B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W216.2231807.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH, Alserstraße 21, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend (nunmehr: Bundesministerium für Arbeit) vom 19.02.2020, GZ: XXXX , betreffend Satzungserklärung von Teilen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal der XXXX nach § 18 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der XXXX (im Folgenden: Antragsteller) stellte mit Schreiben vom 14.08.2019 beim Bundeseinigungsamt beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (nunmehr: Bundesministerium für Arbeit; im Folgenden: Bundeseinigungsamt) einen Antrag auf Erklärung von näher bezeichneten Teilen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal der XXXX zur Satzung nach § 18 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) und brachte diesbezüglich unter Anführung entsprechender, näherer Angaben begründend vor, dass die in § 18 Abs. 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) genannten Voraussetzungen für eine Satzungserklärung allesamt erfüllt seien.
2. Nachdem dieser Antrag den mitbeteiligten Parteien (Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen sowie Bundesarbeitskammer) seitens des Bundeseinigungsamtes mit Schreiben vom 21.08.2019 zur Stellungnahme übermittelt wurde, teilten die Bundesarbeitskammer sowie der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) mit, dass diese den Antrag unterstützen würden.
Der Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen erstattete mit Schreiben vom 24.09.2019 eine Stellungnahme und legte im Rahmen dieser ein Rechtsgutachten von XXXX (zur Satzung des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der XXXX , erstellt am 05.09.2019 für die Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen, Berufsgruppe Luftfahrt) vor.
Dem Gutachtensauftrag folgend wurde in dem vorgelegten Rechtsgutachten auf folgende Rechtsfragen eingegangen:
Ist die Satzung des XXXX -KollV grundsätzlich zulässig?
Sofern die Frage zu bejahen ist: Liegen die Voraussetzungen für die Satzung des XXXX KollV vor?
Wesentliche bzw. für den vorliegenden Fall ausschlaggebende Aussage des Rechtsgutachtens ist – unter näherer Begründung –, dass die Satzung eines unechten Firmenkollektivvertrages – wie dem XXXX – schon dem Grunde nach unzulässig sei, weil das Satzungsverbot des § 18 Abs. 6 ArbVG auch auf unechte Firmenkollektivverträge analog anwendbar sei. Zudem wurde die Gleichwertigkeit der Arbeitsverhältnisse iSd § 18 Abs. 3 Z 3 ArbVG verneint.
3. Die Stellungnahme des Fachverbandes der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen vom 24.09.2019 sowie das unter einem vorgelegte Rechtsgutachten vom 05.09.2019 wurden seitens des Bundeseinigungsamtes den übrigen Parteien zur Stellungnahme übermittelt.
3.1. Mit Schreiben vom 13.11.2019 wies die Bundesarbeitskammer im Wesentlichen auf die hohe Bedeutung der Abdeckung der Arbeitsverhältnisse durch Kollektivvertrag von 98 % in Österreich und auf das gesetzliche Ziel von möglichst flächendeckenden sozialpartnerschaftlichen Regelungen hin. Die "Low-Cost-Airlines" mit Heimatbasis in Österreich hätten ohne Kollektivvertrag einen nicht vertretbaren Wettbewerbsvorteil. Dies beträfe selbstverständlich auch alle nachfolgenden, gleichgelagerten Airlines (Luftfahrtunternehmen). Der Flughafen Wien und andere Flughäfen Österreichs könnten sich zu weitgehend kollektivvertragsfreien, dh hinsichtlich der Arbeitsbedingungen unregulierten Zonen des (unsanktionierten) Lohn- und Sozialdumpings entwickeln; ein Umstand den der Gesetzgeber ja gerade vermeiden wolle. So sei eine gestaltende, Mindestbedingungen festlegende Sozialpartnerschaft das Ziel der österreichischen Gesetzgebung im Arbeitsrecht.
Die geforderte Vergleichbarkeit beziehe sich nur auf Art und Inhalt der Arbeitsverhältnisse, nicht jedoch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Auch hinsichtlich Arbeitsstress, Ausbildungsstandard, Genauigkeit und Eigenverantwortung bestünden keine Unterschiede. Die Bundesarbeitskammer ersuche daher nachdrücklich, dem gegenständlichen Satzungsantrag stattzugeben.
3.2. Mit Stellungnahme vom 29.11.2019 führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass mit der Satzung des branchenbeherrschenden Kollektivvertrages die Herstellung fairer, wirtschaftlich sowie sozial verträglicher Entgelt- und Arbeitsbedingungen bezweckt werde. Die im Antrag angeführten "Low-Cost-Airlines" (Billigfluglinien) mit Heimatbasis in Österreich würden völlig zu Unrecht einen wirtschaftlichen und rechtlich nicht vertretbaren Wettbewerbsvorteil genießen, wenn für sie weder Kollektivvertrag noch Satzung zur Anwendung gelangen würden. All jene Unternehmen, die von der Satzung erfasst würden, seien im gleichen Marktsegment wie die XXXX tätig und stünden daher auch im direkten Wettbewerb zueinander. Das Geschäftsmodell der Billigfluglinien sei mit jenem von XXXX nicht nur vergleichbar, sondern über weite Strecken ident. Der einzige wesentliche Unterschied bestünde darin, dass sich Billigfluglinien die Lohnkosten ersparen und damit einen Wettbewerbsvorteil erlangen würden. Der Satzungsantrag der XXXX sehe nur einzelne Teile des XXXX Kollektivvertrages (Gehaltsordnung, OFF-Tage Regelung) zur Satzung vor, sodass lediglich allgemeine Mindeststandards für die Branche festgelegt würden. Betriebsabläufe, Netzwerkplanung oder Ähnliches blieben damit unberührt und weiterhin vollständig im Entscheidungsspielraum des jeweiligen Unternehmens. Entgegen der Ansicht der WKÖ sei das Tatbestandselement des § 18 Abs. 3 Z 3 ArbVG (Gleichartigkeit der von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse) erfüllt. Zudem seien die Ausführungen der WKÖ, wonach ein unechter Firmenkollektivvertrag nicht gesatzt werden könne, unrichtig und würden der höchstgerichtlichen Judikatur widersprechen. Sowohl der Verfassungsgerichtshof (V70/2016-10 vom 25.09.2017) als auch der Verwaltungsgerichtshof (22.12.2009, 2009/08/0064; 04.09.2013, 2011/08/0230) hätten im Falle des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) einen derartigen Firmenkollektivvertrag als zu satzenden Kollektivvertrag für zulässig erachtet.
4. Am 12.02.2020 fand beim Bundeseinigungsamt eine mündliche Verhandlung statt, in welcher unter Verweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Satzung in § 18 Abs. 3 ArbVG die beiden im Zuge des Verfahrens aufgekommenen, strittigen Fragen – nämlich, ob ein unechter Firmenkollektivvertrag überhaupt satzbar sei und ob eine Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse bestehe – diskutiert.
5. Mit Bescheid des Bundeseinigungsamtes vom 19.02.2020 wurde der Antrag der XXXX auf Erklärung von Teilen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal ( XXXX ) zur Satzung nach § 18 ArbVG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass von den in § 18 Abs. 3 ArbVG genannten vier Voraussetzungen für die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung im vorliegenden Fall der Ansicht der beteiligten Parteien folgend lediglich die Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse in Z 3 des § 18 Abs. 3 ArVG in Frage gestellt worden sei. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen hätten sich auch für das Bundeseinigungsamt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese nicht vorliegen könnten.
Nach § 18 Abs. 6 ArbVG dürften Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein abgeschlossen worden seien (sogenannte "echte Firmenkollektivverträge" nach § 4 Abs. 3 ArbVG) nicht gesatzt werden. Vor der Prüfung der Voraussetzungen nach § 18 Abs. 3 ArbVG sei zu beurteilen, ob im Wege einer Analogie auch "unechte Firmenkollektivverträge" von der Satzung ausgeschlossen werden müssten. Dabei handle es sich um Kollektivverträge, die von einer gesetzlichen Interessenvertretung, die nach § 4 Abs. 1 ArbVG kollektivvertragsfähig sei, nicht für alle ihre Mitglieder einer Branche (Branchenkollektivvertrag), sondern nur für ein Unternehmen abgeschlossen werden. Die in diesem Zusammenhang von der XXXX angeführten Erkenntnisse der Höchstgerichte würden einen anderen Fall behandeln und keine Aussage zur Frage der Satzbarkeit "unechter Firmenkollektivverträge" enthalten.
In der Literatur werde weitgehend einheitlich davon ausgegangen, dass eine Analogie zu § 18 Abs. 6 ArbVG zumindest für Kollektivverträge von juristischen Personen öffentlichen Rechts, die nach § 7 ArbVG kollektivvertragsfähig seien, sowie für Kollektivverträge von Arbeitgebern mit einer sondergesetzlichen geregelten Kollektivvertragsfähigkeit gerechtfertigt seien. § 18 Abs. 6 ArbVG werde daher grundsätzlich als analogiefähig angesehen. Zur Satzbarkeit von unechten Firmenkollektivverträgen bestünden jedoch unterschiedliche Meinungen. Das Bundeseinigungsamt sei unter Berücksichtigung der diversen Rechtsmeinungen zur Auffassung gekommen, dass die Argumente gegen die Zulässigkeit der Erklärung eines unechten Firmenkollektivvertrages zur Satzung überwiegen würden und dass die Gefahr eines Eingriffs in die Kollektivvertragsautonomie höher zu bewerten sei als das Ziel brancheneinheitlicher Arbeitsbedingungen. Aufgrund dieses Ergebnisses müsse demnach das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ArbVG, im vorliegenden Fall der strittig angesehene Umstand der Vergleichbarkeit der Arbeitsverhältnisse, nicht mehr geprüft werden.
6. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde den Antrag auf Satzung abgewiesen habe, weil sie in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis gelangt sei, vorliegendenfalls könne eine Satzung deshalb nicht erfolgen, weil die durch § 18 Abs. 6 ArbVG zur Satzung ausgeschlossenen echten Firmenkollektivverträge nach § 4 Abs. 3 ArbVG den unechten Firmenkollektivverträgen gleich zu halten seien. Demnach könne der XXXX nicht gesatzt werden, weil es sich dabei um einen derartigen unechten Firmenkollektivvertrag handle. Der Umstand, dass die belangte Behörde unechte und echte Firmenkollektivverträge gleich halte, sei jedoch das Ergebnis unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Zur Frage, ob eine analoge Anwendung des § 18 Abs. 6 ArbVG in Betracht komme, würden in der Lehre mehrere Positionen vertreten. In sämtlichen Begründungen zur Frage der Analogiefähigkeit des § 18 Abs. 6 ArbVG gehe es im Kern ausschließlich darum, dass die Kollektivverträge der in § 18 Abs. 6 ArbVG angeführten (bzw. als analog anzunehmenden) Entitäten mangels Relevanz im Hinblick auf die nicht gegebene überwiegende Bedeutung nicht gesatzt werden könnten. Tatsächlich stehe die Lehre im Einklang mit § 18 Abs. 6 ArbVG dem Satzen eines Kollektivvertrages dann skeptisch gegenüber, wenn dieser lediglich eine unbedeutende Gruppe von Arbeitnehmern betreffe, es also an der überwiegenden Bedeutung des zu satzenden Kollektivvertrages mangle. Gerade dies sei im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Antrag auf Satzung jedoch nicht der Fall, zumal der zu satzende Teil des Kollektivvertrags ohnehin bereits die Arbeitsverhältnisse von rund 80 % der unstrittig gleichartigen Dienstverhältnisse des Bordpersonals regeln würde und demnach für die Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer in der Branche das geltende Arbeitsrecht darstelle. Nachdem die belangte Behörde der Frage der "überwiegenden Bedeutung" überhaupt nicht nachgegangen sei, sei die Entscheidung mit Mangelhaftigkeit belastet. Ebenso wenig hätte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen dürfen, dass im vorliegenden Fall die Kollektivvertragsautonomie höher zu bewerten sei, als das Ziel brancheneinheitlicher Arbeitsbedingungen.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundeseinigungsamt als belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 09.06.2020 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zum Antragszeitpunkt standen in der österreichischen Luftfahrtbranche für das Bordpersonal drei Kollektivverträge in Geltung: der XXXX , der Kollektivvertrag für das fliegende Personal der XXXX sowie der Kollektivvertrag der Angestellten der XXXX . Alle übrigen Arbeitsverhältnisse des Bordpersonals der Branche waren zum Antragszeitpunkt bislang von keinem Kollektivvertrag umfasst.
Der XXXX gilt für das im Bundesgebiet der Republik Österreich beschäftigte Bordpersonal der XXXX sowie sämtlicher Unternehmen des Konzerns der XXXX , also jener Luftfahrtunternehmen, an welchen die XXXX mehrheitliche Anteile hält, sowie für das Bordpersonal auf Luftfahrzeugen, die unter einer Flugnummer des XXXX (derzeit XXXX ") fliegen oder mit XXXX -Schriftzug bzw. -Logo oder von der Marke " XXXX " abgeleiteten Namen versehen sind, ausgenommen wenn die Verwendung der Flugnummer des XXXX ausschließlich als Code-Share erfolgt.
Mit dem gegenständlichen Antrag vom 14.08.2019 wurde begehrt, die Bestimmungen Punkt 11 (Definitionen), 17 (Anrechenbare Arbeitszeit), 21.1, 21.4, 21.5, 21.6 (Freie Tage), 41 (Gehalt und Entgelt), 42 (Mehrleistungen), 43 (Überstunden), 44 (Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration), 55 (Verwendungsgruppen) und 56 (Gehaltstabellen, gültig ab 01.05.2018), 57 (Kalkulatorische Grundlagen der Flugzulage) und 62.2 (Definitionen) des XXXX zu satzen. Von der Satzung sollten zum Zeitpunkt der Antragstellung die Arbeitsverhältnisse des Bordpersonals der XXXX (numehr: XXXX ) sowie der XXXX . von der Satzung erfasst werden; dies mangels Kollektivvertrags. Eine Umfassung des Bordpersonals der XXXX sowie der XXXX wurde nicht in Betracht gezogen; dies aufgrund eigener Kollektivverträge.
Der Kollektivvertrag für das Bordpersonal ( XXXX ) wurde zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, XXXX , und dem Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen, Berufsgruppe Luftfahrt, der Wirtschaftskammer Österreich abgeschlossen, ordnungsgemäß hinterlegt und am 18.10.2018 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundgemacht.
Da der XXXX arbeitgeberseitig nicht von einem kollektivvertragsfähigen Verein iSd § 4 Abs. 3 ArbVG abgeschlossen wurde, handelt es sich um keinen sogenannten "echten Firmenkollektivvertrag". Vielmehr handelt es sich hierbei um einen "unechten Firmenkollektivvertrag".
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verfahrensakt. Die Feststellungen sind unbestritten und werden daher der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.
Strittig ist, ob ein "unechter Firmenkollektivvertrag" überhaupt gesatzt werden darf. Dies ist vor der Prüfung der Voraussetzungen für die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung nach § 18 Abs. 3 ArbVG zu prüfen, zumal bei Verneinung dieser Vorfrage auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ArbVG nicht mehr eingegangen werden muss. An dieser Stelle ist auszuführen, dass im Stellungnahmeverfahren von den Verfahrensparteien lediglich die Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse in Frage gestellt wurde, wohingegen hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen keine Anhaltspunkte gegeben waren, wonach diese nicht vorliegen würden.
Zur Frage der Zulässigkeit der Satzung unechter Firmenkollektivverträge ist zunächst auf das vorliegende, nachvollziehbar und schlüssig begründete Rechtsgutachten vom 05.09.2019 zu verweisen:
Wesentliche Aussage des vorliegenden Rechtsgutachtens ist unter anderem, dass die Satzung eines unechten Firmenkollektivvertrages – wie dem XXXX – schon dem Grunde nach unzulässig sei, weil das Satzungsverbot des § 18 ArbVG auch auf unechte Firmenkollektivverträge analog anwendbar sei. Das Satzungsverbot sei nämlich unvollständig und erfasse neben den – ausdrücklich genannten – Kollektivverträgen von Vereinen (§ 4 Abs. 3 ArbVG), auch andere Kollektivverträge, wie jene der juristischen Personen öffentlichen Rechts (§ 7 ArbVG) oder jene von Kollektivvertragsparteien, die aufgrund eines Sondergesetzes kollektivvertragsfähig seien. Die Satzung solle auf Arbeitgeber-Außenseiter einen "Beitrittsdruck" ausüben. Sie sollen also dem kollektivvertragsabschließenden Arbeitgeberverband beitreten. Dieser Beitrittsdruck gehe aber beim unechten Firmenkollektivvertrag ins Leere, weil die Arbeitgeber ja ohnehin Mitglied des Arbeitgeberverbandes seien.
Die Satzung sei zudem nicht dafür bestimmt, die fehlende Durchsetzungskraft einer Kollektivvertragspartei durch einen Akt staatlicher Verwaltung zu ersetzen. Ein solches Instrument des Kontrahierungszwangs bzw. der Zwangsschlichtung sei dem österreichischen Kollektivvertragssystem nicht nur fremd, sondern aufgrund der Autonomie der Sozialpartner strikt ausgeschlossen.
Das österreichische Kollektivvertragssystem verlange grundsätzlich branchen- oder fachspezifische Kollektivverträge. Unechte Firmenkollektivverträge seien aber dort zulässig, wo eine Generalisierung zu unsachgemäßen Ergebnissen führen würde. Dort, wo ein individualisierter Kollektivvertrag notwendig sei, um ein sachwidriges Ergebnis zu vermeiden, wäre seine Satzung aber konsequenterweise gleichheitswidrig.
Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Satzung "unechter Firmenkollektivverträge" stellen sich jedoch darüber hinaus auch Fragen zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Satzungserklärung. Die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse müssten unter anderem gegenüber jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen würden, im Wesentlichen gleichartig sein. Die Gleichartigkeit sei insbesondere dann nicht gegeben, wenn kleine Unternehmen, die von der Satzung erfasst werden sollen, wirtschaftlich nicht in der Lage wären, die Belastung aufgrund des höheren (Mindest-) Entgeltniveaus zu tragen. Eine Generalisierung des XXXX KollV würde jeden Neuankömmling am Markt "wirtschaftlich ruinieren", weil der Kollektivvertrag auf die Ertragskraft der XXXX zugeschnitten sei. Die von der Satzung potentiell betroffenen Unternehmen, XXXX , hätten daher keinen Kollektivvertrag abgeschlossen, der mit dem XXXX vergleichbar sei, zumal sie die Belastung aufgrund des höheren (Mindest-)Entgeltniveaus nicht tragen könnten und gegenüber anderen Billigfluglinien nicht mehr wettbewerbsfähig wären.
Aus dem Rechtsgutachten ergibt sich jedenfalls zusammengefasst, dass eine Satzung von unechten Firmenkollektivverträgen aus drei verschiedenen Gründen ausgeschlossen ist (S. 11 ff. unter Punkt 2.4.):
"Das Satzungsverbot des § 18 Abs. 6 ArbVG ist unvollständig und muss durch Analogie auf unechte Firmenkollektivverträge erstreckt werden.
Beschränken die Sozialpartner im Einvernehmen den Geltungsbereich eines Kollektivvertrags auf ein Mitglied des vertragsabschließenden Arbeitgeberverbandes, kann die Satzung diesen nicht außerhalb des Geltungsbereiches, aber innerhalb des Arbeitgeberverbandes, für wirksam erklären. Eine solche Satzung würde die Autonomie der Sozialpartner verletzen und eine Zwangsschlichtung beinhalten.
Die Voraussetzung für einen unechten Firmenkollektivvertrag ist die sachliche Notwendigkeit der Einzelfallregelung. Der zulässige unechte Firmenkollektivvertrag schließt die Satzung somit im Hinblick auf den Gleichheitssatz aus."
Im Ergebnis wurde im vorliegenden Rechtsgutachten in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die Satzung eines unechten Firmenkollektivvertrages schon dem Grunde nach unzulässig ist. So wurde in Hinblick auf die Satzungsfähigkeit unechter Firmenkollektivverträge – wie oben ausgeführt – die analoge Anwendung des § 18 Abs. 6 ArbVG auf unechte Firmenkollektivverträge beleuchtet und schlüssig bejaht. Zudem wurde auf die Autonomie der Kollektivvertragsparteien verwiesen und der Gleichheitssatz ins Treffen geführt sowie abschließend (bzw. im Rechtsgutachten gleich zu Beginn) dargetan, aus welchen Gründen die Satzung eines unechten Firmenkollektivvertrages unzulässig sei. Darüber hinaus wurden Fragen zu den Voraussetzungen der Satzungserklärung, insbesondere die Gleichartigkeit der Tätigkeit bzw. Gleichwertigkeit der Arbeitsverhältnisse iSd § 18 Abs. 3 Z 3 ArbVG erörtert, auf die jedoch im vorliegenden Fall nicht näher eingegangen werden muss, da vom Bundesverwaltungsgericht von der Unzulässigkeit der Satzung unechter Firmenkollektivverträge ausgegangen wird.
Der Antragsteller, dem es freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens die getroffenen Einschätzungen im Rechtsgutachten vom 05.09.2019 zu entkräften, ist diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Auch die im Rahmen von Stellungnahmen und der Beschwerde erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, eine Änderung des Ergebnisses herbeizuführen. Diese wurden im Rechtsgutachten gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso schlüssigen wie ausführlichen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Rechtsgutachtens vom 05.09.2019 und wird dieses Rechtsgutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) lauten auszugsweise wie folgt:
"Die Erklärung von Kollektivverträgen zur Satzung
Begriff und Voraussetzungen
§ 18. (1) Das Bundeseinigungsamt hat auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft, die Partei eines Kollektivvertrages ist, bei Vorliegen der in Abs. 3 angeführten Voraussetzungen diesem Kollektivvertrag durch Erklärung zur Satzung auch außerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuzuerkennen. Die in der Erklärung als rechtsverbindlich bezeichneten Bestimmungen des Kollektivvertrages bilden die Satzung.
(2) Gegenstand des Antrages auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung können alle oder auch einzelne Bestimmungen des Kollektivvertrages sein, die für die ihm unterliegenden Arbeitsverhältnisse rechtsverbindlich sind, doch dürfen einzelne Bestimmungen nicht aus einem unmittelbaren rechtlichen und sachlichen Zusammenhang gelöst werden.
(3) Ein Kollektivvertrag oder ein Teil eines solchen darf nur zur Satzung erklärt werden, wenn
1. der zu satzende Kollektivvertrag gehörig kundgemacht ist und in Geltung steht;
2. der zu satzende Kollektivvertrag oder der Teil eines solchen überwiegende Bedeutung erlangt hat;
3. die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, im wesentlichen gleichartig sind;
4. die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse unbeschadet des Abs. 4 nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfasst sind.
(4) Kollektivverträge, die sich auf die Regelung einzelner Arbeitsbedingungen beschränken und deren Wirkungsbereich sich fachlich auf die überwiegende Anzahl der Wirtschaftszweige und räumlich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt, stehen der Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung nicht entgegen.
(5) Kollektivverträge im Sinne des Abs. 4 können auch dann zur Satzung erklärt werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 3 Z 3 nicht vorliegen.
(6) Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3) abgeschlossen wurden, können nicht zur Satzung erklärt werden.
Rechtswirkungen
§ 19. (1) Die Bestimmungen der gehörig kundgemachten Satzung sind innerhalb ihres räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich. § 3 und § 11 Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden.
(2) Kollektivverträge setzen für ihren Geltungsbereich eine bestehende Satzung außer Kraft. Dies gilt nicht für Kollektivverträge im Sinne des § 18 Abs. 4.
(...)"
3.2. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist zur beantragten Satzungserklärung von Teilen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal der XXXX Folgendes festzuhalten:
Die XXXX hat am 14.08.2019 einen Antrag auf Erklärung von Teilen des Kollektivvertrages für das Bordpersonal ( XXXX ) zur Satzung nach § 18 ArbVG eingebracht. Die in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer hat sich für den Antrag ausgesprochen und insbesondere auf das übergeordnete Ziel brancheneinheitlicher Arbeitsbedingungen hingewiesen. Demgegenüber sei die Frage der Verletzung der Koalitionsfreiheit vorliegendenfalls nicht von Belang.
Die in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitgeber hat sich gegen die beantragte Satzungserklärung ausgesprochen und – unter Berufung auf ein Rechtsgutachten – Folgendes eingewendet:
● Das Satzungsverbot des § 18 Abs. 6 ArbVG sei auch auf unechte Firmenkollektivverträge analog anwendbar. Die Satzung solle auf Arbeitgeber-Außenseiter einen "Beitrittsdruck" ausüben. Dieser Beitrittsdruck gehe aber beim unechten Firmenkollektivvertrag ins Leere, weil die Arbeitgeber ohnehin Mitglieder des Arbeitgeberverbands seien.
● Die Satzung sei nicht dafür bestimmt, die fehlende Durchsetzungskraft einer Kollektivvertragspartei durch einen Akt staatlicher Verwaltung zu ersetzen.
● Unechte Firmenkollektivverträge seien dort zulässig, wo eine Generalisierung zu unsachgemäßen Ergebnissen führen würde. Dort, wo ein individualisierter Kollektivvertrag notwendig sei, um ein sachwidriges Ergebnis zu vermeiden, wäre eine Satzung aber konsequenterweise gleichheitswidrig.
● Es liege keine Gleichwertigkeit der Arbeitsverhältnisse iSd § 18 Abs. 3 Z 3 ArbVG vor, zumal kleinere von der Satzung zu erfassende Unternehmen wirtschaftlich nicht in der Lage wären, das höhere Entgeltniveau zu tragen.
3.3. § 18 ArbVG regelt in Abs. 3, dass ein Kollektivvertrag oder ein Teil eines solchen zur Satzung erklärt werden darf, wenn der zu satzende Kollektivvertrag gehörig kundgemacht ist und in Geltung steht (Z 1), der zu satzende Kollektivvertrag oder der Teil eines solchen überwiegende Bedeutung erlangt hat (Z 2), die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, im Wesentlichen gleichartig sind (Z 3) und die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse unbeschadet des Abs. 4 nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfasst sind (Z 4).
Im Stellungnahmeverfahren wurde nur die Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse iSd § 18 Abs. 3 Z 3 ArbVG in Frage gestellt, sodass das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Parteien des Verfahrens unstrittig gegeben ist und auch seitens des Bundesverwaltungsgericht daran keine Zweifel aufgetreten sind.
Bevor jedoch zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ArbVG vorliegen, ist zu klären, ob ein unechter Firmenkollektivvertrag – wie der XXXX – überhaupt zur Satzung erklärt werden kann, zumal bereits nach § 18 Abs. 6 ArbVG Kollektivverträge, die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3 ArbVG) abgeschlossen wurden (sogenannte "echte Firmenkollektivverträge") nicht gesatzt werden dürfen.
Der Grund für diesen Ausschluss von der Satzungsfähigkeit liegt in der Erwägung, dass solche Kollektivverträge im Allgemeinen gerade nicht ausreichend repräsentativ, sondern vor allem auf die spezifischen Erfordernisse des Arbeitsgebers oder des Unternehmens zugeschnitten sind, für das sie zur Anwendung kommen; damit mangelt es ihnen regelmäßig an der Verallgemeinerungsfähigkeit. Durch Firmen-Kollektivverträge wird bei der Regelung von Arbeitsbedingungen im Wesentlichen auf die Gegebenheiten des eigenen Unternehmens fokussiert. Auf Grund des Ausnahmecharakters des Firmen-Kollektivvertrags und der singulären Stellung, die kollektivvertragsfähige Einzel-Arbeitgeber im Wirtschaftsleben regelmäßig innehaben, ist die Ausdehnung des Satzungsverbots in § 18 Abs. 6 ArbVG auf andere Arten des Firmen-Kollektivvertrags im Wege der Analogie geboten: Dies betrifft die Kollektivverträge von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit die Kollektivverträge auf der Kollektivvertragsfähigkeit gem. § 7 ArbVG beruhen, sowie jene Kollektivverträge, die auf Grund sondergesetzlicher Zuerkennung von einem einzelnen Arbeitsgeber mit einem Arbeitsnehmerverband abgeschlossen worden sind. Derartige Firmen-Kollektivverträge sind daher ebenfalls nicht satzungsfähig (Melzer-Azodanloo in Jabornegg/Resch, ArbVG § 18 (Stand 01.11.2017, rdb.at).
Das Satzungsverbot von unechten Firmenkollektivverträgen wurde auch im vorliegenden Rechtsgutachten vom 05.09.2019 nachvollziehbar bejaht. So wurde hier zusammengefasst ausgeführt, dass das Satzungsverbot des § 18 Abs. 6 ArbVG auch auf unechte Firmenkollektivverträge analog anwendbar sei. Das Satzungsverbot sei nämlich unvollständig und erfasse neben den – ausdrücklich genannten – Kollektivverträgen von Vereinen (§ 4 Abs. 3 ArbVG) auch andere Kollektivverträge, wie jene der juristischen Personen öffentlichen Rechts (§ 7 ArbVG) oder jene von Kollektivvertragsparteien, die aufgrund eines Sondergesetzes kollektivvertragsfähig seien. Die Satzung solle auf Arbeitgeber-Außenseiter einen "Beitrittsdruck" ausüben. Sie sollen also dem kollektivvertragsabschließenden Arbeitgeberverband beitreten. Dieser Beitrittsdruck gehe aber beim unechten Firmenkollektivvertrag ins Leere, weil die Arbeitgeber ja ohnehin Mitglieder des Arbeitgeberverbands seien. Die weiteren, im Gutachten angeführten Argumente unterstützen die Ansicht der Unzulässigkeit der Satzung von unechten Firmenkollektivverträgen. So ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts beispielsweise das Argument der Gefahr eines Eingriffs in die Kollektivvertragsautonomie nicht zu vernachlässigen und wird diesbezüglich im vorliegenden Rechtsgutachten treffend ausgeführt, dass die Kollektivvertragsautonomie nicht zielführend wäre, "wenn sich die Kollektivvertragsparteien auf einen Teilabschluss einigen, weil eine Verhandlungslösung für einen Branchen-Kollektivvertrag zu schwierig sei, der Teilabschluss dann aber gesatzt werden würde". Wenn sich Kollektivvertragsparteien gemeinsam dazu entschließen, mit einem Kollektivvertrag zunächst lediglich einen bestimmten Bereich abzudecken, wohingegen andere Bereiche – aus welchen Gründen auch immer – ausgeklammert bzw. nicht explizit vom Kollektivvertrag geregelt werden, würde eine Satzung in diesem Fall einen Kontrahierungszwang bedeuten bzw. sogar darüber hinaus zu einer Zwangsschlichtung führen, die – dem Rechtsgutachten vom 05.09.2019 (S. 10) folgend – "dem österreichischen Kollektivvertragssystem nicht nur fremd ist, sondern von diesem gerade ausgeschlossen wird." Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Argumentation zutreffend und sind keine Gründe ersichtlich, diesen nachvollziehbaren Ausführungen im Rechtsgutachten nicht zu folgen.
Zum Wesen des Kollektivvertrags gehört seine Autonomie. Arbeitnehmer- und Arbeitsgeber-Vereinigungen haben das Recht, Vereinbarungen über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen weitgehend unbeeinflusst durch den Staat zu schließen. Das ergibt sich dem Grunde nach aus der Privatautonomie und der Koalitionsfreiheit. Beides ist verfassungsrechtlich garantiert. Aus Art. 11 EMRK und Art. 12 StGG wird eine Betätigungsgarantie abgeleitet, die auch ein Recht auf kollektives Verhandeln beinhaltet. Nach hA beinhaltet dies zwar kein Recht einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitgeber bzw. von Koalitionen auf Bereitstellung eines Kollektivvertragssystems iSd ArbVG, dh auch kein Recht, Kollektivverträge abzuschließen, denen normative Wirkung zukommt. Der Gesetzgeber dürfte aber die Möglichkeit des Abschlusses von Vereinbarungen zwischen Koalitionen weder direkt verhindern noch gravierend erschweren, es besteht sogar eine positive Schutzpflicht zur Sicherstellung von Abschluss- und Gestaltungsfreiheit (Elias Felten/Rudolf Mosler, 100 Jahre Kollektivvertragsrecht, DRdA 2020, 91 (95, 96).
3.4. Soweit vom Antragsteller höchstgerichtliche Entscheidungen angeführt wurden (VfGH vom 25.09.2017, V70/2016-10; VwGH vom 22.12.2009, 2009/08/0064, 04.09.2013, 2011/08/0230), wonach im Falle des Österreichischen Roten Kreuzes "ein derartiger Firmenkollektivvertrag als zu satzender Kollektivvertrag für zulässig erachtet worden sei", ist festzuhalten, dass die angeführten Entscheidungen – wie das Bundeseinigungsamt in seiner Entscheidung korrekt ausführt – einen anders gelagerten Fall behandeln bzw. jedenfalls keinen Vergleich zum vorliegenden Fall zulassen:
In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.12.2009, 2009/08/0064, wurde ausgeführt, "dass gemäß § 18 Abs. 6 ArbVG zwar Kollektivverträge, 'die von einem kollektivvertragsfähigen Verein (§ 4 Abs. 3) abgeschlossen wurden', nicht zur Satzung erklärt werden können, dass aber der in dieser Bestimmung ausdrücklich verwiesene § 4 Abs. 3 ArbVG die Verleihung der Kollektivvertragsfähigkeit nur 'für Arbeitsverhältnisse zu Vereinen', welche die in dieser Bestimmung näher genannten Voraussetzungen erfüllen, zulässt. Nun regelt aber der in Rede stehende Kollektivvertrag, der auf Arbeitgeberseite von der beschwerdeführenden Partei abgeschlossen wurde, gerade nicht Arbeitsverhältnisse zur beschwerdeführenden Partei, sondern Arbeitsverhältnisse zu anderen Dienstgebern (Vereinen), die Mitglieder der beschwerdeführenden Partei sind. Der Ausschlussgrund des § 18 Abs. 6 ArbVG liegt daher schon deshalb nicht vor.
Es ist für das Antragsrecht der beschwerdeführenden Partei aber auch unerheblich, ob sie tatsächlich eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung ist, als welcher ihr die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde. Diese – von der belangten Behörde ersichtlich verneinte – Frage kann deshalb auf sich beruhen, weil es § 18 Abs. 1 ArbVG für den Antrag auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung genügen lässt, dass der Antragsteller (kein kollektivvertragsfähiger Verein im Sinne des § 4 Abs. 3 ArbVG, im Übrigen aber) eine 'kollektivvertragsfähige Körperschaft' als Partei des zu satzenden Kollektivvertrages ist. Dies trifft aber für die beschwerdeführende Partei bis zu einer allfälligen Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit auch dann zu, wenn man mit der belangten Behörde Zweifel daran haben müsste, ob es sich bei der beschwerdeführenden Partei tatsächlich um eine 'auf freiwilliger Mitgliedschaft' beruhende Berufsvereinigung der Arbeitgeber handelt.
§ 18 ArbVG enthält keine Bestimmung, die es erforderte oder auch nur zuließe, dass die belangte Behörde aus Anlass der Antragstellung auf Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung über die von ihr vorzunehmende Prüfung hinaus, ob Kollektivvertragsfähigkeit vorliegt und kein Ausschlussgrund im Sinne des § 18 Abs. 6 ArbVG gegeben ist, jeweils zu untersuchen hätte, ob die antragstellende kollektivvertragsfähige Körperschaft in jeder Hinsicht auch eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung ist.
Da die belangte Behörde dies verkannt und es auf Grund dieses Rechtsirrtums unterlassen hat, das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung zu prüfen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."
Was die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.09.2013, 2011/08/0230, betrifft (zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis vom 22.12.2009, Zl. 2009/08/0064, verwiesen), so ging es hier vorwiegend darum zu klären, ob gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG die Kollektivvertragsfähigkeit auf entsprechenden Antrag einer Berufsvereinigung auch dann aberkannt werden kann, wenn deren Voraussetzungen schon zum Zeitpunkt deren in Rechtskraft erwachsenen Zuerkennung nicht vorgelegen sind. Dies führte zu der Frage, ob die mitbeteiligte Partei (das Österreichische Rote Kreuz) – auch in Anbetracht der in § 4 Abs. 3 ArbVG speziell geregelten Kollektivvertragsfähigkeit für Vereine – als "Berufsvereinigung" iSd Einleitungssatzes des § 4 Abs. 2 ArbVG betrachtet werden kann. Zusammengefasst hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis die Kollektivvertragsfähigkeit des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) verneint, weil dieses nicht als überbetriebliche Berufsvereinigung anzusehen ist.
In der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.09.2017, V70/2016 (VfSlg 20189), wurde festgehalten, "dass die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung nicht mehr im Ermessen der Behörde liegt, sondern eine durch den Antrag der Kollektivvertragspartei ausgelöste Rechtspflicht darstellt, wenn, wie im Anlassfall, dem Antragsteller die Kollektivvertragsfähigkeit als freiwillige Interessenvertretung gemäß § 4 Abs. 2 ArbVG mit Bescheid zuerkannt (und bis dato nicht aberkannt) worden ist und die materiellen Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ArbVG als erfüllt anzusehen sind.
Die Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit obliegt gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG dem Bundeseinigungsamt. Bei dem Aberkennungsbescheid des Bundeseinigungsamtes handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Bescheid, der das Erlöschen der Kollektivvertragsfähigkeit und sämtlicher geschlossener Kollektivverträge bewirkt.
Das Bundeseinigungsamt ist dazu gehalten, in jenen Fällen, in denen Umstände – wie beispielsweise eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs – vermuten ließen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ArbVG nicht mehr vorliegen, von Amts wegen tätig zu werden und ein Verfahren auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 5 Abs. 3 ArbVG einzuleiten.
Dem Österreichischen Roten Kreuz wurde auf Antrag mit Bescheid vom 27.01.1998 die Kollektivvertragsfähigkeit als freiwillige Interessenvertretung gemäß § 4 Abs. 2 ArbVG zuerkannt und bis dato vom Bundeseinigungsamt nicht aberkannt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs 2011/08/0230, demzufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 4 Abs. 2 ArbVG an das Österreichische Rote Kreuz nicht vorlagen, wurde ausschließlich der negative Bescheid über den Antrag Dritter auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit aufgehoben; die Kollektivvertragsfähigkeit des Österreichischen Roten Kreuzes ging damit aber nicht verloren. Vielmehr wurde nach einer dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Statutenänderung des Österreichischen Roten Kreuzes der Antrag auf Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit vom Bundeseinigungsamt neuerlich mit Bescheid abgewiesen. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Vor dem Hintergrund der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung (VwGH 22.12.2009, 2009/08/0064), der zufolge es für die Antragstellung gemäß § 18 Abs. 1 ArbVG genügt, dass der Antragsteller als 'kollektivvertragsfähige Körperschaft' Partei des zu satzenden Kollektivvertrages gewesen ist – ein Umstand, der bis zu einer allfälligen bescheidmäßigen Aberkennung der Kollektivvertragsfähigkeit durch das Bundeseinigungsamt als gegeben anzusehen ist –, sowie der konkreten Umstände im vorliegenden Fall – dem Österreichischen Roten Kreuz wurde die Kollektivvertragsfähigkeit auch in der Folge nicht aberkannt – erweisen sich die Bedenken der antragstellenden Gesellschaft als nicht zutreffend."
Wie aus den teilweise zitierten Entscheidungen ersichtlich, behandeln diese einen besonderen Fall und enthalten keine ableitbaren Aussagen zur Frage der Zulässigkeit der Erklärung eines "unechten Firmenkollektivvertrages" zur Satzung.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt somit, unter Würdigung der bestehenden (mitunter) divergierenden Rechtsmeinungen zur Frage der Zulässigkeit der Erklärung eines "unechten Firmenkollektivvertrages" zur Satzung sowie unter Zugrundelegungen des hierzu eingeholten Rechtsgutachtens vom 05.09.2019 zu der Auffassung, dass die Satzung eines "unechten Firmenkollektivvertrages", wie jener des XXXX , nicht zulässig ist.
Demnach war spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im vorliegenden Fall wurde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Sachverhalt – wie er im Bescheid festgestellt wurde – war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. In der Beschwerde findet sich kein substantiiertes Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern.
Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine – den weiteren Prüfungsschritten vorgelagerte – Rechtsfrage zu erkennen. Gegen die Feststellungen, insbesondere jene, dass es sich beim XXXX um einen unechten Firmenkollektivvertrag handelt, wandte sich der Antragsteller nicht. Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMR, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In diesem Zusammenhang sprach der VwGH unter anderem aus, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und wenn die Entscheidung über die Revision von dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. VwGH vom 24.02.2015, Ro 2014/05/0097).
Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH vom 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Es fehlt an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit der Satzung "unechter Firmenkollektivverträge" unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 18 Abs. 6 ArbVG (bzw. deren Analogie).
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