BVwG W240 2239807-1

BVwGW240 2239807-113.12.2021

AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2239807.1.02

 

Spruch:

 

W240 2239805-1/12EW240 2239803-1/12EW240 2239807-1/11EW240 2239806-1/11E

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von XXXX , alle StA. Syrien, alle vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2021, Zlen 1.). 1273164604/210038741, 2.) 1273165405/210038750, 3.) 1273163705/210038784 und 4.) 1273163901/210038776 beschlossen:

 

A) Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2239805-1 ist der Vater und die Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2239803-1 ist die Mutter der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin zu W240 2239807-1 und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin zu W240 2239806-1. Alle Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer reisten am 28.12.2020 in Österreich ein und stellten am 11.01.2021 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Betreffend die Beschwerdeführer liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 10.01.2017 hinsichtlich Griechenland vor.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.01.2021 brachte der Erstbeschwerdeführer insbesondere vor, dass neben der Zweit- bis Viertbeschwerdeführerin in Österreich noch eine volljährige Tochter und ein volljähriger Sohn leben würden namens XXXX , in Deutschland lebe noch eine volljährige Tochter. Er leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern würden oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würde. Er habe geplant nach Österreich zu gelangen, weil ein nunmehr volljähriger Sohn und eine nunmehr volljährige Tochter in Österreich leben würden. Sein syrischer Reisepass sei ihm von den syrischen Behörden abgenommen worden. Er sei in Griechenland vier Jahre und drei Monate aufhältig gewesen. Er sei in Griechenland Asylberechtigter, die Unterlagen habe er in Griechenland gelassen, er habe nur seine griechische Asyl-Berechtigungskarte und den griechischen Konventionsreisepass mit. In Griechenland habe er ebenso wie seine Familie kein Essen und keine medizinische Versorgung erhalten. Es habe keine Menschlichkeit und Gerechtigkeit in Griechenland gegeben. Nach seinem Aufenthalt in Griechenland ab 14.10.2016 bis 28.12.2020 sei er mit der Familie mit dem Flugzeug nach Wien geflohen. Er wolle in Österreich bleiben, weil zwei seiner volljährigen Kinder in Österreich seien.

Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 11.01.2021 gleichlautende Angaben wie ihr Ehemann und brachte im Wesentlichen vor, sie würde an keinen Krankheiten oder Beschwerden leiden, welche sie an der Einvernahme hindern würden, sie könnte der Einvernahme ohne Probleme folgen. Sie habe den Herkunftsstaat im Jahr 2012 illegal verlassen und wäre über die Türkei und Griechenland nach Österreich gereist. In Griechenland habe sie sich mit ihren Familienangehörigen vier Jahre und drei Monate aufgehalten. Sie habe in Griechenland einen Asylantrag gestellt und es sei ihr in Griechenland der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Mit dem Flugzeug sei sie am 28.12.2020 zusammen mit ihrem Ehemann und den beiden minderjährigen Töchtern nach Österreich gereist. In Österreich würden sich zwei weitere volljährige Kinder namens XXXX aufhalten.

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 28.01.2021 die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA. Dabei erklärte, dass er damit einverstanden sei, dass die Zweitbeschwerdeführerin für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer spreche. Das Sorgerecht hätten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam. Er gab an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er nehme Medikamente gegen erhöhten Blutdruck und habe aufgrund eines Bandscheibenvorfalls vor fünf oder sechs Jahren Probleme mit den Bandscheiben. In Griechenland sei er bei einem Arzt in Behandlung gewesen, einen Folgebehandlungstermin habe er trotz Nachfrage nie bekommen. In Österreich sei er nicht bei einem Arzt gewesen. Seine Angaben im Zuge der Erstbefragung hätten der Wahrheit entsprochen und er wolle nichts korrigieren. Eine seiner Töchter lebe in Berlin, in Österreich würden seit zwei Jahren eine weitere Tochter und seit fünf Jahren ein Sohn leben. Beide seien anerkannte Flüchtlinge. Persönlich habe er seine Kinder seit der Ankunft in Österreich noch nicht getroffen. Kontakt habe er ein- bis zweimal pro Woche telefonisch gehalten. Sein Sohn habe die Beschwerdeführer finanziell überstützt bevor sie nach Österreich gekommen seien. Die Beschwerdeführer seien nicht von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer bzw. von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder einer gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen. Nach Vorhalt, dass die Beschwerdeführer in Griechenland anerkannte Flüchtlinge seien und beabsichtig werde sie dorthin zu überstellen, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er lieber hier sterbe, als nach Griechenland zurückzugehen. Die Beschwerdeführer seien gezwungen worden, ihre Fingerabdrücke abzugeben, andernfalls hätte man sie in die Türkei geschickt. In Griechenland hätten sie sich vier Jahre und drei Monate aufgehalten und auf eine Gelegenheit gewartet nach Österreich zu kommen. Sie hätten zwei Jahre auf Ausweise gewartet. Er habe in Griechenland nicht versucht Arbeit zu finden, da er wegen seines Rückens nicht arbeiten könne und sie gleich nach Erhalt ihrer Ausweise das Land verlassen hätten. Das Camp in Griechenland sei abgebrannt, wobei den Beschwerdeführern nichts passiert sei. Darüber hinaus sei es zu keinen den Erstbeschwerdeführer persönlich betreffenden Vorfällen gekommen. Nach Österreich seien die Beschwerdeführer gereist, da hier zwei Kinder des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin leben würden. Zu dem Länderinformationsblatt gab der Erstbeschwerdeführer an, dass Flüchtlinge in Griechenland wie Tiere behandelt werden würden. Nach der Zuerkennung des Asylstatus habe sich die Lage nicht verbessert. Als er einmal ohnmächtig geworden sei, habe sich niemand um ihn gekümmert und die gerufene Rettung sei nie gekommen.

Betreffend den BF1 wurden folgende Unterlagen zusammen mit Bestätigungen über den Flug am 28.12.2020 nach Österreich vorgelegt (AS 23ff im Akt der BF1):

− syrische ID-Card

− griechischer Aufenthaltstitel, gültig bis XXXX .2023,

− griechischer Konventionspass, gültig ab XXXX 2020 bis XXXX 2025,

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 28.01.2021 die niederschriftliche Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA. Dabei gab sie an, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie sei die Mutter der Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, spreche für diese und habe das Sorgerecht gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer. Sie leide seit fünf Jahren an Rheuma, nehme deshalb Cortison und Vitamine und sei in Griechenland bei einem Privatarzt in Behandlung gewesen. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen seien gesund und würden keine Medikamente benötigen. Ihre im Zuge der Erstbefragung vom 11.01.2021 getätigten Angaben würden der Wahrheit entsprechen, Korrekturen wolle sie keine vornehmen. Zwei ihrer Brüder würden in der Schweiz und eine Tochter in Deutschland leben. In Österreich würden seit 2015 ein Sohn und seit etwa zwei Jahren eine Tochter der Zweitbeschwerdeführerin leben. In Österreich hätte sie ihre im Bundesgebiet lebende Tochter und ihr Sohn jeweils einmal getroffen. Ihr Sohn hätte die Beschwerdeführer, bevor sie nach Österreich kamen, finanziell mit EUR 100 bis EUR 300 unterstützt. Die Beschwerdeführer seien in Österreich nicht von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer bzw. von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder einer gerichtlichen Verfügung betroffen gewesen. Nach Vorhalt, dass die Beschwerdeführer in Griechenland anerkannte Flüchtlinge seien und beabsichtigt werde sie dorthin zu überstellen, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie wegen ihrer Kinder hier sei. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen hätten in Griechenland keine Zukunft. Die Beschwerdeführer hätten sich vier Jahre und drei Monate in Griechenland aufgehalten und seien nicht früher nach Österreich gekommen, da sie lange auf ihre Pässe warten mussten. Das Geld für die Reise nach Österreich hätten sie sich zum Teil geliehen und zum Teil von Verwandten aus Syrien erhalten. Sie konkret betreffende Vorfälle habe es nicht gegeben. In Griechenland seien sie immer staatlich untergebracht gewesen. Sie wolle nun bei ihren Kindern bleiben.

Betreffend die BF2 wurden folgende Unterlagen vorgelegt (AS 23ff und AS 105ff im Akt der BF2):

− syrische ID-Card

− griechischer Aufenthaltstitel, gültig bis XXXX .2023,

− griechischer Konventionspass, gültig ab XXXX 2020 bis XXXX 2025,

− medizinische Unterlagen aus Griechenland samt Internetrecherche zum Medikament Prezolon, mit dem Wirkstoff Prenisolon (Wirkstoff hat hauptsächlich entzündungshemmende, antiallergische und Immunsuppressive Eigenschaften) und zum Medikament Filicine, 5 mg, mit dem Wirkstoff Folsäure (essentiell für die Syntheses von DNA und die Funktion des Zellkerns).

Zusammen mit den Dokumenten betreffend die volljährigen Beschwerdeführer wurde auch die Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung samt mündlicher Verkündung des Asylstatus betreffend den volljährigen Sohn XXXX vom XXXX .2018 zu W224 2144164-1 übermittelt (AS 117f im Akt der BF2). Der volljährige Sohn gab im Rahmen der Beschwerdeverhandlung insbesondere auch an, dass seine Familie in Griechenland sei und seine Großeltern in Syrien, zu diesen habe er keinen Kontakt. Konkret sei eine Schwester des Beschwerdeführers in Deutschland, wo diese mit ihrem Ehemann lebe, seine Eltern und drei seiner Schwestern würden in Griechenland, auf der Insel XXXX leben. Dort erhalte die Familie Unterstützung von einer deutschen Organisation, es sei ein Haus für die Familie gemietet worden und die Familie habe um Asyl angesucht.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 08.02.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzubegeben haben (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Griechenland traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

 

Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros, Rhodos und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei, wird bei Personen, die nach dem 20. März 2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. (Für zusätzliche Informationen siehe Abschnitt 6.2 Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)). Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2019; für ausführliche Informationen zum Asylverfahren siehe folgende Quellen: AIDA 3.2019; vgl. MCP o.D.a; MCP o.D.b; USDOS 13.3.2019).

 

2019 gab es in Griechenland bis 30. Juni 30.443 Asylanträge (VB 21.8.2019).

 

Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren und Personal; der unhygienischen Zustände; der Überbelegung; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Inhaftierung in überfüllten Reception and Identification Centres (RIC) (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; UNHCR 4.2019).

 

Berichten zufolge wendet Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks an, besonders beim Fluss Evros, der die natürliche Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet, um Migranten vom griechischen Territorium fernzuhalten. Berichte verweisen auf die systematische Gewaltanwendung durch Strafverfolgungsbehörden im Grenzgebiet Evros, gefolgt von illegaler Abschiebung von Personen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können (GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019; AIDA 3.2019; DZ 24.3.2019). In diesem Zusammenhang wurde keine ordnungsgemäße offizielle Untersuchung eingeleitet. Eine vom Ombudsmann eingeleitete Untersuchung von Amts wegen vom Jahr 2017 ist immer noch nicht abgeschlossen (AIDA 3.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es gibt auch Berichte über Push-Backs, Gewalt, Diebstähle und Misshandlung durch uniformierte und maskierte Truppen ohne erkennbare Insignien (CoE-PACE 8.6.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es kommt zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge, Migranten und deren Verteidiger. Auf den Inseln nimmt die fremdenfeindliche Rhetorik in den lokalen Gemeinschaften zu. Eine Polizeistatistik vom März 2018 zeigt einen deutlichen Anstieg an Hassverbrechen im Vergleich zum Vorjahr (UNHCR 21.3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; EK 7.9.2018; BPB 30.3.2019).

 

Seit Mai 2019 verzeichnet Griechenland einen unerwarteten Anstieg von Geflüchteten, die aus der Türkei eingereist sind (DZ 9.8.2019). Einem Bericht vom Juli 2019 zufolge waren die Kapazitäten in den Hotspots erneut auf Rekordniveau, die Ankünfte überstiegen die Transfers auf das Festland mehrere Wochen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem ausgelastete Kapazitäten am Festland und mangelnde Rückführungen in die Türkei (VB 23.7.2019). Mit 29. August 2019 betrug die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten auf den Inseln 24.672, der höchste Stand seit drei Jahren. Schließlich wurde am 31. August 2019 die Entlastung der Inseln durch Transfers der Betroffenen in bereits bestehende Unterkünfte auf dem Festland entschieden. Am 2. September 2019 begann der Transfer von 1.500 Migranten aus Lesbos zum Lager Nea Kavala im Norden Griechenlands (ÖB 2.9.2019; vgl. NCCBCIA 30.8.2019; EK 30.8.2019; UNHCR 26.8.2019). Die Rückführung in die Türkei auf der Basis des Sicherer-Drittstaat-Prinzips kann nur von den Inseln aus stattfinden. Die Rücknahmeverpflichtung der Türkei endet, wenn Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt werden (DS 4.9.2019; vgl. DW 2.9.2019).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (20.3.2019): Current Developments in Greece‘s Refugee and Asylum Policy, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/287927/current-developments-in-greece-s-refugee-and-asylum-policy , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],

https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx , Zugriff 26.9.2019

- DS – Der Standard (4.9.2019): Ausschreitungen in überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, https://www.derstandard.at/story/2000108241874/ausschreitungen-in-ueberfuelltem-fluechtlingslager-auf-lesbos , Zugriff 26.9.2019

- DW – Deutsche Welle (2.9.2019): Griechenland verlegt über tausend Flüchtlinge, https://www.dw.com/de/griechenland-verlegt-%C3%Bcber-tausend-fl%C3%Bcchtlinge/a-50261110 , Zugriff 26.9.2019

- DZ – Die Zeit (9.8.2019): Griechenland will Migranten schneller in die Türkei abschieben, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration , Zugriff 26.9.2019

- DZ – Die Zeit (24.3.2019): Im Freien gefangen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-tuerkei-abkommen-griechenland-gefluechtete-fluechtlingslager , Zugriff 26.9.2019

- EK – Ekathimerini (30.8.2019): Greece sees first mass arrival of migrant boats in three years, http://www.ekathimerini.com/244080/article/ekathimerini/news/greece-sees-first-mass-arrival-of-migrant-boats-in-three-years , Zugriff 26.9.2019

- EK – Ekathimerini (7.9.2018): Two migrant teens attacked in northern Greece, NGO reports, http://www.ekathimerini.com/232394/article/ekathimerini/news/two-migrant-teens-attacked-in-northern-greece-ngo-reports , Zugriff 26.9.2019

- GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor) (6.2019): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece,

https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf , Zugriff 26.9.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html , Zugriff 26.9.2019

- MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.a): Applying for asylum, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=62 , Zugriff 26.9.2019

- MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.b): Asylum in Greece, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=103 , Zugriff 26.9.2019

- NCCBCIA – National Coordination Center for Border Control, Immigration and Asylum (30.8.2019): National Situational Picture Regarding the Islands at Eastern Aegean Sea (29/8/2019), https://infocrisis.gov.gr/5593/national-situational-picture-regarding-the-islands-at-eastern-aegean-sea-29-8-2019/?lang=en , Zugriff 26.9.2019

- ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (2.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (26.8.2019): Aegean Islands – Weekly Snapshot 19-25 August 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71021 , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (21.3.2019): Refugees in Greece still exposed to racist violence, https://www.unhcr.org/gr/en/11282-refugees-in-greece-still-exposed-to-racist-violence.html , Zugriff 26.9.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html , Zugriff 26.9.2019

- VB des BM.I Griechenland (21.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail

- VB des BM.I Griechenland (23.7.2019): Bericht des VB, per E-Mail

 

Aktuelle Entwicklungen des griechischen Asylgesetzes (seit Ende 2019)

Letzte Änderung: 19.3.2020

 

Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit eine Verschärfung des Asylgesetzes beschlossen. Die weitreichende Asylgesetzgebung soll ab Anfang 2020 gültig sein. Einige der wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst:

- Verfahren in 5 Stufen: 1.) Information 2.) Aufenthalt in Aufnahmezentren 3.) Registrierung und medizinische Kontrolle (Vulnerabilität führt zu prioritärem Verfahren, hat aber keine substanzielle Auswirkung auf den Asylantrag) 4.) „neues Asylverfahren“ 5.) Beförderung entweder auf das Festland (vulnerable Personen) oder in Rückführungszentren.

- Aufnahmephase: Bei Nichtbeachtung von Überstellungsentscheidungen erfolgt eine automatische Zuweisung ins Rückführungsverfahren; der Antrag wird innerhalb von drei Tagen abgewickelt; ebenso gilt dies bei einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln in den Hotspots.

- Verfahrensdauer: Laut dem neuen Gesetz beträgt das reguläre Asylverfahren 6 Monate (+ 3 Monate bei Massenzustrom), das beschleunigte Verfahren 20 Tage (+ 10 Tage bei Massenzustrom) und das Schnellverfahren (Fast-Track) auf den Inseln 7 Tage. Folgeanträge werden innerhalb von 5 Tagen geprüft.

- Subsidiärer Schutz: Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis bei Gewährung von subsidiären Schutz wurde von drei Jahren auf ein Jahr gekürzt.

- Beschwerdefristen: Zukünftig betragen die Beschwerdefristen beim regulären Asylverfahren 3 Monate, beim beschleunigten Verfahren 40 Tage, bei Unzulässigkeit 30 Tage, bei Beschwerden von Inhaftierten 20 Tage.

- Zugang zu Beschäftigung wird erst nach 6 Monaten nach Einbringung des Asylantrags gewährt.

- Haft: Das Gesetz sieht vor, dass Flüchtlinge „ausnahmsweise und aus bestimmten Gründen“ für 50 Tage in Haft gehalten werden können, die verlängert werden kann, aber nicht länger als 18 Monate dauern darf.

- Aufenthaltsrecht: Ein Aufenthaltsrecht in Griechenland besteht nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der ersten Beschwerdeinstanz, ein Verfahren in der zweiten Instanz hat keine aufschiebende Wirkung für die Rückführung.

- Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses: Im bisherigen System setzten sich die Beschwerdeausschüsse für abgelehnte Asylwerber aus zwei griechischen Richtern und einem vom UNHCR ausgebildeten unabhängigen Sachverständigen im Flüchtlingsrecht zusammen. Die Ausschüsse sollen zukünftig aus drei Verwaltungsrichtern bestehen. Weiters kann eine Einzelrichterkonstellation beispielsweise für beschleunigte Verfahren angewendet werden.

- Unbegleitete Minderjährige/Vulnerable: Das neue Gesetz sieht vor, dass das beschleunigte Verfahren auf unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen angewendet werden kann. Es gibt Änderungen bei der Definition der Familienangehörige, die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung bedeuten können. Weiters wurde das Vulnerabilitätskriterium Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (inklusive Überlebende von Schiffsbrüchen) gestrichen.

- Zugang zu medizinischer Versorgung: Ab 2020 werden Asylwerber nur noch Zugang zur Notfallversorgung haben.

- Unterbringung: Die neue Regelung sieht vor, dass anerkannte Flüchtlinge gezwungen werden, ihre Unterkunft innerhalb von zwei Monaten statt den bisherigen sechs Monaten nach Schutzgewährung zu verlassen.

- Verpflichtung der Bewerber zu persönlicher Vorsprache bei jedem Schritt des Asylverfahrens: so soll sicherstellen, dass sich der Asylwerber in der zugewiesenen Region aufhält.

- NGOs: die am System beteiligten NGOs müssen künftig eine Zertifizierung besitzen (ÖB 23.10.2019a; vgl. AI 24.10.2019; DZ 1.11.2019; EK 22.10.2019; GGHR 1.11.2019; ECRE 31.10.2019; HRW 29.10.2019; TNH 4.11.2019; UNHCR 24.10.2019; MoCP 11.11.2019).

1. UNHCR, der Ombudsmann, die Nationale Menschenrechtskommission, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Athener Anwaltskammer zeigten sich tief besorgt über das Ziel der Gesetze, über die Vereinbarkeit ihrer Bestimmungen mit dem nationalen und internationalen Recht und den Verwaltungsdruck, den die Gesetze auf die Asylbehörden ausüben können. Oppositionsparteien (SYRZIA, KINAL, KKE) äußerten bei den Diskussionen im Parlamentsausschuss am 29.10.2019 ähnliche Bedenken (ECRE 31.10.2019; vgl. ÖB 23.10.2019a; ÖB 23.10.2019b; BI 1.11.2019; HRW 29.10.2019; UNHCR 24.10.2019).

2. Die Opposition sowie NGOs hatten auch Kritik an der Begutachtungsfrist geübt, die mit vier Arbeitstagen sehr kurz bemessen war. Die kurze Frist zur öffentlichen Konsultation des Gesetzesentwurfs wurde von der Nationalen Kommission für Menschenrechte ebenfalls kritisiert, die die Regierung in Menschenrechtsfragen berät (ÖB 23.10.2019a; vgl. UNHCR 24.10.2019).

 

Kommentar der Staatendokumentation: Die weiteren praktischen Auswirkungen ab 1.1.2020 werden beobachtet und es wird gegebenenfalls mittels KI reagiert.

 

Die griechische Regierung hat als Reaktion auf die aktuelle Lage an der griechisch-türkischen Grenze am 2. März 2020 ein Notstandsgesetz erlassen. Gemäß den neusten Bestimmungen wird die Registrierung von Asylanträgen irregulär eingereister Personen ab dem 1. März 2020 voraussichtlich für einen Monat ausgesetzt (ELENA 6.3.2020; vgl. FIDH 5.3.2020; DS 1.3.2020). Darüber hinaus sieht das Gesetz die sofortige Rückkehr irregulär eingereister Personen in ihr Herkunftsland oder in ein Transitland vor, wenn es möglich ist (dabei ist es jedoch noch unklar, wie die Aussage „wenn es möglich ist“ von den griechischen Behörden interpretiert wird) (AI 2.3.2020; vgl. FIDH 10.3.2020). Zudem soll die illegale Einreise scharf sanktioniert werden (PA 4.3.2020). Berichten zufolge haben beispielsweise die Gerichte bereits Haftstrafen für Personen verhängt, welche die Grenze ohne Papiere überquert haben und zwar unter Umständen, die, so die Kritik, die Möglichkeit auf ein faires Verfahren mit einer ordnungsgemäßen Abwicklung, ausschlossen (HRW 4.3.2020; vgl. HRW 10.3.2020).

Eine weitere Reaktionsmaßnahme der griechischen Regierung war die Entsendung von Polizei, Armee und Spezialkräften an die Grenzen, die Durchführung von Militärübungen mit scharfer Munition in der Nähe der Landesgrenze des Evros und der Ägäis, und das Ansuchen um verstärkte Unterstützung bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) (HRW 4.3.2020; vgl. AI 2.3.2020).

Die Europäische Union (EU) stellte sich angesichts der Lage an der griechisch-türkischen Grenze demonstrativ hinter die griechische Regierung. Demnach hieß es in der Erklärung, auf die sich die Minister der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem Sondertreffen einigten, dass illegale Grenzübertritte nicht toleriert werden (DST 5.3.2020; vgl. FAZ 5.3.2020).

 

Die Maßnahmen der griechischen Behörden gegen zunehmende Ankünfte von Migranten über Land und Meer wurden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und NGOs stark kritisiert (FIDH 10.3.2020; vgl. AI 2.3.2020; DW 3.3.2020; PA 4.3.2020; HRW 4.3.2020; BBC 9.3.2020; FIDH 5.3.2020).

Quellen:

- AI – Amnesty International (24.10.2019): Amnesty International Submission on the proposed changes to the Greek Law on International Protection [EUR 25/1280/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2018926/EUR2512802019ENGLISH.PDF , Zugriff 19.12.2019

- AI – Amnesty International (2.3.2020): Greece: Inhumane asylum measures will put lives at risk, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025631.html , Zugriff 18.3.2020

- BBC News (9.3.2020): EU to take in some child migrants stuck in Greece, https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-51799470 , Zugriff 18.3.2020

- BI – Balkan Insight (1.11.2019): Tougher Greek Asylum Law Criticised by Rights Groups, https://balkaninsight.com/2019/11/01/tougher-greek-asylum-laws-criticised-by-rights-groups/ , Zugriff 19.12.2019

- DS – Der Spiegel (1.3.2020): Griechenland setzt Asylrecht für einen Monat aus, https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-griechenland-setzt-asylrecht-fuer-einen-monat-aus-a-14421c7e-80da-43d7-976c-9d00cae92127 , Zugriff 18.3.2020

- DST – Der Standard (5.3.2020): Neuer EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei in Arbeit, https://www.derstandard.at/story/2000115347037/neuer-eu-fluechtlingepakt-mit-der-tuerkei-in-arbeit , Zugriff

- DW – Deutsche Welle (3.3.2020): Wie Empörung in blinde Wut umschlägt, https://www.dw.com/de/wie-emp%C3%B6rung-in-blinde-wut-umschl%C3%A4gt/a-52619223 , Zugriff 18.3.2020

- DZ – Die Zeit (1.11.2019): Griechisches Parlament verschräft Asylgesetz, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/kyriakoks-mitsotakis-griechenland-asylgesetz-verschaerfung , Zugriff 19.12.2019

- ECRE – European Council on Refugees and Exiles (31.10.2019): Greece: New Restrictions on Rights and Procedural Guarantees in International Protection Bill*, https://www.ecre.org/greece-new-restrictions-on-rights-and-procedural-guarantees-in-international-protection-bill/ , Zugriff 19.12.2019

- EK – Ekathimerini (22.10.2019): Asylum bill faces criticism by human rights organizations, http://www.ekathimerini.com/245728/article/ekathimerini/news/asylum-bill-faces-criticism-by-human-rights-organizations , Zugriff 19.12.2019

- ELENA – European Legal Network on Asylum (6.3.2020): Weekly Legal Update, https://mailchi.mp/ecre/elena-weekly-legal-update-6-march-2020?e=989a4aebdd#11 , Zugriff 18.3.2020

- FAZ – Frankfurter Allgemeine (5.3.2020): Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-bekraeftigt-ihre-entschlossenheit-zum-schutz-der-aussengrenzen-16664531.html , Zugriff 18.3.2020

- FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), ActionAid Hellas; ActionAid International; ActionAid Italia, et al. (Autor) (10.3.2020): Refugees Crisis - Protect our laws and humanity!, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/refugees-crisis-protect-our-laws-and-humanity , Zugriff 18.3.2020

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- GGHR – Government Gazette of the Hellenic Republic (1.11.2019): Law No 4636 On International Protection and other provisions, per E-Mail via ÖB Athen

- HRW – Human Rights Watch (10.3.2020): Greece/EU: Allow New Arrivals to Claim Asylum, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026151.html , Zugriff 18.3.2020

- HRW – Human Rights Watch (4.3.2020): Greece/EU: Respect Rights, Ease Suffering at Borders, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025901.html , Zugriff 18.3.2020

- HRW – Human Rights Watch (29.10.2019): Greece: Asylum Overhaul Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019174.html , Zugriff 19.12.2019

- MoCP – Hellenic Republic Ministry of Citizen Protection (11.11.2019): Overview of Law 4636/2019 on International Protection, Bericht via VB, per E-Mail

- ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019a), Bericht der ÖB, per E-mail

- ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019b), Bericht der ÖB, per E-mail

- PA – Pro Asyl (4.3.2020): Die griechisch-türkische Grenze darf nicht zur menschenrechtsfreien Zone werden!, https://www.proasyl.de/news/die-griechisch-tuerkische-grenze-darf-nicht-zur-menschenrechtsfreien-zone-werden/ , Zugriff 18.3.2020

- TNH – The New Humanitarian (4.11.2019): Briefing: How will Greece’s new asylum law affect refugees?, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2019/11/04/Greece-new-asylum-law-refugees , Zugriff 19.12.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (24.10.2019): UNHCR urges Greece to strenghten safeguards in draft asylum law, https://www.unhcr.org/gr/en/13170-unhcr-urges-greece-to-strengthen-safeguards-in-draft-asylum-law.html , Zugriff 19.12.2019

Vulnerable

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Vulnerable

Vulnerable Gruppen werden von den griechischen Gesetzen sehr großzügig definiert. Sie umfassen unbegleitete Minderjährige (UM), Behinderte oder unheilbar Kranke, Alte, Schwangere, Wöchnerinnen, alleinstehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt sowie Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Opfer von Menschenhandel (AIDA 3.2019).

 

Für Vulnerable sind bestimmte Verfahrensgarantien festgelegt, die Berichten zufolge aber nicht immer eingehalten werden (AIDA 3.2019).

 

In Athen werden Vulnerable an das Center for Reception and Solidarity der Gemeinde Athen in Frourarchion verwiesen. 2018 wurden dort 2.318 Asylanträge registriert. Die Weiterleitung von schutzbedürftigen Personen nach Frourarchion zwecks Registrierung erfolgt über NGOs oder andere Stellen. Bei der Registrierung in Frourarchion kann es jedoch aus Kapazitätsgründen zu Verzögerungen kommen. Wenn im Verfahren der Verdacht auf Vulnerabilität aufkommt, ist eine medizinische/psychologische Prüfung zu veranlassen. Derzeit gibt es keine öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die auf die Identifizierung oder Unterstützung von Folteropfern in ihrem Rehabilitationsprozess spezialisiert sind. Daher müssen NGOs das übernehmen. In Athen können Opfer von Folter zur Identifikation an die NGO Metadrasi verwiesen werden. Dies ist angesichts der nicht immer gesicherten Finanzierung der NGOs problematisch. Die NGOs Greek Council for Refugees und das Tageszentrum Babel (“Prometheus" project – Rehabilitation Unit for Victims of Torture) bieten in Kooperation mit Ärzte ohne Grenze (MSF) Rehabilitationsmaßnahmen an – ebenso mit unsicherer Finanzierungslage (AIDA 3.2019).

 

Die eingeschränkte Verfügbarkeit und der Zustand der öffentlichen Einrichtungen für psychisch Kranke sind laut UNHCR ein besonderes Problem. Öffentliche Einrichtungen und Kliniken, die psychisch erkrankte Flüchtlinge und Migranten in Athen versorgen, haben ebenso wie NGOs (z.B. Babel und ESTIA) Wartelisten von mehreren Monaten. Sogar für dringende Fälle wie Überlebende von Schiffbrüchen oder Folteropfer, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, beträgt die Wartezeit für den ersten Termin bei der NGO Babel vier Monate (Pro Asyl/RSA 8.2018).

 

Vulnerable fallen nicht unter das Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln – ihre Anträge gelten als zulässig. Die Identifikation von gefährdeten Personen im Zusammenhang mit dem Fast-Track-Grenzverfahren auf den Inseln erfolgt entweder vom griechischen Reception and Identification Service (RIS) vor der Registrierung des Asylantrags oder während des Asylverfahrens (AIDA 3.2019).

 

Seit Mitte 2017 werden medizinische und psychosoziale Untersuchungen im Rahmen des Aufnahme- und Identifikationsverfahrens durch das Centre of Disease Control and Prevention (KEELPNO), eine öffentliche Einrichtung des Gesundheitsministeriums, durchgeführt. Das medizinische Team von KEELPNO stellt ein Gutachten über den Grad der Vulnerabilität („high“ oder „medium“) aus, das zum Teil des Asylantrags wird. Wenn Personen als besonders („high) gefährdet eingestuft werden, werden sie von KEELPNO an ein öffentliches Krankenhaus oder einen Facharzt verweisen oder wenn es möglich ist, auf das Festland gebracht. Im Falle einer mittleren („medium“) Vulnerabilität können die Betroffenen außerhalb des Aufnahme- und Identifikationszentrums untergebracht werden, wo die Bedingungen möglicherweise besser sind. 2018 kam es aufgrund der Unterbesetzung der KEELPNO-Einheiten zu erheblichen Verzögerungen bei der Identifikation von Vulnerabilität bei Neuankömmlingen auf den Inseln. Laut GCR führten diese Verzögerungen und die zeitweise dysfunktionalen Identifikationsverfahren dazu, dass eine bedeutende Anzahl von Asylverfahren eingeleitet wurde, ohne die Betroffenen auf Vulnerabilität zu prüfen. Somit wurde ein systematisches Versagen bei der Identifikation und beim Schutz gefährdeter Personen, insbesondere auf den Inseln, festgestellt (AIDA 3.2019; vgl. Oxfam 9.1.2019; RI o.D.a; RI o.D.b).

 

Das Gesetz sieht vor, dass Personen während des Fast-Track-Grenzverfahrens bei Verdacht auf Vulnerabilität zu jedem Zeitpunkt an die medizinische und psychosoziale Einheit des RIC verwiesen werden können. Trotz dieser Bestimmungen kann es aufgrund des Mangels an medizinischer und psychosozialer Versorgung äußerst kompliziert und manchmal unmöglich sein, dass Asylwerber während des Verfahrens erneut auf Vulnerabilität geprüft werden. Infolgedessen kommen Hinweise auf Verwundbarkeit oft während den von EASO-Mitarbeitern geführten Interviews zur Zulässigkeit zum Vorschein, die de facto eine entscheidende Rolle bei der Identifikation und Bestimmung von Vulnerabilität und damit bei der Sicherstellung von Verfahrensgarantien spielen. Die Identifikationsmechanismen für Vulnerabilität durch EASO sind jedoch in keiner Weise im griechischen Gesetz klar geregelt, sondern durch interne Standard Operating Procedures von EASO, von denen unklar ist, ob sie sich nach den einschlägigen nationalen gesetzlichen Bestimmungen richten. Darüber hinaus wurden Bedenken hinsichtlich der Identifikationsmechanismen durch EASO geäußert. Eine im Jahr 2018 veröffentlichte Analyse stellte fest, dass von 40 untersuchten Fällen, 33 zu Unrecht nicht als vulnerabel eingestuft wurden, obwohl sie einer Überprüfung auf Vulnerabilität durch einen EASO-Experten unterzogen wurden. Schließlich haben EASO-Experten keinen direkten Zugang zum Antragsteller. Die Identifikation auf Verwundbarkeit erfolgt auf der Grundlage der Dokumente im Akt des Antragstellers (AIDA 3.2019).

 

Vulnerable Gruppen (ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile mit Kindern, Folteropfer, Opfer von Schiffbrüchen und unbegleitete Minderjährige) kommen für die Rückkehr in die Türkei nicht infrage, sondern müssen auf das griechische Festland gebracht werden, wenn ihr Verfahren in die sogenannte regular procedure übernommen wird. Auf dem Festland werden diese vulnerablen Fälle dann üblicherweise UNHCR zur Unterbringung übergeben, oder in staatlicher Unterbringung versorgt, oder sie bringen sich auf eigene Faust unter. Jedoch sind viele Vulnerable weiterhin auf den Inseln, auch unbegleitete Minderjährige, ohne dass ihre Bedürfnisse besonders beachtet würden (EP 5.2017).

 

Im Rahmen des Aufnahme- und Identifikationsverfahrens (Reception and Identification Procedure – RIC) sollen vulnerable Antragssteller vom Leiter des RIC an die zuständige Einrichtung für Sozialbetreuung und -schutz verwiesen werden. Engpässe bei der Identifikation von Vulnerabilität sowie kritischer Mangel an Aufnahmeplätzen auf den Inseln hindern gefährdete Personen daran, die speziellen Aufnahmebedingungen zu genießen. Dies könnte auf dem Festland ebenfalls der Fall sein, da die Kapazitäten der Einrichtungen des National Centre for Social Solidarity (EKKA) begrenzt sind; da es keinen klaren Überweisungsweg zum Zugang zu temporären Camps gibt und weil die Aufnahmebedingungen in vielen der Camps schlecht sind. Darüber hinaus kann die hohe Auslastungsquote der durch das UNHCR-Programm zur Verfügung gestellten Aufnahmeplätzen dazu führen, dass neu ankommenden schutzbedürftigen Familien und Einzelpersonen keinen Zugang zu dieser Art von Unterkunft haben (AIDA 3.2019; vgl. UNHCR 27.12.2018). Im Camp Moria auf Lesbos führt das komplizierte und sich ständig ändernde Verfahren zur Klassifizierung von Vulnerabilität zu Verwirrung und Verzögerungen; es herrscht Mangel an qualifiziertem Personal wie Ärzte und Psychologen; vulnerable Personengruppen, wie Opfer von Folter und sexueller Gewalt, werden in unsicheren Teilen Camps untergebracht; Schwangere und Mütter mit Neugeborenen werden auch im Winter in Zelten untergebracht, (Oxfam 9.1.2019).

 

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of migrants and refugees on the Greek islands: more needs to be done [Doc. 14837], https://www.ecoi.net/en/file/local/2004109/pdf.aspx , Zugriff 26.9.2019

- EKKA – National Center for Social Solidarity (31.8.2019): Situation Update: Unaccompanied Children (UAC) in Greece, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71285 , Zugriff 26.9.2019

- EP – Europäisches Parlament (5.2017): International Protection in Greece; Background information for the LIBE Committee delegation to Greece 22-25 May 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1497249698_ipol-stu-2017-583145-en.pdf , Zugriff 26.9.2019

- Oxfam (9.1.2019): Vulnerable and abandoned, https://www-cdn.oxfam.org/s3fs-public/file_attachments/2019-01_greece_media_briefing_final.pdf , Zugriff 26.9.2019

- Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- RI – Refugee Info (o.D.a): Vulnerability Assessment on the Greek Islands, https://www.refugee.info/greece/islands-asylum-information —greece/vulnerability-assessment-on-the-greek-islands?language=en, Zugriff 26.9.2019

- RI – Refugee Info (o.D.b): Asylum in Greece, https://www.refugee.info/greece/mainland-asylum-information —greece/asylum-in-greece-overview?language=en, Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (27.12.2018): Thousands of asylum-seekers moved off Greek islands, https://www.unhcr.org/news/latest/2018/12/5c24d1524/thousands-asylum-seekers-moved-greek-islands.html , Zugriff 26.9.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html , Zugriff 26.9.2019

Versorgung

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Das Gesetz sieht vor, dass die Bereitstellung der Aufnahmebedingungen für Asylwerber durch die zuständige Behörde in Zusammenarbeit mit den gegebenenfalls zuständigen Regierungsstellen, internationalen Organisationen und zugelassenen gesellschaftlichen Akteuren gewährleistet wird. Die materiellen Aufnahmebedingungen sind unter anderem von den verfügbaren materiellen Ressourcen der Betroffenen abhängig. Unter bestimmten Umständen kann die materielle Versorgung auch gekürzt oder gestrichen werden. In der Praxis sind Asylwerber auf den Inseln von gewissen Aufnahmebedingungen ausgeschlossen. Dies gilt auch für Asylwerber, die sich in Haftanstalten befinden. Die materielle Versorgung wird entweder in Form von Sachleistungen oder als Geldleistungen erbracht. Im Rahmen der sogenannten Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) unter der Leitung von UNHCR, finanziert von der Europäischen Kommission, werden mittels einer speziellen Karte vorab festgelegte monatliche Bargeldzuwendungen (Cash-Card-Programm) für Flüchtlinge und Asylwerber ausbezahlt. Dies bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Grundbedarf selbst zu decken, wodurch sie auch die lokale Wirtschaft unterstützen (AIDA 3.2019; vgl. EK 2.4.2018; EK 20.12.2018). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Der Auszahlungsbetrag liegt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2018; vgl. UNHCR 7.2019). Antragsteller dürfen in Griechenland arbeiten, sobald sie über die dazu notwendigen Dokumente („international protection applicant card“ oder „asylum seeker‘s card“) verfügen. Aber die hohe Arbeitslosigkeit und bürokratische Hürden (z.B. Schwierigkeiten beim Zugang zur Steuernummer) schränken die Möglichkeiten ein, eine legale Beschäftigung finden zu können (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- EK – Europäische Kommission (20.12.2018): Migration und Grenzen: Kommission genehmigt 305 Mio. EUR für unter Druck stehende Mitgliedstaaten, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6884_de.htm , Zugriff 26.9.2019

- EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm , Zugriff 26.9.2019

- GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece, https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/ , Zugriff 26.9.2019

Unterbringung auf dem Festland

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Das sogenannte Reception and Identification Service (RIS) und das sogenannte Directorate for the Protection of Asylum Seekers werden gegebenenfalls als zuständige Behörde für die Aufnahme von Asylwerbern benannt. Darüber hinaus werden im Rahmen des Hilfsprojekts der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA), eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, Anträge auf Unterbringung von vulnerablen Asylwerbern bearbeitet. Das sogenannte National Center for Social Solidarity (EKKA) ist für die Unterbringungsvermittlung von UM zuständig (AIDA 3.2013).

 

Wenn die Unterbringung von Antragsstellern in Form von Sachleistungen erfolgt, sollte eine oder eine Kombination der folgenden Unterbringungsformen angewendet werden: (a) Unterbringung an der Grenze oder in den Transitzonen; (b) Aufnahmezentren in adaptierten öffentlichen oder privaten Gebäuden, welche von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen verwaltet werden; (c) Privathäuser, Wohnungen oder Hotels, die im Rahmen des Unterbringungsprogramms für Antragssteller gemietet und entweder von staatlichen oder privaten gemeinnützigen Organisationen oder von internationalen Organisationen betrieben werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018).

 

2016 wurde auf dem Festland eine Reihe von temporären Lagern errichtet, um die Bedürfnisse von Drittstaatsangehörigen zu befriedigen, die nach der Schließung der Westbalkanroute in Griechenland aufhältig waren. Es gibt ca. 25 solcher Einrichtungen, die auf unklarer Rechtsbasis operieren. Nur drei dieser Zentren können als offiziell bezeichnet werden: Elaionas, Schisto und Diavata, die Ende Dezember 2018 eine Gesamtkapazität von 4.106 Plätzen hatten. Etwa 21 weitere Zentren sind inoffiziell existent. Inklusive Elaionas, Schisto und Diavata lag die Auslastung der temporären Unterbringungszentren am 7.9.2018 bei 16.110 Personen. Aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage für die Errichtung der überwiegenden Mehrheit der Lager gelten keine Mindestnormen und sind keine Hausregeln in Kraft. Weiters gibt es in Griechenland keine Möglichkeit, eine Beschwerde gegen die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen einzureichen. Die Bedingungen sind je nach Einrichtung auf dem Festland unterschiedlich, da an jedem Standort verschiedene Arten von Unterkünften und Dienstleistungen angeboten werden. Eine beträchtliche Anzahl der Lager besteht aus vorgefertigten Einheiten oder befindet sich in Gebäuden oder Militärbaracken. In einigen Lagern auf dem Festland wurden Zelte aufgestellt, um den erhöhten Bedarf an Unterkünften im Jahr 2018 zu decken. In mehreren Einrichtungen sind die Umstände nach wie vor schlecht, da Überbelegung, mangelnde Leistungserbringung (unter anderem in Hinsicht auf medizinische und psychologische Versorgung), Gewalt, Sicherheitsdefizite und fehlende Rechtsgrundlage gemeldet werden (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommdH 6.11.2018). Ausführliche Informationen zu den verfügbaren Diensten und Defiziten in den einzelnen Lagern auf dem Festland sind dem im 9.2018 herausgegebenen Protection Monitoring Tool zu entnehmen (ASB/DRO/IOM/UNHCR 9.2018).

 

Die Binnenverteilung der Flüchtlinge erfolgt nur schleppend, so ist der Großteil in Athen und Thessaloniki untergebracht (UNHCR 9.2019; vgl ÖB 23.9.2019).

 

Das Hilfsprojekt der Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) ist eine Kooperation von UNHCR und Europäischer Kommission, mit dem Ziel Flüchtlinge außerhalb von Lagern unterzubringen und zu versorgen (EK 2.4.2018). Von den insgesamt 23.156 Plätzen (Stand 1.1.2019) befinden sich 1.510 Plätze auf den Inseln. Bis Ende Dezember 2018 waren 22.686 Personen im Rahmen des Programms untergebracht, davon 5.649 anerkannte Flüchtlinge und 17.037 Asylwerber. In den ESTIA-Einheiten werden hauptsächlich Familien mit einer Durchschnittsgröße von fünf Personen untergebracht; 48% der Untergebrachten sind Kinder (AIDA 3.2019). Das ESTIA-Unterbringungsprogramm steht nur besonders schutzbedürftigen Asylwerbern offen (Pro Asyl/RSA 8.8.2018).

 

Trotzdem führen Kapazitätsmangel, kontinuierliche Ankünfte und die geringen Rückführungszahlen zu einer allgemeinen Überbelegung der griechischen Aufnahmezentren, insbesondere auf den Ägäischen Inseln, wo die Situation besonders kritisch ist, aber auch auf dem Festland (CoE-CommdH 6.11.2018). Ein weiteres Problem stellen die Mittel- und Obdachlosigkeit dar. Die Zahl der obdachlosen Antragssteller ist unbekannt. Aufgrund des Mangels an Unterbringungskapazitäten auf dem Festland greifen Neuankömmlinge, einschließlich Vulnerable, auf Notunterkünfte zurück oder bleiben in den städtischen Gebieten von Athen, Thessaloniki und Petra obdachlos. Andere leben unter prekären Bedingungen in besetzten oder verlassenen Gebäuden ohne Zugang zu Strom oder Wasser (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 8.8.2018; MSF 18.3.2019).

 

Im Nordosten Griechenlands, nahe der türkischen Grenze, befanden sich im Erstaufnahme- und Identifikationszentrum (RIC) von Fylakio, auch als „Hotspot“ genannt, Ende 2018 240 Personen (davon ca. 120 UM) (AIDA 3.2019).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- ASB/DRO/IOM/UNHCR – Arbeiter Samariter-Bund/Danish Refugee Council/ UN High Commissioner for Refugees (9.2018): Protection Monitoring Tool – Open Reception Facilities (sites) in the Mainland, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/67419.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommdH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm , Zugriff 26.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html , Zugriff 26.9.2019

- Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (23.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (9.2019): Diplomatic Missions Briefing, Bericht per E-Mail

Unterbringung auf den Ägäischen Inseln (Hotspots)

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Seit Inkrafttreten der EU-Türkei-Erklärung vom 18.3.2016 hat sich die Funktion der griechischen Hotspot-Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos grundlegend gewandelt. Von Registrierungs- und Verteilungszentren wurden sie zu Erstaufnahme- und Identifikationszentren (RIC - Reception and Identification Centres) und Langzeitlager umgewandelt, in denen Zulässigkeitsprüfungen und Asylverfahren durchgeführt werden, was durch die geografische Restriktion der Bewegungsfreiheit auf die Inseln in Folge der EU-Türkei-Erklärung ermöglicht wird. Menschen werden dabei nach dem irregulären Übertritt der europäischen Außengrenze in der Ägäis auf den griechischen Hotspot-Inseln festgesetzt und an der Weiterreise gehindert (BM 5.2019; vgl. AIDA 3.2019). Wird in den Hotspots ein Asylantrag gestellt, ist dieser im Grenzverfahren beschleunigt zu behandeln. Ein wichtiges Element des beschleunigten Grenzverfahrens ist die Zulässigkeitsprüfung. Dabei wird geprüft, ob die Türkei für einen Antragsteller entweder als sicherer Drittstaat oder als first country of asylum bestimmt werden kann. Ist dies der Fall, wird der Asylantrag der Person als unzulässig abgelehnt und sie kann ohne Prüfung der Asylgründe in die Türkei abgeschoben werden (AIDA 3.2019).

 

Auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos gibt es fünf Reception and Identification Centers (RIC). Zusammen mit anderen Unterbringungsarten waren Ende 2018 folgende Kapazitäten/Auslastungen vorhanden:

(AIDA 3.2019).

 

Ende September befanden sich etwa 88.750 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland, davon 25.250 Personen auf den Inseln (Stand: Ende August 2019). Auf den Inseln (Hotspots) wurden 20.500 Personen in den sogenannten Reception and Identification Centers (RIC); 1.450 in offenen Zentren; 1.500 im Rahmen des ESTIA-Programms und 1.800 Personen in sonstigen Unterkünften untergebracht. Die Inseln sind weiterhin überfüllt. Derzeit sind in Samos 7 mal mehr Flüchtlinge als vorgesehen untergebracht, Moria (Lesbos) arbeitet auf 5facher Kapazität, Kos auf 4facher und Chios und Leros auf 2facher Kapazität. Die einheimische Bevölkerung auf den Inseln reagiere immer schlechter auf die Unterbringung weiterer Flüchtlinge, da sich durch die Überfüllung der Lager zusätzliche Konfliktfelder ergeben (UNHCR 9.2019; vgl. ÖB 23.9.2019).

 

Die Hotspots werden vor allem für mangelnde Unterbringungsbedingungen und Überbelegung kritisiert. Probleme mit der Qualität von Wasser, Nahrung, Versorgung vulnerabler Gruppen, Information, rechtlicher Hilfe und Übersetzerleistungen, gibt es weiterhin. Medizinische und psychologische Versorgung sind ungenügend und erschwert zugänglich. In den Camps auf den Inseln gibt es regelmäßig Unruhen, die zu Spannungen und vereinzelt zu Polizeigewalt führen. Darüber hinaus wird über Gewalt unter den Hotspots-Einwohnern, aber auch über Spannungen zwischen den Einheimischen und den Lagerbewohnern berichtet. Weiters wurden Fälle physischer und sexueller Belästigung und Gewalt innerhalb der Hotspots und eine hohe Rate psychologischer Probleme gemeldet (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommdH 6.11.2018; MSF 18.3.2019; HRW 17.1.2019). Es gibt nicht genug winterfeste Quartiere, keine ausreichende medizinische Versorgung und keinen vernünftigen Schulunterricht für Kinder (AI 15.3.2019).

 

Es fanden vom 30. August bis zum 04. September 2019 insgesamt 1.958 Überführungen von den Inseln auf das Festland statt (ÖB 6.9.2019). Die meisten von ihnen wurden in das Camp Nea Kavala verlegt, die restlichen in verfügbare Unterkünfte in Nord-Griechenland (VB 6.9.2019). Die Kapazitätsgrenze wurde auf dem Festland erreicht. Vor allem in der Region Kavalla bestehen derzeit nur Zeltunterkünfte, die nicht für eine Winterunterbringung geeignet sind (ÖB 6.9.2019).

Quellen:

- AI – Amnesty International (15.3.2019): Drei Jahre EU-Türkei-Deal: Kein Grund zum Feiern, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/tuerkei-drei-jahre-eu-tuerkei-deal-kein-grund-zum-feiern , Zugriff 26.9.2019

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- BM – Boardermonitoring.eu (5.2019): Gefangene des Deals, https://bordermonitoring.eu/berichte/2019-gefangene-des-deals/ , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommdH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html , Zugriff 26.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html , Zugriff 26.9.2019

- ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (23.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

- ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (6.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (9.2019): Diplomatic Missions Briefing, Bericht per E-Mail

- VB des BM.I Griechenland (6.9.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Nach der nationalen Gesetzgebung haben Asylwerber Anspruch auf kostenlosen Zugang zu notwendiger Gesundheits-, Arzneimittel- und Krankenhausversorgung, gegebenenfalls einschließlich der erforderlichen psychiatrischen Versorgung (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018). Weiters ermöglicht das Gesetz den freien Zugang zu öffentlichen Gesundheitsdiensten und pharmazeutischer Behandlung für Personen ohne Sozialversicherung und Vulnerable, das gilt auch für Asylwerber und deren Familienangehörige (AIDA 3.2019). Berichten zufolge ist der Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis trotz der günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen sehr eingeschränkt. Das von den sukzessiven Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitswesen steht weiterhin unter Druck und ist nicht in der Lage, den Gesamtbedarf an Gesundheitsdienstleistungen, weder für die Einheimischen noch für Migranten, zu decken. Dazu kommen die administrativen Hindernisse für Asylwerber beim Erhalt der Sozialversicherungsnummer (CoE-CommDH 6.11.2018; vgl. AIDA 3.2019).

 

Alle Einwohner des Landes haben Anspruch auf medizinische Notfallversorgung unabhängig vom Rechtsstatus. Notfälle oder komplexere Fälle werden in die oft überlasteten und unterbesetzten lokalen Krankenhäuser überwiesen. Einige chronisch erkrankte Personen hatten weiterhin Probleme beim Zugang zu entsprechenden Medikamenten (USDOS 13.3.2019).

 

In den letzten drei Jahren lebten tausende von Personen infolge des EU-Türkei-Abkommens unter überfüllten, unhygienischen, unsicheren und erniedrigenden Bedingungen mit geringem Zugang zu medizinischer Grundversorgung in den Hotspots. Dies führte zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes (MSF 18.3.2019). Die Situation in den überbelegten Lagern auf den Ägäischen Inseln – insbesondere in Moria auf Lesbos und in Vathy auf Samos – bleibt weiterhin besorgniserregend und der Zugang zu Gesundheitsdiensten besonders eingeschränkt (AIDA 3.2019; CoE-PACE 4.3.2019).

 

Betreffend der Zuständigkeit der Gewährleistung der medizinischen Versorgung gehen die Quellen auseinander. Laut Ärzte ohne Grenzen (MSF) wird die humanitäre und medizinische Verantwortung auf den Inseln heute noch von freiwilligen Organisationen getragen, die die Zuständigkeit des Staates ersetzen (MSF 9.9.2019). Laut dem Bericht der Kommissarin des Europarats für Menschenrechte liegt hingegen die Verantwortung für die Gesundheitsdienste auf den Inseln seit 2017 nicht mehr bei NGOs, sondern bei staatlichen Akteuren (insbesondere beim Gesundheitsministerium und KEELPNO). NGOs zufolge führte diese Änderung zu weiteren Einschränkungen beim Zugang zu medizinischer Versorgung sowie ambulanter Behandlung, die mit Leistungslücken und Personalmangel im Gesundheitswesen begründet werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Das US Außenministerium berichtet, dass die medizinische Betreuung in den Unterbringungszentren durch Freiwillige, Vertragsärzte der NGOs, Hellenic Center for Disease Control and Prevention (KEELPNO) und Militärärzte gemeinsam gewährleistet wird (USDOS 13.3.2019).

 

Die Anzahl, der in den RIC tätigen medizinischen Mitarbeiter reicht demnach nicht aus, um den Bedarf zu decken. Nach Angaben der griechischen Behörde arbeiten 62 Gesundheitsfachkräfte, darunter 23 Ärzte in Moria. Andere Quellen sprechen von niedrigeren Zahlen. Die offiziellen Zahlen in den anderen Hotspots liegen unter denen von Moria. Die Arbeit der medizinischen Teams wird durch den Mangel an Dolmetschern und interkulturellen Vermittlern erschwert. In Moria untergebrachte Personen geben an, dass sie sowohl im RIC als auch im lokalen Krankenhaus eine unangemessene Medikation erhielten. NGOs betonen, dass die Bedingungen in den Hotspots gefährlich und unhygienisch seien, insbesondere für Kinder und dass Krankheiten im Zusammenhang mit schlechter Hygiene (z.B. Hautinfektionen, ansteckende Krankheiten, einschließlich Tuberkulose) unter diesen Bedingungen nicht angemessen behandelt werden können. Darüber hinaus müssen sich die medizinischen Fachkräfte auch mit zunehmenden Problemen der psychischen Gesundheit auseinandersetzen, die manchmal durch die Lebensbedingungen in den RICs verursacht werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Der Mangel an Psychologen und Dolmetschern erschwert die Identifikation und Betreuung von Asylwerbern, die unter nicht offensichtlichen Vulnerabilität (z.B. Folteropfer) leiden (UNHCR 27.8.2019).

 

Seit 2016 stellt MSF in Griechenland diverse Dienste wie medizinische Grundversorgung, Behandlung chronischer Erkrankungen, sexuelle und reproduktive Gesundheitsfürsorge, Physiotherapie, klinisch-psychologische Betreuung sowie ein umfassendes soziales Unterstützungspaket zur Verfügung. Die MSF Psychologen-Teams betreuen weiters Menschen mit psychischen Problemen wie Depression, Angstzustände und Psychosen und rehabilitieren Überlebende von Folter. Von den Psychologen wird die Wohnsituation der Patienten als größtes Problem genannt (MSF 18.3.2019).

 

UNHCR arbeitet daran, den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen. Weiters unterstützt UNHCR finanziell die medizinische Grundversorgung und die psychosoziale Betreuung auf Lesbos und die psychische Gesundheitsversorgung in Attika. Die Vergabe der Sozialversicherungsnummer (AMKA) wurde im Juli 2019 unterbrochen, da ein Schreiben zur AMKA-Vergabe widerrufen wurde, das neu eingetroffenen Asylwerbern den Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten verwehrt. Dies erschwert auch den Zugang zu Unterkünften für Obdachlose und für Opfer sexueller Gewalt sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung, für Menschen mit chronischen Erkrankungen (UNHCR 27.8.2019).

Quellen:

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatović following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf , Zugriff 26.9.2019

- CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (4.3.2019): The situation of migrants and refugees on the Greek islands: more needs to be done [Doc. 14837], https://www.ecoi.net/en/file/local/2004109/pdf.aspx , Zugriff 26.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html , Zugriff 26.9.2019

- MSF – Médecins Sans Frontières (9.9.2019): Greece: Greek and EU authorities deliberately neglecting people trapped on islands, https://www.msf-me.org/article/greece-greek-and-eu-authorities-deliberately-neglecting-people-trapped-islands , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (27.8.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 July 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71038 , Zugriff 26.9.2019

- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html , Zugriff 26.9.2019

Schutzberechtigte

Letzte Änderung: 4.10.2019

 

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Humanitär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel ein bis zwei Monate nach der Entscheidung ausgestellt. In der Zwischenzeit gilt die Asylwerberkarte mit dem Stempel „Pending Residence Permit". Nach fünf Jahren Aufenthalt kommt ein Flüchtling für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung infrage, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt (AIDA 3.2019). Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Sie erhalten außerdem nur dann international gültige Reisedokumente, wenn sie keine Reisedokumente ihres Heimatstaats erlangen können. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede bei der Behandlung der genannten Personengruppen (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019).

 

NGOs bezeichnen die Lebensbedingungen für Menschen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland als alarmierend. Schutzberechtigte sehen sich nicht nur mit fehlenden Möglichkeiten zur Integration in die griechische Gesellschaft konfrontiert, sondern auch oft mit unzulänglichen Lebensumständen und humanitären Standards, einer äußerst prekären sozioökonomischen Situation und kämpfen oft um ihr bloßes Überleben. Es bestehen weiterhin flächendeckende Defizite bezogen auf die Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzberechtigten. In der Praxis besteht für Flüchtlinge immer noch kein gesicherter Zugang zu Unterbringung, Lebensmittelversorgung, medizinischer und psychologischer Behandlung oder zum Arbeitsmarkt. Auf dem Festland sind Fälle bekannt, in denen anerkannte Flüchtlingeinoffiziell für einige Monate weiter in den Unterbringunszentren bleiben durften und Bargeld erhielten wie Asylbewerber. Jedoch wurden für sie keine weiteren Integrationsmaßnahmen ergriffen. Sie erhielten keinen Zugangzu entsprechenden Informationen oder Unterstützung bei der Integration (Pro Asyl/RSA 8.2018).

 

Besondere staatliche Hilfsangebote für anerkannte Schutzberechtigte neben dem allgemeinen staatlichen Sozialsystem bestehen nicht. Konzepte für eine speziell zugeschnittene Information durch öffentliche Behörden sowie Zugangserleichterungen zu staatlichen Leistungen für anerkannte Schutzberechtigte befinden sich im Aufbau (AA 26.9.2018a; vgl. Pro Asyl/RSA 8.2018).

 

Integrationsplan

Die sogenannte Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen ist nur teilweise umgesetzt. Maßnahmen und Projekte des Ministeriums für Arbeit und Sozialfürsorge sind zwar für diejenigen, die unter der Armutsgrenze leben, vorgesehen, aber nicht für Personen, die kein Griechisch sprechen oder verstehen (Pro Asyl/RSA 8.2018).

In der Praxis werden konkrete Integrationsprogramme (z.B. Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA)) weitgehend von einer EU-Finanzierung abhängig sein, da weder auf nationaler noch auf kommunaler Ebene nennenswerte Ressourcen zur Verfügung stehen. Positiver gestaltet sich die Integration der etwa 12.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder in Griechenland, von denen im Schuljahr 2017/2018 ca. 8.000 eingeschult waren (AA 6.12.2018).

 

Sozialleistungen

Gemäß Gesetz haben Flüchtlinge in Griechenland dieselben sozialen Rechte wie griechische Staatsbürger, aber bürokratische Hürden, staatliche Handlungsdefizite, mangelnde Umsetzung des Gesetzes und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise können den Genuss dieser Rechte schmälern (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 30.8.2018; UNHCR 4.2019). Das neue System der sozialen Grundsicherung vom Februar 2017 befindet sich noch im Aufbau und wird schrittweise eingeführt. Es sieht Geldleistungen (erste Säule) sowie Sachleistungen (zweite Säule) und Arbeitsvermittlung (dritte Säule) vor. Eine etablierte Verwaltungspraxis besteht bislang nicht. Allerdings wurde der Zugang im Rahmen einer Gesetzesänderung im Juni 2018 für jene Personen eingeschränkt, die in EU-finanzierten Aufnahmelagern und Apartments wohnen. Die überwiegende Mehrheit der anerkannten Schutzberechtigten bezieht bisher keine soziale Grundsicherung (AA 6.12.2018). Voraussetzung für den Leistungsbezug allgemeiner Sozialhilfe ist das Einreichen verschiedener Dokumente (Aufenthaltserlaubnis, Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung, Steuererklärung über das Online-Portal Taxis-Net), wobei der Nachweis des dauerhaften einjährigen Mindestaufenthalts im Inland durch die inländische Steuererklärung des Vorjahres nachzuweisen ist. Dabei sind Unterlagen grundsätzlich online und in griechischer Sprache einzureichen, staatlicherseits werden keine Dolmetscher gestellt (AA 7.2.2018). Bei der Beschaffung der genannten Dokumente stoßen jedoch die Betroffenen in der Praxis auf zahlreiche Schwierigkeiten (Pro Asyl/RSA 30.8.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Unterstützung bei der Beantragung von Sozialleistungen an. Erster Anlaufpunkt ist die HELP-Webseite des UNHCR. Es beraten z. B. der Arbeiter-Samariter-Bund, die Diakonie und der Greek Refugee Council (AA 6.12.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen im Rahmen sogenannter Cash-Card Programm des UNHCR, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Es besteht kein Anspruch auf Teilnahme an dem Cash-Card-Programm, es handelt sich nicht um einen Sozialhilfeanspruch, sondern um humanitäre Hilfe. Der Bezugszeitraum endet grundsätzlich nach Anerkennung bzw. nach einer Übergangsfrist von 6 bis 12 Monaten. In der Praxis wurden bisher keine Asylwerber nach ihrem Statuswechsel von dem Bezug ausgeschlossen. Für bereits anerkannte Schutzberechtigte ist ein Neueintritt in das Cash-Card-Programm allerdings nicht möglich (AA 6.12.2018). Der Auszahlungsbetrag beträgt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2019; vgl. UNHCR 7.2019).

 

Medizinische Versorgung

Anerkannte Schutzberechtigte haben durch Gesetz vom 20. Februar 2016, umgesetzt seit Ende 2016, einen gesetzlichen Anspruch auf unentgeltliche medizinische Behandlung (auch in Krankenhäusern) und sind in die staatliche Krankenversicherung mit einbezogen. Das Gesundheitssystem erfüllt diesen Anspruch auch in der Praxis, insbesondere im Rahmen der Notfallversorgung (AA 7.2.2018). Trotz des günstigen Rechtsrahmens wird der tatsächliche Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis durch einen erheblichen Ressourcen- und Kapazitätsmangel sowohl für Fremde als auch für die einheimische Bevölkerung erschwert. Der von verschiedenen Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitssektor steht unter enormem Druck und ist nicht in der Lage, den gesamten Bedarf an Gesundheitsleistungen weder für die einheimische Bevölkerung noch für Migranten zu decken. Ein weiteres Problem stellt die Ausstellung der Sozialversicherungsnummer (AMKA) dar (AIDA 3.2019). Kosten fallen bei Medikamenten im ambulanten Bereich an, da der staatlich festgesetzte erstattete Preis in Apotheken teilweise unterhalb des realen Verkaufspreises gilt. Mit Blick auf die allgemein begrenzten Haushaltsmittel sind Schutzberechtigte wie die griechische Bevölkerung auch hierbei Budgetierungen und restriktiver Medikamentenausgabe insbesondere bei teuren Krebsmedikamenten unterworfen. Seit Anfang 2017 werden Medikamente für Bedürftige nicht mehr kostenlos in Krankenhausapotheken abgegeben, sondern sind über Apotheken zu beziehen. Dabei wird ein staatlich festgesetzter Preis erstattet, der z. T. unterhalb des üblichen Abgabepreises in Apotheken liegt. Der Differenzbetrag ist privat zu tragen. An einigen Orten unterstützen private Sozialkliniken Bedürftige mit kostenloser Medikamentenabgabe. Fälle von Behandlungsverweigerung sind seltene Ausnahmen (AA 6.12.2018; vgl. AA 7.2.2018).

Wohnmöglichkeiten

Anerkannte Schutzberechtigte haben seit 2013 Zugang zu Unterbringung unter den gleichen Bedingungen wie Drittstaatsangehörige, die sich legal in Griechenland aufhalten. Eine staatliche Sozialleistung zur Wohnungsunterstützung besteht derzeit auch für die griechische Bevölkerung noch nicht (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019). In der Praxis wird Schutzberechtigten, die als Asylwerber in einem Flüchtlingslager oder in einer Wohnung des UNHCR-Unterbringungsprogramms (ESTIA) untergebracht waren, gestattet, nach ihrer Anerkennung für weitere 6 Monate in der gleichen Unterkunft zu bleiben (Pro Asyl/RSA 8.2018). Wohnraum wäre grundsätzlich auf dem freien Wohnungsmark zu beschaffen (AA 6.12.2018). Das private Anmieten von Wohnraum für bzw. durch anerkannte Schutzberechtigte wird durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte und Studenten, sowie gelegentlich durch Vorurteile erschwert (AA 26.9.2018a). Personen, die keine Unterkunft haben und nicht das Geld besitzen, eine zu mieten, leben oft in überfüllten Wohnungen, verlassenen Häusern ohne Zugang zu Strom oder Wasser oder werden obdachlos (AIDA 3.2019; Pro Asyl/RSA 8.2018). Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose, die jedoch nur begrenzt vorhanden sind. Eigene Unterbringungsplätze für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte existieren nicht. Es gibt auch keine eigene Unterstützung für ihre Lebenshaltungskosten. In Athen etwa gibt es vier Asyle für Obdachlose (zugänglich für griechische Staatsbürger und legal aufhältige Drittstaatsangehörige). Aber es ist äußerst schwierig, dort zugelassen zu werden, da sie chronisch überfüllt sind und Wartelisten führen (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA).

Die Aufnahme ins ESTIA-Programm ist nur für diejenigen anerkannten Schutzberechtigten möglich, welche die Kriterien der Vulnerabilität erfüllen und bereits als Asylwerber an dem Programm teilgenommen haben. Im Rahmen des Programms werden hauptsächlich Familien untergebracht (AIDA 3.2019). Prioritäre Kriterien sind das Vorliegen einer medizinischen Indikation, bevorstehende Geburt oder Neugeborene, alleinerziehende Mütter sowie Unterbringung der vulnerablen Personen von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf den ostägäischen Inseln (AA 6.12.2018). Im Rahmen des ESTIA-Programms waren im März 2019 6.790 anerkannte Schutzberechtigte untergebracht (UNHCR 4.2019). Die Auslastungsquote lag Ende August 2019 mit 21.622 Einwohnern (Asylwerber und anerkannte Schutzberechtigte) bei 98,2% der Kapazitäten (ESTIA 28.8.2019). Anerkannte Schutzberechtigte sind dazu aufgerufen, die Wohnungen innerhalb einer Übergangsphase von 6 bzw. 12 Monaten nach ihrer Anerkennung zu verlassen. In der Praxis ist es bisher aber nicht zu erzwungenen Räumungen gekommen (AA 6.12.2018). Personen, die nach Zuerkennung ihres Schutzstatus in Griechenland ESTIA verlassen und einen Zweitantrag in einem anderen EU-Staat stellen, verzichten in eigener Verantwortung auf diesen sozialen Vorteil (AA 6.12.2018).

Einige NGOs bieten punktuell Wohnraum an. Hierzu gehören z.B. Caritas Hellas, Orange House und PRAKSIS. Insbesondere Caritas Hellas unterhält einen sogenannten „Social Spot" in Athen. Hier werden täglich Hilfestellungen zu verschiedenen Themen angeboten. Zudem verfügt Caritas Hellas über Wohnräumlichkeiten sowie Kooperationen mit der armenischen Kirchengemeinde, welche u. a. auch für kurzfristige Unterbringungen zur Verfügung stehen. Weitere gemischte Wohnprojekte der Caritas Hellas im Stadtteil Neos Kosmos werden von den römisch-katholischen Bischöfen in Griechenland unterstützt. Die Zahl der Unterkünfte in Athen ist insgesamt nicht ausreichend. Diese Stellen arbeiten mit Bedürftigen direkt und unmittelbar zusammen. Bedürftige können sich nach Ankunft in Griechenland unmittelbar an die vorgenannten Organisationen wenden (AA 6.12.2018).

 

Arbeitsmarkt

Ein Zugang zum Arbeitsmarkt steht rechtlich dauerhaft und legal im Land lebenden Personen zu, damit grundsätzlich auch Schutzberechtigten. Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten nur Personen mit entsprechenden Vorversicherungszeiten für eine Dauer von maximal einem Jahr. Die griechische Arbeitsagentur ODEA stellt nunmehr seit Juni 2018 für alle Schutzberechtigten eine Arbeitslosenkarte aus. Eine Registrierung bei der Arbeitsagentur, welche Voraussetzung für weitere Sozialleistungen ist, war zuvor in der Praxis für Schutzberechtigte kaum möglich, da als Voraussetzung ein Wohnungsnachweis auf den Namen der Person vorgelegt werden musste. Nachdem diese Hürde weggefallen ist, wurden innerhalb weniger Monate über 4.000 Personen aus dem EU-finanzierten Unterkunftsprogramm ESTIA registriert. Die Arbeitslosenkarte berechtigt zu folgenden Leistungen: kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs; kostenloser Eintritt in Museen; Ermäßigungen für Gas-, Wasser- und Stromrechnungen, Rabatte in einigen Fast-Food-Restaurants, Mobilfunkangebote und ermäßigte berufliche Fortbildungsmaßnahmen. Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Fortbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche an. Hierzu gehören z.B. der Arbeiter-Samariter-Bund, die Diakonie und der Greek Refugee Council (AA 6.12.2018). Die Chancen zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes sind gering. Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung (Betreuungsschlüssel: 1 Mitarbeiter für über 1.000 Arbeitslose) und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen aufgelegt. Migration in den griechischen Arbeitsmarkt hat in der Vergangenheit vor allem in den Branchen Landwirtschaft, Bauwesen, haushaltsnahe und sonstige Dienstleistungen stattgefunden. Allerdings haben sich die Arbeitschancen durch die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise allgemein deutlich verschlechtert. Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme bestehen z.T. bei NGOs etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (AA 26.9.2018a).

 

Bildung

Ein Zugang zum Bildungssystem wird faktisch durch Sprachbarrieren und die stark akademisch ausgerichtete Bildungslandschaft in Griechenland erschwert. Es bestehen einzelne Projekte einer dualen Berufsausbildung etwa im Bereich der Landwirtschaft. Das griechische Bildungsministerium konzentriert sich in seinen Bemühungen bisher auf den Unterricht für die 5 bis 17-jährigen schulpflichtigen Flüchtlingskinder, von denen im Schuljahr 2017/2018 ca. 62% eingeschult waren. Zahlreiche NGOs bieten Sprachkurse für Griechisch und Englisch an (AA 26.9.2018b).

 

Unterstützung durch NGOs

NGOs spielen bei der Integration Schutzberechtigter eine wichtige Rolle. Es gibt sowohl in Griechenland aktive internationale wie auch lokale NGOs. Die Angebote sind vielfältig, allerdings mit Schwerpunkt in den Ballungsräumen Athen und Thessaloniki, wo sich auch die meisten Schutzberechtigten befinden. Die NGOs sind Umsetzungspartner der internationalen Hilfsprojekte, finanziert von der EU und in weiten Teilen koordiniert vom UNHCR. Die Programme werden genutzt (AA 26.9.2018a). Bekannte Organisationen sind unter anderem: Society for the care of minors (sma-athens.org), Apostoli, eine Organisation der griechisch-orthodoxen Kirche (mkoapostoli.com), Arsis (arsis.gr), National Centre for Solidarity (ekka.org.gr ) Hellenic Red Cross (redcross.gr), Positive Voice - Greek Association of HIV Positive Persons (positivevoice.gr), Klimaka (klimaka.org.gr ), Nostos (nostos.org.gr ), Doctors of the World (mdmgreece.gr), Medical Intervention (medin.gr), Praksis (praksis.gr) sowie Faros (faros.org.gr ) usw. (AA 6.12.2018; vgl. UNHCR 4.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (6.12.2018): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Stade, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_06%2E12%2E2018%2C_508%2D516.80_51293.pdf?nodeid=19635053&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- AA – Auswärtiges Amt (26.9.2018a): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Schwerin, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E09%2E2018%2C_508%2D516.80_50799.pdf?nodeid=19309208&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- AA – Auswärtiges Amt (26.9.2018b): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Greifswald, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/696617/696619/696431/18970518/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E09%2E2018%2C_508%2D516.80_51035.pdf?nodeid=19373612&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- AA – Auswärtiges Amt (7.2.2018): Auskunft des AA an das Verwaltungsgericht Köln, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683529/683531/683613/18932792/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_07%2E02%2E2018%2C_508%2D516.80_49957.pdf?nodeid=18971400&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf , Zugriff 26.9.2019

- ESTIA – Emergency Support to Integration & Accomodation (28.8.2019): ESTAI Accomodation Capacity – Weekly Update, http://estia.unhcr.gr/en/estia-accommodation-capacity-weekly-update-27-august-2019/ , Zugriff 26.9.2019

- Pro Asyl/RSA – Refugee Support Aegean (8.2018): Update – Stellungnahme – Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/701739/1999815/1999817/20085633/PRO_ASYL%2C_Lebensbedingungen_international_Schutzberechtigter_in_Griechenland%2C_30%2E08.2018.pdf?nodeid=20085316&vernum=-2 , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/ , Zugriff 26.9.2019

- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf , Zugriff 26.9.2019

 

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer seit 28.12.2020 in Österreich befinden, der Aufenthalt in Österreich niemals als sicher anzusehen gewesen sei. Es sei ihnen der unsichere Aufenthalt in Österreich bewusst gewesen, ein eventuelles Familien- bzw. Privatleben sei innerhalb dieses Zeitraumes entstanden, die mitgereisten Mitglieder der Kernfamilie seien ebenfalls von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen.

Aufgrund der der Behörde vorliegenden Bescheinigungsmittel (griechischer Aufenthaltstitel und griechischer Konventionspass) stehe für das BFA fest, dass den Beschwerdeführern in Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei. Es stehe für das BFA damit fest, dass für die Beschwerdeführer in Griechenland Verfolgungssicherheit sowie Drittstaatsicherheit vorliege. Dass sich die Beschwerdeführer seit 18.12.2020 in Österreich aufhalten und sich in Grundversorgung befinden, ergebe sich aus den Angaben der Beschwerdeführer sowie aus einer entsprechenden GVS-Abfrage.

Abgesehen von der mitgereisten Kernfamilie seien zwei weitere volljährige Kinder in Österreich aufenthaltsberechtigt. Es seien keine besonderen sozialen Kontakte feststellbar, welche die Beschwerdeführer an Österreich binden würden. Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergebe sich aus den Angaben und dem Akteninhalt. Dass die Beschwerdeführer an lebensbedrohenden Krankheiten leiden, haben diese weder behauptet noch ist dies aus der Aktenlage ersichtlich.

Der Erstbeschwerdeführer gab an – bis auf Problemen mit dem Blutdruck und Bandscheibenproblemen, hinsichtlich derer er Unterlagen vorlegte – gesund zu sein die volljährigen Beschwerdeführer gaben auch an, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen gesund seien.

Die Zweitbeschwerdeführerin sei bei der Erstbefragung durch die Polizei dahingehend befragt worden, ob sie an irgendwelchen Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden leide. Dies verneinte die Zweitbeschwerdeführerin. Sie sei – wie jeder Asylwerber – nach der Antragstellung in Österreich erstuntersucht worden. Dabei hätte man lebensbedrohliche Erkrankungen diagnostiziert, falls solche vorgelegen wären, es wurden jedoch keine diagnostiziert.

Erst in der weiteren Einvernahme vor dem BFA habe die Zweitbeschwerdeführerin auf diesbezügliche Fragestellung hin angegeben, dass sie wegen Rheuma Medikamente nehmen würde. Sie habe angegeben, dass sie bereits in Griechenland einen Privatarzt wegen des Rheumaleidens aufgesucht hätte. Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA habe die Zweitbeschwerdeführerin keine medizinischen Unterlagen vorgelegt. Sie habe sich nur darauf berufen, dass ihre Unterlagen bei ihrer Tochter wären. Einen Tag später habe die Zweitbeschwerdeführerin ihre Unterlagen übermittelt. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass der Zweitbeschwerdeführerin in Griechenland PROZOLON 5mg und FILICINE 5mg verschrieben worden sei. Der Wirkstoff Prednisolon im Medikament PROZOLON habe hauptsächlich entzündungshemmende, antiallergische und immunsuppressive Eigenschaften. Der Wirkstoff Folsäure in FILICINE sei essentiell für die Synthese von DNA und die Funktion des Zellkerns. Ein Mangel an Folsäure führe zu einer asynchronen Reifung und Funktion des Kerns im Vergleich zur Synthese von DNA und cytoplasmatischem Protein. Die Zweitbeschwerdeführerin leide damit – so wie die übrigen Beschwerdeführer – an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, welche einer Überstellung nach Griechenland entgegenstehen würde. Für ihre Beschwerden reiche eine rein medikamentöse Behandlung aus. In Österreich habe die Zweitbeschwerdeführerin so wie ihr Ehemann – der Erstbeschwerdeführer – laut eigenen Angaben bisher keinen Arzt aufgesucht. Wären die Probleme tatsächlich lebensbedrohlich gewesen, hätten die Ärzte bei der Erstuntersuchung dementsprechend agiert bzw. agieren müssen und die Zweitbeschwerdeführerin wäre nicht entlassen worden. Auch die Ärzte in Griechenland hätte man die Zweitbeschwerdeführerin nicht wieder entlassen. Anderslautende medizinische Unterlagen seien nicht vorgelegt worden. Da entgegenstehende Informationen nicht vorliegen, gehe das BFA davon aus, dass die Beschwerdeführer derzeit weder an einer schweren Krankheit leiden, noch ein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf bestehe und es könne auch davon ausgegangen werden, dass der derzeitige Gesundheitszustand nicht von lebensbedrohlichem Charakter ist. Die Feststellungen zum Virus SARS-CoV-2 stützt das BFA auf die veröffentlichen Informationen des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde und wurde auf https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Zahlen ,-Daten,-Fakten.html als Quelle verwiesen. Von den Beschwerdeführern seien keine Folterhandlungen oder irgendwelche Angriffe vorgebracht worden und sei auch nichts dahingehend vorgebracht worden, dass die Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leiden oder aus irgendwelchen Gründen traumatisiert seien.

Die Feststellung zu den Familienangehörigen würden sich aus den Angaben der Beschwerdeführer ergeben. Die Beschwerdeführer hätten vorgebracht, dass zwei ihrer volljährigen Kinder in Österreich aufenthaltsberechtigt sind. Ihr Sohn XXXX und die Tochter XXXX . Die Tochter lebe seit zwei Jahren, der Sohn seit fünf Jahren in Österreich, beide seien angerkannte Flüchtlinge. Vor der Einreise hätten sie mit den volljährigen Kindern etwa wöchentlich telefonischen Kontakt gehabt. Ihr Sohn hätte sie in Griechenland gelegentlich mit Kleinbeträgen finanziell unterstützt. Seit der Einreise der Beschwerdeführer hätte es keine Unterstützung mehr gegeben. Sie hätten ihre beiden Kinder seit der Einreise einmal persönlich getroffen. Gegenseitige Abhängigkeiten hätten so wie ein gemeinsamer Haushalt nicht festgestellt werden können. Gegenseitige (Kurz-)Besuche seien in Griechenland oder in Österreich, aufgrund des Aufenthaltstitels in Griechenland möglich. Es könne im Sinne von Art. 8 EMRK kein unzulässiger Eingriff in ein schützenswertes Familienleben in Österreich festgestellt werden.

3. Gegen die Bescheide des BFA vom 08.02.2021 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung rechtzeitig die vorliegende Beschwerde. Inhaltlich wurde auf das bereits erstattete Vorbringen verwiesen und insbesondere ausgeführt, dass das BFA ausführe, Griechenland gewährleiste grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge und den Beschwerdeführern drohe bei einer Ausweisung nach Griechenland keine Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte, da der griechische Staat medizinische Hilfe anbieten würde und die Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leiden würden. Bezüglich der Angaben bezugnehmend auf Unterkunft und Versorgung sei den Beschwerdeführern vom BFA kein Glauben geschenkt worden, dass diese Ausführungen dem Amtswissen widersprechen würden. Wenn das BFA ausführe, die Beschwerdeführer würden bei einer Überstellung nach Griechenland als Asylberechtigte nicht in eine existenzielle Notlage geraten, finden diese Feststellungen in den Länderberichten keine Deckung. Hätte das BFA ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erfüllt, so hätte sie erkannt, dass die Beschwerdeführer in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben gem. Art. 8 EMRK führen und die Beschwerdeführer hätten ihre nahe Beziehung zu den in Österreich lebenden Familienangehörigen näher dargelegt. Bei einwandfreier Verfahrensführung hätte das BFA feststellen müssen, dass die Beschwerdeführer in Griechenland über keine gesicherte Unterkunft verfügen würde sowie, dass die notwendige medizinische Versorgung in Griechenland nicht gewährleistet sei. Folglich wären die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr der Gefahr ausgesetzt, einer iSd Art. 3 EMRK relevanten Notlage zu geraten. Da eine Abschiebung nach Griechenland mit Art. 3 EMRK nicht vereinbar sei, wären die Asylverfahren der Beschwerdeführer in Österreich zuzulassen gewesen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens unter Berücksichtigung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer erscheine unvermeidlich und es werde ersucht, der Beschwerde stattzugeben.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2021 wurden die gegen die angefochtenen Bescheide erhobene Beschwerde gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1 und 57 AsylG sowie § 9 FBA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

5. Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2021 erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 12.04.2021 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung am 19.04.2021 mit Erkenntnis vom 29.09.2021, E 1377-1380/2021-10, das Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2021 aufhob und feststellte, dass die Beschwerdeführer durch diese Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurden.

In seinen Erwägungen hält der Verfassungsgerichtshof u.a. insbesondere fest:

„ (…) Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Beschwerdeführern um besonders schutzbedürftige Personen — eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern im Alter von fünf und zehn Jahren — handelt, hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Rückkehrpflicht im vorliegenden Fall in Bezug auf die Gewährleistung der grundlegenden Existenzsicherung in Griechenland, insbesondere die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geeigneten Unterkunft, notwendige Ermittlungen unterlassen. Der pauschale und ohne weitere Befragung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgte Verweis darauf, dass die Beschwerdeführer sich ca. vier Jahre lang in Griechenland aufgehalten und dort als Asylberechtigte denselben Zugang zu sozialen Rechten wie Staatsbürger hätten, wird ihrer Situation — vor allem angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht selbst wiedergegebenen Berichtslage zur Situation von Schutzberechtigten in Griechenland — nicht gerecht (vgl. zuletzt VfGH 25.6.2021, E 599/2021 mwN). Im Übrigen ist die Annahme, die Beschwerdeführer könnten diesbezüglich auch auf Hilfsangebote von Nichtregierungsorganisationen zurückgreifen und insbesondere in das ESTIA-Programm (Emergency Support to Integration and Accommodation Programme unter der Leitung des UNHCR) aufgenommen werden, mit den zitierten Länderberichten so nicht in Einklang zu bringen (vgl. VfGH 28.11.2019, E 1208/2019 ua.).

4. Im Hinblick auf die in Österreich asylberechtigten, volljährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin wird sich das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren überdies näher mit dem Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer iSd Art. 8 EMRK und allenfalls mit der das Familienverfahren betreffenden Regelung des § 34 AsylG 2005 auseinanderzusetzen haben. (…)“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang.

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige Syriens, stellten erstmals am 10.01.2017 in Griechenland Anträge auf internationalen Schutz und wurde ihnen in Griechenland der Status anerkannter Flüchtlinge zuerkannt. Die Beschwerdeführer erhielten in Griechenland Aufenthaltsberechtigungen, gültig bis XXXX 2023. Die Beschwerdeführer erhielten einen Konventionsreisepass, gültig ab XXXX 2020 bis XXXX 2025.

 

Die Beschwerdeführer waren von ab 14.10.2016 bis 28.12.2020 in Griechenland aufhältig. Ab XXXX 2020 kommt ihnen bis XXXX 2025 ein Asylstatus in Griechenland zu. Die Beschwerdeführer verließen Griechenland mittels Flugzeug um zu den volljährigen asylberechtigten zwei Kindern in Österreich zu gelangen und sie stellten die verfahrensgegenständlichen Asylanträge.

Der Erstbeschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem BFA befragt über seinen Gesundheitszustand an, an erhöhtem Blutdruck und Problemen mit den Bandscheiben zu leiden. In Österreich hat er keine medizinische Behandlung in Anspruch genommen. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an Rheuma, weshalb sie Cortison und Vitamine nehme.

Vorgelegt wurden medizinische Unterlagen aus Griechenland samt Internetrecherche zum Medikament Prezolon, mit dem Wirkstoff Prenisolon (Wirkstoff hat hauptsächlich entzündungshemmende, antiallergische und Immunsuppressive Eigenschaften) und zum Medikament Filicine, 5 mg, mit dem Wirkstoff Folsäure (essentiell für die Syntheses von DNA und die Funktion des Zellkerns).

Die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen sind laut Ausführungen der Eltern gesund.

In Österreich lebt seit fünf Jahren ein volljähriger Sohn und seit zwei Jahren eine volljährige Tochter als anerkannte Flüchtlinge. Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Gefährdung ihrer durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte auszuschließen.

Es kann nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführer in Hinblick auf ihre persönliche Situation im Falle einer aktuellen Überstellung nach Griechenland Gefahr liefen, in ihren von der EMRK eingeräumten Rechten verletzt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Asylantragstellung der Beschwerdeführer in Griechenland am 10.01.2017 ergibt sich aus den diesbezüglichen EURODAC-Treffermeldungen, welche aktenkundig sind.

Die Feststellung des Bestehens des Flüchtlingsstatus in Griechenland ab XXXX 2020 bis XXXX 2025, stützt sich auf die griechischen Konventionspässe der Beschwerdeführer. Dass die Beschwerdeführer über griechische Aufenthaltstitel bis XXXX 2023 stützen, stütz sich auf die vorgelegten griechischen Aufenthaltstitel der Beschwerdeführer.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und zu ihren privaten und familiären Verhältnissen ergeben sich aus ihren Angaben und den vorgelegten Unterlagen im Verfahren sowie der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

„§ 4a Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

-1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

[…]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

…§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

…“

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:„(3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.“

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

3.2. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

3.2.1. In den gegenständlichen Verfahren ist unstrittig, dass die Beschwerdeführer in Griechenland asylberechtigt sind und sohin im Mitgliedstaat Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden haben. Allerdings sind die gegenständlichen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf der Basis eines mangelhaften Verfahrens ergangen, weshalb eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hat.

3.2.2. Zusammengefasst brachten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass die Beschwerdeführer in Griechenland anerkannte Flüchtlinge seien und zwei ihrer gemeinsamen Kinder – eine Tochter und ein Sohn – seit zwei bzw. fünf Jahren in Österreich leben würden. Im Beschwerdevorbringen an den VfGH brachten die Beschwerdeführer vor, sich erfolglos um eine Familienzusammenführung bemüht zu haben. Der Erstbeschwerdeführer habe erhöhten Blutdruck und sei aufgrund seiner Bandscheibenprobleme nicht in der Lage zu arbeiten und die Zweitbeschwerde leide an Rheuma. die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen hätten keine Zukunft in Griechenland.

Ferner ist aus den Akten der Beschwerdeführer nicht ersichtlich, unter welchen Umständen die Beschwerdeführer in Griechenland nach Zuerkennung des Schutzstatus gelebt haben – insbesondere ob sie Zugang zu einer Unterkunft und Versorgung sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Integrationsprogrammen hatten. Die Ausführung in den Länderfeststellungen, wonach sie Zugang zu Sozialleistungen, medizinischer Versorgung Wohnmöglichkeiten sowie dem Arbeitsmarkt unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige oder sich legal in Griechenland aufhaltende Drittstaatangehörige hätten, mit dem Hinweis auf Unterstützungen durch NGO und den über vier Jahre dauernden Aufenthalt, ist für sich genommen nicht ausreichend eine Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob den BF in Griechenland eine grundlegende Existenzsicherung gewährleistet ist.

3.2.3. In den vorliegenden Fällen der Beschwerdeführer ist – wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.09.2021 ausgeführt hat – davon auszugehen, dass es sich bei den Beschwerdeführern um besonders schutzbedürftige Personen handelt. Primär sei die Frage zu klären, ob die grundlegende Existenzsicherung in Griechenland, insbesondere die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geeigneten Unterkunft, für die BF gewährleistet ist.

Daher wird im fortgesetzten Verfahren in Bezug auf Art. 3 EMRK näher zu prüfen sein, ob unter der Berücksichtigung, dass es sich bei den Beschwerdeführern – einer Familie mit zwei minderjährigen Kindern – um besonders schutzbedürftige Personen handelt, für diese bei einer Rückkehr nach Griechenland eine grundlegende Existenzsicherung in Griechenland gegeben ist, insbesondere auch, ob diese die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer geeigneten Unterkunft in Griechenland haben. Hierzu werden aktuelle Länderfeststellungen zu Griechenland, auch unter Berücksichtigung der aktuellen COVID-19 Pandemie zu treffen sein.

3.2.4. Allerdings kommt in den vorliegenden Fällen noch hinzu, dass eine Tochter, die zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig war und erst seit Beginn des Jahres 2021 volljährig ist, und ein Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich seit zwei bzw. fünf Jahren im Bundegebiet aufhältig und asylberechtigt sind. Aus dem vorgelegten Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 18.04.2018 betreffend den Sohn ergibt sich jedenfalls, dass die in Österreich asylberechtigte Tochter vor ihrer Einreise und Asylantragstellung im Bundesgebiet mit den Beschwerdeführern in Griechenland lebte.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne dürfe eine Ausweisung nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die näheren Umstände der Zumutbarkeit der Übersiedlung des Partners in das Heimatland des Fremden sowie die Frage, inwieweit die Dauer des Asylverfahrens dem Beschwerdeführer anzulasten ist (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 39; 24.11.2009, 1820/08, Omojudi, RN 41; VfGH 01.07.2009, U 992/08 und U 1104/08; 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219).

Daher wird im fortgesetzten Verfahren in Bezug auf Art. 8 EMRK näher zu prüfen sein, ob in Österreich ein schützenswertes Familienleben der Beschwerdeführer mit den im Bundesgebiet asylberechtigten Kindern des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin besteht. Fallgegenständlich kann sohin eine mögliche Verpflichtung Österreichs zum Selbsteintritt in Zusammenhang mit Art. 8 EMRK nicht ausgeschlossen werden.

3.3. Im fortgesetzten Verfahren werden folglich entsprechende Ermittlungen durchzuführen sein, um Feststellungen treffen zu können, anhand derer die Frage geklärt werden kann, ob in den konkreten Fällen der Beschwerdeführer durch ihre Überstellung nach Griechenland in ihre Rechte gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK eingegriffen wird. Der Vollständigkeit halber ist in Bezug auf die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen darauf zu verweisen, dass im fortgesetzten Verfahren auch die Rechtsvorschriften zum Wohl des Kindes zu beachten sind.

Die Ermittlungsergebnisse des Bundesamtes sind den Beschwerdeführern zur Kenntnis zu bringen und ihnen hierzu Parteiengehör zu gewähren bzw. ist erforderlichenfalls eine Einvernahme durchzuführen.

3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In den gegenständlichen Fällen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 29.09.2021 geklärt ist.

3.5. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. z.B. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

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