig davon aufgrund der vorzeitigen Insolvenz der Verkäuferin auch sonst zu tragen gehabt hätten. Für die Annahme, dass die beklagte Partei ungeachtet dieses Kausalitätsfordernisses schon wegen der Bindung an die im Verfahren bislang ergangenen Entscheidungen hafte, bestehe keine Rechtsgrundlage.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Klarstellung geboten erscheine, dass die bei Zwischenurteilen angenommene erweiterte Bindungswirkung auf die vorliegende Konstellation einer späteren Klagsausdehnung nach einem von der beklagten Partei unbekämpft gebliebenen Ausspruch über einen Teilausspruch keine Anwendung finde.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen. Hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil die im Zulassungsausspruch umschriebene Rechtsfrage nicht die Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO erfüllt.
1. Die klagende Partei macht geltend, dass das Erstgericht einen hypothetischen Kausalverlauf im Fall pflichtgemäßer Aufklärung sehr wohl thematisiert habe. Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts seien daher aktenwidrig.
Richtig ist, dass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dann vorliegen kann, wenn dem Berufungsgericht eine „Aktenwidrigkeit“ unterläuft, die zugleich einen Verstoß gegen § 498 Abs 1 ZPO darstellt (RIS‑Justiz RS0042155). Die Zulässigkeit kann dann zu bejahen sein, wenn das Berufungsgericht im Widerspruch zur Aktenlage davon ausgeht, dass eine Partei ein erhebliches Vorbringen nicht erstattet hat (vgl RIS‑Justiz RS0042762 [T6]). Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist aber eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung zukommt, sofern es sich nicht um einen Fall der unvertretbaren Auslegung des Vorbringens handelt (RIS‑Justiz RS0042828).
Nicht einmal die Rekurswerberin behauptet allerdings, das vom Berufungsgericht bereits im ersten Rechtsgang vermisste Vorbringen zur Kausalität der vorgeworfenen Aufklärungspflichtverletzung für die geltend gemachten Ansprüche erstattet zu haben. Sie verweist nur darauf, dass das Erstgericht diese Frage mit den Parteien erörtert und dazu Beweise aufgenommen habe. Ein Gericht darf aber bei der Beweisaufnahme hervorgekommene Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden (RIS‑Justiz RS0040318). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass das fehlende Vorbringen zur Kausalität nach dem Akteninhalt vom Erstgericht nicht ausreichend erörtert wurde, ist insbesondere angesichts der Beschlussfassung zur Einholung eines Gutachtens zur Höhe dieser Kosten, ohne auf eine Ergänzung des mangelhaften Vorbringens zu dringen, nicht zu beanstanden.
2. In der Sache macht die klagende Partei geltend, dass einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs auch bei Klagsausdehnungen bindende Wirkung zukomme. Auch bei Teilurteilen sei eine Bindungswirkung vom Obersten Gerichtshof bejaht worden, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben sei, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität des Begehrens ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren bestehe. Auch im vorliegenden Fall sei der rechtserzeugende Sachverhalt ident, weshalb die Frage der Kausalität nicht neuerlich aufgegriffen werden könne. Die Bindungswirkung bestehe so weit, wie die Feststellungen für die rechtliche Beurteilung des Teilurteils im zweiten Rechtsgang erforderlich seien. Dies gelte für die Feststellung, dass 57.188,49 EUR zur Erlangung der Baubewilligung notwendig und zweckentsprechend gewesen seien.
Dazu ist auszuführen:
2.1. Bei der Bindungswirkung handelt es sich ebenso wie bei der Einmaligkeitswirkung um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft (RIS‑Justiz RS0102102). Sie äußert sich darin, dass das Gericht zwar über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen hat, dabei aber die rechtskräftige ältere Entscheidung zugrunde legen muss (RIS‑Justiz RS0041205). Grundsätzlich bezieht sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils nur auf den Spruch. Nur soweit es für die Individualisierung des Anspruchs und dessen Tragweite erforderlich ist, sind auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0041357).
2.2. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs (Grundurteil) entfaltet innerhalb des Rechtsstreits insoweit (innerprozessuale) Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrundes nicht neuerlich aufgerollt werden darf (RIS‑Justiz RS0040736). Die bindende Wirkung eines den Rechtsbestand des Klagsanspruchs bejahenden Zwischenurteils erstreckt sich auch auf Klagserweiterungen, die in dem Verfahren über die Anspruchshöhe vorgenommen und aus dem selben Rechtsgrund abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0039485). Ein Zwischenurteil hat daher insoweit Präklusionswirkung, als die Parteien keine weiteren Tatsachen vorbringen können, die den Grund des Anspruchs betreffen (RIS‑Justiz RS0040736 [T2]).
2.3. Anders als bei einem Zwischenurteil, in dem eine Partei daher nicht nur durch den Spruch, sondern unter Umständen auch durch die Entscheidungsgründe beschwert sein kann (RIS‑Justiz RS0043947 [T2]), sind bei einem Teilurteil die Tatsachenfeststellungen für die Entscheidung über den bisher unerledigt gebliebenen Teil des Klagebegehrens grundsätzlich nicht bindend und begründen für sich allein daher auch keine Beschwer zur Erhebung eines Rechtsmittels (2 Ob 71/98z; RIS‑Justiz RS0040956).
Ein Teilurteil erfüllt in dem erledigten Umfang vielmehr die Funktion eines Endurteils (OLG Wien, 14 R 9/96, WR 762 [1996]). Insofern ist daher die Bindungswirkung des Teilurteils wie die eines Endurteils in einem gesondert geführten Vorverfahren zu beurteilen (vgl 4 Ob 163/05g für das Teilanerkenntnisurteil mwN).
Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung ist aber nur dann anzunehmen, wenn sowohl Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation) gegeben sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht. Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskäftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt (RIS‑Justiz RS0041572).
2.4. Die klagende Partei behauptet zwar einen solchen Sachzusammenhang, führt aber nicht aus, worin dieser gelegen sein soll. Dass ein Teil der Baukosten zur Erlangung der Baubewilligung im Regressweg zu ersetzen ist, hat keinen Einfluss darauf, ob auch die übrigen Baukosten adäquat kausal durch ein schädigendes Verhalten der beklagten Partei verursacht wurden. Vielmehr hängen beide Ansprüche nur von derselben Vorfrage ab. Bilden aber bestimmte Tatsachen im Vorprozess nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens, sondern stellen lediglich eine Vorfrage dar, dann kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozess keine bindende Wirkung im folgenden Prozess zu (RIS‑Justiz RS0041572 [T6]).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht daher der Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Eine weitere Klarstellung ist nicht erforderlich.
3. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auch das insoweit in Teilrechtskraft erwachsene, im dritten Rechtsgang gefällte Urteil des Erstgerichts konkrete Feststellungen dazu vermissen lässt, inwiefern die Kosten zur Erlangung einer Baubewilligung von der unterlassenen Aufklärung über das Fehlen der Baubewilligung verursacht worden sein sollen. Insofern ist auch nicht klar, aus welchen Feststellungen die klagende Partei eine Bindung ableiten möchte.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.
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