BVwG W170 2183099-1

BVwGW170 2183099-123.3.2018

BDG 1979 §114 Abs1
BDG 1979 §114 Abs2
BDG 1979 §118 Abs1 Z3
BDG 1979 §123 Abs2
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §94 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2183099.1.00

 

Spruch:

W170 2183099-1/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin DERCSALY, gegen den Einleitungsbeschluss (bezeichnet als "Einleitungsbescheid") der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, vom 09.11.2017, Zl. 102 Ds 10/17b, zu Recht:

 

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, in Verbindung mit § 123 Abs. 2, 94 Abs.1 Z 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 167/2017, stattgegeben, der bekämpfte Einleitungsbeschluss ersatzlos behoben und das Disziplinarverfahren gemäß § 118 Abs. 1 Z 3 leg.cit. eingestellt.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Wesentlicher Verfahrensgang und Verfahrensgegenstand:

 

XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) setzte am 22.02.2017 ein Facebook-Posting ab, das - nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Generaldirektion für den Strafvollzug, (in Folge: Dienstbehörde) eine Dienstpflichtverletzung darstellt.

 

Dieser Ansicht schloss sich die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, (in Folge: belangte Behörde) insoweit an, als die belangte Behörde diese Dienstpflichtverletzung zumindest auf Verdachtsebene für gegeben erachtete und daher mit im Spruch bezeichneten Einleitungsbeschluss ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer einleitete. Dieser Einleitungsbeschluss wurde dem Beschwerdeführer am 17.11.2017 zugestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 06.12.2017 ergriff der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der "Bescheidbeschwerde" und brachte im Wesentlichen vor, das gegenständliche Posting binnen Minuten geändert und wenig später gelöscht zu haben. Das Vorgehen der belangten Behörde und der Dienstbehörde grenze an Willkür und sei im Wesentlichen Folge einer vom Beschwerdeführer eingebrachten Amtshaftungsklage gegen die Dienstbehörde.

 

Mit Schriftsatz vom 08.01.2018, Zl. 102 Ds 10/17b, wurden der Einleitungsbeschluss und die Beschwerde sowie Aktenteile dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo das Konvolut am 17.01.2018 einlangte. Das Bundesverwaltungsgericht musste in weiterer Folge wesentliche Aktenteile beischaffen und den Parteien zu diesen Parteiengehör gewähren; in Rahmen dieses Parteiengehörs äußerte sich der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.03.2018 und der Disziplinaranwalt mit Schriftsatz vom 19.03.2018.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. XXXX ist Justizwachebeamter und wurde am 22.02.2017 in der Justizanstalt XXXX verwendet.

 

1.2. Mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, vom 09.11.2017, Zl. 102 Ds 10/17b, wurde XXXX vorgeworfen, er habe am 22.02.2017 auf Facebook in der Gruppe "Justizwache" unter dem Namen "XXXX" nachfolgendes Posting veröffentlicht, welches in weiterer Folge als Screenshot mittels des Nachrichtendienstes "WhatsApp" unter einer Vielzahl von Justizwachebeamten Verbreitung gefunden habe:

 

"Ich möchte mich jz nicht unbeliebt machen! Aber ja ich (selbst JWB) bekomme solche bizarren Vorfälle leider recht häufig mit! Es sind nunmal oftmals die eigenen Leute die einfach nicht nur für diesen Job ungeeignet und leider verhaltensauffällig bis zum geht nicht mehr. (siehe letzten Nachwuchs von E2b Absolventen zb.). Die gewisse JA in Wien in welcher ich "arbeite" ist mehr ein Swingerclub, mann sollte sich eher Gedanken machen wie solche Leute überhaupt zu diesem Job oder der Position kommen. Die gewisse Anstalt in der ich meinn Dienst versehe, is leider ein Haufen von undisziplinierten und straffälligen Idioten...Sorry, is aber die Realität!"

 

1.3. Von der unter 1.2. dargestellten Dienstpflichtverletzung erlangte die Generaldirektion für den Strafvollzug, die für XXXXDienstbehörde ist, am 22.02.2017 Kenntnis.

 

Mit Schriftsatz vom 03.08.2017 hat die Generaldirektion für den Strafvollzug die unter 1.2. dargestellte Dienstpflichtverletzung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt:

Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), angezeigt.

 

1.4. Mit Schreiben vom 01.08.2017 legte die Dienstbehörde der Oberstaatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich der Aussagen und Handlungen von Justizwachebeamten "insbesondere XXXX" vor.

 

Zusammengefasst verwies die Dienstbehörde auf Meldungen des XXXX vom 13.12.2016, 14.12.2016, 14.01.2017 und 17.02.2017 in denen sich dieser über diziplinar- und strafrechtlich relevantes Verhalten anderer Justizwachebeamten beschwert habe sowie darauf, dass die Dienstbehörde bereits mit Sachverhaltsdarstellung vom 24.03.2017 die Oberstaatsanwaltschaft Wien um strafrechtliche Würdigung ersucht habe.

 

In dem Schreiben wurde das verfahrensgegenständliche Facebook-Posting von XXXX wortwörtlich wiedergegeben und nach weiteren Ausführungen dargestellt, welche Verdachtsmomente sich insbesondere ergeben würden. Diesbezüglich wurde von der Generaldirektion für den Strafvollzug hinsichtlich XXXX lediglich angemerkt, dass dieser Telefongespräche aufgezeichnet habe. Von der Zitierung des verfahrensgegenständlichen Facebook-Postings abgesehen findet dieses keine weitere Erwähnung im Schreiben der Generaldirektion für den Strafvollzug.

 

1.5. Mit Schreiben der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, vom 06.09.2017 wurde die Generaldirektion für den Strafvollzug beauftragt, weitere Erhebungen hinsichtlich der unter 1.2. dargestellten Dienstpflichtverletzung durchzuführen.

 

Diese Erhebungen wurden von der Generaldirektion für den Strafvollzug am 20.09.2017 durchgeführt und mit Schreiben vom 03.10.2017 der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, vorgelegt.

 

1.6. Hinsichtlich der unter 1.2. dargestellten Dienstpflichtverletzung wurde mit im Spruch bezeichneten Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, ein Disziplinarverfahren gegen XXXX eingeleitet. Dieser Einleitungsbeschluss wurde XXXX am 17.11.2017 zugestellt.

 

1.7. Mit Schriftsatz vom 06.12.2017 ergriff XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde. Das Rechtsmittel wurde am 13.12.2017 zur Post gegeben und langte spätestens am 14.12.2017 bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (jetzt:

Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Senat 2, ein.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

 

2.2. Insbesondere ist hinsichtlich der Person und Verwendung des Beschwerdeführers (Feststellungen zu 1.1.) auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde zu verweisen.

 

Hinsichtlich der Feststellungen zu 1.2. wird insbesondere auf den verfahrensgegen-ständlichen Einleitungsbeschluss verwiesen.

 

Hinsichtlich der Feststellung zu 1.3. wird auf das Schreiben der Dienstbehörde an das Bundesverwaltungsgericht vom 07.02.2018, 1. Absatz und auf die Disziplinaranzeige verwiesen.

 

Die Feststellung zu 1.4. ergibt sich aus dem Schreiben der Dienstbehörde vom 01.08.2017.

 

Die Feststellungen zu 1.5. ergeben sich aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 06.09.2017 und dem Schreiben der Dienstbehörde vom 03.10.2017.

 

Die Feststellungen zu 1.6. ergeben sich aus dem Einleitungsbeschluss und dem im Akt einliegenden Zustellschein.

 

Die Feststellungen zu 1.7. ergeben sich aus der Beschwerde und den auf dieser angebrachten Post- bzw. Behördeneingangsstempel.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Gemäß § 105 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 167/2017 (in Folge: BDG), sind - soweit im 8. Abschnitt des BDG nicht anderes bestimmt ist - auf das Disziplinarverfahren (1.) das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013, (in Folge: AVG) mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 39 Abs. 2a, §§ 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 58a, 62 Abs. 3, §§ 63 bis 67, 68 Abs. 2 und 3, § 73 Abs. 2 und 3, §§ 75 bis 79 sowie (2. und hier nicht relevant) das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2017, (in Folge: ZustG) anzuwenden.

 

Gemäß § 37 1. Satz AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

 

Gegenstand des Einleitungsbeschlusses ist im Wesentlichen die Frage, ob der von der Disziplinaranzeige betroffene Beamten in einem hinreichenden Verdacht steht, die vorgeworfenen Verfehlungen begangen zu haben und den inhaltlichen Gegenstand des Disziplinarverfahrens einzuschränken sowie die Verjährung zu unterbrechen sowie festzustellen, ob Einstellungsgründe im Sinne des § 118 BDG vorliegen.

 

3.2. Der Einleitungsbeschluss erfüllt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nunmehr auch die Funktion des bis zur Rechtslage vor der Dienstrechts-Novelle 2011 vorgesehenen Verhandlungsbeschlusses. Nunmehr sind unter anderem gemäß § 123 Abs. 2 BDG auch die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen, das heißt, dass im Spruch des Einleitungsbeschlusses auch der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zu ihrer Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Insbesondere ist auch klarzustellen, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im Einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird, wobei die endgültige rechtliche Subsumtion dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Disziplinarkommission - die an die rechtliche Würdigung im Einleitungsbeschluss nicht gebunden ist - vorbehalten bleibt (VwGH 21.04.2015, Ra 2014/09/0042 bzw. zum Verhandlungsbeschluss vor der Dienstrechts-Novelle 2011 VwGH 27.10.1999, 97/09/0246). Das bedeutet, dass es für den Einleitungsbeschluss nach § 123 BDG ab der Dienstrechts-Novelle 2011 um die Klärung genügender Verdachtsgründe geht, welche die Annahme eines ausreichenden Verdachtes einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen, nicht jedoch darum, ob der Beamte eine solche Dienstpflichtverletzung tatsächlich schuldhaft begangen hat (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0007, VwGH 21.04.2015, Ra 2014/09/0042).

 

3.3. Neben der Frage, ob ein hinreichender Verdacht gegen den betroffenen Beamten vorliegt, ist zu klären, ob allenfalls offenkundige Gründe für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG gegeben sind. Stellt sich nämlich (seit der Dienstrechts-Novelle 2011) nach Erlassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG heraus, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 118 Abs. 1 BDG vorliegen, so darf das Disziplinarverfahren nicht mehr gemäß § 118 Abs. 1 BDG eingestellt werden, sondern ist in einem solchen Fall der Beschuldigte von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0007).

 

3.4. Gemäß § 94 Abs. 1 BDG darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht (1.) innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Dienstbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder (2.) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen, verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich hinsichtlich der Verjährung nach § 94 Abs. 1 BDG um keine Entscheidung im Verdachtsbereich handelt, sondern bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.11.2002, 2001/09/0008) für die Erlassung eines Einleitungsbeschlusses die Beurteilung der Verfolgungsverjährung eine notwendige Voraussetzung, da mit Eintritt der Verfolgungsverjährung die Erlassung eines Einleitungsbeschlusses entfiele. Daher, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, sind an die Erlassung eines Einleitungsbeschlusses zufolge § 123 Abs. 3 BDG Rechtsfolgen geknüpft, die u.a. darin bestehen, dass im Umfang eines Einleitungsbeschlusses der Eintritt der Verfolgungsverjährung verhindert wird. Dieser innere Zusammenhang zwischen dem Eintritt der Verfolgungsverjährung und der (inhaltlich rechtswirksamen) Erlassung eines Einleitungsbeschlusses führt auch vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage, wonach der Einleitungsbeschluss vor dem Verwaltungsgericht anfechtbar und durch dieses mit Entscheidungsbefugnis im Sinne des § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017 (in Folge: VwGVG), zu überprüfen ist, dazu, den Dienstbehörden im nachfolgenden Disziplinarverfahren die neuerliche Beurteilung des Eintritts der Verfolgungsverjährung und damit eine vom rechtskräftigen Bescheid der Disziplinarkommission bzw. rechtskräftigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abweichende Entscheidung in dieser Hinsicht nicht zu erlauben. Mit anderen Worten klärt der Einleitungsbeschluss die Frage der Verfolgungsverjährung nach § 94 Abs. 1 BDG endgültig.

 

3.5. Es wurde festgestellt, dass die Dienstbehörde spätestens am 22.02.2017 von einem hinreichenden Verdacht der Begehung der gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers in Kenntnis war.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 2. Fall AVG enden nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

 

Da die Verjährungsfrist des § 94 Abs. 1 Z 1 BDG am 22.02.2017 begonnen hat und der 22.08.2017 weder ein Samstag, Sonntag, gesetzlicher Feiertag, der Karfreitag oder der 24. Dezember war, endete die Frist - vorbehaltlich einer Verlängerung oder einer Unterbrechung - mit Ablauf des 22.08.2017.

 

3.6. Gemäß § 94 Abs. 1 letzter Satz BDG verlängert sich die unter § 94 Abs. 1 Z 1 leg.cit. genannte Frist um sechs Monate, wenn von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen sind. Allerdings kann eine bereits abgelaufene Frist nicht mehr rechtens verlängert werden (VwGH 10.10.2014, 2013/02/0182, VwGH 05.07.1996, 96/02/0135, VwGH 20.09.1989, 89/03/0171). Da - vorbehaltlich nunmehr einer Unterbrechung - die Verjährungsfrist mit Ablauf des 22.08.2017 abgelaufen war, war der am 06.09.2017 ergangene Auftrag der Disziplinarkommission an die Dienstbehörde Ermittlungen durchzuführen, im Hinblick auf die Verlängerung der Verjährungsfrist wirkungslos und ist - vorbehaltlich einer Unterbrechung - mit Ablauf des 22.08.2017 Verjährung eingetreten.

 

3.7. Gemäß § 114 Abs. 1 BDG hat die Disziplinarbehörde, kommt sie während des Disziplinarverfahrens zur Ansicht, dass eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, gemäß § 78 Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 117/2017, (in Folge: StPO) vorzugehen. Gemäß § 78 Abs. 1 StPO ist eine Behörde oder öffentliche Dienststelle, wird dieser der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.

 

Gemäß § 114 Abs. 2 BDG wird dadurch das Disziplinarverfahren unterbrochen, wenn die Disziplinarbehörde Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder die Verwaltungsbehörde erstattet oder sie sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren hat. Die Parteien sind vom Eintritt der Unterbrechung zu verständigen. Ungeachtet der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ist ein Beschluss, ein Disziplinarverfahren durchzuführen (§ 123), zulässig.

 

Sowohl die Dienstbehörde als auch der Disziplinaranwalt haben in der Stellungnahme vom 19.03.2018 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 01.08.2017 strafrechtlich relevante Tatbestände an die Staatsanwaltschaft gemeldet wurden. Während die Dienstbehörde nur allgemein von einer Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ausgeht, führt der Disziplinaranwalt ins Treffen, dass in der Verständigung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Schreiben vom 01.08.2017 an die Oberstaatsanwaltschaft Wien festgehalten werde, dass das gegenständliche Posting zwar zitiert, jedoch im Gegensatz zu den Aufzeichnungen von Telefongesprächen nicht als unter einem strafrechtlichen Verdacht stehend bezeichnet werde. Diese Ansicht könne vom Disziplinaranwalt nicht geteilt werden, zumal in dem Schreiben vom 01.08.2017 auf Seite 3 die Rede von "insbesondere" folgenden neuen strafrechtlich indizierten Verdachtsmomenten sei. Das Wort "insbesondere" leite jedoch immer nur eine demonstrative und niemals eine taxative Aufzählung ein. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass mit der Sachverhaltsdarstellung vom 01.08.2017 nur jene zusammengefassten Verhalten angezeigt werden sollten, wäre vor allem aufgrund der §§ 2 und 3 StPO für eine Begründung der Verjährung nichts gewonnen. Bei der Erledigung strafrechtlicher Rechtssachen gelte - so der Disziplinaranwalt weiter - für die Strafrechtsbehörde der Grundsatz der Amtswegigkeit und Wahrheitsforschung und eben nicht der Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz wie im Zivilprozess. Es könne daher für die Prüfung, ob und inwieweit strafrechtlich relevante Verhalten vorliegen, nicht auf die Gliederung und innere Abgrenzung einer Sachverhaltsdarstellung ankommen. Insofern sei im konkreten Fall von einer Idealkonkurrenz der verfahrensgegenständlichen Dienstpflichtverletzung mit einer gerichtlich strafbaren Handlung auszugehen, weswegen durch die Anzeigenerstattung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens im Sinne des § 114 BDG eingetreten sei.

 

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Ausführungen des Disziplinaranwaltes nicht und dies aus folgenden Gründen:

 

Gemäß § 114 Abs. 1 BDG muss die Dienstbehörde nur von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung der Kriminalpolizei bzw. der Staatsanwaltschaft anzeigen, gemäß § 78 StPO nur den Verdacht einer Straftat, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft. Weder ist dem verfahrensgegenständlichen Posting des Beschwerdeführers der Vorwurf einer konkreten strafbaren Handlung zu entnehmen noch wird eine bestimmte Person einer konkreten strafbaren Handlung beschuldigt. Zwar reicht es für das Vorliegen einer Verleumdung nach § 297 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 in der Fassung BGBl. I Nr. 117/2017, (in Folge: StGB) auch aus, dass ein anderer eines Disziplinarvergehens beschuldigt wird (siehe Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 297, Rz 22), allerdings erfüllen nicht einmal verleumderische Angaben eines Gefangenen gegenüber seiner Ehefrau in einem vom Untersuchungsrichter zensurierten Brief den Tatbestand des § 297 StGB (siehe Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 297, Rz 36). Da die Tathandlung des Beschwerdeführers noch weiter vom Vorsatz einer Verleumdung entfernt war, konnte die Dienstbehörde nicht davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft alleine wegen des Inhalts des Schreibens vom 01.08.2017 ein Strafverfahren anhängig machen würde; eine entsprechende Mitteilung der Staatsanwaltschaft an die Dienstbehörde erfolgte ebenso wenig. Dass das Schreiben der Dienstbehörde hinsichtlich der gegenständlichen Dienstpflichtverletzung keine Anzeige darstellt, ergibt sich schon alleine aus der dieses Schreiben abschließenden Darstellung der Verdachtsmomente, wo das gegenständliche Facebook-Posting keine Erwähnung findet.

 

Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen der Verjährungsunterbrechung nach § 114 BDG ist allerdings, dass die Dienstbehörde entweder eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Sicherheitsbehörde oder - hier nicht relevant - die Verwaltungsbehörde erstattet oder sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder - hier nicht relevant - verwaltungsbehördlichen Strafverfahren hat. Beides ist hier nicht der Fall.

 

Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Disziplinaranwaltes, nach denen bei der Erledigung strafrechtlicher Rechtssachen für die Strafrechtsbehörde der Grundsatz der Amtswegigkeit und Wahrheitsforschung gelte und eben nicht der Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz wie im Zivilprozess und es daher für die Prüfung, ob und inwieweit strafrechtlich relevante Verhalten vorliegen, nicht auf die Gliederung und innere Abgrenzung einer Sachverhaltsdarstellung ankommen. Wenn die Staatsanwaltschaft nämlich ohne ausdrückliche Anzeige gegen einen Disziplinarbeschuldigten zu der Ansicht kommt, dass die ihr bekannt gewordenen Handlungen des Disziplinarbeschuldigten einen Verdacht einer strafbaren Handlung begründen und daher ein Strafverfahren einleitet, so tritt Unterbrechung eben erst mit der Kenntnis der Dienstbehörde von der Einleitung des Strafverfahrens ein.

 

Würde man den Argumenten des Disziplinaranwaltes folgen, würde die Unterbrechung der Verjährung in rechtstaatlich bedenklicher Weise im Endeffekt jeden in einer Anzeige erwähnten Beamten treffen, dessen Handeln auch nur irgendwie unter einen Straf- oder Verwaltungsstrafrechtstatbestand zu subsumieren wäre.

 

Da somit keine Unterbrechung vorliegt, liegt Verjährung gemäß § 94 Abs.1 Z 1 BDG vor.

 

3.8. Dass die Dienstbehörde tatsächlich ebenso nicht von der Unterbrechung der Verjährungsfrist durch die Sachverhaltsdarstellung ausgegangen ist, zeigt sich daran, dass diese laut Aktenlage die Parteien - für den Falle des Vorliegens einer Unterbrechung pflichtwidrigerweise - nicht von der Unterbrechung verständigt hat.

 

3.9. Es ist daher der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG, in Verbindung mit § 123 Abs. 2, 94 Abs.1 Z 1 BDG stattzugeben, der bekämpfte Einleitungsbeschluss ersatzlos zu beheben - woran die Disziplinarkommission gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG gebunden ist - und das Disziplinarverfahren gemäß § 118 Abs. 1 Z 3 leg.cit. einzustellen.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wirkung einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, deren Inhalt sich zwar mit dem Disziplinarbeschuldigten befasst, aber nicht ausdrücklich das im Einleitungsbeschluss inkriminierte Verhalten behandelt, zu finden ist.

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