BVwG W267 2185596-2

BVwGW267 2185596-230.7.2018

ABGB §914
BVergG 2006 §106 Abs1
BVergG 2006 §108 Abs1 Z6
BVergG 2006 §108 Abs2
BVergG 2006 §12 Abs1 Z1
BVergG 2006 §123 Abs1
BVergG 2006 §123 Abs2
BVergG 2006 §126 Abs1
BVergG 2006 §126 Abs2
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §180 Abs1 Z1
BVergG 2006 §19 Abs1
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §2 Z3
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2 Z2
BVergG 2006 §319 Abs1
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs2
BVergG 2006 §325 Abs1
BVergG 2006 §5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W267.2185596.2.00

 

Spruch:

W267 2185596-2/16E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Marcus ESSL, LL.M., M.E.S. als Vorsitzenden, Mag. Georg KONETZKY als fachkundigen Laienrichter der Auftraggeberseite und Dr. Theodor TAURER, LL.M., MBA als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite über den Nachprüfungsantrag der XXXX , vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Elektronisch überwachter Hausarrest" (BBG-GZ 2391.02884) der Auftraggeberin Republik Österreich, vertreten durch das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (vormals: Bundesministerium für Justiz), Museumstraße 7, 1070 Wien, vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, als vergebende Stelle, beide wiederum vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Das Bundesverwaltungsgericht weist den Antrag der XXXX , "das BVwG möge die Entscheidung der Auftraggeberin vom 29.01.2018, das Angebot der XXXX im Vergabeverfahren "Elektronisch überwachter Hausarrest" (GZ 2391.02884) auszuscheiden, für nichtig erklären", ab.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schriftsatz vom 08.02.2018, beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: "BVwG") am selben Tag eingelangt, begehrte die XXXX (in der Folge auch: "Antragstellerin") die Nichtigerklärung der Entscheidung der Republik Österreich (in der Folge auch: "Auftraggeberin") vom 29.01.2018, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden, sowie ferner Akteneinsicht, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie den Ersatz der für das Nachprüfungs- wie auch für das Sicherungsverfahren entrichteten Pauschalgebühren.

 

1.1. Als Begründung für die Rechtmäßigkeit ihrer Anträge führte die Antragstellerin im Wesentlichen wie folgt aus:

 

1.2. Die Auftraggeberin, vertreten durch den Bundesminister für Justiz (nunmehr: Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), habe unter Einbindung der Bundesbeschaffung GmbH (in der Folge auch: "BBG") als vergebende Stelle den Abschluss eines unbefristeten Rahmenvertrages über die Bereitstellung und Wartung von Hard- und Software für die elektronische Überwachung des Hausarrests in ganz Österreich in einem offenen Verfahren nach den für den Oberschwellenbereich maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 2006 ausgeschrieben. Die Veröffentlichung der Ausschreibung mit der Referenznummer der Bekanntmachung BGG-GZ 2391.02884 sei am 22.02.2017 im Supplement zum Amtsblatt der EU unter Nr. 2017/S 037-066518 erfolgt.

 

1.3. Die Antragstellerin brachte weiters vor, dass der Auftragnehmer gemäß dem den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen (in der Folge auch: "AAB") beigeschlossenen Rahmenvertrag während der Vertragsdauer eine vollständige Lösung zur elektronischen Aufsicht auf Mietbasis bereitzustellen, das System eigenständig zu betreiben, zu warten und zu aktualisieren, den 2nd und 3rd Level Support für das Gesamtsystem (exkl. Serverhousing) bereitzustellen und alle Wartungstätigkeiten vorzunehmen hätte, die von der Auftraggeberin nicht oder nicht sinnvoll durchgeführt werden könnten.

 

Die Anforderungen an das bereitzustellende System und die zu erbringenden Leistungen wären in dem Leistungsverzeichnis, das den AAB beigeschlossen sei (in der Folge auch: "LVZ"), durch Festlegung zwingender MUSS-Anforderungen einerseits und bewertungsrelevanter SOLL-Anforderungen andererseits festgelegt.

 

Die Bewertung der Angebote solle gemäß Punkt 9.1 der AAB nach dem Bestbieterprinzip erfolgen, wobei einerseits der Gesamtpreis gemäß Preisblatt (als Teil des LVZ) und andererseits die Qualität nach Maßgabe der Erfüllung der SOLL-Kriterien im LVZ zu bewerten wäre.

 

1.4. Die Antragstellerin habe am 04.04.2017 fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben. Neben ihr habe lediglich ein weiterer Bieter rechtzeitig angeboten. Mit Schreiben vom 21.07.2017 sei der Antragstellerin von der Auftraggeberin mitgeteilt worden, dass der Zuschlag an jenen anderen Bieter ergehen solle. Gegen diese Zuschlagsentscheidung habe die Antragstellerin am 31.07.2017 beim BVwG einen auf deren Nichtigerklärung gerichteten Nachprüfungsantrag eingebracht. Das diesbezügliche Nachprüfungsverfahren sei vom BVwG unter der Geschäftszahl W267 2165989-2 geführt worden.

 

1.5. Noch während jenes Nachprüfungsverfahrens sei die Antragstellerin von der Auftraggeberin zur Teststellung gemäß Punkt

2.3 der AAB eingeladen worden. Mit Schreiben vom 15.01.2018 habe die Auftraggeberin sie um Aufklärung hinsichtlich der angebotenen Hard- und Software zu den Anforderungen in Punkt 3.3 des LVZ aufgefordert, wobei ihr insbesondere Folgendes mitgeteilt wurde:

 

Ergebnis der Teststellung: Der Praxistest hat ergeben, dass die Überwachungssoftware "PureMonitor" alle geforderten Funktionen zur Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt. Auch das Erstellen von spezifischen Zeitprofilen ist grundsätzlich möglich.

 

In den Praxistests wurde festgestellt, dass für die RF - und die GPS - Überwachung in der Software Pure Monitor die geforderte Funktionalität "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist.

 

a) RF - Überwachung: Änderung, Anpassung sowie das Stornieren von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

b) GPS - Überwachung: Änderung und Anpassung von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

Die Auftraggeberin stellt fest, dass damit die Anforderungen gemäß Punkt 3.1.3 nicht erfüllt wurden. Auch wird durch die angeführten Mängel die Möglichkeit einer Überwachung in Echtzeit eingeschränkt.

 

1.6. Mit Aufklärungsschreiben vom 25.01.2018 habe die Antragstellerin innerhalb der ihr von der Auftraggeberin gesetzten Frist eine entsprechende Stellungnahme abgegeben. Darin hätte sie unter anderem ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach die Anforderungen gemäß Punkt 3.1.3 des LVZ keine Änderungen, Anpassungen und Stornierungen von aktiven Terminen (Zeitprofilen) umfassten. Der Antragstellerin habe in ihrem Schreiben ferner im Detail dargelegt, dass solche Funktionalitäten die Datensicherheit und Zuverlässigkeit des Systems gefährden würden. Im Falle der Notwendigkeit einer solchen Lösung, die von der Auftraggeberin jedoch nicht als Standardanforderung verlangt worden wäre, könne eine solche Funktionalität bei entsprechendem Bedarf trotzdem angeboten werden.

 

1.7. Mit Schreiben vom 29.01.2018 habe die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber informiert, dass deren Angebot wegen Widerspruchs zu den Ausschreibungsbedingungen ausgeschieden worden wäre. Begründet sei diese Ausscheidensentscheidung unter anderem wie folgt worden:

 

Mit Schreiben vom 15.1.2018 wurde Ihnen vorgehalten, dass der Praxistest ergeben hat dass die Überwachungssoftware "PureMonitor" zwar alle geforderten Funktionen zu Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt und auch das Erstellen vor spezifischen Zeitprofilen grundsätzlich möglich ist, jedoch auch festgestellt wurde, dass für die RF- und die GPS- Überwachung in der Software PureMonitor die geforderte Funktionalität "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw nur eingeschränkt möglich ist, konkret dass

 

a) bei der RF - Überwachung eine Änderung, Anpassung sowie das Stornieren vor aktiven Zeitprofilen (Terminen) nicht möglich ist und

 

b) bei der GPS - Überwachung eine Änderung und Anpassung von aktiver Zeitprofilen (Terminen) nicht möglich ist.

 

[...]

 

Im Übrigen werden Ihre diesbezüglichen Bedenken nicht geteilt. Die Möglichkeit zur Anpassung bereits begonnener Termine ist praktisch äußerst bedeutsam und wurde daher zu Recht als Musskriterium definiert. Nach der Erfahrung des Auftraggebers treten derzeit bis zu 60 Fälle pro Tag auf, bei denen ein ursprünglich festgelegter Termin aufgrund geänderter Umstände (Krankheitsfall, Unfall, usw.) angepasst werden muss. Die von Ihnen angebotene und zur Teststellung zur Verfügung gestellte Software erfüllt dieses Musskriterium nicht und widerspricht daher zwingenden Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen.

 

Ihr Angebot kann aus diesen Gründen nicht weiter berücksichtigt werden und ist daher auszuscheiden.

 

1.8. Die von der Auftraggeberin ins Treffen geführten Ausscheidensgründe lägen jedoch nicht vor, da das Angebot der Antragstellerin die in Punkt 3.1.3 des LVZ angeführten Anforderungen erfülle und auch sonst ausschreibungskonform sei.

 

Die Auftraggeberin habe in Punkt 3.1.3 des LVZ folgende Festlegungen getroffen:

 

Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18).

 

Punkt 3.1.16 des LVZ enthalte folgende Festlegungen:

 

Die Ansicht aller an einen zentralen Server übermittelten Meldungen muss in einer Übersichtsliste der Überwachungssoftware möglich sein. Die Aktualisierung dieser Übersicht muss zumindest manuell und soll automationsunterstützt durchführbar sein. Eine gesonderte Ansicht (Punkt 3.1.18) der Meldungen muss bezogen auf eine überwachte Person (Punkte 1.1.3, 2.1.2), nach unterschiedlichen Behörden (Punkt 3.1.15) und unterschiedliche Überwachungsprogramme (Punkt 1.2,1.4, 2.1) möglich sein.

 

Punkt 3.1.18 des LVZ enthalte folgende Festlegungen:

 

Eine systemtechnische Priorisierung der an den zentralen Server übermittelten Meldungen muss möglich sein. Die unterschiedliche Priorisierung der Meldungen muss in der Überwachungssoftware optisch differenzierbar sein. Es muss möglich sein, die Meldungen mit einem unterschiedlichen Bearbeitungsstatus zu versehen. Die Meldungen müssen kommentierbar, die Kommentare gespeichert und historisch aufrufbar sein.

 

Nach den bestandsfest gewordenen Bestimmungen des LVZ sei von der Auftraggeberin daher lediglich ganz allgemein die Administration von Zeitprofilen gefordert worden. Diesem Erfordernis hätte das Angebot der Antragstellerin vollständig entsprochen, da deren Software die Anpassung sowie das Stornieren von zukünftigen Zeitprofilen erlaube. Dies hätte sie auch im Rahmen ihres Aufklärungsschreibens durch den Hinweis darauf dargestellt, dass "jeder zukünftige Termin [...] beliebig und so oft wie nötig geändert werden [könne].

 

Die von der Auftraggeberin für die bekämpfte Ausscheidensentscheidung herangezogene Argumentation, dass eine angebotene Software auch die Administration von bereits begonnenen Zeitprofilen ermöglichen müsse, um das MUSS-Kriterium des Punktes

3.1.3 des LVZ zu erfüllen, widerspreche daher zwingenden Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen. Aus dem Wortlaut und objektiven Erklärungswert des Punktes 3.1.3 des LVZ ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Administrieren von bereits begonnenen Zeitprofilen (Terminen) möglich sein müsse. Diese Mindestanforderung hätte die Auftraggeberin erstmals in ihrem Aufklärungsersuchen formuliert.

 

1.9. Nach ständiger Rechtsprechung habe die Ermittlung des Inhalts von Ausschreibungsunterlagen nach den Regeln der §§ 914 f ABGB zu erfolgen. Dabei sei die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen wären danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie sie ein redlicher Erklärungsempfänger verstehen musste. Maßgeblich sei ausschließlich der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen.

 

Die Antragstellerin brachte in diesem Zusammenhang weiters vor, dass sie zu den Markt- und Technologieführern im Bereich der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen zähle. In sämtlichen Ausschreibungen und Leistungsanforderungen ihrer bisherigen Kunden sei niemals die Administration sogenannter aktiver, d.h. bereits begonnener Zeitprofile gefordert worden. Es entspreche daher dem allgemeinen Marktverständnis, dass das Erfordernis der Administration von Zeitprofilen grundsätzlich nur die Administration von zukünftigen Zeitprofilen (und nicht bereits begonnenen) erfasse. Bei objektiver Beurteilung der Sachlage sei der Wortlaut des Punktes

3.1.3 des LVZ in keiner Weise so zu verstehen, dass eine explizite und spezielle Anforderung an die Administration "bereits begonnener" Zeitprofile bestünde. Dies sei eine Spezialanforderung, die nicht von der allgemeinen Möglichkeit der Administration von spezifischen Zeitprofilen umfasst wäre.

 

Die Auftraggeberin habe erstmals in ihrem Aufklärungsersuchen die oben erwähnte Anforderung der Administration auch bereits begonnener Zeitprofile offengelegt und diese noch dazu für praktisch äußerst bedeutsam erklärt. Aufgrund des beschriebenen Erklärungswertes der Festlegung in Punkt 3.1.3 des LVZ sei dies jedoch weder für die Antragstellerin noch für sonstige Dritte erkennbar gewesen. Wenn diese Funktionalität der Auftraggeberin so wichtig gewesen wäre, hätte sie die entsprechende Anforderung in der Ausschreibung deutlich zum Ausdruck bringen müssen, zumal unklare Ausschreibungsbestimmungen im Zweifel zu ihren Lasten gingen. Da die verfahrensgegenständliche Ausschreibung somit keine Festlegungen enthielt, die die Administration auch bereits angefangener Zeitprofile vorschreibe, sei das Angebot der Antragstellerin ausschreibungskonform.

 

1.10. Die Antragstellerin brachte ferner vor, sie sei zu einem wesentlichen Teil im Bereich der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen aktiv und hätte ein erhebliches wirtschaftliches Interesse, den gegenständlichen Rahmenvertrag abzuschließen. Darüber hinaus hätte sie ihr Interesse am Vertragsabschluss bereits hinreichend durch (fristgerechte) Legung eines Angebots dargelegt. Schließlich sei das Interesse der Antragstellerin am Vertragsabschluss auch aufgrund der Einbringung des Nachprüfungsantrags bezüglich der Zuschlagsentscheidung (GZ W267 2165989-2) sowie des gegenständlichen Nachprüfungsantrags evident.

 

1.11. Aufgrund der rechtswidrigen Vorgehensweise der Auftraggeberin, die zur bekämpften Ausscheidensentscheidung geführt habe, drohe der Antragstellerin ein beträchtlicher finanzieller und sonstiger Schaden zumindest in Höhe des entgangenen Gewinns, aber auch infolge des Verlustes eines wichtigen Referenzprojekts. Die ausgeschriebenen Leistungen gehörten zum Kernmarkt des Unternehmens der Antragstellerin, auf dem diese ihre Präsenz in Österreich aufzubauen beabsichtige. Die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen sei für sie von größter Bedeutung, zumal damit zu rechnen wäre, dass für die Dauer des abzuschließenden Rahmenvertrags in naher Zukunft keine vergleichbaren Aufträge auf dem österreichischen Markt ausgeschrieben würden und der Antragstellerin damit die Chance auf Eintritt in den österreichischen Markt für zumindest 48 Monate, gegebenenfalls sogar auf unbestimmte Dauer genommen würde.

 

1.12. Die Antragstellerin erachte sich durch die angefochtenen Entscheidungen in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt. Insbesondere erachte sie sich in ihrem Recht auf Nicht-Ausscheiden eines ausschreibungskonformen Angebotes sowie in ihrem Recht auf ordnungsgemäße und vergaberechtskonforme Prüfung und Bewertung der Angebote verletzt. Darüber hinaus erachte die Antragstellerin sich in ihrem Recht, für den Zuschlag in Aussicht genommen zu werden, und auf Teilnahme an einem mit den Grundsätzen des Vergaberechts übereinstimmenden Vergabeverfahren sowie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

 

1.13. Die angefochtene Entscheidung sei für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss, weil in Folge das Angebot der Antragstellerin nicht bei der Bewertung berücksichtigt und dieser somit die Chance auf Zuschlagserteilung genommen würde. Bei rechtmäßigem Verhalten der Auftraggeberin hätte das Angebot der Antragstellerin im Rahmen der Angebotsbewertung berücksichtigt und in weiterer Folge die Zuschlagsentscheidung zu deren Gunsten getroffen werden müssen.

 

1.14. Die Antragstellerin begehre daher die Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin vom 29.01.2018, ihr Angebot auszuscheiden.

 

2. Mit Schriftsatz vom 13.02.2018 gab die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH bekannt, die Auftraggeberin im Verfahren zu vertreten. Mit gleichem Schriftsatz erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte.

 

3. Mit Schriftsatz vom 15.02.2018 replizierte die Auftraggeberin inhaltlich auf den Nachprüfungsantrag und führte in diesem Zusammenhang im Wesentlichen wie folgt aus:

 

3.1. Von der Auftraggeberin sei ein Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung notwendiger Hard- und Software für die Durchführung des elektronisch überwachten Hausarrests bereits mit Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 09.02.2016 zur Zahl 2016/S 027-043970 eingeleitet worden. An diesem Vergabeverfahren habe sich unter anderem auch die Antragstellerin, wie von dieser auch im Nachprüfungsverfahren zu W267 2165989-2 dargelegt worden war, beteiligt. Ein im Zusammenhang mit einer Zuschlagsentscheidung vor dem BVwG zu W138 2134578-1 geführtes Nachprüfungsverfahren habe infolge eines Widerrufs jener Entscheidung durch die Auftraggeberin geendet.

 

3.2. In der Folge habe die Auftraggeberin mit Bekanntmachung vom 22.02.2017 im Supplement zum Amtsblatt der EU zur Zahl 2017/S 037-066518 das nunmehr verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren "Elektronisch überwachter Hausarrest" eingeleitet. Gegenstand dieses Beschaffungsvorhabens sei wiederum die Bereitstellung und Wartung von Hard- und Software für die elektronische Überwachung des Hausarrestes in ganz Österreich in Form eines Rahmenvertrags. Dieses Vergabeverfahren werde als offenes Verfahren über einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich durchgeführt.

 

Die Ausschreibungsunterlagen seien allen interessierten Unternehmern kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. Sie bestünden insbesondere aus den AAB und dem LVZ. Die im LVZ enthaltenen Positionen seien entweder mit "M", „S" oder "I" gekennzeichnet.

 

3.3. Die Position 3.1.3 des LVZ sei mit "M", sohin als MUSS-Kriterium ausgewiesen worden, wobei als Überprüfungsmethode die Teststellung ("T") einer Musterkonfiguration vorgesehen wurde.

 

3.4. Die Auftraggeberin führte weiters aus, dass zwei Bieter, darunter die nunmehrige Antragstellerin, fristgerecht ein Angebot gelegt hätten. Die Angebotspreise seien in Anwesenheit der Bieter im Rahmen der Angebotsöffnung verlesen worden, wobei das Angebot der nunmehrigen Antragstellerin an zweiter Stelle gereiht worden sei.

 

3.5. Nach Durchführung der Teststellung und vollständigen Prüfung des Angebots der erstgereihten Bieterin habe die Auftraggeberin der Antragstellerin mit Schreiben vom 21.07.2017 die Zuschlagsentscheidung zugunsten jener Bieterin mitgeteilt. Eine Teststellung des Angebots der Antragstellerin sei zu diesem Zeitpunkt aus verfahrensökonomischen Gründen nicht erfolgt, weil eine Teststellung am Ergebnis, welches Angebot das Bestangebot war, nichts ändern hätte können.

 

3.6. Mit Nachprüfungsantrag vom 31.07.2017 habe die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung beantragt (dg Verfahren zu W267 2165989-2).

 

3.7. Mit Schreiben vom 09.11.2017 habe die Auftraggeberin sodann die Antragstellerin zur Teststellung gemäß Punkt 2.3 der Ausschreibungsunterlagen eingeladen, die das von ihr angebotene Produkt zur Teststellung zur Verfügung stellte. In Zuge der Testung habe die Auftraggeberin festgestellt, dass die laut Punkt 3.1.3 des LVZ geforderten Funktionalitäten "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich wäre. Sowohl für RF- als auch für GPS-Überwachung sei nämlich die Änderung und Anpassung, für RF-Überwachung auch die Stornierung von aktiven Zeitprofilen (d.h. bereits begonnenen Ereignissen) nicht möglich gewesen.

 

Dementsprechend habe die Auftraggeberin festgestellt, dass das von der Antragstellerin angebotene Produkt nicht dem MUSS-Kriterium laut Punk 3.1.3 des LVZ entspreche. Sie forderte diese mit Schreiben vom 15.01.2018 auf, zu dem Vorhalt Stellung zu nehmen. In ihrem Schreiben vom 25.01.2018 habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass zwar ein zukünftiger Termin beliebig oft geändert und angepasst werden könne, die Änderung eines bereits begonnenen Termins jedoch aus Gründen der Datensicherheit nicht möglich wäre.

 

3.8. Auf Basis dieser Sachlage habe die Auftraggeberin der Antragstellerin am 29.01.2018 ihre Entscheidung mitgeteilt, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 auszuscheiden.

 

3.9. Die Auftraggeberin brachte in der Folge zu den Ausscheidensgründen im Wesentlichen vor, dass das Vorbringen der Antragstellerin, es ließe sich aus der Ausschreibung nicht ableiten, dass Änderung und Anpassung von Zeitprofilen ohne Beschränkung möglich sein müssten, unrichtig sei.

 

3.10. Bereits im Rahmen des mit 09.02.2016 eingeleiteten Vergabeverfahrens, an welchem sich beide Bieter des gegenständlichen Vergabeverfahrens ebenfalls beteiligt hätten, sei die Änderung und Anpassung von Zeitprofilen als MUSS-Kriterium gefordert worden. Der Wortlaut dieses MUSS-Kriterium sei damals gewesen:

 

"Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung („Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der Daten der zu überwachenden Person die Erstellung, flexible Konfiguration, Administration und Überwachung von spezifischen Zeitprofilen erlauben."

 

Die Auslegung der Begriffe "Erstellung, flexible Konfiguration, Administration und Überwachung von spezifischen Zeitprofilen" sei damals im Zusammenhang mit der der Teststellung ihres Produkts Gegenstand von Rückfragen der Antragsgegnerin an die Auftraggeberin gewesen. Daraufhin sei der Antragstellerin folgende Auskunft erteilt worden:

 

"Das Produktivsystem der "Pure Monitor" Software muss Änderungen von bereits aktiven Terminen mit einem Startzeitpunkt in der Vergangenheit über das API fehlerfrei möglich machen und eine ordnungsgemäße Überwachung muss gewährleistet bleiben."

 

Die Antragstellerin habe auf die damalige Frage wie folgt geantwortet:

 

"Die derzeit geltenden Beschränkungen wurden hinzugefügt um die Datenintegrität für vergangene Termine sicherzustellen, und werden nach Wunsch des Kunden entfernt. In der Produktivversion des PureMonitor wird der Kunde in der Lage sein, alle Termine über die API zu verwalten, einschließlich derjenigen, die in der Vergangenheit gestartet wurden."

 

Es sei der Antragstellerin daher bereits im Rahmen der ersten Ausschreibung bewusst gewesen, wie dieses MUSS-Kriterium zu verstehen wäre. Um bei der Neuausschreibung jegliche Unklarheit zu vermeiden, habe die Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren dieses MUSS-Kriterium in Punkt 3.1.3 des LVZ durch Anführen jener Tätigkeiten, die zur "Administration" spezifischer Zeitprofile zählen (Erstellung, Änderung Anpassung), noch näher präzisiert. Damit habe es jedem Bieter unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Administration, nämlich die Erstellung, Änderung und Anpassung von spezifischen Zeitprofilen in Echtzeit, gefordert werde. Im gegenständlichen Vergabeverfahren habe es dazu dann auch keine Rückfragen gegeben.

 

3.11. Die Auftraggeberin brachte weiters vor, dass eine Ausschreibung nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sei, der sich zum einen anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs bemesse, zum anderen wären zu dessen Ermittlung die gesamten Ausschreibungsunterlagen heranzuziehen. Es träfe jedoch nicht zu, dass Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen zu Lasten des Auftraggebers gingen, zumal, entgegen der Ansicht der Antragstellerin, eine derartige Rechtsprechung des VwGH zur vergaberechtlichen Nachprüfung nicht bestünde.

 

Im übrigen lege schon der Wortlaut des ersten Halbsatzes des Punktes

3.1.3 des LVZ fest, dass die Überwachungssoftware eine Überwachung in Echtzeit unterstützen müsse, was zur Konsequenz habe, dass auch eine Änderung schon begonnener Zeitprofile möglich sein müsse. Wenn etwa eine überwachte Person am Arbeitsplatz erkranke, eine Änderung des Zeitprofils, das eine Anwesenheit am Arbeitsplatz bis 16.00 Uhr vorsieht, jedoch nicht möglich wäre, könnte eine Überwachung des verfrühten Heimwegs, des nachfolgenden Aufenthalts am Wohnort und des Arztbesuches nicht erfolgen. Infolge Nichteingabe der Änderung würde ein Fehlalarm gemeldet, dessen Bearbeitung einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand erfordere. Eine Überwachung in Echtzeit und ein ordnungsgemäßes, umfassendes Berichtswesen wären diesfalls nicht möglich.

 

Auch der zweite Halbsatz in Punkt 3.1.3 des LVZ mache klar, dass Änderungen und Anpassungen schon begonnener Zeitprofile möglich sein müssen. Welchen Sinn sollte es haben, das Zeitprofil der im oben angeführten Beispiel erkrankten Person nach 16.00 Uhr anzupassen, um im Nachhinein zu erfassen, wann und wo sich die überwachte Person befinden hätte sollen? Punkt 3.1.3 des LVZ lege gerade nicht fest, dass nur die Administration von spezifischen zukünftigen Zeitprofilen möglich sein müsse. Nach allgemeinem Sprachgebrauch könne diese Festlegung daher nur so verstanden werden, dass sich die Vorgabe der Möglichkeit zur Änderung und Anpassung auf gegenwärtige und zukünftige spezifische Zeitprofile beziehe, ohne Unterscheidung, ob ein Profil bereits aktiviert worden sei oder erst zukünftig aktiviert werden würde. Die Ansicht der Antragstellerin, aus dieser Formulierung sei abzuleiten, dass nur die Änderung von zukünftigen Zeitprofilen, nicht jedoch von aktiven Zeitprofilen möglich sein müsse, widerspreche daher dem allgemeinen Sprachverständnis.

 

3.12. Dieser objektive Erklärungswert ergäbe sich auch bei Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen. Punkt 2.2.1 der AAB lege das Ziel dieses Vergabeverfahrens fest, indem darin die zwingenden Anforderungen an das angebotene System grob umrissen werden. Unter anderem müsse das angebotene System demnach folgende Anforderung erfüllen:

 

"Das System muss eine lückenlose Überwachung ermöglichen und die flexible Konfiguration von Zeitprofilen erlauben. Die Aufenthaltsorte der überwachten Personen im Sendebereich der Überwachungsstationen werden vom System zeitabhängig gegen das Zeitprofil geprüft und Verstöße führen zu Meldungen."

 

In weiterer Folge verlange auch Punkt 2.2.2 der AAB (Leistungsgegenstand) die "einfache und flexible Konfiguration von Zeitprofilen."

 

Diese Festlegungen brächten klar zum Ausdruck, dass der Auftraggeberin eine flexible Konfiguration von Zeitprofilen wesentlich war, um eine lückenlose Überwachung in Echtzeit sicher zu stellen. In keiner Festlegung werde auch nur angedeutet, dass es genüge, wenn ausschließlich zukünftig aktive Zeitprofile geändert werden könnten.

 

3.13. Darüber hinaus ergebe sich diese Interpretation auch eindeutig aus dem Gesamtinhalt von Punkt 3.1.3 des LVZ.

 

Der Begriff der "Echtzeit" werde in der Ausschreibung zwar nicht definiert, es erschließe sich jedoch auch jeder technisch nicht versierten Person, dass damit Änderungen ohne spürbare zeitliche Verzögerung angezeigt werden müssen. Damit das möglich sei, müsse ein Echtzeitsystem jederzeit beeinflusst werden können, um auf Änderungen in den Gegebenheiten reagieren können.

 

Die Notwendigkeit der Änderung bereits begonnener Zeitprofile sei in der Praxis häufig notwendig. Derzeit käme es bei ca. 300 überwachten Personen auf bis zu ca. 60 Änderungen schon begonnener Zeitprofile pro Tag. Einem durchschnittlich fachkundigen Bieter hätte daher bei Lesen von Punkt 3.1.3 des LVZ unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Anforderung der Überwachung in Echtzeit nur erfüllt werden könne, wenn auch die Änderung und Anpassung aktiver Zeitprofile möglich sei.

 

3.14. Die Auftraggeberin wies zudem darauf hin, dass die technische Lösung des anderen Bieters diese Anforderung standardmäßig unterstütze.

 

3.15. Da Punkt 3.1.3 des LVZ nicht auf die Änderung und Anpassung zukünftiger Zeitprofile beschränkt sei, sondern dies allgemein verlange, erfülle das Angebot der Antragstellerin dieses MUSS-Kriterium nicht. Nach den AAB müssten Angebote, welche ein MUSS-Kriterium nicht (vollständig) erfüllen, ausgeschieden werden. Das Angebot der Antragstellerin sei von der Auftraggeberin daher zu Recht gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 ausgeschieden worden.

 

3.16. Dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die Änderung bereits aktiver Zeitprofile aus Gründen der Datensicherheit und des Datenschutzes nicht möglich wäre, sei entgegenzuhalten, dass die Erstellung, Änderung und Anpassung von Zeitprofilen allgemein nur durch autorisiertes Personal mit entsprechenden Zugangsdaten erfolge. Im Übrigen lege das MUSS-Kriterium des Punktes 3.1.8 des LVZ Folgendes fest:

 

"Alle Anwenderaktionen in der Überwachungssoftware müssen gespeichert werden. Es muss historisch nachvollziehbar sein, welcher Anwender, wann welche Aktion durchgeführt hat. Eine Auswertung dieser Daten muss möglich sein."

 

Ein Missbrauch dieser Befugnis werde aufgrund dieser Vorgabe unterbunden.

 

3.17. Abschließend beantragte die Auftraggeberin die Abweisung der verfahrensgegenständlichen Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 29.01.2018 sowie auf Ersatz der Pauschalgebühren.

 

4. Am 16.02.2018 erließ das Bundesverwaltungsgericht antragsgemäß die von der Antragstellerin begehrte Einstweilige Verfügung.

 

5. Am 05.03.2018 erstattete die Antragstellerin eine Stellungnahme, in deren Rahmen sie im Wesentlichen Folgendes ergänzend vorbrachte:

 

5.1. Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Auftraggeberin wären nicht geeignet, die von der Antragstellerin aufgezeigten Rechtswidrigkeiten zu entkräften.

 

Die im Jahr 2016 durchgeführte Ausschreibung der AG unter der BBG-GZ 2391.02614 und die in diesem Zusammenhang zur Verfügung gestellte Aufklärung der Auftraggeberin wären für die gegenständliche Ausschreibung ohne Relevanz. Die nunmehrige Ausschreibung sei ein eigenständiges und unabhängiges Vergabeverfahren, dessen Inhalt und Anforderungen isoliert von allfälligen vorangehenden Ausschreibungen zu beurteilen wäre. Maßgeblich sei alleine der objektive Erklärungswert der gegenständlichen Ausschreibungsbestimmung und nicht das subjektive Verständnis der Auftraggeberin in einer anderen Ausschreibung.

 

Selbst wenn man der Auffassung der Auftraggeberin folgen würde, dass Aufklärungen aus vorangehenden Ausschreibungen auch eine Wirkung für zukünftige Vergabeverfahren hätten, so stütze dies dennoch deren Standpunkt nicht, da diesfalls die Bieter vielmehr davon ausgehen hätten müssen, dass eine Administration von in der Vergangenheit gelegenen Zeitprofilen gemäß den Ausschreibungsbedingungen nicht erforderlich sei, da die Auftraggeberin anderenfalls im Lichte der in der Ausschreibung 2016 aufgezeigten Unklarheiten wohl eine entsprechende Präzisierung / Klarstellung vorgenommen hätte.

 

5.2. Entgegen den Ausführungen der Auftraggeberin ginge zudem dem allgemeinen Sprachgebrauch nach weder aus dem ersten noch aus dem zweiten Halbsatz des Punktes 3.1.3 des LVZ hervor, dass eine Administration von vergangenen Zeitprofilen möglich sein müsse.

 

Der erste Halbsatz des Punktes 3.1.3 des LVZ erfordere eine Überwachung in Echtzeit. Die Software der Antragstellerin unterstütze eine Überwachung in Echtzeit, was auch von der Auftraggeberin nicht bestritten worden wäre. Die Software der Antragstellerin erlaube darüber hinaus die "Administration von spezifischen Zeitprofilen" gemäß Position 3.1.3. Das Erfordernis der Administration bereits begonnener Zeitprofile ergebe sich weder aus diesem Wortlaut noch aus der Überwachung in Echtzeit. Hätte die Auftraggeberin tatsächlich zum Ausdruck bringen wollen, dass die Administration "aller Zeitprofile" gefordert sei, so hätte sie anstatt des Wortes "spezifische" schlicht "gegenwärtige und zukünftige" oder "aktive und zukünftige" oder "aller /sämtlicher" Zeitprofile einsetzen müssen. Aus dem Wort "spezifisch" sei keine Gesamtheit aller Zeitprofile ableitbar. Gerade aus dem Wortsinn und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebt sich daher, dass nicht die Anpassung von (sämtlichen) Zeitprofilen gefordert worden wäre.

 

Die von der Auftraggeberin nun ins Treffen geführten (Anwendungs‑)Beispiele seien für die Auslegung der Ausschreibung unerheblich, da die Frage, ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, ausschließlich am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen sei und es auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen sowie die Motive der Auftraggeberin nicht ankäme.

 

5.3. "Überwachung in Echtzeit" bedeute ferner, dass der Status der Überwachung ohne spürbare Verzögerung angezeigt werden müsse. Daraus ergäbe sich jedoch nicht, welche Änderungen und Eingriffe in Profile zulässig sein müssen, da sich die Anforderung auf die "Überwachung" bezieht.

 

5.4. Das spezielle Erfordernis der Administration von bereits begonnen Zeitprofilen erschließe sich auch nicht aus der Branchenüblichkeit oder der Branchenkenntnis eines fachkundigen Bieters. Nach der Erfahrung der Antragstellerin sei die Administration von spezifischen Zeitprofilen in Ausschreibungsunterlagen Dritter bisher nicht gefordert worden. Dies belege etwa die Bestätigung des Leiters des Bewährungsdienstes in Lettland, auch in einem vergleichbaren Vergabeverfahren in Dänemark hätte es keine entsprechenden Anforderungen gegeben.

 

5.5. Aus dem klaren Wortsinn des Punktes 3.1.3 des LVZ ergebe sich, dass lediglich die "Administration von spezifischen ZeitprofiIen", nicht jedoch die "Administration von gegenwärtigen und zukünftigen Zeitprofilen" oder die "Administration sämtlicher Zeitprofile" gefordert war. Dies ergebe sich unter Zugrundelegung des Branchen- und Marktverständnisses, da in der Regel die Anpassung zukünftiger Zeitprofile verlangt werde und die Anpassung bereits begonnener Zeitprofile als Spezialanforderung nur in Ausnahmefällen erfordert sei. Ausschließlich der derzeitige Auftragnehmer sei aufgrund seiner im Rahmen der bisherigen Zusammenarbeit mit der Auftraggeberin erworbenen Kenntnis in der Lage gewesen, zu erkennen, dass auch die Administration bereits begonnener Zeitprofile erfasst sei.

 

6. Am 07.03.2018 fand in der gegenständlichen Rechtssache eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, die im Wesentlichen folgenden Verlauf hatte:

 

In das Verfahren einbezogen wurden neben den von den Parteien dem Gericht übermittelten Schriftsätzen und Urkunden die Akte des BVwG zu den Geschäftszahlen W138 2134578-2 und W267 2165989-2.

 

Dr. Bernt Elsner, Rechtsvertreter der Auftraggeberin, brachte im Hinblick auf die von der Antragstellerin kurzfristig eingebrachten Stellungnahme OZ 11 ergänzend wie folgt vor:

 

"Das Vorbringen der Antragstellerin vom 05.03.2018 wird bestritten. Die Ausschreibung 2016 ist für das gegenständliche Verfahren insofern relevant, als der Ausschreibungsgegenstand ident ist. XXXX hatte sich an der damaligen Ausschreibung beteiligt und schon damals war die Anforderung, ob schon begonnene Zeitprofile überwachter Personen geändert werden können, Gegenstand der Angebotsprüfung.

 

Punkt 3.1.3 des LV[Z] des am 09.02.2016 eingeleiteten Vergabeverfahrens hatte folgenden Wortlaut:

 

"Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der Daten der zu überwachenden Person die Erstellung, flexible Konfiguration, Administration und Überwachung von spezifischen Zeitprofilen erlauben. Statusmeldungen und Alarme bei Abweichungen von zeitlichen Vorgaben müssen in Echtzeit angezeigt werden."

 

Punkt 3.3.1 des LV des am 09.02.2016 eingeleiteten Vergabeverfahrens lautete:

 

"Die Festlegung, Speicherung, Löschung und Änderung von individuellen Zeitprofilen muss möglich sein."

 

Unter "spezifischen Zeitprofil" wird das Zeitprofil einer konkreten überwachten Person verstanden. Demnach gilt für alle Zeitprofile die geforderte Funktionalität, dass die Überwachungssoftware eine Überwachung in Echtzeit unterstützen muss, sodass auch schon begonnene Termine (Zeitprofile) abänderbar sein müssen, um laufende Änderungen des vorgegebenen Aufenthaltsortes berücksichtigen zu können."

 

In der Teststellung vom 20.08.2016 wurde der jetzigen Antragstellerin Folgendes vorgehalten (Beilage ./2, Frage 15):

 

"Bezugnehmend auf Punkt 3.3.1 wird gefordert, dass eine Festlegung, Speicherung, Löschung und Änderung von Zeitprofilen möglich sein muss (speziell über das API).

 

Die zur Verfügung gestellte Testversion der "PureMonitor"-Software zeigt bei durchgeführten Tests von Zeitprofiländerungen Beschränkungen. Bei der Änderung von bereits aktiven Zeitprofilen (Terminen) sind diese Termine mit einem Startzeitpunkt der bereits in der Vergangenheit liegt nicht änderbar (Fehlermeldung bei manueller Administration). Wenn diese Änderungen über das API gemacht werden, ist die Änderung ohne Fehlermeldung möglich jedoch werden "Paralleltermine" für denselben Zeitraum angelegt. Die Überwachung dieser "Paralleltermine" ist nicht fehlerfrei möglich.

 

Frage an die Fa. XXXX

 

a) Das Produktivsystem der "PureMonitor"-Software muss Änderungen von bereits aktiven Terminen mit einem Startzeitpunkt in der Vergangenheit über das API fehlerfrei möglich machen und eine ordnungsgemäße Überwachung muss gewährleistet bleiben."

 

Die jetzige Antragstellerin antwortete darauf (Beilage ./2, Frage 15):

 

"Die derzeit geltenden Beschränkungen wurden hinzugefügt um die Datenintegrität für vergangene Termine sicherzustellen, und werden nach Wunsch des Kunden entfernt. In der Produktivversion des PureMonitor wird der Kunde in der Lage sein, alle Termine über die API zu verwalten, einschließlich derjenigen, die in der Vergangenheit gestartet wurden.

 

Konkrete Verfügbarkeit: Rechtskräftiger Zuschlag + 4 Wochen."

 

Punkt 3.1.3 des LV[Z] des am 22.02.2017 eingeleiteten

Vergabeverfahrens lautet:

 

"Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18)."

 

Im Zuge der Überprüfung hat sich herausgestellt, dass eine Abänderung schon begonnener Termine nicht möglich war. Kontrollinspektor XXXX hat dies Herrn XXXX von XXXX über Whatspp kommuniziert und als Antwort die Bestätigung erhalten, dass dies zutreffend ist, dass es nämlich mit der zur Prüfung zur Verfügung gestellten Software nicht möglich ist, einen schon begonnen Termin zu ändern.

 

Auszug aus der WhatsApp Korrespondenz zwischen XXXX und XXXX :

 

Frage von XXXX : "Hi Udi! Question: IP 100007 RF Test SC: activ schedule is not changeable? Tried to change current must be out."

 

Antwort von XXXX : " Hi. Yes. It's not possible to change an appointment once it has started."

 

Daraufhin hat die Auftraggeberin der Antragstellerin diese Nichterfüllung eines Musskriteriums auch schriftlich am 15.01.2018 vorgehalten und ihr Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

 

Das Aufklärungsersuchen der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 15.01.2018 lautet auszugsweise:

 

"3. Im Leistungsverzeichnis (Punkt 3.1.3) wurde gefordert, dass die Überwachungssoftware eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützt und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung, Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben muss. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18).

 

Die Angaben Ihrerseits waren, dass die PureMonitor-Anwendung eine vollständige Überwachung der Täter im System ermöglicht. Es ist ein äußerst robustes und flexibles System, das es den Benutzern ermöglicht, Zeitpläne, Zonen und Daten, die mit den Tätern zusammenhängen, zu erstellen, zu ändern und einzustellen. Überwachungs-Verletzungen und - Ereignisse werden noch den Sperrzeit-Regeln der Täter (ggf. Zeitplan und Zonen) erstellt. Alle Ereignisse werden in Echtzeit präsentiert und erlauben die Handhabung der Ereignisse sofort durch einen autorisierten Mitarbeiter.

 

Ergebnis der Teststellung: Der Praxistest hat ergeben, dass die Überwachungssoftware "PureMonitor" alle geforderten Funktionen zur Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt. Auch das Erstellen von spezifischen Zeitprofilen ist grundsätzlich möglich.

 

In den Praxistests wurde festgestellt, dass für die RF - und die GPS - Überwachung in der Software Pure Monitor die geforderte Funktionalität "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist.

 

a) RF - Überwachung: Änderung, Anpassung sowie das Stornieren von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

b) GPS - Überwachung: Änderung und Anpassung von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

Die Auftraggeberin stellt fest, dass damit die Anforderungen gemäß Punkt 3.1.3 nicht erfüllt wurden. Auch wird durch die angeführten Mängel die Möglichkeit einer Überwachung in Echtzeit eingeschränkt.

 

Wir bitten Ihrerseits um Stellungnahme zu dieser Erkenntnis."

 

Darauf antwortete die Antragstellerin wie folgt (auszugsweise):

 

"Die Bedingungen sind verhältnismäßig umfassend, dennoch schließen sie das spezifische Szenario einer Änderung eines bereits begonnenen Zeitfensters (Termin) aus, sondern betreffen vielmehr Änderungen und Modifikationen im Allgemeinen. Jeglicher zukünftige Termin kann beliebig und so oft wie nötig geändert werden. In Bezug auf die Änderung eines bereits begonnenen Termins ist es wichtig, zu verstehen, dass jede Änderung eines Termins eine Auswirkung hat, sowohl auf einen eventuellen Verstoß gegen Fälligkeitsregeln als auch auf generierte und an das System gesendete Ereignisse.

 

In der Regel dürfen keine Änderungen vorgenommen werden, die in Bezug auf bereits vergangene Termine zu Ereignissen führen, die nicht zusammenpassen (oder fehlen). Tatsächlich gilt diese Regel für das gesamte Alarmsystem, um Fehlalarme und eventuelle Betrügerei zu vermeiden durch eine spätere Änderung von Einstellungen. Ferner entspricht dies den Standards für Datensicherheit im Bereich Software und Datenmanagement."

 

Daraus ergibt sich, dass die Antragstellerin sehr wohl das klare Verständnis hatte, dass die Mussanforderung 3.1.3 der gegenständlichen Leistungsanforderung darin besteht, dass es möglich sein muss, schon begonnene Termine zu ändern. Dieser Vorgabe entspricht die von der Antragstellerin angebotene und zur Teststellung zur Verfügung gestellte Software Pure Monitor nicht.

 

[...]

 

Die Sichtweise der lettischen Justizverwaltung ist für das BMVRJ und damit das gegenständliche Vergabeverfahren irrelevant."

 

Mag. Johannes Stalzer, Rechtsvertreter der Antragstellerin, bestritt das Vorbringen der Auftraggeberin und brachte ergänzend im Wesentlichen wie folgt vor:

 

"Die Aufgaben und Korrespondenz zwischen Auftraggeberin und Antragstellerin in der Ausschreibung 2016 ist für die Auslegung der gegenständlichen Ausschreibung nicht von Relevanz, da ausschließlich der objektive Erklärungswert der gegenständlichen Festlegung maßgeblich ist. Darüber hinaus hat die Auftraggeberin den Leistungsgegenstand und die entsprechenden Spezifikationen im Rahmen der Folgeausschreibung 2017 wesentlich erweitert und präzisiert, sodass davon auszugehen war, dass diese bei Kenntnis der Unklarheit der Festlegung in Punkt 3.1.3 des damaligen LV[Z] die nunmehrige Festlegung in der Ausschreibung entsprechend konkretisiert hätte."

 

Dr. Bernt Elsner bestreitet und weist ergänzend darauf hin, dass der Sachbearbeiter der Antragstellerin, Herr XXXX , sowohl im seinerzeitigen Verfahren der Ansprechpartner war und die Antwort verfasst hat, als auch im gegenständlichen Verfahren Ansprechpartner war und die WhatsApp-Antworten verfasst hat. Weiters wird darauf hingewiesen, dass mit einer Änderbarkeit schon begonnener Termine keine Probleme in Bezug auf die Datenintegrität bestehen. Diesbezüglich gibt es eine langjährige Erfahrung mit dem momentanen Dienstleister.

 

Fragen des Gerichts an die Antragstellerin:

 

 

 

 

Antwort der Antragstellerin: "Die Antragstellerin hat an dem Vergabeverfahren 2016 teilgenommen. Zur Frage der Antworten in Beilage ./2 der Auftraggeberin sowie zur Frage der Identität des Leistungsgegenstandes wird auf die Einvernahme der heute stellig gemachten Zeugin verwiesen. Dies gilt auch für die Funktionalität der Software.

 

In diesem Zusammenhang wird vom Gericht festgehalten, dass die Zeugin keinen substantiellen Beitrag zur Klärung der umseits angeführten Fragen leisten konnte.

 

In der Folge brachte Mag. Stalzer ergänzend wir folgt vor: "Sofern sich die Auftraggeberin nunmehr auf die Beilage ./2 der Auftraggeberin und die darin angeführte Korrespondenz beruft, hat sie im damaligen Vergabeverfahren (2016) in Kenntnis dieser Beilage ./2 der Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung (die dann aus anderen Gründen widerrufen wurde) zugunsten der Antragstellerin getroffen. Die Auftraggeberin ist selbst von der Ausschreibungskonformität des damaligen Angebots der Antragstellerin ausgegangen und hat dementsprechend die Anforderung Punkt 3.1.3. LVZ nicht so verstanden, dass diese zwingend die Administration von aktiven Zeitprofilen verlangt. Daher konnte auch die Antragstellerin davon ausgehen, dass die Auftraggeberin deren damaliges Verständnis auch den nunmehrigen Ausschreibungsunterlagen zugrundelegt."

 

Dr. Elsner bestritt dieses Vorbringen und brachte selbst vor, dass sehr wohl auch schon in der damaligen Ausschreibung die Änderbarkeit bereits angefangener Termine gefordert wurde (siehe Beilagen ./2 und ./3). Ob die damalige Zuschlagsentscheidung rechtskonform gewesen wäre, wenn sie in weiterer Folge nicht zurückgenommen worden wäre, sei in diesem Verfahren nicht verfahrensgegenständlich. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin damals die konkrete Verfügbarkeit der geforderten Funktionalität innerhalb von vier Wochen nach rechtskräftigem Zuschlag zugesagt hätte und die Auftraggeberin hatte diese Zusage ihrer Zuschlagsentscheidung zugrunde gelegt habe. In der nunmehrigen Ausschreibung sei sehr präzise zwischen solchen Musskriterien, die einer Teststellung zu unterziehen waren, und solchen, bei denen eine Erklärung über die künftige Leistungserbringung akzeptiert wurde, unterschieden worden. Im vorliegenden Verfahren sei die Anforderung 3.1.3 LVZ ein durch Teststellung nachzuweisendes Musskriterium gewesen, wie aus der Anmerkung mit dem Buchstaben "T" im Leistungsverzeichnis hervorginge.

 

Abschließend legt Dr. Elsner über Aufforderung durch das Gericht den elektronisch bei der Auftraggeberin vorhandenen Vergabeakt zur Ausschreibung 2016 mittels USB-Stick vor.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die Auftraggeberin Republik Österreich, vertreten durch den Bundesminister für Justiz (nunmehr: Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), hat unter Einbindung der Bundesbeschaffung GmbH als vergebender Stelle mit Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 09.02.2016 zur Zahl 2016/S 027-043970 ein Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung notwendiger Hard- und Software für die Durchführung des elektronisch überwachten Hausarrests eingeleitet (in der Folge auch: "Ausschreibung 2016"). An diesem Vergabeverfahren hat sich unter anderem auch die nunmehrige Antragstellerin beteiligt.

 

Ein im Zusammenhang mit einer in diesem Verfahren ergangenen Zuschlagsentscheidung vor dem BVwG zu W138 2134578-1 geführtes Nachprüfungsverfahren endete infolge Rücknahme jener Entscheidung durch die Auftraggeberin mit Schreiben vom 14.10.2016. In diesem wurden die Bieter auch darüber informiert, dass die Auftraggeberin eine Wiederholung der Vergabe beabsichtige. Dieses Vergabeverfahren elektronisch überwachter Hausarrest BBG-GZ 2391.02614 wurde von der Auftraggeberin mit Erklärung vom 18.11.2016 widerrufen. (Verfahrensakt)

 

1.2. Das Leistungsverzeichnis der Ausschreibung 2016 lautete auszugsweise:

 

3.1.3 Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der Daten der zu überwachenden Person die Erstellung, flexible Konfiguration, Administration und Überwachung von spezifischen Zeitprofilen erlauben. Statusmeldungen und Alarme bei Abweichungen von zeitlichen Vorgaben müssen in Echtzeit angezeigt werden.

 

3.3.1 Die Festlegung, Speicherung, Löschung und Änderung von individuellen Zeitprofilen muss möglich sein.

 

(Verfahrensakt, Unterlagen des Vergabeverfahrens zur Ausschreibung 2016)

 

1.3. Mit Schreiben vom 20.08.2016 wurde der Antragstellerin als Ergebnis der Teststellung unter anderem folgende Frage gestellt.

 

15.) Bezug nehmend auf Punkt 3.3.1 wird gefordert, dass eine Festlegung, Speicherung, Löschung und Änderung von Zeitprofilen möglich sein muss (speziell über das API).

 

Die zur Verfügung gestellte Testversion der "Pure Monitor" Software zeigt bei durchgeführten Tests von Zeitprofiländerungen Beschränkungen. Bei der Änderung von bereits aktiven Zeitprofilen (Terminen) sind diese Termine mit einem Startzeitpunkt der bereits in der Vergangenheit liegt nicht änderbar (Fehlermeldung bei manueller Administration). Wenn diese Änderungen über das API gemacht werden, ist die Änderung ohne Fehlermeldung möglich jedoch werden "Paralleltermine" für denselben Zeitraum angelegt. Die Überwachung dieser "Paralleltermine" ist nicht fehlerfrei möglich.

 

Frage an die Fa. XXXX

 

a) Das Produktivsystem der "Pure Monitor" Software muss Änderungen von bereits aktiven Terminen mit einem Startzeitpunkt in der Vergangenheit über das API fehlerfrei möglich machen und eine ordnungsgemäße Überwachung muss gewährleistet bleiben.

 

Die Antwort der Antragstellerin auf die ihr gestellte Frage lautete wie folgt:

 

Die derzeit geltenden Beschränkungen wurden hinzugefügt um die Datenintegrität für vergangene Termine sicherzustellen, und werden nach Wunsch des Kunden entfernt. In der Produktivversion des PureMonitor wird der Kunde in der Lage sein, alle Termine über die API zu verwalten, einschließlich derjenigen, die in der Vergangenheit gestartet wurden.

 

Konkrete Verfügbarkeit: Rechtskräftiger Zuschlag + 4 Wochen

 

(Verfahrensakt, Unterlagen des Vergabeverfahrens zur Ausschreibung 2016)

 

1.4. Die Auftraggeberin hat in der Folge wiederum unter Einbindung der Bundesbeschaffung GmbH als vergebender Stelle unter der Bezeichnung "Elektronisch überwachter Hausarrest" (BBG-GZ 2391.02884) einen Rahmenvertrag über die Bereitstellung und Wartung von Hard- und Software für die elektronische Überwachung des Hausarrestes in ganz Österreich (Lieferauftrag) mit den CPV-Codes 75231200 (Hauptteil) und 75000000 (Ergänzender Gegenstand) in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip neu ausgeschrieben. Der geschätzte Auftragswert beträgt XXXX (ohne USt.) Die Auftraggeberin hat den verfahrensgegenständlichen Auftrag (in der Folge auch: "Ausschreibung 2017") u.a. im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 22.02.2017, 2017/S 037-66518, und im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 20.02.2017 zur Zahl L-616903-7216 veröffentlicht.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens; Auskünfte der Auftraggeberin)

 

1.5. Der Auftragnehmer hat während der Vertragsdauer eine vollständige Lösung zur elektronischen Aufsicht auf Mietbasis bereitzustellen, das System eigenständig zu betreiben, zu warten und zu aktualisieren, den 2nd- und 3rd-Level-Support für das Gesamtsystem (exkl. Serverhousing) bereitzustellen und alle Wartungstätigkeiten vorzunehmen, die von der Auftraggeberin nicht oder nicht sinnvoll durchgeführt werden können. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.6. Das Leistungsverzeichnis der Ausschreibung 2017 lautet auszugsweise:

 

3.1.3 Die Überwachungssoftware muss eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18).

 

[...]

 

3.1.8 Alle Anwenderaktionen in der Überwachungssoftware müssen gespeichert werden. Es muss historisch nachvollziehbar sein, welcher Anwender, wann welche Aktion durchgeführt hat. Eine Auswertung dieser Daten muss möglich sein.

 

[...]

 

3.1.16 Die Ansicht aller an einen zentralen Server übermittelten Meldungen muss in einer Übersichtsliste der Überwachungssoftware möglich sein. Die Aktualisierung dieser Übersicht muss zumindest manuell und soll automationsunterstützt durchführbar sein. Eine gesonderte Ansicht (Punkt 3.1.18) der Meldungen muss bezogen auf eine überwachte Person (Punkte 1.1.3, 2.1.2), nach unterschiedlichen Behörden (Punkt 3.1.15) und unterschiedliche Überwachungsprogramme (Punkt 1.2,1.4, 2.1) möglich sein.

 

[...]

 

3.1.18 Eine systemtechnische Priorisierung der an den zentralen Server übermittelten Meldungen muss möglich sein. Die unterschiedliche Priorisierung der Meldungen muss in der Überwachungssoftware optisch differenzierbar sein. Es muss möglich sein, die Meldungen mit einem unterschiedlichen Bearbeitungsstatus zu versehen. Die Meldungen müssen kommentierbar, die Kommentare gespeichert und historisch aufrufbar sein.

 

Die Position 3.1.3 des LVZ wurde mit "M", sohin als MUSS-Kriterium ausgewiesen, wobei als Überprüfungsmethode die Teststellung ("T") einer Musterkonfiguration vorgesehen war.

 

Die Festlegungen im LVZ der Ausschreibung 2017 wurden von keinem der Bieter bekämpft und sind sohin bestandsfest geworden.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.7. Gegenstand der Ausschreibung 2016 war ebenfalls die Bereitstellung und Wartung von Hard- und Software für die elektronische Überwachung des Hausarrestes in ganz Österreich in Form eines Rahmenvertrags. Die Anforderungen in Bezug auf die zu beschaffende Überwachungssoftware waren bei den Ausschreibungen 2016 und 2017 jedenfalls im Hinblick auf das Erfordernis der Möglichkeit der Überwachung in Echtzeit, der Datenverwaltung sowie der Erstellung, Konfiguration, Administration und Überwachung von Zeitprofilen gleich.

 

(Unterlagen der Vergabeverfahren/Ausschreibungen 2016 und 2017)

 

1.8. Die Antragstellerin hat am 04.04.2017 fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben. Neben ihr hat lediglich ein weiterer Bieter rechtzeitig angeboten. Die Angebotspreise wurden am selben Tag in Anwesenheit der Bieter im Rahmen der Angebotsöffnung verlesen, wobei das Angebot der Antragstellerin an zweiter Stelle gereiht wurde. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.9. Nach Durchführung der Teststellung und vollständigen Prüfung des Angebots des erstgereihten Bieters hat die Auftraggeberin der Antragstellerin mit Schreiben vom 21.07.2017 mitgeteilt, dass der Zuschlag an jenen anderen Bieter ergehen soll. Eine Teststellung des Angebots der Antragstellerin ist zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

Gegen diese Zuschlagsentscheidung hat die Antragstellerin am 31.07.2017 beim BVwG einen auf Nichtigerklärung gerichteten Nachprüfungsantrag eingebracht. Das diesbezügliche Nachprüfungsverfahren wurde vom BVwG zur Geschäftszahl W267 2165989-2 geführt und endete - rechtskräftig - mit der Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung. (Verfahrensakt zu W267 2165989-2)

 

1.10. Noch während jenes Nachprüfungsverfahrens zu W267 2165989-2 wurde die Antragstellerin von der Auftraggeberin mit Schreiben vom 09.11.2017 zur Teststellung gemäß Punkt 2.3 der AAB eingeladen. Die Antragstellerin stellte der Auftraggeberin daraufhin das von ihr angebotene Produkt binnen der ihr gesetzten, einmal verlängerten Frist zur Testung zur Verfügung.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.11. Der Testbericht - Teststellung zur Überprüfung der Muss-Anforderungen (Kennzeichnung "T" im Leistungsverzeichnis) vom 12.02.2018 lautet auszugsweise wie folgt:

 

Punkt 3.1.3 (T)

 

Die "Pure Monitor" Überwachungssoftware muss die Überwachung in Echtzeit ermöglichen und Funktionen zur Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung (Abb 102.1, Abb 102.2)stellen. Dies ist grundsätzlich möglich.

 

Die Anforderung der Möglichkeit der Administration (Erstellung1, Änderung2 und Anpassung3) von spezifischen Zeitprofilen ist eingeschränkt/nicht möglich!

 

1 Die Erstellung von spezifischen Zeitprofilen sowie die folgende An- und Abwesenheitsüberwachung ist möglich, siehe auch Testergebnisse zu Punkt 1.2.4.

 

2 Ist ein Termin im RF-Programm bereits "aktiv", kann dieser Termin weder geändert noch storniert werden (Abb 103.1 und 103.2). Ein noch "nicht aktiver" Termin kann geändert oder storniert werden (Abb 103.3).

 

3 Ist ein Termin im RF-Programm bereits "aktiv", kann dieser Termin nicht angepasst werden (Abb 103.1 und 103.2). Ein noch "nicht aktiver" Termin kann geändert oder storniert werden (Abb 103.3).

 

Mit Bezug auf die Punkte 2.1.4, 2.1.5 und 2.1.6 des Leistungsverzeichnisses wurde festgestellt, dass im GPS-Programm der "Pure Monitor" Überwachungssoftware ein bereits "aktiver" Termin ebenfalls nicht geändert oder angepasst werden kann (Abb 103.4)

 

Zusammenfassung:

 

Der Punkt 3.1.3 fordert neben der Funktionalität zur Verwaltung von personenbezogenen Daten auch die Überwachung in Echtzeit. Mit der Echtzeitüberwachung muss auch das Änderungen und Anpassen von bereits aktiven spezifischen Zeitprofilen möglich sein. Dies mit dem praktischen Hintergrund, dass in der Überwachungszentrale des österreichischen Programms zur elektronischen Überwachung täglich ca. 60 - 80 Änderungen bzw. Anpassungen von spezifischen Zeitprofilen notwendig werden.

 

[...]

 

Auf Anfrage bestätigt der Bieter in einer Kurznachricht (WhatsApp - Kommunikation), dass der festgestellte Sachverhalt richtig ist (siehe Anhang Kopie Kurznachricht WhatsApp.pdf)

 

Leistungsanforderung zu Punkt 3.1.3 konnte NICHT positiv getestet werden!

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.12. Mit Schreiben vom 15.01.2018 hat die Auftraggeberin die Antragstellerin daher um Aufklärung hinsichtlich der angebotenen Hard- und Software in Bezug auf die in Punkt 3.1.3 des LVZ festgelegten Anforderungen aufgefordert, wobei ihr auszugsweise Folgendes mitgeteilt wurde:

 

[...]

 

3. Im Leistungsverzeichnis (Punkt 3.1.3) wurde gefordert, dass die Überwachungssoftware eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützt und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung, Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben muss. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18).

 

Die Angaben Ihrerseits waren, dass die PureMonitor-Anwendung eine vollständige Überwachung der Täter im System ermöglicht. Es ist ein äußerst robustes und flexibles System, das es den Benutzern ermöglicht, Zeitpläne, Zonen und Daten, die mit den Tätern zusammenhängen, zu erstellen, zu ändern und einzustellen. Überwachungs-Verletzungen und - Ereignisse werden noch den Sperrzeit-Regeln der Täter (ggf. Zeitplan und Zonen) erstellt. Alle Ereignisse werden in Echtzeit präsentiert und erlauben die Handhabung der Ereignisse sofort durch einen autorisierten Mitarbeiter.

 

Ergebnis der Teststellung: Der Praxistest hat ergeben, dass die Überwachungssoftware "PureMonitor" alle geforderten Funktionen zur Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt. Auch das Erstellen von spezifischen Zeitprofilen ist grundsätzlich möglich.

 

In den Praxistests wurde festgestellt, dass für die RF - und die GPS - Überwachung in der Software Pure Monitor die geforderte Funktionalität "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist.

 

a) RF - Überwachung: Änderung, Anpassung sowie das Stornieren von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

b) GPS - Überwachung: Änderung und Anpassung von aktiven Zeitprofilen (Terminen) ist nicht möglich

 

Die Auftraggeberin stellt fest, dass damit die Anforderungen gemäß Punkt 3.1.3 nicht erfüllt wurden. Auch wird durch die angeführten Mängel die Möglichkeit einer Überwachung in Echtzeit eingeschränkt.

 

Wir bitten Ihrerseits um Stellungnahme zu dieser Erkenntnis.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.13. Mit Schreiben vom 25.01.2018 nahm die Antragstellerin zum Vorhalt der Nichterfüllung der Anforderungen gemäß Punkt 3.1.3 des LVZ auszugsweise wie folgt Stellung:

 

Die Bedingungen sind verhältnismäßig umfassend, dennoch schließen sie das spezifische Szenario einer Änderung eines bereits begonnenen Zeitfensters (Termin) aus, sondern betreffen vielmehr Änderungen und Modifikationen im Allgemeinen. Jeglicher zukünftige Termin kann beliebig und so oft wie nötig geändert werden. In Bezug auf die Änderung eines bereits begonnenen Termins ist es wichtig, zu verstehen, dass jede Änderung eines Termins eine Auswirkung hat, sowohl auf einen eventuellen Verstoß gegen Fälligkeitsregeln als auch auf generierte und an das System gesendete Ereignisse.

 

Darum können Anwendungen eines bereits begonnenen Termins die Datensicherheit gefährden und demzufolge die Zuverlässigkeit des Systems beeinträchtigen. Diese Änderungen müssen unbedingt beschränkt bleiben, um zu vermeiden, dass bisherige Datentermine im Hinblick auf die neuen Einstellungen als Erscheinung.

 

[...]

 

In der Regel dürfen keine Änderungen vorgenommen werden, die in Bezug auf bereits vergangene Termine zu Ereignissen führen, die nicht zusammenpassen (oder fehlen). Tatsächlich gilt diese Regel für das gesamte Alarmsystem, um Fehlalarme und eventuelle Betrügereien zu vermeiden durch eine spätere Änderung von Einstellungen. Ferner entspricht dies der Standard für Datensicherheit im Bereich Softwaredatenmanagement.

 

XXXX verfügt auch über eine Softwareversion, die es möglich macht, das Ende eines Termins zu ändern, solange es in der Zukunft liegt (mit einer Reserve von 15 Minuten). Es handelt sich nicht um die Standardversion der Software, sondern um eine eigens für einen speziellen Kunden mit besonderen Anforderungen angepasste Version. Im Rahmen dieser Maß Fertigung, die wir für jedes Projekt vornehmen, können wir individuelle Kundenwünsche erfüllen, solange sie nicht die Datensicherheit gefährden. Diese Version wurde nicht für Tests zur Verfügung gestellt, denn es lag keine Anforderung für diese Art von Änderungen vor.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.14. Sowohl für RF- als auch für GPS-Überwachung ist bei der von der Antragstellerin im Rahmen der Ausschreibung 2017 angebotenen Software die Änderung und Anpassung, für RF-Überwachung zudem die Stornierung von aktiven Zeitprofilen (d.h. bereits begonnenen Ereignissen) sohin nicht möglich. Eine Softwareversion, bei der diese Funktionalitäten möglich wären, wurde von der Antragstellerin nicht angeboten. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.15. Der Antragstellerin war nicht zuletzt aufgrund ihrer Teilnahme an der (Vor)Ausschreibung 2016 bekannt, dass die von der Auftraggeberin für den Einsatz im Rahmen des "Elektronisch überwachten Hausarrests" gewünschte Überwachungssoftware zwingend die Funktion aufzuweisen hat, Änderungen von bereits aktiven Terminen mit einem Startzeitpunkt in der Vergangenheit möglich zu machen, wobei jedenfalls eine ordnungsgemäße Überwachung (in Echtzeit) gewährleistet bleiben muss.

 

1.16. Mit Schreiben vom 29.01.2018 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin folgende Ausscheidensentscheidung mit:

 

Sie haben zu dem Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung "Elektronisch überwachter Hausarrest", BBG-GZ 2391.02884, ein Angebot gelegt.

 

Die Prüfung Ihres Angebotes hat bedauerlicherweise ergeben, dass Ihr Angebot Ausschreibungsbestimmungen widerspricht. Daher wird es gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 hiermit ausgeschieden.

 

In der vorliegenden Ausschreibung wurde in Punkt 3.1.3 des Leistungsverzeichnisses als Muss-Kriterium festgelegt, dass die Überwachungssoftware eine Überwachung ("Monitoring") in Echtzeit unterstützen und neben der Verwaltung der personenbezogenen Daten die Administration (Erstellung, Änderung, Anpassung) von spezifischen Zeitprofilen erlauben muss. Entsprechende Meldungen über Abweichungen von diesen Zeitprofilen müssen in der Überwachungssoftware in Echtzeit angezeigt werden (Punkte 3.1.16, 3.1.18).

 

Mit Schreiben vom 15.1.2018 wurde Ihnen vorgehalten, dass der Praxistest ergeben hat, dass die Überwachungssoftware "PureMonitor" zwar alle geforderten Funktionen zur Verwaltung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt und auch das Erstellen von spezifischen Zeitprofilen grundsätzlich möglich ist, jedoch auch festgestellt wurde, dass für die RF - und die GPS - Überwachung in der Software PureMonitor die geforderte Funktionalität "Änderung" und "Anpassung" von spezifischen Zeitprofilen nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist, konkret dass a) bei der RF - Überwachung eine Änderung, Anpassung sowie das Stornieren von aktiven Zeitprofilen (Terminen) nicht möglich ist und b) bei der GPS - Überwachung eine Änderung und Anpassung von aktiven Zeitprofilen (Terminen) nicht möglich ist.

 

Ihnen wurde die Gelegenheit eingeräumt, zu diesen Feststellungen bis 25.1.2018 schriftlich Stellung zu nehmen.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 25.1.2018 haben Sie eingeräumt, dass die Bedingungen (der Software PureMonitor) das spezifische Szenario einer Änderung eines bereits begonnenen Zeitfensters ausschließen. Sie weisen zugleich darauf hin, dass jeglicher zukünftige Termin beliebig und so oft wie nötig geändert werden könne. Bezüglich der Änderung eines bereits begonnenen Termins geben Sie den Grund, warum dies Ihre Software nicht leistet, damit an, dass jede Änderung eines (schon begonnenen) Termins Auswirkung auf einen eventuellen Verstoß gegen Fälligkeitsregeln und auf generierte und an das System gesendete Ergebnisse habe. Zudem könnten diesbezügliche Änderungen die Datensicherheit gefährden und demzufolge die Zuverlässigkeit des Systems beeinträchtigen.

 

Zu diesen Argumenten, die sich gegen die Festlegung dieses Musskriteriums in der Ausschreibung richten, ist anzumerken, dass die Ausschreibung in der vorliegenden Form präkludiert und daher für den Auftraggeber wie für alle Bieter bindend ist. Bedenken gegen die Ausschreibung sind in diesem Verfahrensstadium verspätet.

 

Im Übrigen werden Ihre diesbezüglichen Bedenken nicht geteilt. Die Möglichkeit zur Anpassung bereits begonnener Termine ist praktisch äußerst bedeutsam und wurde daher zu Recht als Musskriterium definiert. Nach der Erfahrung des Auftraggebers treten derzeit bis zu 60 Fälle pro Tag auf, bei denen ein ursprünglich festgelegter Termin aufgrund geänderter Umstände (Krankheitsfall, Unfall, usw.) angepasst werden muss. Die von Ihnen angebotene und zur Teststellung zur Verfügung gestellte Software erfüllt dieses Musskriterium nicht und widerspricht daher zwingenden Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen.

 

Ihr Angebot kann aus diesen Gründen nicht weiter berücksichtigt werden und ist daher auszuscheiden.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.17. Der verfahrensgegenständlich relevante Markt umfasst all jene Unternehmen, Institutionen und sonstigen Rechtssubjekte welcher Rechtsform auch immer, die entweder Hard- und/oder Software für den Einsatz im Rahmen sogenannten "elektronisch überwachten Hausarrests" herstellen, vertreiben oder solche beziehen.

 

Als Maßstab für einen durchschnittlich fachkundigen Erklärungsempfänger gelten die mit diesen Aufgaben betrauten Mitarbeiter solcher Unternehmen, Institutionen und sonstigen Rechtssubjekte, sofern ihre konkrete Tätigkeit einen hinreichenden Überblick über den Einsatz von Hard- und Software im Rahmen sogenannten "elektronisch überwachten Hausarrests" bietet.

 

1.18. Es kann nicht festgestellt werden, dass es dem "allgemeinen Marktverständnis" in Bezug auf Software für den Einsatz im Rahmen sogenannten "elektronisch überwachten Hausarrests" entspricht, dass das Erfordernis der Administration von Zeitprofilen grundsätzlich lediglich die Administration von zukünftigen Zeitprofilen (und nicht auch von bereits begonnenen) umfasst.

 

(Verfahrensakt)

 

1.19. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich geplante Abläufe und Ereignisse nicht bloß im Einzelfall - anlaßbedingt - ändern.

 

1.20. Der Begriff "Zeitprofil" im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Überwachungssoftware, die im Rahmen des "Elektronisch überwachten Hausarrests" eingesetzt werden soll, beschreibt jene Zeitspanne, in der sich eine überwachte Person in einem bestimmten Bereich aufhalten soll.

 

(Unterlagen des Vergabeverfahrens)

 

1.21. Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch eine (neue) Zuschlagsentscheidung bekanntgegeben noch den Zuschlag erteilt. (Verfahrensakt)

 

1.22. Die Antragstellerin brachte am 08.02.2018 fristgerecht einen Nachprüfungsantrag über webERV ein. Sie bezahlte Pauschalgebühren in Höhe von EUR 9.234,00.

 

(Verfahrensakt)

 

2. Beweiswürdigung

 

2.1. Der oben angeführte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens sowie Auskünfte, die nur die jeweils genannte Quelle erteilen kann, der Gerichtsakt, ferner die in das Verfahren einbezogenen Gerichtsakte des BVwG sowie insbesondere die Tatsachenergebnissen der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2018. Aussagen von Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung wurden nur insoweit herangezogen, als nur die betreffende Person sie treffen kann.

 

Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Soweit Schriftstücke von der Antragstellerin vorgelegt wurden, spricht der Anschein für ihre Echtheit. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

 

2.2. Das Vorbringen der Verfahrensparteien in ihren Schriftsätzen bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2018 wurde als den Tatsachen entsprechend angenommen, sofern es von der jeweils anderen Partei nicht substantiell und glaubhaft bestritten wurde bzw. keine gegenteiligen Beweisergebnisse vorlagen.

 

2.3. Der Umstand, dass die Antragstellerin auch an der Ausschreibung 2016 teilgenommen hat, ergibt sich zum einen aus den Unterlagen des damaligen Vergabeverfahrens und wurde von ihr zum anderen selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2018 zugestanden.

 

2.4. Zur Frage, ob die in Beilage ./2 der Auftraggeberin enthaltenen, in hellgrüner Farbe abgedruckten Antworten von der Antragstellerin stammen bzw. ob die Leistungsgegenstände der Ausschreibungen 2016 und 2017 ident sind, hat die Antragstellerin in der oben erwähnten mündlichen Verhandlung eine Zeugin stellig gemacht, die jedoch zur Beantwortung dieser Fragen nichts Wesentliches beitragen konnte. Ihr war die Beilage ./2 der Auftraggeberin unbekannt, sie glaubte jedoch zumindest zu erkennen, dass die darin enthaltenen Screenshots von der Antragstellerin herrühren dürften. In Verbindung mit dem Umstand, dass die elektronische Version der Beilage ./2 in den von der Auftraggeberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Anordnung des Gerichts vorgelegten (elektronischen) Unterlagen des Vergabeverfahrens 2016 enthalten war, wird von der Echtheit dieser Beilage sowie insbesondere davon ausgegangen, dass die farblich abgesetzten Antworten auf die von der Auftraggeberin gestellten Fragen tatsächlich von der Antragstellerin stammen.

 

Dieser war daher bewusst, dass die Auftraggeberin eine Überwachungssoftware für den Einsatz im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrest benötigt, bei der auch eine Adaption von aktiven Zeitprofilen möglich ist. Eine solche Funktionalität wurde von der Antragstellerin in ihrer damaligen Anfragebeantwortung dann auch binnen vier Wochen ab rechtskräftigen Zuschlag zugesagt, dies offenbar auch ohne zusätzliche Abgeltung. Damit umfasste das seinerzeitige Angebot der Antragstellerin im Ergebnis auch die von der Auftraggeberin damals wie in der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung 2017 geforderte Funktionalität, wodurch es sich in diesem entscheidungswesentlichen Punkt vom verfahrensgegenständlichen Angebot unterscheidet. Beim Angebot der Antragstellerin im Rahmen der Ausschreibung 2017 hat diese die Funktion der Möglichkeit der Adaption auch aktiver Zeitprofile nicht nur nicht angeboten, sie hat den Umstand, dass diese Funktionalität nicht von ihrem Angebot umfasst ist, sogar in ihrem Antwortschreiben vom 25.01.2018 explizit bestätigt. Dass die von der Antragstellerin angebotene Software die erwähnte Funktionalität nicht aufweist, ergibt sich zudem aus dem Testbericht vom 12.02.2018

 

2.5. Der - von der Antragstellerin nicht bestrittene - Umstand, dass die Ausschreibungen 2016 und 2017 jedenfalls im verfahrensgegenständlich entscheidungsrelevanten Teil bezüglich der Funktionalität der Überwachungssoftware, künftige, aber auch bereits aktive Termine administrieren zu können, gleich waren, ergibt sich aus den Unterlagen der jeweiligen Vergabeverfahren.

 

2.6. Bei der von der Auftraggeberin ausgeschriebenen Hard- und Software handelt es sich um Spezialprodukte, die nur von wenigen Unternehmen hergestellt und von einem äußerst kleinen Kreis von Nutzern, meist aus dem staatlichen oder staatsnahen Bereich, angeschafft werden. Der allenfalls im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigende relevante Markt kann daher nur die Hersteller, Distributoren und Bezieher solche Produkte umfassen. Daraus ergibt sich, dass der durchschnittlich fachkundige Empfänger von rechtsgeschäftlichen Erklärungen im Zusammenhang mit solchen Produkten in der Regel für solche Marktteilnehmer tätig sein muss. Jeder muss es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handeln, d.h. eine solche, mit der ein Überblick über den Einsatz von Hard- und Software im Rahmen sogenannten elektronisch überwachten Hausarrest gewährleistet sein muss. Eine Person, die etwa die Hardware für einen Hersteller zusammenbaut, wird wohl kaum über die durchschnittliche Fachkunde verfügen, um sich eine fundierte Meinung über den zweckdienlichen Einsatz solcher Hard- bzw. Software bilden zu können.

 

2.7. Dass es ein allgemeines Marktverständnis in Bezug auf Software für den oben genannten Einsatzzweck dahingehend gäbe, das bei deren Einsatz lediglich zukünftige Zeitprofile administriert werden können sollen, und nicht auch bereits begonnene, konnte von der Antragstellerin weder bewiesen noch glaubhaft gemacht werden. Ausgehend von der allgemeinen Lebenserfahrung wäre das Fehlen einer solchen Funktionalität auch nicht nachvollziehbar. Sowohl im unternehmerischen als auch im privaten Alltag werden Abläufe und Ereignisse häufig im Voraus geplant und müssen aufgrund sich geändert habender Rahmenbedingungen oft auch in der Ausführungsphase adaptiert werden. Gerade wenn fixe Abläufe vorgegeben werden, wie das beim elektronisch überwachten Hausarrest der Fall ist, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sich auch bereits festgelegte und in der Überwachungssoftware eingegebene Zeitprofile ändern werden.

 

Es wäre daher suboptimal, könnten die mit der Überwachung betrauten Personen keine entsprechenden Änderungen vornehmen, sondern müssten erst einen Alarm samt der damit verbundenen Begleitumstände und, folgt man der Logik der Antragstellerin, auch den Ablauf des ursprünglichen Zeitprofils abwarten, um im Nachhinein die (etwa durch einen plötzlich notwendig gewordenen Arztbesuch) notwendigen Eintragungen vornehmen zu können. Da sämtliche Änderungen von der Überwachungssoftware ohnehin genauestens dokumentiert werden müssen, geht auch der Einwand der Antragstellerin ins Leere, dass durch die Nichtermöglichung der Administration aktiver Zeitprofile die Datensicherheit gefährdet wäre.

 

3. Rechtliche Beurteilung

 

3.1. Verfahrensrelevante Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes

 

3.1.1. Die für das gegenständliche Verfahren wesentlichen einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen, BGBl I 2006/17 idgF, (in der Folge kurz: "BVergG") lauten:

 

Grundsätze des Vergabeverfahrens

 

§ 19. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

 

[...]

 

Begriffsbestimmungen

 

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

 

1. ...

 

3. Angebot ist die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen.

 

16. Entscheidung ist jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren.

 

a) Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen:

 

aa) im offenen Verfahren: die Ausschreibung; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

 

bb) ...

 

Allgemeine Regelungen für Angebote - Allgemeine Bestimmungen

 

§ 106. (1) Der Bieter hat sich bei offenen oder nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebotes an die Ausschreibungsunterlagen zu halten. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden.

 

[...]

 

Inhalt der Angebote

 

§ 108. (1) Jedes Angebot muss insbesondere enthalten:

 

1. ...

 

6. sonstige für die Beurteilung des Angebotes geforderte oder vom Bieter für notwendig erachtete Erläuterungen oder Erklärungen;

 

7. ...

 

(2) Mit der Abgabe seines Angebotes erklärt der Bieter, dass er die Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen kennt, dass er über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, dass er die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt, und dass er sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.

 

Vorgehen bei der Prüfung

 

§ 123. (1) Die Prüfung der Angebote erfolgt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien.

 

(2) Bei Angeboten, die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen, ist im Einzelnen zu prüfen,

 

1. ob den in § 19 Abs. 1 angeführten Grundsätzen entsprochen wurde;

 

2. nach Maßgabe des § 70 die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters bzw. - bei der Weitergabe von Leistungen - der namhaft gemachten Subunternehmer;

 

3. ob das Angebot rechnerisch richtig ist;

 

4. die Angemessenheit der Preise;

 

5. ob das Angebot den sonstigen Bestimmungen der Ausschreibung entspricht, insbesondere ob es formrichtig und vollständig ist.

 

Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote

 

§ 126. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot, einschließlich etwaiger Varianten-, Alternativ- oder Abänderungsangebote, oder über die geplante Art der Durchführung, oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche schriftliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter erteilten schriftlichen Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen. Bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich kann von der Vorgehensweise gemäß diesem Absatz abgesehen werden.

 

(2) Die durch die erteilten Aufklärungen allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 19 Abs. 1, 101 Abs. 4, 104 Abs. 2 und 127 nicht verletzen.

 

(3) ...

 

Ausscheiden von Angeboten

 

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

 

1. ...

 

7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind;

 

8. ...

 

3.2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

 

3.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 291 BVergG zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

 

3.2.2. Gemäß § 58 Abs. 2 des am 01.01.2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetzes, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, (in der Folge kurz: "VwGVG") bleiben diesem Gesetz entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht waren, unberührt. Zu diesen Bestimmungen zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vorgeht.

 

3.2.3. Soweit im BVergG und im VwGVG nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach ersterem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

 

3.2.4. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 291 BVergG, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz gemäß § 319 Abs. 3 BVergG oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungsantrages handelt, in Senaten.

 

3.2.5. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 312 Abs. 2 BVergG bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht insbesondere zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig.

 

3.2.6. Gemäß § 320 Abs. 1 BVergG kann ein Unternehmer bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

 

3.2.7. Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind gemäß § 321 Abs. 1 BVergG bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen zehn Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung auf brieflichem Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Absendung der Entscheidung bzw. mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

 

3.2.8. Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 325 Abs. 1 BVergG eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltenden gemachten Recht verletzt, und die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

 

3.2.9. Gemäß § 28 des das das Verfahren unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts regelnden VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

 

3.2.10. Auftraggeberin des verfahrensgegenständlichen Auftrages im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Republik Österreich. Diese ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 BVergG.

 

3.2.11. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Lieferauftrag gemäß § 5 BVergG. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 180 Abs. 1 Z 1 BVergG. Es liegt demnach ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 BVergG vor.

 

3.2.12. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit den Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren ist sohin gegeben.

 

3.2.13. Da darüber hinaus das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs. 2 Z 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger gesondert anfechtbarer Entscheidungen der Auftraggeberin zuständig.

 

3.3. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages

 

3.3.1. Der Antragstellerin fehlen die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 BVergG nicht. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Vertragsabschluss durch die Beteiligung am Vergabeverfahren und den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung glaubhaft gemacht. Der drohende Schaden in dem Umfang, in dem ihn die Antragstellerin angegeben hat, ist glaubhaft. Schließlich genügt als relevanter Schaden iSd § 320 Abs. 1 Z 2 BVergG, dass die Antragstellerin an der Teilnahme an einem gesetzmäßig geführten Vergabeverfahren gehindert ist (VwGH 24. 2. 2010, 2008/04/0239, VwSlg 17.842 A/2010; uva). Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung.

 

3.3.2. Der verfahrenseinleitende Nachprüfungsantrag enthält sohin alle in § 322 Abs. 1 BVergG geforderten Inhalte. Es liegt ferner kein Grund des § 322 Abs. 2 BVergG für die Unzulässigkeit dieses Antrags vor.

 

3.4. Zu Spruchpunkt A) - Inhaltliche Beurteilung des Nachprüfungsantrags

 

3.4.1. Zur Bestandskraft der Ausschreibung

 

Festzuhalten ist zunächst, dass die Ausschreibung und alle anderen Festlegungen in diesem Vergabeverfahren nicht rechtzeitig angefochten wurden und daher bestandsfest sind (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029). Alle am Vergabeverfahren Beteiligten sind daran gebunden (stRspr zB VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065). Das Bundesverwaltungsgericht kann allfällige Rechtswidrigkeiten der bestandsfesten Vorheriger Ausschreibung Suchbegriff nicht mehr aufgreifen (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029). Das gilt auch für alle anderen Festlegungen der Auftraggeberin im Zuge des Vergabeverfahrens. Damit ist auch der Bewertungsmaßstab bestandsfest festgelegt und kann nicht mehr Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein.

 

3.4.2. Zur Frage der Auslegung des Punktes 3.1.3 des Leistungsverzeichnisses

 

3.4.2.1. Die Ausschreibung und alle anderen Festlegungen und Erklärungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (stRspr zB VwGH 18.03.2015, Ra 2015/04/0017). Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (stRspr zB VwGH 09.09.2015, Ra 2014/04/0036). Gleiches gilt für die Willenserklärungen der Bieter (stRspr zB VwGH 22.11.2011, 2006/04/0024; 27. 10. 2014, 2012/04/0066). Ihre Festlegungen sind für alle am Vergabeverfahren Beteiligten bindend (zB EuGH 22.06.1993, C-243/89, Kommission/Dänemark - Brücke über den "Storebælt" Rn 39, Slg 1993, I-3353; 02.06.2016, C-27/15, Pippo Pizzo, Rn 39 mwN; VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090). Allfällige Rechtswidrigkeiten können auch von der Vergabekontrollbehörde nicht mehr aufgegriffen werden (zB VwGH 07.11.2005, 2003/04/0135; 27.06.2007, 2005/04/0234). Die Ausschreibung ist der gegenständlichen Auftragsvergabe zugrunde zu legen (zB VwGH 07.09.2009, 2007/04/0090 mwN; 14.04.2011, 2008/04/0065).

 

3.4.2.2. Die Beurteilung der Angebote erfolgt gemäß § 123 Abs. 1 BVergG in erster Linie anhand der bestandsfesten Ausschreibung (zB EuGH 10.10.2013, C-336/12, Manova, Rn 42 mwN; 02.06.2016, C-27/15, Pippo Pizzo, Rn 36 mwN; BVwG 26.03.2014, W187 2001000-1/30E). Das über die Ausschreibung Gesagte gilt ebenso für alle anderen Festlegungen des Auftraggebers im Zuge des Vergabeverfahrens (BVwG 01.08.2014, W187 2008946-1/23E).

 

Im verfahrensgegenständlichen Fall wäre daher zunächst der objektive Erklärungswert des Punktes 3.1.3 des LVZ zu ermitteln. Für die Auslegung einer zwischen den Parteien schriftlich getroffenen Vereinbarung ist der Wortlaut maßgeblich, solange nicht behauptet und bewiesen ist, dass aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände sich ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt (RIS-Justiz RS0043422 [T6, T13]).

 

3.4.2.3. Dem Wortlaut des verfahrensgegenständlich relevanten Punktes 3.1.3 des Leistungsverzeichnisses nach ist der primäre Einsatzzweck der ausgeschriebenen Software die Überwachung von Personen in Echtzeit. Zu diesem Zweck muss es möglich sein, deren personenbezogene Daten zu verwalten und diese betreffende Zeitprofile zu administrieren. Der Begriff der "Administration" wurde ebenfalls definiert: Dies umfasst die Erstellung, Änderung und Anpassung der Zeitprofile.

 

Die Überwachung und die damit zusammenhängende Datenverarbeitung, etwa Meldungen über Abweichungen von Zeitprofilen, müssen in Echtzeit erfolgen, was deutlich macht, dass für die Auftraggeberin hier höchstmögliche Unmittelbarkeit Voraussetzung für die Eignung einer angebotenen Software ist. Allein aufgrund dieses besonderen, aus dem Wortlaut der Bestimmung hervorgehenden Erfordernisses wird deutlich, dass insbesondere bei der Administration der in Bezug auf eine überwachte Person eingegebenen Zeitprofile bei den potenziell zeitkritischen Änderungen und Anpassungen sinnvollerweise nicht abgewartet werden kann, bis ein einmal, allenfalls schon vor längerer Zeit eingegebenes Zeitprofil abgelaufen ist. Es wäre geradezu widersinnig, dass im Rahmen einer Echtzeitüberwachung anlassbedingte kurzfristige Änderungen von Zeitprofilen nicht eingegeben werden können, sodass zunächst einmal Fehler- bzw. Alarmmeldungen aufscheinen oder gar Einsatzkräfte (automatisch) mobilisiert werden.

 

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass geplante Abläufe und Ereignisse sich aus konkretem Anlass kurzfristig ändern. So kann bei einer überwachten Person etwa aufgrund einer Verletzung ein Arztbesuch notwendig werden. Auch das Verweilen an einem bestimmten Ort oder die Bewältigung einer bestimmten Wegstrecke kann länger dauern, als im - unter Umständen schon Tage zuvor eingegebenen - Zeitprofil vorgesehen. Mit der Anzahl der überwachten Personen steigt auch die Zahl der möglichen kurzfristigen Änderungen ihrer Zeitprofile. Es ist nicht davon auszugehen, dass die sie überwachenden Personen dann neben der Überwachungssoftware, so diese keine Adaption aktiver Zeitprofile zulässt, etwa händisch Listen führen, aus denen solche kurzfristigen Änderungen ersichtlich sind. Damit wäre der Sinn und Zweck der von der Auftraggeberin ausgeschriebenen Software, die eine Überwachung in Echtzeit und eine lückenlose und sofortige Dokumentation gewährleisten soll, ad absurdum geführt.

 

Allein aus dem Wortsinn des Punktes 3.1.3 des LVZ ist daher ableitbar, dass die Administration auch aktiver Zeitprofile Gegenstand der Ausschreibung war.

 

3.4.2.4. Selbst wenn der Wortsinn nicht so deutlich zu ermitteln wäre, so wäre im verfahrensgegenständlichen Fall zudem zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin aufgrund der Teilnahme an der Ausschreibung 2016 positiv Kenntnis davon hatte, dass eine von der Auftraggeberin im Zusammenhang mit elektronisch überwachtem Hausarrest ausgeschriebene Überwachungssoftware jedenfalls auch so administriert werden können muss, dass auch aktive Zeitprofile adaptiert werden können. Ein Vertragspartner muss sich Vorwissen bezüglich des Vertragsgegenstandes, insbesondere, wenn es zeitnah erlangt wurde und, wie im gegenständlichen Fall, der Umstand der Identität der Art des Leistungsgegenstandes bei der Software gegeben ist, jedenfalls zurechnen lassen. Auch bei der Beurteilung nach dem Empfängerhorizont wäre nach der Rechtsprechung das zu berücksichtigen, was dem Empfänger bekannt war und bei dem der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit erkennbar war (vgl. etwa OGH 2 Ob 533/95).

 

Die Antragstellerin musste also davon ausgehen, dass die von ihr angebotene Software auch die Administration aktiver Zeitprofile ermöglichen wird müssen. Nachdem ihr der Umstand der - ihr noch dazu mit der Rücknahme der Zuschlagsentscheidung angekündigten - Neuausschreibung der widerrufenen Ausschreibung 2016 bekannt war, hätte sie im Falle von Zweifeln in Bezug auf den diesbezüglichen Leistungsgegenstand der Ausschreibung 2017 eine entsprechende Anfrage an die Auftraggeberin richten müssen, was sie jedoch unterlassen hat. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antragstellerin die Notwendigkeit, dass bei der von ihr angebotenen Überwachungssoftware auch die Administration aktiver Zeitprofile möglich sein wird müssen, jedenfalls bekannt war bzw. bei Aufwenden auch nur der geringstmöglichen Sorgfalt bekannt hätte sein müssen.

 

3.4.2.5. Auch den Vertragsabschluss vorbereitende Erklärungen, wie die im Rahmen eines Vergabeverfahrens verwendeten Ausschreibungsunterlagen, unterliegen der allgemeinen zivilrechtlichen Auslegung nach § 914 ABGB (Heiss in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 914 Rz 10 mwN). Aber selbst bei einer Auslegung des Punktes 3.1.3 des LVZ unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB wäre für die Antragstellerin nichts gewonnen.

 

Treten nach Abschluss eines Rechtsgeschäfts Konfliktfälle zu dessen Inhalt auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden, so ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RIS-Justiz RS0017758). Als Mittel einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht.

 

Zunächst geht der eindeutige Wille der Auftraggeberin, dass die ausgeschriebene Software eine gut dokumentierte Überwachung in Echtzeit gewährleisten soll, bereits aus der oben erwähnten Bestimmung des LVZ hervor. Um dies zu gewährleisten, mussten den Gesetzen der Logik nach eine allfällige Anpassung einzelne Zeitprofile im Falle kurzfristiger Änderungen im Anlassfall möglich sein. Sonst würde die zu beschaffende Software keine Echtzeitüberwachung gewährleisten, sondern lediglich einen geplanten Ablauf und eine Abweichung davon in Form einer Alarmmeldung abbilden. Das Ergebnis kann kaum dem auch für die Antragstellerin deutlich erkennbaren Willen der Auftraggeberin entsprechen.

 

Nimmt man noch dazu unter Berücksichtigung des relevanten Marktes einen redlichen und durchschnittlich fachkundigen Erklärungsempfänger auf Seiten der Antragstellerin als Maßstab, so wird dieser aufgrund seiner Fachkenntnis zu dem Schluss kommen müssen, dass bei der geforderten Überwachung in Echtzeit eine Reaktion auf kurzfristige Änderungen von geplanten Testprofilen möglich sein wird müssen.

 

Erkenntnisquellen des Parteiwillens wären zudem auch Vorverhandlungen oder früher abgewickelte gleichartige Verträge und die dort verwendeten Dokumente (zB OGH 7 Ob 265/01 y), was, auf den gegenständlichen Fall umgelegt, wohl auch für die Ausschreibung 2016 und die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin in Bezug auf die geforderten Funktionalitäten der Überwachungssoftware gewonnenen Erkenntnisse gelten muss (siehe deren Anfragebeantwortung).

 

Auch unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB wäre Punkt

3.1.3 des LVZ daher dahingehend zu interpretieren, das von einem Bieter eine Überwachungssoftware angeboten werden muss, die unter anderem sowohl die Administration künftiger als auch der Administration "aktiver", d.h. bereits begonnener Zeitprofile beherrscht.

 

3.4.2.6. Die von der Antragstellerin im Rahmen der Ausschreibung 2017 angebotene Überwachungssoftware ermöglicht es der Auftraggeberin nicht, auch aktive Zeitprofile zu administrieren. Sie entspricht daher nicht den Ausschreibungsbedingungen. Das Angebot der Antragstellerin wurde von der Auftraggeberin daher zu Recht gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 ausgeschieden.

 

3.4.2.7. Der Nachprüfungsantrag war sohin abzuweisen.

 

3.5. Zum Antrag auf Gebührenersatz

 

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über den Ersatz der Pauschalgebühren gründet sich auf § 319 Abs. 1 BVergG 2006. Die Pauschalgebühren gemäß §§ 1 und 2 Abs. 4 BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe iVm § 318 Abs. 1 BVergG 2006 für den Antrag auf Nichtigerklärung und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Höhe von gesamt EUR 9.234,00 wurden von der Antragstellerin entrichtet.

 

Die Entscheidung über den Ersatz der Pauschalgebühren ergeht gesondert.

 

3.6. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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