European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100NC00011.24K.0730.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Begründung:
[1] Der in Oberösterreich wohnhafte Kläger begehrt mit seiner beim Landesgericht Steyr eingebrachten Klage von drei Beklagten, von denen die Erst- und Drittbeklagte ihren Sitz in Deutschland und die Zweitbeklagte ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika haben, gestützt auf Produkthaftung sowie Verschuldenshaftung Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Ein Vertragsverhältnis bestehe nicht. Die Zweitbeklagte habe das fehlerhafte Produkt in den USA hergestellt und über die Erstbeklagte auf den europäischen Binnenmarkt importiert. Die Erst- sowie die Drittbeklagte seien Bevollmächtigte bzw verantwortliche Person iSd MDD, MDR, MPG 1996 und MPG 2021 für die Zweitbeklagte.
[2] Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 14. 6. 2024 die Klage hinsichtlich der Zweitbeklagten wegen internationaler Unzuständigkeit a limine zurück. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Kläger stellte einen Ordinationsantrag gemäß § 28 JN und beantragte, das Landesgericht Steyr als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Dazu war Folgendes zu erwägen:
[4] 1. Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne der JN oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten gemäß § 28 Abs 1 JN eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Z 1) der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2) oder die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Z 3).
[5] 2. Die Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN setzt die internationale Zuständigkeit Österreichs voraus (Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 22; RS0118239). Der Oberste Gerichtshof ist dabei an eine darüber bereits ergangene rechtskräftige Entscheidung gebunden (Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 25; 3 Nc 3/18y mwN; RS0046568 [T5]).
[6] Da das LandesgerichtSteyr die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit hinsichtlich der Zweitbeklagten rechtskräftig zurückgewiesen hat, kann eine Ordination nicht auf § 28 Abs 1 Z 1 JN gestützt werden.
[7] 3. Der Kläger begründet den Ordinationsantrag auch damit, dass die Rechtsverfolgung gegenüber der Zweitbeklagten im Ausland unmöglich und unzumutbar sei, ohne dies näher zu begründen. Er nimmt somit auf § 28 Abs 1 Z 2 JN Bezug.
[8] 3.1. Durch diese Bestimmung wird die internationale Zuständigkeit Österreichs erweitert, indem eine Notkompetenz für den Fall, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist, eröffnet wird (Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 22). Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei Fehlen eines Anknüpfungspunkts, der eine besondere Zuständigkeit österreichischer Gerichte begründen würde, zunächst davon ausgegangen wird, dass der Gesetzgeber Klagen gegen Personen, die in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz oder bleibenden Aufenthalt haben, im Allgemeinen von den österreichischen Gerichten nicht behandelt wissen will (6 Nc 1/19b; RS0046264). § 28 JN soll also dem Obersten Gerichtshof nicht die Möglichkeit bieten, grundsätzlich jede Rechtssache, zu deren Entscheidung die Zuständigkeitsvorschriften kein österreichisches Gericht berufen, der österreichischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen (6 Nc 1/19b mwN; RS0046322) und damit einen allgemeinen Klägergerichtsstand zu etablieren (Garberin Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 56, 58).
[9] Ist im Ausland ausreichender Rechtsschutz gewährleistet und würde die ausländische Entscheidung im Inland auch vollstreckt werden, so besteht bei Fehlen einer inländischen Zuständigkeit kein Anlass zur Bejahung der internationalen Zuständigkeit (RS0046159). Diese (in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten) Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (GarberaaO Rz 68; 3 Nc 16/17h; 3 Nc 3/18y).
[10] § 28 Abs 1 Z 2 JN soll somit Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (RS0057221 [T4]).
[11] 3.2. Das Naheverhältnis zum Inland ist hier insofern zu bejahen, als der Kläger seinen Wohnsitz in Österreich hat und nach seinem Vorbringen der Schaden im Inland eingetreten ist.
[12] 3.3. Der Kläger begründet in seinem Ordinationsantrag allerdings nicht, wieso die Rechtsverfolgung gegenüber der Zweitbeklagten im Ausland unmöglich und unzumutbar sein soll.
[13] 3.4. Diesbezüglich ist anzumerken, dass eine unterschiedliche Ausgestaltung der materiellen Rechtslage allein für eine Ordination nicht ausreichen kann (RS0117751). Eine günstigere oder ungünstigere materielle Rechtslage allein kann nicht die Begründung einer ansonsten nicht gegebenen inländischen Gerichtsbarkeit bewirken (RS0117751 [T6]).
[14] 3.5. Nach der Rechtsprechung kann eine Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland auch vorliegen, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde (vgl RS0046644; RS0046148), allerdings unter der weiteren Voraussetzung, dass überhaupt eine Exekutionsführung im Inland geplant ist (RS0046148 [T17, T18]). Derartiges behauptet der Kläger nicht.
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