Spruch:
Der Antrag, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten habe, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der in Böheimkirchen, Niederösterreich wohnhafte Kläger brachte vor, er sei Verbraucher und sammle aus Liebhaberei Bücher und Stiche. Der in Falkensee, Deutschland ansässige Beklagte habe im Rahmen seines gewerbsmäßigen Handels mit derartigen Waren im Rahmen der Internetauktion „e-bay" ein antiquarisches Werk auch in Österreich zum Kauf angeboten und es dadurch beworben, dass er dessen - im Detail festgehaltene - Eigenschaften zusicherte. Nachdem der Beklagte ein dieses Werk betreffendes, vom Inland aus abgegebenes Höchstbot des Klägers angenommen und eine Bestätung des Zahlungseinganges erhalten hatte, sei dem Kläger anstelle des zugesagten antiquarischen Werkes nur ein ausgeweideter Torso übersnadt worden, der nicht annähernd den Wert des vollständigen Bandes habe, weil 10 Seiten und 28 Tafeln mit Kupferstichen fehlten. Der Kläger sei daher nach unverzüglicher Rüge und gescheiterten Vergleichsverhandlungen vom Kaufvertrag zurückgetreten und fordere nun den Kaufpreis von EUR 825,50 zurück.
Gemäß Art 13 Z 3 EuGVÜ sei zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) Österreichs für diese Sache gegeben, doch bedürfe es der Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes aus den sachlich zuständigen Gerichten.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt:
Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der OGH aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn - soweit hier relevant - Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (§ 28 Abs 1 Z 1 JN). Prämisse einer Ordination ist sohin das Fehlen eines Gerichtsstands im Inland, was der ordinierende OGH - in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 JN - von Amts wegen zu prüfen hat, sodass diese Prüfung - auch in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 2 JN - auf Grund der Angaben des Antragstellers bzw auf Grund der Aktenlage erfolgt (Matscher in Fasching² I § 28 JN Rz 11 mwN).
Am 1. 3. 2002 trat die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) in Kraft. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich, gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten (Art 76 leg cit) und ist gemäß Art 66 leg cit auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung anzuwenden ist. Die Brüssel-I-VO ist mit Ausnahme von Dänemark in allen Mitgliedsstaaten der EU anwendbar (Handig, Wesentliche Änderungen durch das In-Kraft-Treten der Brüssel I-Verordnung im Vergleich zum EuGVÜ, ecolex 2002, 141). Die Brüssel I-Verordnung tritt nach Art 68 Abs 1 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ). Gemäß Art 15 Abs 1 leg cit bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem
4. Abschnitt (Zuständigkeit bei Verbrauchersachen), wenn den Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, wenn (Art 15 Abs 1 lit c) der andere Vertragspartner in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedsstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedsstaates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Nach den hier maßgeblichen Angaben des Klägers sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Art 16 Abs 1 Brüssel I-Verordnung lässt dem Verbraucher die Wahl. Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Im Zusammenhang mit den Änderungen der verbraucherrechtlichen Vorschriften durch die Brüssel I-Verordnung wurde auch ein spezifisch österreichisches Problem gelöst. Bisher verwies Art 14 Abs 1 EuGVÜ/LGVÜ nämlich auf "die Gerichte" des Verbraucherwohnsitzstaates. Geregelt war somit nur die internationale Zuständigkeit; für die örtliche Zuständigkeit musste auf das nationale Verfahrensrecht zurückgegriffen werden. Da das österreichische Zivilprozessrecht keinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers kennt, hatte in der Regel der OGH gemäß § 28 JN ein zuständiges Gericht zu bestimmen (Matscher aaO § 28 JN Rz 32 mwN; RIS-Justiz RS0106680, RS0108686, RS0112279 ua). Seit dem In-Kraft-Treten der Brüssel I-Verordnung ist das nicht mehr erforderlich, da Art 16 Abs 1 durch den Verweis auf "das Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat", auch die örtliche Zuständigkeit regelt (vgl Einführungserlass des BMJ vom 11.1.2002 zur Brüssel I-Verordnung, JABl 2002/11). Liegt - entgegen der Annahme des Antragstellers - ein Gerichtsstand vor, ist der Ordinationsantrag als unbegründet abzuweisen (Matscher aaO § 28 JN Rz 12 mwN; 2 Nd 505/02; 9 Nd 502/02; RIS-Justiz RS0106680 [T8 und 9], RS0108686 [T10], RS0112279 [T5], RS0116365).
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