BVwG W175 2121638-2

BVwGW175 2121638-220.6.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W175.2121638.2.00

 

Spruch:

W175 2121638-2/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2017, Zl. 1078293610-170019850, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein Staatsangehöriger aus Somalia, stellte erstmalig am 17.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen zufolge suchte er bereits zuvor am 04.06.2011 in Italien und am 07.02.2013 in Schweden um Asyl an.

 

Im Verlauf seiner Erstbefragung vom 18.07.2015 brachte der BF vor, über Italien in die EU eingereist zu sein. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes und seiner familiären Verhältnisse führte er aus, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden und in Österreich seine Ehefrau zu haben, mit welcher er traditionell verheiratet sei.

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 21.07.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien sowie ein auf Art. 34 Dublin III-VO gestütztes Informationsersuchen an Schweden.

 

Mit Schreiben vom 05.08.2015 lehnten die italienischen Behörden eine Rückübernahme des BF nach der Dublin-VO mit dem Hinweis auf dessen in Italien erhaltenen Status eines subsidiär Schutzberechtigten ab. Dem BF sei bis 18.05.2019 eine Aufenthaltserlaubnis in Italien aufgrund dieser Zuerkennung des subsidiären Schutzes erteilt worden.

 

Die schwedische Dublin-Behörde teilte mit Schreiben vom 19.08.2015 mit, dass aufgrund seines in Schweden gestellten Asylantrages beabsichtigt gewesen sei, den BF am 16.05.2013 auf Grundlage der Dublin III-VO nach Italien zu überstellen; der BF sei aber untergetaucht. Am 19.08.2015 sei die Information aus Italien eingetroffen, dass dem BF dort bereits subsidiärer Schutz gewährt worden sei und ihm eine Aufenthaltsberechtigung bis 18.05.2019 zukomme.

 

Am 17.09.2015 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA im Beisein einer Rechtsberaterin nach durchgeführter Rechtsberatung. Hierbei gab der Antragsteller zu Protokoll, gesund zu sein und dass im österreichischen Bundesgebiet seine Ehefrau wohnhaft sei. Mit dieser sei er seit ca. 5 1/2 Jahren verheiratet, die Ehe sei traditionell geschlossen worden, Kinder würden sie keine haben und seit fünfeinhalb Jahren bestehe keine Haushaltsgemeinschaft unter den Eheleuten. Über Vorhalt der Zuständigkeit Italiens gab er an, er wolle lieber mit seiner Frau in Österreich bleiben. Wenn er in Italien ein Leben gehabt hätte, hätte er sogar seine Frau zu sich geholt, aber er sei in Italien auf der Straße gewesen. Er könne mit seiner Frau nicht auf der Straße leben; er habe sich dann entschieden, nach Österreich zu reisen.

 

Die Ehefrau des BF stellte in Österreich am 19.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihr wurde mit Bescheid des BFA vom 23.09.2015 subsidiärer Schutz sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt.

 

Mit Bescheid des BFA vom 26.01.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass er sich nach Italien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.08.2016, Zl. W205 2121638-1/6E, gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

Am 21.11.2016 wurde die Tochter des BF im österreichischen Bundesgebiet geboren. Nach einer entsprechenden Asylantragstellung erhielt sie denselben Schutzumfang wie ihre Mutter.

 

Am 05.01.2017 brachte der BF den gegenständlichen, zweiten Asylantrag in Österreich ein. Anlässlich seiner polizeilichen Erstbefragung hiezu am selben Tag gab er an, der Befragung ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können. Er habe sich durchgehend in Österreich aufgehalten und stelle nunmehr erneut einen Asylantrag, weil er hier eine Frau und eine Tochter habe und mit ihnen zusammenbleiben wolle.

 

Im Zuge der Befragung legte die Rechtsberatung eine schriftliche Stellungnahme, datiert mit 05.01.2017, vor. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Ehefrau des BF am 23.09.2015 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, wohingegen der BF am 04.08.2016 eine negative Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht erhalten habe. Im Beschwerdeverfahren sei die Kopie der Heiratsurkunde vorgelegt worden, welche die bereits in Somalia bestehende Ehe des BF zu seiner nunmehr in Österreich subsidiär schutzberechtigten Frau belege, vom Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht in die Beurteilung einbezogen worden sei. Der Bestand der Ehe sei vom Bundesverwaltungsgericht allerdings zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen worden. Seit der BF in Wien lebe, sehe er seine Ehefrau täglich und unterstütze sie bei Behördenwegen und ähnlichen Erledigungen, weshalb er im Alltag eine wesentliche Stütze für sie sei. Geldmangel sei der einzige Grund, warum die beiden keinen gemeinsamen Wohnsitz begründen könnten. Im November 2016 sei zudem die gemeinsame Tochter des BF und seiner Ehefrau zur Welt gekommen (diesbezüglich wurde die Geburtsurkunde der Tochter bzw. ein Auszug aus dem Geburtseintrag, die Bestätigung über ihre Asylantragstellung sowie ein Vaterschaftsanerkenntnis vom 30.11.2016 in Vorlage gebracht; siehe diesbezüglich AS 51 bis 58). Der BF sehe seine Tochter täglich und unterstütze seine Ehefrau aktiv bei der Kinderbetreuung. Er spreche zudem mittlerweile etwas deutsch und sei auf dem besten Weg, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Gegenständlich müsse jedenfalls das Kindeswohl berücksichtigt werden. Da der BF in Italien von akuter Obdachlosigkeit betroffen gewesen sei und seine Frau sowie seine Tochter dort über keinen Status verfügen würden, wäre ein Wohnsitzwechsel der gesamten Familie keinesfalls im Kindeswohl. Eine Familienzusammenführung über das Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht sei ausgeschlossen, da die Frau des BF lediglich über subsidiären Schutz verfüge und zudem die finanziellen Hürden der Zusammenführung nach dem NAG aufgrund der Betreuungspflichten für das neugeborene Kind nicht erfüllen könne. Abschließend wurde festgehalten, dass es sich beim Vorbringen des BF jedenfalls um eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes seit der Rechtskraft des Vorverfahrens gem. § 68 Abs. 1 AVG handle, weshalb der Folgeantrag nicht aufgrund res iudicata zurückgewiesen werden dürfe.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 01.03.2017 gab der BF zunächst an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. In Österreich würden seine subsidiär schutzberechtigte Frau sowie sein Kind leben. Der BF habe seine Frau in Somalia am 15.06.2010 nach islamischem Recht geheiratet. Auch wenn kein gemeinsamer Haushalt in Österreich bestehe, würde er mit ihr und seinem Kind jeden Tag zusammen sein. Er wolle mit ihnen zusammenleben, aber es sei schwer, eine Wohnung zu finden. Die 40 Euro, die er bekomme, gebe er seiner Frau. Sie selbst erhalte 740 Euro monatlich. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung des BF nach Italien verwies er erneut auf seine hier lebende Familie. Die Familie brauche ihn; er müsse arbeiten und Geld für sie verdienen. Er wolle nicht nach Italien; es gebe dort keine Wohnung. Nach sechs Monaten müsse man das Lager verlassen.

 

Im Zuge der Einvernahme legte der BF ein Konvolut an (zum Teil bekannten) Unterlagen vor. Es handelt sich hierbei um die Vaterschaftsanerkennung zu seiner Tochter, die Geburtsurkunde seiner Tochter, einen Auszug aus dem Geburtseintrag sowie den schriftlichen Asylantrag seine Tochter betreffend, den Meldezettel seiner Tochter und die Kopie seiner Heiratsurkunde (AS 143 bis 163).

 

Mit Bescheid des BFA vom 04.04.2017 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der BF nach Italien zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

 

Die Feststellungen zur Lage in Italien wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

 

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 16.3.2017, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 10. März 29.750 Asylanträge gab.

 

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(VB 15.3.2017a)

 

Mit Stand 14.3.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 173.973 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 344 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.027 in Erstaufnahmezentren, 136.920 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.682 (Stand: 27.2.2017) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

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(VB 15.3.2017b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 26.1.2017, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 20. Jänner 6.990 Asylanträge gab.

 

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(VB 25.1.2017a)

 

Mit Stand 24.1.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 174.979 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 355 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 14.290 in Erstaufnahmezentren, 136.512 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.822 (Stand: 31.12.2016) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

...

 

(VB 25.1.2017b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 13.1.2017, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2016 bis 30. Dezember 123.600 Asylanträge gab.

 

...

 

(VB 11.1.2017a)

 

Mit Stand 10.1.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 176.150 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 497 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 14.476 in Erstaufnahmezentren, 137.355 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.822 (Stand: 31.12.2016) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

...

 

(VB 11.1.2017b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 22.12.2016, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es 2016 bis 16.Dezember in Italien 119.085 Asylanträge gab.

 

...

 

(VB 21.12.2016a)

 

Mit Stand 20.12.2016 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 175.481 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 539 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 14.461 in Erstaufnahmezentren, 136.918 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.563 (Stand: 5.12.2016) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

...

 

(VB 21.12.2016b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 9.12.2016, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums zur Zahl der Asylanträge mit Stand 02.12.2016 geht hervor, dass es bis dahin im Jahr 2016 in Italien 113.686 Asylanträge gab.

 

...

 

(VB 6.12.2016a)

 

Mit Stand 2.12.2016 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 175.698 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 980 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 14.395 in Erstaufnahmezentren, 137.165 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.158 (Stand: 18.11.2016) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

...

 

(VB 6.12.2016b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 29.11.2016, Asylstatistik und Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Statistiken des italienischen Innenministeriums zur Zahl der Asylanträge mit Stand 11.11.2016. Daraus geht hervor, dass es bis dahin im Jahr 2016 in Italien 103.713 Asylanträge gab.

 

...

 

(ÖB 18.11.2016a)

 

Dazu darf nochmals auf die KI vom 14.11.2016 verwiesen werden, in der eine Statistik der italienischen Asylbehörde zu Asylentscheidungen im Jahr 2016 (Stand 28.Oktober) zitiert wurde, der zufolge es in Italien 76.448 Asylentscheidungen gab; davon wurden 57% abgewiesen, 5% erhielten Flüchtlingsstatus, 14% erhielten subsidiären Schutz und 20% humanitären Schutz, während 4% untertauchten (ÖB 11.11.2016b).

 

Mit Stand 17.11.2016 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 175.188 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 1.145 in Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.738 in Erstaufnahmezentren, 137.244 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.061 (Stand: 31.10.2016) in staatlicher Betreuung

(SPRAR):

 

...

 

(ÖB 18.11.2016b)

 

Das bedeutet für die Regionen nach der Einwohnerzahl gerechnet folgendes Ranking:

 

...

 

(ÖB 18.11.2016c)

 

Hier eine Statistik des italienischen Innenministeriums zum Trend bei der Unterbringung in den letzten 3 Jahren, welche die Steigerung bei den Kapazitäten abbildet:

 

...

 

(ÖB 18.11.2016d)

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

KI vom 14.11.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

 

Mit Stand 10.11.2016 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 174.023 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 976 in Hotspots, 13.878 in Erstaufnahmezentren, 136.108 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.061 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

...

 

(ÖB 11.11.2016a)

 

Statistik der italienischen Asylbehörde zu Asylentscheidungen im Jahr 2016, Stand 28.Oktober:

 

...

 

(ÖB 11.11.2016b)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 28.10.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren, 3/Dublin-Rückkehrer und 6/Versorgung)

 

Mit Stand 23.10.2016 waren in Italien 166.921 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 647 in Hotspots, 13.441 in Erstaufnahmezentren, 129.862 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 22.971 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

...

 

(VB 25.10.2016)

 

Statistiken der italienischen Asylbehörde zur Zahl der Asylanträge mit Stand 14.10.2016:

 

...

 

(VB 18.10.2016)

 

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind. Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert (siehe dazu Kap. 3 und 6.3 dieses LIB).

 

Am 12. Oktober wurde wieder ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 11 SPRAR-Projekte mit zusammen 58 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 12.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

KI vom 29.9.2016, Unterbringung (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6.1/Unterbringung)

 

Mit Stand 26.9.2016 waren in Italien 160.030 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 980 in Hotspots, 13.377 in Erstaufnahmezentren, 123.481 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 22.192 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

...

 

(ÖB 27.9.2016)

 

Quellen:

 

 

KI vom 23.8.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6.1/Unterbringung)

 

Mit Stand 16.8.2016 waren in Italien 144.988 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 964 in Hotspots, 13.259 in Erstaufnahmezentren, 110.249 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.516 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

...

 

(ÖB 19.8.2016)

 

Statistiken der italienischen Asylbehörde zur Zahl der Asylanträge mit Stand 19.8.2016:

 

...

 

(VB 22.8.2016)

 

Sowie Statistiken der italienischen Asylbehörde zu Asylwerbern und der Zahl der Asylentscheidungen mit Stand 19.8.2016:

 

...

 

(VB 22.8.2016)

 

Quellen:

 

 

 

KI vom 9.8.2016, Vulnerable Dublin-Rückkehrer (relevant für Abschnitte 3/Dublin-Rückkehrer und 6.3/Unterbringung Dublin-Rückkehrer)

 

Am Flughafen Rom-Fiumicino gibt es ein Büro der Vereinigung COOPERATIVA ACCOGLIENZA FIUMICINO, welche bei der Ankunft von schweren vulnerablen Fällen anwesend ist und diese in Empfang nimmt. Es wurde mit dem VB des BM.I in Rom vereinbart, dass er ab September 2016, im Falle der Überstellung eines schwerwiegend vulnerablen Dublin-Falles, dessen Empfang am Flughafen Rom-Fiumicino persönlich monitoren wird (VB 5.8.2016).

 

Quellen:

 

 

KI vom 2.8.2016, Unterbringung (relevant für Abschnitt 6.1/Unterbringung)

 

Mit Stand 27.7.2016 waren in Italien 139.207 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 1.016 in Hotspots,

13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

 

...

 

(ÖB 29.7.2016)

 

Quellen:

 

 

KI vom 18.5.2016, Asylstatistik Mai 2016 (relevant für Abschnitt 2/Allgemeines zum Asylverfahren)

 

Statistiken der italienischen Asylbehörde zu Asylanträgen, Asylantragstellern und Asylentscheidungen mit Stand 13. Mai 2016:

 

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(VB 17.5.2016)

 

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(VB 17.5.2016)

 

Quellen:

 

 

2. Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte

 

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind laut LD 142/2015 nunmehr unterschiedslos für 5 Jahre (verlängerbar) aufenthaltsberechtigt. Dasselbe Dekret hat auch die Aktivitäten der National Coordinating Working Group zur Verbesserung des nationalen Aufnahmesystems und des Integrationsplans für Schutzberechtigte bestätigt. In dieser Arbeitsgruppe sind auch Vertreter von UNHCR und NGOs (AIDA 12.2015).

 

2011 wurde zur Verbesserung der Integration von Schutzberechtigten das nationale Unterbringungssystem erweitert und ein Nationaler Integrationsplan etabliert. Jobtrainings und andere Integrationsprogramme sind auch durch nationale Fördertöpfe bzw. AMIF möglich. In diesem Rahmen fördert das ital. Innenministerium NGOs, welche Integrationsmaßnahmen anbieten. Diese Projekte sind allerdings zeitlich begrenzt und richten sich an eine eingeschränkte Zahl von Nutznießern. Auch die Gemeinden können Jobtrainings und -praktika finanzieren, sowie Arbeitsstipendien (borse lavoro), die Italienern und Fremden gleichermaßen zur Verfügung stehen (AIDA 12.2015).

 

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);

Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;

kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).

 

USDOS bezeichnet die Anstrengungen der ital. Regierung zur Integration von Flüchtlingen als begrenzt. Die hohe Arbeitslosigkeit erschwert es ihnen zusätzlich legale Beschäftigung zu finden (USDOS 4.2016).

 

Generell ist es für Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeschickt werden, schwierig, eine Unterkunft zu finden. Das italienische System geht davon aus, dass man ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten und für sich selbst sorgen kann. Bezüglich Sozialhilfe sind anerkannte Flüchtlinge mit Italienern gleichgestellt. Das italienische Sozialhilfesystem ist jedoch schwach und kann kein Existenzminimum garantieren. Es beruht stark auf der Unterstützung durch die Familie (SFH 10.2013; vgl. SFH 4.8.2014).

 

Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können (UNHCR 3.2015).

 

Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und gelegentlich Opfer von Ausbeutung. NGOs zufolge schmälert der Mangel an Beratung und Trainingsprogrammen die Chancen der Flüchtlinge auf eine Anstellung (USDOS 4.2016).

 

Rückkehrer mit Schutzstatus in Italien, die zuvor bereits in einem CARA untergebracht waren, haben bei Rückkehr kein Recht mehr auf Unterbringung in einem solchen. Sie können ausnahmsweise dort untergebracht werden, wenn Plätze frei sind. Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringung im SPRAR. Dort existieren standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Die Integrationsmaßnahmen für AW und Schutzberechtigte in den italienischen Zentren werden aber generell als unzulänglich kritisiert (AIDA 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Die Behörde führte begründend aus, dass aus den Angaben des BF keine stichhaltigen Gründe für die Annahmge glaubhaft gemacht worden seien, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Nachdem bei allen Fremden, die in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz (Asyl oder subsidiären Schutz) genießen und in Österreich einen Asylantrag stellen würden, § 4a AsylG anwendbar sei, treffe dies auch auf den BF zu. Dieser habe in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten, was sich aus der Mitteilung Italiens vom 05.08.2015 ergebe. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 AsylG für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" ergeben. In Hinblick auf die Frau und das Kind des BF, welche in Österreich subsidiär schutzberechtigt seien, habe der BF - wie jeder einwanderungswillige Ausländer - die Möglichkeit, nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung zu erlangen. Dem BF sei im Zeitraum seines Aufenthalts in Österreich nie ein nicht auf das Asylrecht begründetes und dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugekommen. Der BF habe zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich vernünftiger Weise nicht erwarten können, sein Familien- oder Privatleben in Österreich weiterzuführen. Zudem habe er sich während des gesamten Aufenthaltes in Österreich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Da dem BF auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und gem. § 10 Abs. 1 AsylG sowie gem. § 9 BFA-VG keine Verletzung von Art. 8 EMRK ersichtlich sei, sei diese Entscheidung mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden.

 

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und darin gerügt, dass die Unterbringungssituation in Italien äußerst prekär sei. Da sich das italienische Sozialsystem vor allem auf familiäre Anknüpfungspunkte stütze, würden Flüchtlinge in Italien keine Existenz sichernden Sozialleistungen erhalten. Dies treffe auch auf den BF zu, der durch den italienischen Staat weder finanzielle Unterstüzung noch einen Wohnplatz oder eine Krankenversicherung erhalten habe. Die Situation in Italien habe sich im letzten Jahr aufgrund der hohen Zahlen von neuankommenden Asylsuchenden weiter verschlechtert. Hätte die belangte Behörde den BF nach den genaueren Umständen in Italien befragt, hätte dieser die mangelnde Aufnahmesituation näher darlegen können und insbesondere vorgebracht, dass ein gemeinsames Familienleben in Italien jedenfalls nicht im Sinne des Kindeswohls wäre, da in Italien für subsidiär Schutzberechtigte keine die Menschenwürde wahrende staatliche Unterstützung vorgesehen sei. Es sei zudem keinesfalls gesichert, dass die Ehefrau und das Kind des BF in Italien zum Asylverfahren zugelassen werden bzw. dort einen Aufenthaltsstatus erlangen würden, insbesondere da sich der BF seit mittlerweile mehr als eineinhalb Jahren in Österreich aufhalte. Die belangte Behörde habe es jedenfalls auch unterlassen, zu ermitteln, welche Auswirkungen eine Überstellung nach Italien auf die in Österreich schutzberechtigte Ehefrau sowie auf das gemeinsame Kind hätte. Eine Außerlandesbringung sei gem. § 9 BFA-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig. Es sei zudem zu beachten, dass eine Außerlandesbringung des BF nicht nur dessen nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte, sondern auch das Recht auf Privat- und Familienleben seiner Ehefrau sowie das Kindeswohl seiner Tochter verletzen würde.

 

Der Beschwerde ist eine Deutschkursbestätigung vom 28.02.2017 den BF betreffend beigefügt.

 

Mit Eingabe vom 12.05.2017 wurde dem erkennenden Gericht der Sozialbericht des Grundversorgungsquartiers, in welchem der BF wohnhaft sei, übermittelt. Aus diesem geht unter anderem hervor, dass er mehrmals die Woche bei seiner Familie übernachte und die Familie auch in anderen Belangen sehr unterstütze. Der BF suche aktiv nach Deutschkursen und Integrationsmaßnahmen, was sich nicht zuletzt durch den Besuch eines A1 Deutschkurses zeige. Demnach werde - wie bereits in der Beschwerde ausgeführt - sein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich belegt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der BF suchte erstmals am 04.06.2011 in Italien um Asyl an, wobei ihm in Italien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine bis 18.05.2019 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde.

 

Einen weiteren Asylantrag stellte der BF am 07.02.2013 in Schweden, von welchem Staat aus er nach Italien rücküberstellt hätten werden sollen, dort aber vor der Abschiebung untertauchte. Dann reiste er nach Österreich weiter und stellte hier am 17.07.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 26.01.2016 gem. § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurde; zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt sowie gem. § 10 AsylG Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Italien gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.08.2016 gem. § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

Am 05.01.2017 stellte der BF den vorliegenden, zweiten Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an. Es ist dem BF als erwachsenem und arbeitsfähigem Mann, bei dem es sich noch dazu um einen subsidiär Schutzberechtigten in Italien handelt, unter Anspannung seiner Kräfte möglich und zumutbar, dort seine Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken.

 

Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im Zielstaat sprechen, liegen nicht vor.

 

Der BF leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

 

In Österreich lebt die Ehegattin des BF, der aufgrund ihres in Österreich am 19.03.2015 gestellten Antrages auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 23.09.2015 subsidiärer Schutz sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt wurde.

 

Am 21.11.2016 wurde die Tochter des BF geboren, zu welcher er die Vaterschaft anerkannt hat. Die Tochter des BF ist in Österreich - wie ihre Mutter - subsidiär schutzberechtigt.

 

Zwischen dem BF und seiner Frau sowie seinem Kind besteht kein gemeinsamer Haushalt.

 

Hinweise auf das Vorliegen von Umständen, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen in Betracht kommen könnten, bestehen nicht.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Asylantragstellung in Italien und Schweden ergibt sich aus diesbezüglichen EURODAC-Treffermeldungen iZm den mit diesen Staaten geführten Konsultationen, welche aktenkundig sind. Die Feststellung des Bestehens des Status eines subsidiär Schutzberechtigten samt Aufenthaltsberechtigung in Italien stützt sich auf das diesbezügliche Schreiben der italienischen Dublin-Behörde vom 05.08.2015.

 

Die Gesamtsituation von subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in Italien resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Asylstatistik und Unterbringung auch Feststellungen zu anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten getroffen.

 

Die Feststellungen des Nichtvorliegens gesundheitlicher Beeinträchtigungen ergeben sich aus den eigenen Angaben des BF.

 

Der Verfahrensstand betreffend die Ehefrau und das Kind des BF ergibt sich aus der Aktenlage sowie weiteren Datenauszügen (IZR, ZMR).

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

 

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

 

"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

 

...

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

...

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

...

 

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

...

 

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

..."

 

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

 

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

 

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

 

....

 

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

 

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

 

(5) Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen."

 

3.2.1 Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Asylantrages ist davon auszugehen, dass das BFA zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 vorgenommen hat.

 

Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Aus dem festgestellten Sachverhalt - insbesondere aus dem Antwortschreiben der italienischen Dublinbehörde vom 05.08.2015 - ergibt sich, dass der BF in Italien bereits als Begünstigter internationalen Schutzes anerkannt wurde. Aus diesem Grund kommt zweifelsfrei § 4a AsylG zur Anwendung.

 

3.2.2. Der BF befindet sich nunmehr seit Juli 2015 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

3.3.1. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

 

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

 

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

 

Nach den Länderberichten zu Italien kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

 

Sofern der BF einräumt, dass er in Italien keine Unterkunft habe bzw. man nach sechs Monaten das Lager verlassen müsse und danach obdachlos sei, ist Folgendes zu sagen: Da das italienische System mit der Gewährung des Schutzstatus auch den Zugang zum Arbeitsmarkt einräumt, liegt die Sicherung seiner Versorgung zunächst in der Verantwortung des BF.

 

Dass in Italien möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen als in anderen europäischen Ländern, verletzt den BF nicht in seinen Grundrechten. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass er in Italien keinerlei Existenzgrundlage vorfände. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge bzw. Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften. Im Hinblick darauf, dass der BF jung, gesund und arbeitsfähig ist, ist davon auszugehen, dass es ihm möglich sein wird, eine - wenn auch bescheidene - Existenzgrundlage in Italien zu schaffen. Es ist dem BF zuzumuten, nach einer Rücküberstellungen nach Italien die von ihm angesprochenen Schwierigkeiten - u.a. in Hinblick auf eine finanzielle Unterstützung, einen Wohnplatz und eine Krankenversicherung bzw. generell in Hinblick auf die Existenz sichernden Sozialleistungen - aus eigenem zu überwinden bzw. erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen. Die von ihm allgemein vorgebrachten Befürchtungen relativieren sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen.

 

Es liegen keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder den EuGH vor, welche eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, insbesondere im Fall von Dublin-Überstellten aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen (siehe diesbezüglich u.a. auch die Urteile des EGMR in der Rechtssache A.M.E./Niederlande, 51428/10, vom 13.01.2015; in der Rechtssache Mohammed Hussein ua./Niederlande und Italien, 27725/10 vom 02.04.2013 sowie in der Rechtssache Daytbegova und Magomedova/Österreich, 6198/12 vom 04.06.2013). Ebenso wenig gibt es eine Empfehlung von UNHCR, wonach von Überstellungen nach Italien aufgrund des Vorliegens akuter und systemischer Probleme im dortigen Aufnahmewesen Abstand zu nehmen wäre.

 

In seinem Urteil vom 04.11.2014, Große Kammer, 29217/12, Tarakhel, Rn. 114, sprach der EGMR neuerlich ausdrücklich aus, dass die Lage in Italien in keiner Weise mit der in Griechenland zum Zeitpunkt des Urteils M.S.S. verglichen werden kann.

 

Zu den Gründen, die gegen eine Rückkehr nach Italien sprechen, hat der BF auch immer wieder seine familiäre Situation in Österreich ins Treffen geführt und vorgebracht, bei seiner hier aufhältigen Frau und Tochter bleiben zu wollen. Die Vorgehensweise, sich aufgrund familiärer bzw. privater Aspekte ein Land der Wahl für die Führung des Asylverfahrens auszusuchen, widerspricht jedoch eindeutig der Dublin-VO. Das Grundprinzip der Dublin-VO ist es, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Jedenfalls hat der BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in seinen Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend zu machen.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Diese "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR in seiner Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192) nunmehr präzisiert.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF im Falle einer Überstellung nach Italien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Wie oben bereits festgestellt, leidet der BF an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Zudem ist die medizinische Versorgung in Italien gewährleistet.

 

3.3.2. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC wurde erwogen:

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Im vorliegenden Fall hat die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung die Trennung des BF von seiner Ehefrau und seinem Kind zur Folge, welche in Österreich beide subsidiär schutzberechtigt sind. Daher stellt die aufenthaltsbeendende Maßnahme hinsichtlich des BF einen Eingriff in den Schutzbereich des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser Eingriff ist jedoch im gegenständlichen Fall gerechtfertigt.

 

Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass die Ehe des BF mit seiner Gattin bereits in der Heimat bestanden hat und dieser seine Frau in vielen Bereichen, so auch bei der Kindererziehung und Kinderbetreuung seiner minderjährigen Tochter, unterstützt. Nichtsdestotrotz sind gegenständlich - wie bereits im Vorerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.08.2016 zu Recht ausgeführt wurde - "die Verfahren auf Zuerkennung von internationalem Schutz in Ansehung der betroffenen Personen (in Österreich bzw. in Italien) abgeschlossen. Für die Führung eines gemeinsamen Verfahrens (etwa in Form eines Familienverfahrens) besteht daher im Beschwerdefall kein Raum."

 

In Hinblick auf den Wunsch des BF auf eine Zusammenführung mit seiner Frau und seinem Kind wird demnach ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht zu ziehen sein.

 

Wenn es also letztlich zwar auf der Hand liegt, dass für den BF ein Aufenthalt in Österreich und somit gemeinsam mit seiner Gattin und seinem Kind vorteilhafter wäre, so überwiegen bei der Interessenabwägung dennoch klar die Interessen an der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes.

 

Betreffend das Verhältnis des BF zu seinem Kind ist noch insbesondere darauf zu verweisen, dass der BF von Anfang an nicht damit rechnen durfte, dass ihm unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens eine weitere Niederlassung im Bundesgebiet bewilligt wird. Er hätte sich dieser Unsicherheit auch bewusst sein müssen (vgl. VwGH vom 19.02.2009, Zl. 2008/18/0721 sowie VwGH vom 21.01.2010, Zl. 2009/18/0258, siehe auch EGMR vom 11.04.2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen die Niederlande).

 

Der Kontakt zwischen dem BF und seiner Gattin sowie seiner Tochter kann zwischenzeitlich telefonisch oder über das Internet sowie - in eingeschränkter Form - auch durch persönliche Besuche aufrechterhalten werden, nachdem alle drei genannten Personen (der BF in Italien, seine Gattin und seine Tochter in Österreich) subsidiären Schutz erhalten haben.

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).

 

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

 

Insgesamt gesehen kann dem BF somit jedenfalls zugemutet werden, den Wunsch nach Einwanderung und Familienzusammenführung mit seiner Gattin und seinem Kind im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

 

Die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Der BF stellte hier bereits zum zweiten Mal einen Asylantrag und verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise des BF innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.

 

Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).

 

Zu den Integrationsbemühungen des BF (Besuch eines Deutschkurses) ist anzumerken, dass diese grundsätzlich anzuerkennen sind, aber trotzdem Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, nicht vorliegen (vgl. VfGH vom 26.02.2007, B1802/06 u. a.). Der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von beinahe zwei Jahren war nur ein vorläufig berechtigter. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen überwiegen können (vgl. VwGH vom 09.05.2003, Zl. 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (vgl. VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124).

 

3.4. Gemäß § 21 Abs. 6a und Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

3.5. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche sich bereits aus den umfassenden und aktuellen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergab, weiters im Gesundheitszustand des BF sowie in der Bewertung der Intensität seiner privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

 

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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