OGH 10Ob10/23b

OGH10Ob10/23b16.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R* Limited, *, Malta, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.037 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2022, GZ 53 R 208/22b‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 18. August 2022, GZ 18 C 374/22a‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00010.23B.0516.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Gesellschaft nach maltesischem Recht mit Sitz auf Malta und Inhaberin einer maltesischen Glücksspielkonzession. Sie bietet über eine von ihr betriebene Website unter anderem in Österreich Online‑Glücksspiele an, obwohl sie in Österreich über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht verfügt. Der in Österreich wohnhafte Kläger, ein Verbraucher, nahm an diesen Online‑Glücksspielen teil und verlor zwischen 23. November 2020 und 27. Dezember 2020 insgesamt 12.037 EUR.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf Rückersatz der Spielverluste gerichteten Klagebegehren statt.

[3] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil der Oberste Gerichtshof über ein in den einzelnen Punkten vergleichbares Vorbringen des beklagten Glückspielanbieters zur Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols noch nicht entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt wird. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 2. Nach der ständigen Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um daran teilzunehmen (RS0016325 [T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand verwirklicht (hier § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (jüngst 1 Ob 25/23t [Rz 6]; 3 Ob 186/22g [Rz 4] je mwN). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche vielmehr dem Zweck der Glücksspielverbote (jüngst 6 Ob 32/23h [Rz 4]; 8 Ob 135/22v [Rz 13] je mwN; RS0025607 [T1]). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nichts Gegenteiliges abzuleiten (jüngst 2 Ob 23/23f [Rz 6]; 7 Ob 200/22w [Rz 2] ua).

[7] Der Oberste Gerichtshof hat auch schon mehrfach klargestellt, dass der Umstand, dass deutsche Gerichte unter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage (§ 817 Satz 2 BGB) allenfalls eine Rückforderung ausgeschlossen haben, keine Grundlage dafür bietet, von der ständigen Rechtsprechung zur österreichischen Rechtslage abzugehen (6 Ob 50/22d [Rz 22]; 1 Ob 182/22d [Rz 11] ua). Zudem kann mit einer (geänderten) Rechtsprechung deutscher Gerichte auf Grundlage von in Deutschland geltenden Normen die Zulässigkeit der Revision auch gar nicht begründet werden (RS0126988 [T2]).

[8] 2. Der Oberste Gerichtshof geht – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol‑ bzw Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Diese Ansicht wurde auch jüngst in mehreren Entscheidungen vertreten und darin ein Verstoß gegen Unionsrecht verneint (1 Ob 25/23t [Rz 7]; 2 Ob 23/23f [Rz 7]; 7 Ob 9/23h [Rz 5] je mwN). Auch die von der Beklagten dagegen ins Treffen geführten Argumente wurden vom Obersten Gerichtshof aus Anlass ihrer – mit der vorliegenden nahezu wortidenten – Revision zu 1 Ob 25/23t bereits geprüft und als nicht stichhältig erkannt. Der Senat sieht keinen Grund, aufgrund der Überlegungen der Beklagten von der dargestellten gefestigten Rechtsprechung abzugehen.

[9] 3. Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glückspielmonopols und der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d sowie die jüngsten Entscheidungen des EuGH zu C‑920/19 , Fluctus ua, und C-231/20 , Landespolizeidirektion Steiermark ua). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Kontext auch schon wiederholt darauf hingewiesen, dass sich aus der Entscheidung des EuGH zu C-920/19 , Fluctus ua, kein Verbot für ein nationales Gericht ergibt, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte – hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs – zu berufen (2 Ob 23/23f [Rz 10]; 9 Ob 84/22a [Rz 2]; 1 Ob 74/22x [Rz 6] ua). Der EuGH sprach darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (insb EuGH C‑920/19 , Fluctus ua). Dass und bei welcher nationalen Norm das hier der Fall gewesen wäre und deshalb eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vorliegt, zeigt die Beklagte nicht auf. Es besteht daher auch kein Anlass, das von ihr angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (1 Ob 25/23t [Rz 9]; 2 Ob 23/23f [Rz 10] je mwN).

[10] 4. Insgesamt spricht die Beklagte daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO an, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).

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