BVwG W131 2247310-1

BVwGW131 2247310-111.1.2024

BVergG 2018 §154 Abs1
BVergG 2018 §154 Abs2
BVergG 2018 §154 Abs3
BVergG 2018 §154 Abs4
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328
BVergG 2018 §334 Abs3
BVergG 2018 §353
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W131.2247310.1.00

 

Spruch:

 

W131 2247310-1/76E

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, sowie durch die fachkundige Laienrichterin Dr´a Ilse POHL als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Matthias WOHLGEMUTH als Beisitzer der Auftragnehmerseite in restlicher Erledigung der Feststellungsbegehren vom 13.10.2021 der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX . betreffend die Vergabe iZm einer Rahmenvereinbarung zu „SARS-CoV-2 (COVID-19) Antigenschnelltests" mit der Referenznummer 3703.03821 durch die Auftraggeberin Republik Österreich, vertreten durch den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesbeschaffung GmbH (= BBG), beide vertreten durch die Finanzprokuratur, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:

A)

Die am 13.10.2021 vorgetragenen und bislang unerledigten Feststellungsbegehren,

nämlich das am 13.10.2021 erstvorgetragene Feststellungsbegehren,

"gemäß § 334 Abs 3 Z 1 BVergG fest- [zu-] stellen, dass der Zuschlag vom 15. April 2021 zugunsten der Zuschlagsempfängerin XXXX wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht und eines Verstoßes gegen das BVergG nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wurde; ",

und das Eventualbegehren vom 13.10.2021,

"in eventu gemäß § 334 Abs 3 Z 4 BVergG fest- [zu-] stellen, dass der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erteilt wurde,"

werden zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die ASt verfasste am 13.10.2021, nach dem die ASt bereits am 12.07.2023 den "Abruf bei einer anderen Zuschlagsempfängerin" bekämpft hatte, einen beim BVwG zur GZ W131 2247310-1 protokollierten weiteren Feststellungsantrag mit insb folgendem hier interessierendem Inhalt und den dabei gestellten, unten nochmals wiedergegebenen Feststellungsbegehren:

 

FESTSTELLUNGSANTRAG

1. Sachverhalt

1.1. Mit Auftragsbekanntmachung vom 2. März 2021 wurde von der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH sowie allen weiteren Auftraggebern gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste zur Zahl 2021/S 042-104457 die Vergabe einer Rahmenvereinbarung zu „SARS-CoV-2 (COVID-19) Antigenschnelltests“ mit der Referenznummer 3703.03821 eingeleitet. Der geschätzte Gesamtwert der Rahmenvereinbarung wurde mit EUR XXXX ,-- beziffert. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde nach der Durchführung eines beschleunigten offenen Verfahrens bereits der 16. März 2021 festgelegt.

 

Beweis: Auftragsbekanntmachung vom 2. März 2021 (Anlage ./A); beizuschaffender Vergabeakt.

 

1.2. In den Ausschreibungsunterlagen wurden die für die Auftragsvergabe maßgeblichen Bestimmungen insbesondere in den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen („AAB“) sowie in den kommerziellen Ausschreibungsbedingungen Rahmenvereinbarung („RVB“) festgelegt:

 

Bereits in den AAB wurde in Rz 106 Folgendes festgelegt:

 

„Sämtliche Artikel haben eine Medizinproduktzulassung mit einer entsprechenden CE-Zertifizierung aufzuweisen.“

 

Entsprechend wurde in Rz 110 der AAB auch Folgendes normiert:

 

„Der Bieter hat für alle angebotenen Artikel gemäß 03_Preisblatt die jeweilige EG-Konformitätserklärung gemäß der RL 98/79/EG (i.d.g. Fassung) bzw. IVD Verordnung 2017/746 , beizubringen.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)

 

In Rz 126ff der AAB wurde ferner festgelegt, dass der Bieter im 03_Preisblatt zumindest einen Artikel aber insgesamt maximal bis zu 15 den geforderten Mindestanforderungen entsprechende Artikel anbieten könne.

 

In Rz 134 der AAB findet sich folgende zusätzliche Festlegung:

 

„Das Angebot ist gemäß diesen Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen zu erstellen. Das Angebot muss alle in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Angaben und Bestandteile enthalten.“

 

In Rz 143 der AAB wurde schließlich festgelegt, dass die Rahmenvereinbarung mit allen nicht auszuscheidenden Bietern abgeschlossen werde, die ein gültiges Angebot gelegt haben.

 

In den Kommerziellen Ausschreibungsbedingungen Rahmenvereinbarung (RVB) wurden in Rz 18ff die Festlegungen für die Vorgangsweise bei einem Abruf konkreter Leistungen getroffen. In Rz 31 und 32 der RVB finden sich dabei folgende Festlegungen:

 

„Direktabrufe sind für alle im Preisblatt definierten Produkte zulässig, sofern die Leistungs- und Vertragsbedingungen nicht geändert werden und erfolgen nach dem „Kaskadenprinzip“ ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb.“

[...]

 

1.3. Unter Punkt 7.1 der RVB wurden im Kapitel „Mindestanforderungen an den Leistungsgegenstand lt. Preisblatt“ die MUSS-Anforderungen für den Abruf von Produkten festgelegt: Insbesondere in den Rz 92 – 94 RVB finden sich dabei die für die Beurteilung des hier gerügten Vergabeverstoßes relevanten Festlegungen:

 

„92 Sämtliche Produkte haben eine Medizinproduktezulassung mit einer entsprechenden CE-Zertifizierung aufzuweisen.

 

93 Die CE-Kennzeichnung gemäß IVD-RL 98/79/EG bzw. IVD Verordnung 2017/746 in der geltenden Fassung muss auf jeder Einzelverpackung oder am Produkt selbst und auf der Gebrauchsanweisung vorhanden sein.

 

94 Sämtliche Produkte zur Verwendung durch Laien (Produkte zur Eigenanwendung oder Selbsttests) müssen zumindest auf der Liste des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) geführt werden nach erfolgter Selbstverpflichtung der Hersteller, dessen Bevollmächtigter oder ein Inverkehrbringer dieser Tests, in der bestätigt wird, dass bei Eigenanwendung ein Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht wird, das die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet. Darüber erfüllen zertifizierte, dh auch in der Packungsbeilage dezidiert als „Selbsttest“ definierte Tests auch diese Anforderung.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)

 

Die im Zuge eines Abrufes von Antigentests zur Eigenanwendung (nach den vom abrufberechtigten Auftraggeber erst beim Abruf festgelegten Merkmalen) hatten daher insbesondere auch sämtliche dieser MUSS-Anforderungen zu erfüllen.

 

Beweis: Kommerzielle Ausschreibungsbedingungen Rahmenvereinbarung („RVB“) (Anlage ./C);

beizuschaffender Vergabeakt.

 

1.4. In weiterer Folge wurde die verfahrensgegenständliche Rahmenvereinbarung mit 76 Parteien abgeschlossen. Unter diesen Parteien befinden sich sowohl die Zuschlagsempfängerin als auch die Antragstellerin. Vor dem Abschluss der Rahmenvereinbarung war dem Vernehmen nach keine Auswahlentscheidung gemäß § 154 Abs 3 BVergG mitgeteilt worden, da keine „nicht berücksichtigten Bieter“ im Vergabeverfahren verblieben waren.

 

Beweis: Bekanntgabe der vergebenen Rahmenvereinbarung vom 21. Mai 2021 (Zahl 2021/S 098-254876) (Anlage ./D);

beizuschaffender Vergabeakt.

 

1.5. Nach Abschluss der Rahmenvereinbarung hat die Erstauftraggeberin offenbar am 15. April 2021 bei der Zuschlagsempfängerin Schnelltests der Marke „ XXXX “ für den Schulbereich mit einem Auftragswert in Höhe von EUR XXXX ,-- abgerufen. Obwohl im Rahmen des Abrufes für den Schulbereich als Merkmal „Tests zur Eigenanwendung oder Selbsttests“ seitens der Erstauftraggeberin festgelegt worden waren (Anwendbarkeit der besonderen MUSS-Anforderungen nach Rz 94 RVB), wurde der Zuschlag zugunsten des Produktes der Zuschlagsempfängerin erteilt, welches im Zeitpunkt des Abrufes über keine ausreichende und ausschreibungskonforme Medizinproduktzulassung mit einer entsprechenden CE-Zertifizierung für eine Eigenanwendung aufwies. In der Packungsbeilage zum abgerufenen Produkt wird ausdrücklich und mehrfach darauf hingewiesen, dass dieser Antigentest nur für die professionelle In-vitro -diagnostische Anwendung zugelassen ist. Außerdem findet sich sogar auf der Verpackung des „ XXXX “-Antigentests der eindeutige Hinweis: XXXX “.

[...]

 

2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes – Zulässigkeit des Feststellungsantrages

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 334 Abs. 3 BVergG nach Zuschlagserteilung u.a. zu den Feststellungen zuständig, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigen Angebot erteilt wurde (§ 334 Abs. 3 Z 1 BVergG) sowie zur Feststellung, ob der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung aufgrund einer Rahmenvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen § 155 Abs. 49 BVergG rechtswidrig war (§ 334 Abs. 3 Z 5 BVergG). Für den Fall, dass das Gericht die Rahmenvereinbarung als nicht zustande gekommen beurteilen sollte, ist es auch zur Feststellung zuständig, ob der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erteilt wurde (§ 334 Abs. 3 Z 4 BVergG). Da es sich gegenständlich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen, ist somit die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes für die Durchführung des gegenständlichen Feststellungsverfahrens gegeben. [...]

 

2.2. Mit diesem Feststellungsantrag gemäß § 353 Abs. 1 Z 1 sowie Z 4 BVergG (sowie in eventu gemäß § 353 Abs. 1 Z 3 BVergG) bekämpft die Antragstellerin den am 15. April 2021 bekanntgegebenen Abruf aus der Rahmenvereinbarung zugunsten der Zuschlagsempfängerin vom 15. April 2021 (laut Bekanntgabe Tag des Vertragsabschlusses).

 

2.3. Die Antragstellerin macht die Verletzung

 

 in ihrem Recht, dass Abrufe aus der Rahmenvereinbarung nur nach den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen und auf Grundlage des unmittelbar anwendbaren Unionsrechtes erfolgen;

 in ihrem Recht, dass Abrufe nur zugunsten von Parteien erfolgen, die über eine ausreichende Medizinproduktzulassung für Antigentest zur Selbstanwendung mit einer entsprechenden CE-Kennzeichnung erfolgen;

 in ihrem Recht auf Unterbleiben der Festlegung von Merkmalen im Zuge eines Abrufes dahingehend, dass für Antigentests zur Selbstanwendung entgegen der Ausschreibungsbedingungen nicht auch eine entsprechende Medizinproduktzulassung sowie eine entsprechende CE-Kennzeichnung verlangt wird;

 in ihrem Recht auf Nichtberücksichtigung von Angeboten im Zuge eines Abrufes von Antigentest zur Selbstanwendung für den Schulbereich, die lediglich die Anforderungen des § 323c Abs. 18 BAO (in der Fassung vom 15. April 2021) erfüllen;

 in ihrem Recht auf unionsrechtskonforme Auslegung der Ausschreibungsbedingungen und insbesondere Außerachtlassung richtlinienwidriger (bzw. dem Unionsrecht entgegenstehender) nationaler Bestimmungen im Rahmen der Auslegung von MUSS-Anforderungen;

 in ihrem Recht, dass durch Abrufe aus der Rahmenvereinbarung nicht ein Inverkehrbringen von Antigentests entgegen der Ausschreibungsbedingungen und der Anforderungen der IVD-RL (RL 98/79/EG ) ermöglicht und damit gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht iSd. § 353 Abs. 1 Z 1 BVergG verstoßen wird;

 in ihrem Recht auf eine unionsrechtskonforme Durchführung und Beendigung von Vergabeverfahren durch Abruf von Produkten, die über eine entsprechende Medizinproduktzulassung sowie CE-Kennzeichnung verfügen;

 in ihrem Recht auf eine unionsrechtskonforme Durchführung und Beendigung von Vergabeverfahren durch eine Zuschlagserteilung, der eine Mitteilung der „Zuschlagsentscheidung“ iSv Art 2a Abs.1 RL 89/665/EG vorausgegangen ist,

 in ihrem Recht auf eine unionsrechtskonforme Durchführung und Beendigung von Vergabeverfahren durch Abrufe, denen eine rechtsgültige Rahmenvereinbarung zu Grunde liegt, sowie

 in ihrem Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung im Zuge von Abrufen aus der verfahrensgegenständlichen abgeschlossenen Rahmenvereinbarung

 

geltend.

 

Weil die Antragstellerin erst nach dem erfolgten Abruf bei der mitbeteiligten Partei von der offenbar rechtswidrigen Filterung der Merkmale für Antigentests zur Eigenanwendung Kenntnis erlangt hat bzw. Kenntnis erlangen konnte, hätte sie diese Rechtsverstöße nicht bereits im Rahmen eines Nachprüfungsantrages geltend machen können (vgl. § 354 Abs. 4 BVergG).

 

2.4. Da die Antragstellerin bei ausschreibungs- und vergaberechtskonformer Bewertung ihres Angebotes und des Angebotes der Zuschlagsempfängerin den Zuschlag erhalten hätte müssen (im Zeitpunkt des Abrufes war sie die Partei der Rahmenvereinbarung mit dem niedrigsten Preis bzw. die einzige Partei am Markt, die über einen Antigentest mit Medizinproduktezulassung und CE-Kennzeichnung für die Eigenanwendung verfügte), ist ihr durch die behauptete Vergaberechtsverletzung insoweit ein Schaden entstanden, dass sie keinen Auftrag erhalten und keinen entsprechenden Gewinn lukrieren konnte.

 

Darüber hinaus wurden durch die vergaberechtswidrige Vorgangsweise der Erstauftraggeberin die bisherigen Kosten der Antragstellerin für Teilnahme am Vergabeverfahren und der Rahmenvereinbarung (zB Katalogpflege) frustriert.

 

Ferner will die Antragstellerin auch in Zukunft einen Abruf aus der verfahrensgegenständlichen Rahmenvereinbarung erhalten. Durch die nunmehr angefochtene Zuschlagserteilung zu Gunsten von Konkurrenzprodukten, für die keine ausreichende Medizinproduktezulassung bzw. CE-Kennzeichnung vorliegt, droht der Antragstellerin auch insoweit ein Schaden zu entstehen, als die Auftraggeberinnen mangels Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier gerügten Vorgangsweise auch in Zukunft Abrufe zugunsten von Produkten mit einer unzureichenden Medizinproduktezulassung bzw. CE-Kennzeichnung für Selbsttests durchführen könnte.

 

Ferner ist der Antragstellerin auch dadurch ein Schaden entstanden, da sie ein wertvolles Referenzprojekt nicht erhalten hat, dass sie bei anderen vergleichbaren Ausschreibungen im In- und Ausland vorweisen könnte. In diesem Zusammenhang liegt auch ein entstandener Schaden der Antragstellerin darin, dass die Zuschlagsempfängerin als Konkurrentin der Antragstellerin einen wertvollen Referenzauftrag erhalten hat und in Zukunft mit einem Hinweis auf einen zu Unrecht erhaltenen Referenzauftrag bei vergleichbaren Ausschreibungen mit der Antragstellerin in Wettbewerb tritt.

 

2.5. Ihr Interesse am Vertragsabschluss hat die Antragstellerin bereits durch Legung eines ordnungsgemäßen Angebotes, durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung sowie auch durch eine nachträgliche Bekämpfung des Abrufes vom 15. April 2021 dargetan.

 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Erstauftraggeberin im Zuge des Abrufes keinen erneuten Aufruf zum Wettbewerb vorgenommen hat. Es war der Antragstellerin daher nicht möglich, den behaupteten Verstoß (Abruf von Antigentest zur Selbstanwendung ohne ausreichende Medizinproduktezulassung bzw. CE-Kennzeichnung infolge einer unzureichenden Festlegung von Merkmalen/MUSS-Anforderungen für den Abruf) bereits im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend zu machen. Darüber hinaus wurden auch die Parteien der Rahmenvereinbarung auch erst nach dem Abruf aus dieser mit der Bekanntgabe von 21. Mai 2021 (Anlage ./D) veröffentlicht. § 354 Abs 4 BVergG ist daher nicht anwendbar.

 

2.6. Der Feststellungsantrag gemäß § 353 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BVergG wurde rechtzeitig binnen 6 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerin vom Zuschlag Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte können, eingebracht. Die verfahrensgegenständliche Bekanntgabe über den erfolgten Abruf aus der Rahmenvereinbarung erfolgte am 15. April 2021.

Auch im Zusammenhang mit der Frage einer allfälligen Nichtigerklärung und Verhängung von Sanktionen ist nach wie vor die 6-Monatsfrist des § 356 Abs. 7 erster Satz BVergG anwendbar. Denn einerseits hat die Erstantragsgegnerin die erfolgte Zuschlagserteilung nicht gemäß § 144 Abs. 2 BVerG mitgeteilt (§ 356 Abs. 7 Z 1 BVergG nicht anwendbar) und andererseits wird gegenständlich kein Antrag gemäß § 353 Abs 1 Z 2 BVergG gestellt (§ 356 Abs. 7 Z 2 BVergG nicht anwendbar).

 

2.7. Die Antragstellerin hat ihren Feststellungsantrag durch Überweisung von Pauschalgebühren [...]

3. Zur Rechtswidrigkeit des Abrufes bzw. des Zuschlages

3.1. Vergabeverstoß beim Abruf von Antigenselbsttests zur Eigenanwendung aufgrund unzureichender Berücksichtigung der festgelegten MUSS-Anforderungen

 

Der hier angefochtene Zuschlag ist rechtswidrig, weil die Erstauftraggeberin bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung ihrer Ausschreibungsbedingungen zum Schluss kommen hätte müssen, dass die abgerufenen Antigentests der Zuschlagsempfängerin ohne eine ausreichende Medizinproduktezulassung für eine Eigenanwendung bzw. ohne eine entsprechende CE-Kennzeichnung nicht sämtliche MUSS-Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig erweist sich dadurch auch der Abruf wegen eines Verstoßes gegen die festgelegten Bedingungen für die unmittelbare Vergabe eines Auftrages aufgrund der Rahmenvereinbarung iSd § 155 Abs. 5 BVergG als rechtswidrig.

 

Der angefochtene Abruf ist insbesondere deshalb rechtswidrig, weil die Erfüllung der MUSS-Anforderung der Rz 94 RVB vor dem Hintergrund des § 323c Abs. 18 BAO idF vom 15. April 2021 als ausreichend befunden wurde. [...]

 

3.2. Zur gebotenen Auslegung der MUSS-Anforderungen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung rechtskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (vgl. erst jüngst insbesondere VwGH 18.01.2021, Ra 2019/04/0083, RPA 2021, 132; VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0015, 0016). Bei einer als auslegungsbedürftig anzusehenden Erklärung ist daher davon auszugehen, dass der Auftraggeber keine rechtswidrige Festlegung treffen wollte.

 

[...]

 

3.3. Unionsrechtliche Anforderungen an die Zulassung bzw. CE-Kennzeichnung von Antigentests zur Selbstanwendung

 

3.3.1 Die ausschreibungsgegenständlichen Antigentests sind nach den Begriffsbestimmungen der einschlägigen RL 98/79/EG (im Folgenden „IVD-RL“) und des österreichischen MPG als „In-vitro-Diagnostika“ zu beurteilen. Auch In-vitro-Diagnostika dürfen im gemeinsamen Markt nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie die grundlegenden Anforderungen der jeweiligen europäischen Richtlinien erfüllen, ein geeignetes Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben und eine entsprechende Konformitätserklärung ausgestellt wurde. Mit dem Anbringen des CE-Zeichens erklärt der Hersteller, dass die Medizinprodukte die betreffenden Anforderungen erfüllen.

 

Die noch bis 26. Mai 2022 geltende RL 98/79/EG sieht gemäß Art. 9 Abs. 1 iVm Anhang III Nr. 6 vor, dass Hersteller von Produkten zur Eigenanwendung (mit Ausnahme von in Anhang II der IVD-RL genannten Produkten sowie Produkten zur Leistungsbewertung - worunter Antigentests jeweils nicht fallen) grundsätzlich im Rahmen eines Konformitätserklärungsverfahrens einen Antrag auf Prüfung des Produkts bei der benannten Stelle einreichen müssen.

 

[...]

 

3.3.3 Durch die Regelung des § 323c Abs. 18 BAO idgF zum Zeitpunkt des Abrufes (15. April 2021) ist der österreichische Gesetzgeber gleich mehrfach von den Anforderungen einer Ausnahme von der unionsrechtlich erforderlichen Medizinproduktzulassung (die auch die Verwendung zur Eigenanwendung abdeckt) abgewichen. § 323c Abs. 18 BAO lautete wie folgt:

 

[...]

 

§ 323c Abs. 18 BAO erlaubte das Inverkehrbringen von Schnelltests zum Nachweis eines Vorliegens einer Infektion mit SARS-CoV-2, die durch den Hersteller für eine Probennahme im anterior nasalen Bereich in Verkehr gebracht und mit einer CE-Kennzeichnung gemäß dem Medizinproduktegesetz oder auf der Grundlage der IVD-RL versehen sind, aber noch kein reguläres Konformitätsbewertungsverfahren zur CE-Kennzeichnung für die Eigenanwendung durchlaufen haben. Das Inverkehrbringen von solchen Schnelltests war somit bereits unter der Voraussetzung zulässig, dass der Hersteller, dessen Bevollmächtigter oder ein Inverkehrbringer lediglich eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hatte, mit welcher bestätigt wurde, dass bei Eigenanwendung ein Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht und dass die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet wird. Außerdem sah § 323c Abs. 18 vorletzter Satz BAO vor, dass das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen („BASG“) in diesen Fällen nicht von Amts wegen tätig wird.

 

§ 323c Abs. 18 BAO erfüllte daher gleich aus mehreren Gründen nicht die Kriterien einer zulässigen Ausnahme von der Zulassungspflicht gemäß Art. 9 Abs. 12 iVm Anhang III Nr. 6 der IVD-RL:

 

[...]

 

3.4. Unmittelbare Wirkung der Zulassungspflicht gemäß IVD-RL

 

[...]

 

3.5. Zum Eventualantrag gemäß § 353 Abs. 1 Z 3 BVergG

Für den Fall, dass das Gericht die Rahmenvereinbarung als nicht rechtsgültig zustande gekommen beurteilen sollte, liegt mangels erfolgter Mitteilung einer Zuschlagsentscheidung vor dem Vertragsschluss nicht nur allgemein eine festzustellende Rechtswidrigkeit iSd.§ 334 Abs 3 Z 1 BVergG vor, sondern liegen insbesondere auch die spezifischen Voraussetzungen für eine Feststellung gemäß § 334 Abs. 3 Z 4 BVergG vor. Bei einer Unwirksamkeit der Rahmenvereinbarung wäre daher insbesondere auch festzustellen, dass der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erteilt wurde.

 

In diesem Zusammenhang normiert § 353 Abs. 1 Satz 2 BVergG, dass in einem Antrag mehrere Feststellungen beantragt werden können. Der Eventualantrag gemäß § 353 Abs. 1 Z 3 BVergG kann daher parallel zu den beiden Hauptanträgen gestellt werden, diese Anträge schließen einander nicht aus.

 

 

4. Anregung einer Vorabentscheidung durch den EuGH

 

Soweit das angerufene Gericht trotz der klaren unionsrechtlichen und hinreichend determinierten Vorgaben für den Umfang der Zulassungspflicht für Antigenschnelltests zur Selbstanwendung bzw. zur Unionsrechtswidrigkeit von § 323c Abs. 18 BAO idF BGBl I 25/2021 (zum 15. April 2021) Zweifel haben sollte, wird angeregt, die Frage der Reichweite der unmittelbaren Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des Art. 9 Abs. 12 der IVD-RL iZm Art. 9 Abs. 1 IVD-RL iVm Anhang III Nr. 6 IVD-RL sowie die Unionsrechtskonformität des § 323c Abs. 18 BAO idF BGBl I 25/2021 dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Insbesondere möge [...]

 

 

5. Anträge

Aus den dargelegten Gründen werden gestellt die

 

ANTRÄGE,

 

das Bundesverwaltungsgericht möge

 

 nach Verständigung der Auftraggeber vom Eingang eines Feststellungsantrages ein Feststellungsverfahren einleiten und eine mündliche Verhandlung durchführen;

 

 gemäß § 334 Abs. 3 Z 1 BVergG feststellen, dass der Zuschlag vom 15. April 2021 zugunsten der Zuschlagsempfängerin XXXX wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht und eines Verstoßes gegen das BVergG nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wurde;

 

 gemäß § 334 Abs. 3 Z 5 BVergG feststellen, dass der Zuschlag bei der Vergabe von Antigenschnelltests aufgrund der Rahmenvereinbarung „SARS-CoV2-(Covid-19)-Antigenschnelltests GZ 3703.03821“ wegen eines Verstoßes gegen § 155 Abs. 5 bis 9 BVergG rechtswidrig war;

 

 in eventu gemäß § 334 Abs. 3 Z 4 BVergG feststellen, dass der Zuschlag rechtswidrigerweise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erteilt wurde;

 

 die Auftraggeber gemäß § 341 Abs. 1 BVergG zum Ersatz der von der Antragstellerin gemäß § 340 entrichteten Pauschalgebühr verpflichten;

 

allenfalls gemäß Artikel 267 AEUV ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einleiten.

2. In Behandlung des mit diesem Beschluss restlich erledigten Feststellungsantrags fanden umfangreiche schriftliche Erörterungen und eine teilweise gemeinsam auch für andere vergaberechtliche Feststellungsverfahren durchgeführte mündliche Verhandlung mit einem Verhandlungstermin am 09.05.2023 statt, und legte die Auftraggeberseite, also der Bund und die zentrale Beschaffungsstelle und vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH (= BBG) mit der Eingabe, OZ 37 des Verfahrensakts W131 2247310-1, am 05.01.2023 ua auch ein Rechtsgutachten eines Universitätsprofessors vor, in welchem dieser Erörterungen va auch zur Frage der allfälligen Nichtigkeit der gegenständlich streitzentralen Rahmenvereinbarung erstattete. Im Verfahrensverlauf wurde zudem einvernehmlich auch auf den Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH in den Rs C-274/21 ua zugewartet.

2.3. Die ASt ging hingegen dabei ausweislich ihrer Eingaben, OZZ 19, 27 und 35 des Verfahrensakts W131 2247310-1, jedenfalls seit Ergehen des Urteils des EuGH in der Rs C-274/21 ua davon aus, dass die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung gemäß dem hier zurückgewiesenem Feststellungsbegehren absolut nichtig ist.

2.4. Die Auftraggeberseite hat im Verfahrensgeschehen mehrfach die Zurückweisungsnotwendigkeit der gestellten Feststellungsbegehren aus bestimmten Gründen vorgebracht.

2.5. Das BVwG wies mit einem Beschluss vom 16.08.2023 im Rahmen einer Teilerledigung das bei der Antragswiedergabe ersichtliche Feststellungsbegehren gemäß § 334 Abs 3 Z 5 BVergG unter Vorbehalt der Erledigung der hier erledigten Begehren mit insb nachstehender Begründung zurück:

[...]

3.2.4. § 154 Abs 4 BVergG verwendet den Begriff der absoluten Nichtigkeit bei der Rahmenvereinbarung mangels Einhaltung des Prozederes mit vorangehender Auswahlentscheidung und nachfolgender Stillhaltefrist.

Wenn § 154 Abs 4 BVergG davon spricht, dass der Abschluss der Rahmenvereinbarung bei sonstiger absoluter Nichtigkeit nicht vor Ablauf der Sillhaltefrist erfolgen darf und die Stillhaltefrist nach § 154 Abs 4 Satz 2 BVergG erst mit der Mitteilung der in § 154 Abs 3 BVergG vorgesehenen Auswahlentscheidung ex lege beginnt, ist klar, dass die erst nach Auswahlentscheidungsmitteilung ex lege beginnende Stillhaltefrist bereits abgelaufen sein muss, wenn die Rahmenvereinbarung nicht absolut nichtig sein soll.

Unter absoluter Nichtigkeit, hier gemäß § 154 Abs 4 BVergG, ist nach allgemeiner Rechtslehre zu verstehen, dass - bezogen auf den streitgegenständlichen Rahmenvereinbarungssachverhalt - eine absolut nichtige Rahmenvereinbarung so zu bewerten ist, dass von deren Inexistenz auszugehen ist - siehe dazu zB Perner/Kapetanovic in Welser, Fachwörterbuch2, 423.

Dies gleichheitsgrundsatzrechtlich vor dem Hintergrund, dass eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern die Bedingungen für künftige entgeltliche Einzelaufträge festlegt und damit paradetypisch ein entgeltsfremdes mehrseitiges Rechtsgeschäft ist, auf das nach der Lehre dann wegen der Nähe zu konkreten entgeltlichen Austauschgeschäften die Vorschriften über entgeltliche Geschäfte Anwendung zu finden haben, siehe dazu mwN Koziol - Welser/Kletecka, Bürgerliches Recht I14, Rz 381 mwN in den dortigen FN 108 und 109.

Es ist insoweit hier von der ex tunc vorliegenden und ex offo wahrzunehmenden Unwirksamkeit und Inexistenz der Rahmenvereinbarung auszugehen, womit in einem solchen Fall auch keine in § 356 Abs 2 BVergG vorgesehene rechtsgestaltende Nichtigerklärung mehr in Betracht kommt, die nach VwGH Zl Ra 2021/04/0005 (nur) in Bezug auf - existente - Rahmenvereinbarungen möglich erscheint.

[Dass die in § 356 Abs 2 BVergG vorgesehen Nichtigerklärung rechtsgestaltend ist, ergibt sich dabei aus § 356 BVergG selbst, weil dort alternativ zur Nichtigerklärung insb in § 356 Abs 9 und Abs 10 BVergG Bußgeldsanktionen anstelle der Nichtigerklärung vorgesehen sind.]

MaW: Etwas nach § 154 Abs 4 BVergG bereits ex lege ex tunc und ex offo aufzugreifend absolut Nichtiges iSv Perner/Kapetanovic, aaO, kann nach § 356 Abs 2 BVergG nicht zusätzlich nachmalig nochmals rechtsgestaltend nichtig erklärt werden.

3.2.5. Die unionsrechtliche Richtlinie 89/665/EWG idF Rl 2014/23/EU versteht ausweislich deren Art 1 Abs 1 auch Rahmenvereinbarungen als Aufträge, womit die Auswahlentscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, konsequent als "Zuschlagsentscheidung" iSd Art 2a dieser Richtlinie zu verstehen ist, die allen betroffenen und damit allen iSd Art 2a dieser RL noch nicht endgültig aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossenen/ausgeschiedenen Bietern mit dadurch ausgelöster Stillhaltefrist mitzuteilen ist.

In richtlinienkonformer Interpretation ist dabei davon auszugehen, dass ein nicht berücksichtigter Bieter synchron mit der Regelung des § 143 Abs 1 BVergG immer dann vorliegt, wenn er noch nicht endgültig mit seinem Angebot aus dem Vergabewettbewerb ausgeschieden worden ist, zumal im hier vorliegenden Anlassfall die ASt nach dem Standpunkt der Auftrageberseite nur zu einem Sechsundsiebzigstel berücksichtigt wurde und daher zu 75 Sechsundsiebzigstel eben nicht berücksichtigte Bieterin wäre; und die ASt sich daher betreffend künftige Abrufe mit 75 Konkurrenten im fortgesetzten Wettbewerb befindet bzw befände bzw befunden hätte.

Unionssekundärrechtlich sind keine speziellen Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Mitteilungs- und Stillhaltefrist bei einer Zuschlags- sprich hier: Auswahlentscheidung normiert, womit der nationale Gesetzgeber idZ in § 154 Abs 4 BVergG die Rechtsfolge der absoluten Nichtigkeit iSd nach Unionsrecht gebotenen effektiven Primärrechtsschutzes vorsehen durfte.

Unionsrechtskonform ist dabei weiter davon auszugehen, dass wegen der unionsrechtlichen Gleichhaltung von der Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Zuschlagsentscheidung alle noch nicht endgültig iSv Art 2a RL 89/665/EWG idF RL 2014/23/EU ausgeschiedenen Bieter einen Anspruch auf Zumittlung/Mitteilung der Auswahlentscheidung hatten bzw haben, mit welchen (sonstigen) UnternehmerInnen die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, bevor diese dann tatsächlich abgeschlossen wird.

Diese Sichtweise scheint auch vor dem Hintergrund des grundlegenden Urteils des EuGH in der Rs C-81/98, das in Österreich letztlich Anlass für die legistische Schaffung der Zuschlagsentscheidung zwecks Primärrechtsschutz war, geboten, nachdem ausweislich dieser zuletzt zitierten Entscheidung klar ist, dass die Auswahlentscheidung, mit wem ein Vertrag und damit auch eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, zwingend zuvor dem Primärrechtsschutz zugänglich sein muss, zumal auch der VwGH zB zu Zl Ra 2021/04/0005 mitunter Zuschlagserteilung und Rahmenvereinbarungsabschluss gleichhält; und nach Abschluss der Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern über insb § 155 Abs 4 Z 1 BVergG kein iSv EuGH Rs C-81/98 unionsrechtlich erforderlicher Primärrechtsschutz mehr gewährleistet ist.

3.2.6. Die vorliegend iSv VwGH Ra 2019/04/0076 bestandskräftigen Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen sehen - wie aufgezeigt in deren Rz 144 auch gesetzeskonform iSv VwGH Ro 2021/04/0014 mit § 154 Abs 4 BVergG und va auch unionsrechtskonform - eine derartige Auswahlentscheidung iSv §§ 2 Z 15 lit a sublit jj und 154 Abs 3 und Abs 4 BVergG vor.

3.2.7. Mangels im Anlasssachverhalt vorangehender gesetzeskonformer Auswahlentscheidung samt damit mangels gemäß § 154 Abs 4 BVerG ex lege ausgelöster entsprechender Stillhaltefrist war im hier zu entscheidenden Anlasssachverhalt davon auszugehen, dass bislang keine gültige Rahmenvereinbarung, wie von der Auftraggeberseite ausgeschrieben, vorliegt, die (scil: Rahmenvereinbarung) Voraussetzung für eine positive Feststellung gemäß § 334 Abs 3 Z 5 BVergG bzw gemäß § 353 Abs 1 Z 4 BVergG ist.

Insoweit war mangels im Anlasssachverhalt existenter Rahmenvereinbarung der hier erledigte Feststellungantrag im Haupt- und Eventualbegehren zurückzuweisen, da die ASt ihr Rechtsschutzbegehren aus einer Rahmenvereinbarung ableitet, die wirksam noch gar nicht existiert.

3.2.7.1. Entgegen der mitunter vorgetragenen Auffassung der AG ersetzt dabei die Mitteilung bzw Bekanntmachung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung nicht das iSd gebotenen effektiven Primärrechtsschutzes erforderliche Prozedere zur Gewährleistung von effektivem Primärrechtsschutz gemäß § 154 Abs 3 und Abs 4 BVergG.

3.2.7.2. Entgegen dem Standpunkt des in das Verfahren eingebrachten Gutachtens eines Universitätsprofessors ist nach hier vertretener Auffassung entsprechend den Wertungen aus EuGH Rs C-81/98 davon auszugehen, dass dann, wenn keine bestimmte Konkurrentennamen enthaltende Auswahlentscheidung samt entsprechend damit ausgelöster Stillhaltefrist versandt wird, auch keine gültige Rahmenvereinbarung zustande kommen kann, zumal sich der noch nicht mit einer Auswahlentscheidung samt entsprechender Stillhaltefrist Anerklärte,

wie hier die ASt,

ja noch immer in der Situation befindet, in der sie (= die ASt) eben noch nicht weiß, mit welchen Konkurrenten sie sich künftig - mitunter ohne Primärrechtsschutz gemäß § 155 Abs 4 Z 1 BVergG - im Vergabewettbewerb auf "Abrufsebene" befindet.

Gerade dieser Primärrechtsschutz soll aber nach EuGH Rs C-81/98 iVm Art 1 Abs 1 RL 89/665/EWG idgF vor einem Vertragsabschluss und damit auch Rahmenvereinbarungsabschluss effektiv gewährleistet sein, zumal § 2 Z 50 BVergG den Zuschlag als klassischen Vertragsabschluss iSd §§ 861ff ABGB darstellt; und der Rahmenvereinbarungsabschluss iSv EuGH Rs C-274/21 eben auch der Vertragsabschluss ist. 3.2.8. Bei diesem Verfahrensstand konnte gemäß § 39 AVG dahinstehen, ob allenfalls auch gemäß § 354 Abs 4 BVergG oder auch deshalb zurückzuweisen wäre, weil die ASt selbst auch "Abrufe aus der Rahmenvereinbarung" zu ihren Gunsten akzeptiert hat und damit nicht mehr schutzwürdig iSv VwGH 2005/04/0200 sein könnte, insofern die ASt dann dennoch "Abrufe" bei Konkurrenten bekämpfen möchte, anstelle zuvor die AG zB auch auf die gehörige Fortsetzung des Vergabeverfahrens, ua mit entsprechenden Schritten gemäß § 353 Abs 2 BVergG zur Bewirkung einer noch nicht erfolgten Auswahl- bzw Widerrufsentscheidung zu drängen. [...]

2.6. Mit insb auch der ASt wurde insb im Punkte deren Schutzwürdigkeit erörtert, inwieweit die ASt selbst auf Basis der nichtigen Rahmenvereinbarung "Abrufe von Auftraggeber- (innen-) n" dieser Rahmenvereinbarung akzeptiert und dadurch Eigenumsatz generiert hat bzw insoweit umsatzabhängige Zahlungen rücksichtlich solcher "Abrufe" aus dem Titel der Rahmenvereinbarung an die BBG geleistet hat:

2.6.1. Nach diesbezüglicher Thematisierung jedenfalls auch im Verhandlungstermin am 09.05.2023 erfolgte mit Schreiben des BVwG, OZ 57 des Gerichtsakts, folgender Vorhalt:

[...]

Vorgehalten wird wie folgt:

Die Auftraggeberseite teilte der Antragstellerin am 30.03.2021 mit, dass mit der Antragstellerin die Rahmenvereinbarung abgeschlossen wurde.

Zuvor wurde keine Auswahlentscheidung im Vergabeverfahren verschickt, mit welchen 76 UnternehmerInnen die Rahmenvereinbarung BBG GZ 3703.03821 abgeschlossen werden soll, wobei das Gesetz in den § 154 Abs 3 und Abs 4 sowie in § 155 Abs 4 BVergG immer auf eine einzige Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern im Sinne eines mehrseitigen Rechtsgeschäfts abstellen dürfte.

Die Antragstellerin hat einerseits bislang keine Schritte gemäß § 353 Abs 2 BVergG gesetzt, um einen vergaberechtskonformen Rahmenvereinbarungsabschluss oder einen Widerruf der Rahmenvereinbarungsvergabe zu bewirken. Die Ausschreibung blieb nachprüfungsrechtlich unbekämpft. Der "Rahmenvereinbarungsabschluss mit 76 UnternehmerInnen" inkl der Antragstellerin wurde aufraggeberseitig um den 20.05.2021 bekannt gemacht.

 

Die Antragstellerin hat gemäß den eigenen Verhandlungsabgaben am 09.05.2023 selbst auf Basis der - gemäß den bisherigen Teilerledigungsbeschlüssen des BVwG - absolut nichtigen Rahmenvereinbarung "Leistungsabrufe" bei sich akzeptiert und historisch dann gleichfalls eigene Lieferungen auf Basis der entsprechend den bisherigen Teilentscheidungen des BVwG noch nicht wirksam zustande gekommenen Rahmenvereinbarung zu BBG - GZ 3703.03821 durchgeführt.

 

Unter Hinweis auf die Rdnr 62 der Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs des EuGH zu C- 249/01 und der Rezeption dieser Ausführungen durch zB VwGH Zl 2005/04/0200 wird der Antragstellerin nunmehr iSv VwGH 2007/04/0012 vorgehalten, dass ihre - bislang teilweise unerledigten - Feststellungsanträge zu W131 2244508-1 und W131 2247310-1 im unerledigten Bereich mangels Schadens und damit mangels Antragslegitimation iSd Art 1 der RL 89/665/EWG idgF allenfalls zurückzuweisen sein könnten, weil denkmöglich die Auffassung zu vertreten sein könnte, dass die Antragstellerin im gegenständlichen Vergabegeschehen durch ihr eigenes Verhalten selbst gegen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen haben könnte und der Antragstellerin daher - iSd Ausführungen in der Rdnr 62 der Schlussanträge in der Rs 249/01 - kein Schaden entstanden sein könnte, wenn dann andere Unternehmer:innen in gleichartiger Akzeptanz des Vorgehens der Auftraggeberseite die mit den beiden Feststellungsanträgen bekämpften "Abrufe" akzeptiert haben.

 

Der Antragstellerin wird hiermit die Möglichkeit eingeräumt, den vorstehenden denkmöglichen Lösungsansatz iSv EuGH Rs 249/01 binnen 10 Tagen iSd Diktion des EuGH "anzuzweifeln", maW allenfalls entsprechende Gegenargumente gegen diese (denkmögliche) Auffassung (allenfalls nochmals) vorzubringen, bzw allenfalls auch nur auf das bisherige Vorbringen zu verweisen.

[...]

2.6.2. Die ASt reagierte auf diesen Vorhalt mit der Eingabe OZ 61 des Gerichtsakts insb wie folgt:

[...]

1. Der in der Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. August 2023 dargelegte Vorhalt ist zunächst bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Antragstellerin keine vergaberechtswidrigen Angebote gelegt hat und ihr auch keine sonstige rechtswidrige Vorgangsweise anzulasten ist. Vielmehr hat die Antragstellerin nach rechtskonformer Angebotslegung mit ihren unerledigten Feststellungsanträgen die Feststellung der Rechtswidrigkeit von konkreten einzelnen Abrufen/Auftragsvergaben beantragt, weil nur sie im betreffenden Zeitraum bei rechtskonformer Vor-gangsweise der Auftraggeberinnen für eine Auftragsvergabe infrage gekommen wäre. Die Antrag-stellerin ist schutzwürdig, da sie auf der Grundlage bestandskräftiger Ausschreibungsunterlagen ein rechtskonformes Angebot gelegt hat, das sämtliche Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen erfüllt.

2. Das Bundesverwaltungsgericht geht als Prämisse von einer absolut nichtigen Rahmenvereinbarung aus. Aufgrund dieser Prämisse sind jedoch die von der Antragstellerin bekämpften Abrufe infolge einer nichtigen Rahmenvereinbarung auch isoliert zu betrachten. Das Verhalten der Antragstellerin bei anderen Auftragsvergaben/Abrufen muss daher unter dieser Prämisse auch irrelevant für die Frage der Antragslegitimation zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier ausschließlich bekämpften beiden Auftragsvergaben bleiben und kann daraus keinesfalls abgeleitet werden, dass der Antragstellerin aufgrund der hier konkret bekämpften Auftragsvergaben an die Zuschlagsempfänger kein Schaden entstanden ist. Darüber hinaus ist zu betonen, dass die Rechtskonformität der Rahmenvereinbarung erst nach diesen beiden Auftragsvergaben in Frage gestellt wurde und dieser Umstand bereits aus zeitlicher Sicht nicht für die Beurteilung des aufgrund der Auftragsvergabe an Konkurrenten entstandenen Schadens von Bedeutung sein kann.

3. Die Antragstellerin bestreitet jedoch auch, dass sie im Zuge von Abrufen durch einzelne Parteien der (vermeintlich abgeschlossenen) verfahrensgegenständlichen Rahmenvereinbarung rechtswidrig gehandelt hat bzw. sich durch Erfüllung dieser Aufträge an einer rechtswidrigen Vorgangsweise der jeweiligen Auftraggeber beteiligt hätte. Auch unter der Prämisse einer absolut nichtigen Rah-menvereinbarung waren die jeweiligen Auftragsvergaben jeweils vergaberechtskonform. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Auftragsvergaben im relevanten Zeitraum ab dem Abschluss der Rahmenvereinbarung Ende März 2021 bis Juli 2022 nahezu ausschließlich unter dem Schwellenwert für zulässige Direktvergaben von EUR 100.000,- lagen. Darüber hinaus lagen bei den einzelnen höhervolumigen Auftragsvergaben ausschließlich durch Landes-Krankenanstaltenträger (sic!) jeweils zwingende, dringliche Gründe vor, welche eine unmittelbare Auftragsvergabe an die Antragstellerin jeweils rechtfertigten. In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass sämtliche dieser Auftragsvergaben durch Landes-Auftraggeber erfolgten und das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch nicht für eine Beurteilung der Rechtskonformität dieser Auftragsvergaben zuständig ist (vgl Art 14b B-VG).

4. Der Umstand, dass die Antragstellerin „Leistungsabrufe bei sich akzeptiert und historisch dann gleichfalls eigene Lieferungen durchgeführt hat“, ist daher nicht geeignet, einen mangelnden Schaden und damit die mangelnde Antragslegitimation der Antragstellerin zur Feststellung der konkret hier bekämpften Auftragsvergaben zu begründen. Die Erfüllung der einzelnen Aufträge durch (aus-schließlich!) Landes-Auftraggeber erfolgte daher auf Basis von rechtskonform abgeschlossenen Leistungsverträgen, nicht jedoch (wie aus dem Vorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes abgeleitet werden könnte) auf Basis der entsprechend den bisherigen Teilentscheidungen des BVwG noch nicht wirksam zustande gekommenen Rahmenvereinbarung zu BBG-GZ 3703.03821. Der Antragstellerin kann auch nicht vorgehalten werden, dass sie bislang keine Schritte gemäß § 353 Abs. 2 BVergG gesetzt hat, da sie keine Verpflichtung zu so einem Schritt trifft (insbesondere auch nicht seit den Teilentscheidungen des BVwG erst im August 2023) und ein solcher Schritt auch keine Auswirkungen auf die bereits längst abgeschlossenen und durch sie erfüllten einzelnen Aufträge hätte.

5. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt die Rechtswidrigkeit der Rahmenvereinbarung geltend gemacht hat und auch im Zuge der Prüfung der Ausschreibungsunterlagen (und auch nach der Angebotsangabe) keine Möglichkeit gehabt hätte, die in weiterer Folge unterlassene Bekanntgabe der Auswahlentscheidung in einem Nachprüfungsverfahren zu bekämpfen. In den Ausschreibungsunterlagen findet sich insbesondere keine Festlegung der Auftraggeberinnen, wonach diese in weiterer Folge von einer Bekanntgabe der Auswahlentscheidung absehen würden, die angefochten bzw. bestandskräftig hätte werden können.

6. Hierzu ist auch in zeitlicher Hinsicht festzuhalten, dass die (vom Gericht nunmehr vertretene) abso-lute Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung erst durch die verfahrensgegenständlichen Teilerledigungen vom August 2023 (!) mit hinreichender Deutlichkeit für die Antragstellerin erkennbar war und daraus selbst keine Schlussfolgerungen auf die in den Jahren zuvor gebotene Vorgangsweise bei der Beauftragung von zahlreichen Einzelaufträgen nun nachträglich abgeleitet werden können. Weil die Rechtskonformität der Rahmenvereinbarung erst nach diesen beiden Auftragsvergaben, und damit erst nach Eintritt eines Schadens in Frage gestellt wurde, kann dieser Umstand bereits aus zeitlicher Sicht nicht für die Beurteilung des aufgrund der Auftragsvergabe an Konkurrenten entstandenen Schadens von Bedeutung sein. Eine absolute Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung selbst kann der Antragstellerin daher nicht als Rechtsverstoß angelastet werden. Eine solche Beurteilung würde den gebotenen effektiven Rechtsschutz der Antragstellerin massiv beschneiden und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechtsbehelfe zur Überprüfung der hier ausschließlich bekämpften beiden Auftragsvergaben im April 2021 praktisch unmöglich machen bzw. übermäßig erschweren (vgl. ständige Rechtsprechung des EuGH).

7. Der nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes denkmögliche Vorhalt, dass die Antragstellerin durch ihr eigenes Verhalten selbst gegen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge ver-stoßen haben könnte erweist sich daher als haltlos, weil die Antragstellerin selbst unter der Prämisse einer absolut nichtigen Rahmenvereinbarung stets jeweils auf Basis vergaberechtkonformer Angebote Aufträge erhalten hat und ihr kein rechtswidriges Verhalten gegen die Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge angelastet werden kann (schon gar nicht pauschal). Vielmehr ist der Antragstellerin aufgrund der hier bekämpften zwei isoliert zu betrachtenden Auftragsvergabe(n) konkret jeweils dadurch ein Schaden entstanden, weil nur sie im Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung bei rechtskonformer Vorgangsweise von den Auftraggebern berücksichtigt hätte werden müssen. Ausschließlich dadurch ist der Antragstellerin – jeweils ungeachtet der Frage einer absoluten Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung – ein Schaden entstanden, der auch nicht durch ein Verhalten der Antragstellerin bei anderen Auftragsvergaben durch andere (Landes-)Auftraggeber nachträglich wegfallen kann. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass die An-tragstellerin im Zeitpunkt dieser Abrufe als einziges Unternehmen (vgl. § 36 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018) über eine hinreichende Zertifizierung verfügte und daher auch aus diesem Grund ungeachtet der Rechtswirksamkeit der Rahmenvereinbarung für eine Zuschlagserteilung bei rechtskonformer Vorgangsweise infrage gekommen wäre.

[...]

2.6.3. Das BVwG verfasste danach mit der OZ 64 des Gerichtsakts folgendes Schreiben an die Verfahrensparteien:

[...]

1. Das BVwG übermittelt die im Verfahrensgeschehen zuletzt von der Antragstellerin = ASt erstattete Vorhaltsbeantwortung.

2. Das BVwG fordert die Auftraggeberseite, die nach den notorisch üblichen "Rahmenvereinbarungsbedingungen" ja regelmäßig über alle "Abrufssachverhalte" aus einer von ihr als abgeschlossen behandelten Rahmenvereinbarung weiß, auf, bis 12.09.2023, 14.00 Uhr mitzuteilen, welche sämtlichen "Abrufe aus der Rahmenvereinbarung" zu Gunsten der Antragstellerin iZm der BBG - GZ 3703.03821 bis heute erfolgt sind. Insoweit möge die bei der Auftraggeberseite vorhandenen Dokumente, zB auch betreffend promillemäßige Servicegebühren der BBG für einzelne Abrufe, vorgelegt werden, damit der "Auftraggeber" und der Auftragswert der einzelnen "Abrufe" ersehen werden kann.

2.1. IdZ wird vorerst auf das nunmehrige Vorbringen der ASt in ihrer Eingabe vom 04.09.2023 hingewiesen, das lautet:

[...] Die Antragstellerin bestreitet jedoch auch, dass sie im Zuge von Abrufen durch einzelne Parteien der (vermeintlich abgeschlossenen) verfahrensgegenständlichen Rahmenvereinbarung rechtswidrig gehandelt hat bzw sich durch Erfüllung dieser Aufträge an einer rechtswidrigen Vorgangsweise der jeweiligen Auftraggeber beteiligt hätte. Auch unter der Prämisse einer absolut nichtigen Rahmenvereinbarung waren die jeweiligen Auftragsvergaben jeweils vergaberechtskonform. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Auftragsvergaben im relevanten Zeitraum ab dem Abschluss der Rahmenvereinbarung Ende März 2021 bis Juli 2022 nahezu ausschließlich unter dem Schwellenwert für zulässige Direktvergaben von EUR 100.000,- lagen. Darüber hinaus lagen bei den einzelnen höhervolumigen Auftragsvergaben ausschließlich durch Landes-Krankenanstaltenträger (sic!) jeweils zwingende, dringliche Gründe vor, welche eine unmittelbare Auftragsvergabe an die Antragstellerin jeweils rechtfertigten. In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass sämtliche dieser Auftragsvergaben durch Landes-Auftraggeber erfolgten und das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch nicht für eine Beurteilung der Rechtskonformität dieser Auftragsvergaben zuständig ist (vgl Art 14b B-VG). [...]

2.2. Und weiters auf Punkt 6.5. der KOMMERZIELLEn AUSSCHREIBUNGSBEDINGUNGEN, der lautet:

[...]

Die vom Auftragnehmer für die Unterstützungsleistungen der BBG zu zahlende Servicegebühr wird auf Basis des vom Auftragnehmer an den Auftraggeber zu verrechnenden Preises exkl. USt, einschließlich aller Auf- und Abschläge, berechnet. Die Servicegebühr beträgt 0,4%.

[...]

3. Das BVwG hängt diesem Schreiben aus den Vergabeunterlagen die "Bekanntmachung vergebener Aufträge" vom 31.03.2021 an.

4. Klarstellend festgehalten wird, dass nach dem anwendbaren Verfahrensrecht dz jedermann auch ohne konkrete Fristsetzung durch das BVwG bis zur Entscheidung des BVwG Vorbringen erstatten kann, von einer nunmehrigen weitergehenden Aufforderung zu einer Replik auf die Vorhaltsbeantwortung wird daher ausdrücklich abgesehen. Es gilt § 39 AVG. [...]

2.6.4. Die Finanzprokuratur brachte daraufhin mit der Eingabe OZ 65 namens der Auftraggeberseite insb auch wie folgt vor:

[...]

II. Keine Schutzwürdigkeit der Antragstellerin

Die Antragstellerin hat zudem selbst auch Abrufe aus der Rahmenvereinbarung zu ihren Gunsten akzeptiert und ist damit nicht mehr als schutzwürdig im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu qualifizieren.

Eine Aufstellung der auf Grundlage der gegenständlichen Rahmenvereinbarung vergebenen Aufträge ist dieser Stellungnahme angeschlossen (Beilage ./2).

Alle Aufträge wurden über das elektronische Katalogsystem der BBG (e-Shop) erteilt und bezogen sich demnach klar auf die Rahmenvereinbarung.

Die (farblich hervorgehobenen) Abrufe der [...] erreichen daher insgesamt einen Wert von knapp [...] Millionen Euro und liegen auch jeder für sich betrachtet deutlich über dem unionsvergaberechtlichen Schwellenwert.

Beweis: [...]

3 Vgl. zu dieser Voraussetzung BVA 01.06.2011, F/0003-BVA/14/2011-45. In diesem Zusammenhang ist abermals darauf hinzuweisen, dass nach den präkludierten Ausschreibungsunterlagen eine Vielzahl an Bietern die erforderliche Eignung aufwiesen und ausschreibungskonforme Produkte angeboten haben.

Die Servicegebühr gemäß der kommerziellen Ausschreibungsbedingungen wird von der BBG dem jeweiligen Auftragnehmer immer erst nach Ausführung und Abrechnung der jeweiligen Bestellung gesammelt verrechnet. Die Aufstellung der Rechnungsdaten, die der Abrechnung der Servicegebühr zugrunde liegt, ist in Beilage ./9 ersichtlich. Die oben angeführten Groß-Bestellungen der [... ASt ...] wurden darin farbig markiert. Enthalten sind diese daher in den Quartalrechnungen Q2/2021 und Q3/2021.

Beweis: Rechnungskopie_2021Q2.pdf (Beilage ./10)

Rechnungskopie_2021Q3.pdf (Beilage ./11)

Nachdem die Beilagen und auch die gegenständliche Stellungnahme Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten, sind diese Informationen für die mitbeteiligten Parteien

[...]

Es handelt sich folglich keineswegs stets um „Direktvergaben“, sondern teilweise um sehr umfangreiche Aufträge im Oberschwellenbereich, welche gerade aufgrund der Rahmenvereinbarung bei der Antragstellerin getätigt wurden.

Dass dem BVwG für Landes-Auftraggeber keine Zuständigkeit zukommt, ist völlig irrelevant, entscheidend ist nur dass die Antragstellerin hierbei Aufträge in Höhe des mehr als [...] fachen Werts (!) des Oberschwellenwerts [...]als Abruf aus der Rahmenvereinbarung akzeptiert hat und daher jedenfalls keinerlei Schutzwürdigkeit im Hinblick auf andere Abrufe aus der Rahmenvereinbarung aufweist.

Die Antragstellerin hat Abrufe aus der Rahmenvereinbarung – von der sie im gegenständlichen Vergabekontrollverfahren seit beinahe einem Jahr selbst behauptet, dass sie nicht rechtswirksam zustande gekommen sei und deren „Nichtzustandekommen“ ihr im Zeitpunkt der oben dargestellten Abrufe daher ebenfalls schon bewusst war oder zumindest hätte sein können – stets stillschweigend akzeptiert. Soweit der Antragstellerin (nach Ansicht des BVwG rechtswidriger Weise) keine Auswahlentscheidung übermittelt wurde, kann ihr ([...] daher kein Schaden erwachsen sein, wenn sie diese Vorgehensweise der Antragsgegnerinnen bislang nicht geltend gemacht hat. Sie kann sich im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht darauf berufen, dass anderen Bietern ein Rechtsverstoß zugutekommt, weil sie denselben Umstand auch in ihrem Fall gegen sich gelten gelassen hat und auf diese Weise Abrufe von der Antragstellerin erfolgt sind.

[...]

2.6.5. Das BVwG hielt dieses Vorbringen gemäß OZ 65 der ASt mit der OZ 66 insb wie folgt vor:

[...]

1. Das BVwG übermittelt der Zweitadressatin die heutige Eingabe der Auftraggeberseite samt Schriftsatzbeilagen und stellt dazu eine Stellungnahme zu den darin vorgebrachten Tatsachen bis 19.09.2023, 12.00 Uhr frei.

Das BVwG fordert idZ die Antragstellerin auf, bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls mitzuteilen, inwieweit das Tatsachenvorbringen der Auftraggeberseite bestritten wird.

2. Dieses Schreiben dient für die Auftraggeberseite zur Kenntnis.

Beilagen für die Antragstellerin: Eingabe der Finanzprokuratur, zB OZ 109 aus dem Verfahren W131 2244508-1, samt Beilagen [- entspricht der OZ 65 aus dem hier gegenständlichen Verfahren W131 2247310-1].

[...]

2.6.6. Die ASt reagierte darauf mit der Eingabe OZ 67 insb wie folgt:

[...]

In den umseits bezeichneten zwei Feststellungsverfahren wurde der Antragstellerin die Eingabe der Auftraggeberseite vom 12. September 2023 übermittelt und die Antragstellerin aufgefordert, bis 19. September 2023, 12:00 Uhr eine Stellungnahme zu den darin vorgebrachten Tatsachen zu erstatten. Aufforderungsgemäß erstattet die Antragstellerin daher in beiden Verfahren nachfolgende

ERGÄNZENDE STELLUNGNAHME ZUR ANTRAGSLEGITIMATION:

1. Das von der Auftraggeberseite in der Stellungnahme vom 12. September 2023 vorgebrachte Tatsachenvorbringen wird zur Gänze bestritten.

2. Bestritten wird insbesondere das Vorbringen der Auftraggeberseite, dass die konkrete Auswahlent-scheidung selbst zu keinem Zeitpunkt Verfahrensgegenstand gewesen sein soll. Dieses Vorbringen erweist sich in dem zur GZ: W131 2244508-1 geführten 1. Feststellungsverfahren deshalb als unrichtig, weil seitens der Antragstellerin hier auch geltend gemacht wurde, dass die Zuschlagsempfängerin [...] mangels Befugnis (mangels Berechtigung zum Handel mit Medizin-produkten) gemäß § 21 iVm § 141 Abs 1 Z 11 lit a und c BVergG bereits bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt hätte werden dürfen. In dem zur GZ: W131 2247310-1 geführten 2. Feststellungsverfahren erweist sich dieses Vorbringen jedoch auch als unzutreffend, weil die Antragstellerin mit den verfahrenseinleitenden Feststellungsanträgen bereits ausdrücklich das Unterbleiben der (allenfalls gebotenen) Mitteilung der konkreten Auswahlentscheidung geltend gemacht hat.

3. Die Auftraggeberseite geht in ihrem Vorbringen vom 12. September 2023 unter Punkt I. unzutref-fender Weise davon aus, dass die unterbliebene Mitteilung der Auswahlentscheidung kausal für den behaupteten Schaden der Antragstellerin sein muss, um damit die Antragslegitimation zu begründen. Dies ist unrichtig, weil § 353 Abs 1 BVergG ausdrücklich auf die „behauptete Rechtswidrigkeit“ abstellt und die nunmehr erörterte zusätzliche Rechtswidrigkeit einer unterbliebenen Mitteilung der Auswahlentscheidung eine andernfalls bestehende Antragslegitimation nicht wieder beseitigen kann. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass sich die Auftraggeberseite nicht an die unionsrechtlichen Vorgaben gehalten hat und der Antragstellerin in dieser Hinsicht keine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen ist. Diese zusätzliche Rechtswidrigkeit der Auftraggeberinnen im Rahmen der Auftragsvergabe kann daher nicht dazu führen, dass der Antragstellerin der unions-rechtlich gebotene effektive Rechtsschutz genommen wird. Vielmehr ist in rechtlicher Hinsicht die Frage der Antragslegitimation, die lediglich auf die behauptete Rechtswidrigkeit abstellt, von der inhaltlichen rechtlichen Beurteilung, bei der durchaus auch zusätzliche Rechtswidrigkeiten aufgegriffen werden können, zu trennen.

4. Ungeachtet dessen wäre es nach Ansicht der Antragstellerin rechtlich nahezu absurd, aus einer unterbliebenen Mitteilung der Auswahlentscheidung – ebenso wie aus einer unterbliebenen Mitteilung der Zuschlagsentscheidung – abzuleiten, dass die rechtlich gebotenen Adressaten dieser – für den effektiven Rechtschutz zentralen – Transparenzverpflichtung die Antragslegitimation verlieren. Ein allfälliger Rechtsverstoß der Auftraggeberseite kann daher nicht den Bietern zum Vorwurf gemacht werden, weil eine solche Sichtweise den unionsrechtlich gebotenen effektiven Rechtschutz massiv beeinträchtigen würde. Entgegen dem Vorbringen der Auftraggeberseite liegt daher sehr wohl die erforderliche Kausalität zwischen dem behaupteten Rechtsverstoß und dem geltend gemachten Schaden vor, weil bei rechtskonformer Vorgangsweise im Zeitraum der angefochtenen Abrufe/Auftragserteilungen ausschließlich die Antragstellerin für eine Zuschlagserteilung in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

5. Die Antragstellerin bestreitet insbesondere, dass sie selbst auf Grundlage der gegenständlichen Rahmenvereinbarung rechtswidriger Weise Aufträge von der [...] erhalten hätte. Auch bei diesen Auftragsvergaben war die Antragstellerin das einzige Unternehmen am Markt, welches bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben für die Abgabe von Medizinprodukten für den Abruf von Antigentests zur Eigenanwendung (aufgrund einer ausreichenden Medizinproduktzulassung für die Eigenanwendung mit einer entsprechenden CE-Kennzeichnung) in Betracht zu ziehen war. Die Auftragsvergaben erwiesen sich daher bereits aus diesem Grund als zulässig. Darüber hinaus lagen bei den einzelnen Auftragsvergaben durch die [...] zusätzlich dringende zwingende Gründe vor, die eine „Notvergabe“ an die Antragstellerin rechtfertigen. Ungeachtet des Auftragswertes erwies sich daher die Vorgangsweise der Auftraggeberin als rechtskonform, umso mehr ist daher auch der Antragstellerin kein Rechtsverstoß bzw auch nicht das Tolerieren eines Rechtsverstoßes der Auftraggeberin [...] bei rein objektiver nachträglicher Betrachtungsweise vorzuwerfen.

6. Der Vorwurf einer stillschweigenden Akzeptanz von Auftragsvergaben auf Basis einer erst nach-träglich hervorgekommenen absoluten Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung ist auch deshalb be-fremdlich, weil die hier in Rede stehenden Auftragsvergaben durch die [...] in Q2/2021 und Q3/2021 erfolgten, somit ungefähr ein Jahr vor dem hier richtungsweisenden Urteil des EuGH in der Rs EPIC im Juli 2022. Es darf an dieser Stelle in Erinnerung gerufen werden, dass das Bundesverwaltungsgericht selbst aufgrund vorliegender rechtlicher Zweifel zur gebotenen unionsrechtskonformen Interpretation der Rechtsmittelrichtlinie eine Rechtsfrage zum Umfang der gebotenen Mitteilung der Auswahlentscheidung an den EuGH herangetragen hat. Es wäre daher nach der festen Überzeugung der Antragstellerin völlig überzogen, von ihr zur Aufrechterhaltung ihrer Schutzwürdigkeit zu verlangen, Großaufträge aufgrund eines vermeintlichen Rechtsverstoßes der Erstauftraggeberin (und nicht von der Antragstellerin selbst!) bereits ein Jahr vor der Entscheidung des EuGH (!) in dieser Frage abzulehnen.

7. Insbesondere kann es daher im Zusammenhang mit der Frage der Antragslegitimation zur Bekämp-fung von rechtswidrigen einzelnen Auftragsvergaben nicht zum Nachteil der Antragstellerin gereichen, dass sich die Auftraggeberin im Zuge des Abschlusses der Rahmenvereinbarung zwar an § 154 Abs 3 BVergG, aber nicht an die (durch den EuGH erst nachträglich als erforderlich beurteilte) weitergehende Mitteilungsverpflichtung betreffend die Auswahlentscheidung auch an den Kreis der berücksichtigten Bieter gehalten hat. Eine solche überschießende Beurteilung der Anforderungen an die Antragslegitimation wäre in keiner Weise aus dem BVergG oder der Rechtsmittelrichtlinie ableitbar, würde das Risiko von Vergaberechtsverstößen in unbilliger Weise auf die Antragstellerin übertragen und den Auftraggeberinnen mangels einer Rechtsschutzmöglichkeit für Bieter willkürlich erfolgende Abrufe ermöglichen und den unionsrechtlich gebotenen effektiven Recht-schutz der Antragstellerin völlig beschneiden.

8. Auch das Vorbringen der Auftraggeberseite auf Seite 5, 1. Absatz wird bestritten, wonach der An-tragstellerin durch den Rechtsverstoß einer unterbliebenen Mitteilung der Auswahlentscheidung ein Rechtsverstoß zugutegekommen wäre. Wie bereits dargestellt wurde von der Antragstellerin als behauptete Rechtswidrigkeit nicht (vordergründig) die unterbliebene Mitteilung der Auswahlent-scheidung geltend gemacht, sondern Rechtsverstöße im Zuge der hier konkret angefochtenen beiden Auftragsvergaben vom 14. April 2021 und 15. April 2021, die unter der Annahme einer absolut nichtigen Rahmenvereinbarung isoliert zu beurteilen sind.

9. In diesem Zusammenhang ist anknüpfend an die Stellungnahme vom 4. September 2023 erneut zu betonen, dass unter der Annahme einer absolut nichtigen Rahmenvereinbarung im Zusammenhang mit der Frage der Antragslegitimation sämtliche Abrufe separat zu beurteilen sind. Eine nunmehr –ohne jegliches inhaltliches und rechtliches Substrat behauptete – rechtswidrige Vorgangsweise der Antragstellerin bei anderen Auftragsvergaben durch Landes-Auftraggeber (deren Vorgangsweise ohnehin nicht vom BVwG zu beurteilen ist) kann daher nicht dazu führen, dass die Antragslegitimation für die konkret hier angefochtenen Auftragsvergaben vom 14. und 15. April 2021 abgesprochen wird.

10. Insgesamt ist daher das Vorbringen der Auftraggeberseite vom 12. September 2019 zur Gänze zu bestreiten und kann unter Hinweis auf die in der Stellungnahme vom 4. September 2023 keine Rede davon sein, dass es der Antragstellerin am erforderlichen Schaden aufgrund der behaupteten Rechtswidrigkeit und damit an der erforderlichen Antragslegitimation mangelt. In inhaltlicher Hinsicht wird jedoch der in beiden Verfahren noch offene Feststellungsantrag, dass der Zuschlag „nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wurde“ bereits aufgrund einer – durch die unterlassene Mitteilung der Auswahlentscheidung durch die Auftraggeberinnen zu vertretenden – zusätzlichen Rechtswidrigkeit stattzugeben sein. Eine stattgebende Entscheidung zu diesen Anträgen ist jedoch jeweils umso mehr rechtlich geboten, als die in den beiden Verfahren bekämpften Abrufe – ungeachtet einer absoluten Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung – aufgrund der von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (fehlende Eignung und Zuschlagserteilung an die mitbeteiligte Partei mit ausschreibungswidrigen und medizinprodukterechtlich unzureichenden Produkten) eine rechtswidrige Auftragsvergabe entgegen den Angaben in der Ausschreibung darstellen.

[...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus ist festzustellen:

1.1. Die BBG machte, wie von der ASt vorgetragen, gegenständlich die Vergabe der in der Feststellungseingabe konkretisierten zu vergebenden Rahmenvereinbarung bekannt und verwendete dazu folgende allgemeine Ausschreibungsbedingungen, soweit hier interessierend:

Allgemeine Ausschreibungsbedingungen

Offenes Verfahren gem. BVergG 2018

betreffend den Abschluss

der Rahmenvereinbarung:

SARS-CoV2 -(Covid-19)-Antigenschnelltests

Auftraggeber

die Republik Österreich (Bund),

die Bundesbeschaffung GmbH,

sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste.

[...]

2 Ziel und Grundlagen des Vergabeverfahrens

2.1 Gegenstand des Verfahrens

3 Ziel dieses Vergabeverfahrens ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit allen geeigneten Unternehmern gemäß §§ 31Abs. 7 und 39 i. V. m. §§ 153 ff BVergG 2018 über die Lieferung von qualitativen immunologischen Antigen-(Schnell-)test inklusive Zubehör zum Nachweis von SARS-CoV-2 (Covid-19) basierend auf dem Nachweis von viralem Protein (SARS-Covid-2-Virus bzw. viralen SARS-CoV-2 Nukleokapsidprotein-Antigenen) in respiratorischen Probenmaterialien und Körperflüssigkeiten im Point-of-Care-Format, als lateral-flow-Teste (qualitativen Nachweis von Stoffen mit Antikörpern) zur unmittelbaren visuellen Auswertung gemäß dem österreichischem Medizinproduktegesetz (MPG) bzw. zu Grunde liegender EU-Rechtsnormen, insbesondere der IVD-RL 98/79/EG bzw. IVD Verordnung 2017/746 , jeweils in der geltenden Fassung in ganz Österreich für öffentliche Auftraggeber nach den Bestimmungen gemäß Punkt 2.4.

4 Der Leistungsgegenstand und die Vergabe von Einzelaufträgen auf Basis der Rahmenvereinbarung sind in den kommerziellen Ausschreibungsbedingungen (Rahmenvereinbarung) detailliert geregelt.

[...]

6.4 Bewertung und Abschluss

6.4.1 Abschluss der Rahmenvereinbarung

143 Die Rahmenvereinbarung wird mit allen nicht auszuscheidenden Bietern abgeschlossen, die ein gültiges Angebot gelegt haben.

 

6.5 Angebotsbindefrist

144 Die Frist zur Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung geschlossen werden soll, endet 2 Monate nach Ende der Angebotsfrist. Die Bieter sind an ihr Angebot bis zum Ende dieser Frist gebunden.

145 Während eines allfälligen Nachprüfungsverfahrens ist diese Entscheidungsfrist gehemmt, wodurch sich der Zeitraum, in welchem die Bieter an ihr Angebot gebunden sind, verlängern kann.

 

1.2. Im Vergabegeschehen wurde von der BBG keine Auswahlentscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, versandt, wie in den Absätzen 3 und 4 des § 154 BVergG 2018 vor dem Rahmenvereinbarungsabschluss vorgesehen, es wurde auch keine dem § 154 Abs 4 BVergG entsprechende Stillhaltefrist vor Rahmenvereinbarungsabschluss eingehalten. So erhielt insb auch die ASt vor dem Rahmenvereinbarungsabschluss keine Mitteilung, mit welchen (anderen) UnternehmerInnen die BBG die Rahmenvereinbarung abschließen möchte.

Die ASt nahm die unterlassene Auswahlentscheidung, mit welchen Unternehmern sonst die Rahmenvereinbarung abgeschlossen würde, nicht zum Anlass, gemäß § 334 Abs 5 BVerG auf einen vergaberechtskonformen Zuschlag bzw Widerruf hinzuwirken.

1.3. Die Auftraggeberseite, also insb auch die gegenständlich jedenfalls auch für den Bund (und auch Landesauftraggeber) handelnde Bundesbeschaffung GmbH (= BBG), teilte schließlich im gegenständlichen Vergabegeschehen Ende März 2021 den Abschluss der Rahmenvereinbarung an die von der BBG als Rahmenvereinbarungspartner behandelten UnternehmerInnen mit, worunter sich sowohl die ASt als auch diejenige Unternhemerin befanden, der nach einem "Abruf aus der Rahmenvereinbarung" im Feststellungsantrag zu W131 2247310-1 als Zuschlagsempfängerin bezeichnet wurde.

1.4. Auch die ASt erhielt entsprechend den Verhandlungsergebnissen am 09.05.2023 samt den nachmaligen schriftlichen Erörterungen "Abrufe aus der Rahmenvereinbarung", zurückgehend auf ihre Angebotslegung zwecks Rahmenvereinbarungsabschluss.

 

1.5. Zusammenfassend daher insbesondere:

Nach Ausschreibung teilte die BBG im März 2021 den Abschluss der Rahmenvereinbarung an 76 Unternehmer mit.

Zuvor hatte die BBG keine dem § 154 Abs 3 und 4 entsprechende Auswahlentscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mitgeteilt, die einen Primärrechtsschutz gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 ermöglicht hätte (, maW: - Nachprüfungsanträge gegen Austraggeberentscheidungen und diesbezügliche Anträge auf einstweilige Verfügungen zur Absicherung der Nachprüfungsanträge ermöglicht hätte).

Die ASt lukrierte iZm der als zu vergeben ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung eigene "Aufträge" von Landesauftraggebern iSd Art 14b B-VG im mehrfachen Oberschwellenbereichswert, bewertete diese Leistungsabrufe als der ursprünglichen Ausschreibung zurechenbar; und zahlte dafür auch umsatzprovisionsähnliche Servicegebühren an die zentrale Beschaffungsstelle BBG, wie diese in den Ausschreibungsunterlagen für die Rahmenvereinbarung vorgesehen gewesen waren.

Die ASt brachte zu W131 2244508-1 und zu W131 2247310-1 zwei Feststellungsanträge ein, mit denen sie gegen mehrere Abrufe aus der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung vorgehen möchte.

 

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergeben sich unstrittig aus dem Parteienvortrag ua auch im Verfahren W131 2247310-1 samt den vorgelegten Vergabeunterlagen, wobei diese Tatsachen auch in den teilweise verbunden geführten Feststellungsverfahren zu W131 2244508-1 und 2264464-1 im dortigen Prozessstoff Deckung finden, insb wenn es um die fehlende Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung geht.

Dass die ASt selbst Leistungsabrufe aus der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung mit einem erheblichen Oberschwellenbereichsumsatz lukrierte, ergibt sich aus dem insoweit übereinstimmenden bzw nicht substantiiert bestrittenen Tatsachenvortrag der Auftraggeberseite bzw der ASt (- bzw des Unterlassens diesbezüglich substantiierter Bestreitungen durch die ASt).

Dass die BBG diesbezüglich auf die ausgeschriebenen Rahmenvereinbarungsbestimmungen zurückgehende umsatzprovisionsähnliche Servicegebühren von der ASt bezahlt erhalten hat, ergibt sich aus dem insoweit unbestrittenen Tatsachenvortrag der Auftraggeberseite.

Dass die ASt die eigenen Lieferungen nach Abrufen iZm der ausgeschriebenen "Rahmenvereinbarung" als solche iZm der (zumindest) ausgeschriebenen "Rahmenvereinbarung" bewertete und dafür auch die besagten Servicegebühren an die BBG bezahlte, ergibt sich aus dem in der Verhandlung am 09.05.2023 diesbezüglich erstatteten Tatsachenvortrag der ASt, die Direktvergabesachverhalte mangels gültiger Rahmenvereinbarung dort ausdrücklich verneinte, dies iZm der auch unbestrittenen Servicegebührenzahlung durch die ASt, da eine solche Zahlung von Servicegebühren ohne Bezug zu einer ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung keinen Sinn ergeben würde.

Wenn die ASt daher zuletzt in den schriftlichen Erörterungen maW vorträgt, dass Abrufe durch Landesauftraggeber keine hier relevante Rechtswidrigkeit des Verhaltens der ASt iSv VwGH 2005/04/0200 bedeuten würden, ist es abseits der rechtlichen Seite auch auf Tatsachenebene unglaubwürdig, dass die ASt lebensnah Servicegebühren in Relation zu einer Rahmenvereinbarungsausschreibung zahlen würde, wenn sie von Lieferungen außerhalb des ursprünglichen Ausschreibungsumfangs der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung ausginge.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gegenständlich ist unstrittig das BVergG 2018 = BVergG, BGBl I 2018/65 idgF, mit seinen Bestimmungen für klassische öffentliche Auftraggeber im II. Teil anzuwenden, wobei insoweit die Vergabebestimmungen für den Oberschwellenbereich einschlägig sind.

Das BVwG ist gegenständlich unbestritten zur Vergabekontrolle zuständig; und hatte gegenständlich gemäß Geschäftsverteilung in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 328 BVergG 2018 iVm § 6 BVwGG.

Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG das VwGVG und die in § 333 BVergG 2018 verwiesenen Teile des AVG anzuwenden. Bzw bis zum 30.06.2023 zusätzlich insb auch § 4 des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe) idF BGBl I 2022/107; bzw aktuell insb auch § 8 Abs 7 BVwGG idF Art 8 des Bundesgesetzes BGBl I 2023/77.

3.2. Zu den hier ausgesprochenen Zurückweisungen in der Sache ist festzuhalten wie folgt:

3.2.1. Nach hier herangezogener stRsp des VwGH gilt entsprechend zB Zl Ro 2021/04/0014 wie folgt:

Ausschreibungsbestimmungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters (vgl. VwGH 22.3.2019, Ra 2018/04/0176, Rn. 22, mwN). Diese ist nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Auftraggeber unter Bedachtnahme auf die Ausschreibungsbestimmungen auszulegen.

3.2.2. Zur Pflicht zur Anwendung unangefochten gebliebener Auftraggeberentscheidungen zur Beurteilung des darauf aufbauenden Vergabegeschehenes, hier iZm den oben zitierten Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen, ist in der Übernahme dieser Rechtsansicht auf die stRsp des VwGH zu verweisen, die entsprechend zB VwGH Zl Ra 2019/04/0076 lautet wie folgt:

[...] Voranzustellen ist Folgendes: Nach ständiger Rechtsprechung kann eine unanfechtbar gewordene (bestandfeste) Entscheidung des Auftraggebers im Rahmen der Nachprüfung von auf dieser Entscheidung aufbauenden Entscheidungen des Auftraggebers nicht mehr überprüft werden. Ist eine Ausschreibungsbestimmung mangels rechtzeitiger Anfechtung der Ausschreibung bestandfest geworden, ist sie - unabhängig davon, ob sie bei rechtzeitiger Anfechtung für nichtig zu erklären gewesen wäre - der gegenständlichen Auftragsvergabe zugrunde zu legen (vgl. zuletzt VwGH 22.12.2020, Ra 2019/04/0091, mwN). Die Fristgebundenheit von Nachprüfungsanträgen wäre nämlich sinnlos, könnte die Vergabekontrollbehörde eine unanfechtbar gewordene (bestandfeste) Entscheidung des Auftraggebers im Rahmen der Nachprüfung von auf dieser Entscheidung aufbauenden Entscheidungen des Auftraggebers überprüfen (vgl. VwGH 7.11.2005, 2003/04/0135, sowie die dortigen Nachweise auf Rechtsprechung des EuGH; vgl. zur ständigen Rechtsprechung zur Bestandskraft auch VwGH 7.9.2009, 2007/04/0090). [...]

 

3.2.3. § 154 BVergG lautet in den hier interessierenden Teilen:

 

 

Abschluss von Rahmenvereinbarungen

§ 154 (1) Der öffentliche Auftraggeber hat in der Bekanntmachung oder – sofern ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wird – in der Aufforderung zur Angebotsabgabe anzugeben, ob eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen oder mit mehreren Unternehmern abgeschlossen werden soll. Soll eine Rahmenvereinbarung für mehrere öffentliche Auftraggeber abgeschlossen werden, so sind in der Bekanntmachung oder – sofern ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wird – in der Aufforderung zur Angebotsabgabe alle abrufberechtigten öffentlichen Auftraggeber eindeutig zu identifizieren. Nach Möglichkeit [...].

(2) Die Unternehmer, mit denen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, werden nach Durchführung eines offenen Verfahrens, eines [...] ermittelt. Eine Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer [...]. Eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern ist mit jenen Bietern abzuschließen, die die gemäß dem oder den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien am besten bewerteten Angebote gelegt haben. Soll eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern abgeschlossen werden, so müssen mindestens drei Unternehmer daran beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von Unternehmern die Eignungskriterien erfüllt hat und eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten abgegeben wurde. Die maßgeblichen Gründe für die Bewertung der Angebote sind festzuhalten.

(3) Der öffentliche Auftraggeber hat den nicht berücksichtigten Bietern den Namen des Unternehmers bzw. die Namen der Unternehmer, mit dem bzw. denen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mitzuteilen. In dieser Mitteilung sind die Gründe der Nichtberücksichtigung sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bzw. der erfolgreichen Angebote bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. Eine Verpflichtung zur Mitteilung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, besteht nicht, wenn ein Verhandlungsverfahren gemäß den §§ 35 Abs. 1 Z 4, 36 Abs. 1 Z 4 oder 7 oder 37 Abs. 1 Z 4 zum Abschluss der Rahmenvereinbarung durchgeführt wurde.

(4) Der öffentliche Auftraggeber darf die Rahmenvereinbarung bei sonstiger absoluter Nichtigkeit nicht vor Ablauf der Stillhaltefrist abschließen. Die Stillhaltefrist beginnt mit der Übermittlung bzw Bereitstellung der Mitteilung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Sie beträgt [...].

[...]

 

3.2.4. Der erkennende Senat übernimmt vorerst die Auffassung gemäß dem im Verfahrensgang wiedergegebenen Teilerledigungsbeschluss, dass die hier insb auch von der Auftraggeberseite als wirksam abgeschlossen bewertete Rahmenvereinbarung aus den im oben teilweise abgedruckten Teilerledigungsbeschluss dargestellten Gründen absolut nichtig ist. Dies entspricht rücksichtlich des § 154 BVergG auch dem § 878 Satz 1 ABGB (im Punkte der darin normierten rechtlichen Unmöglichkeit als Fall des "geradezu Unmöglichen"), nachdem nach § 154 BVergG iVm Rz 144 der oben dargestellten Allgemeinen Ausschreibungsbestimmungen die mitgeteilte Auswahlentscheidungsmitteilung Voraussetzung für den wirksamen Rahmenvereinbarungsabschluss (gewesen) ist.

3.2.5. Daran anschließend übernimmt der erkennende Senat für die gegenständliche Entscheidung die gemäß § 7 ABGB teleologisch als richtig und gemäß Art 2 StGG bzw Art 7 B-VG ausdrücklich als sachlich und insb sachgerecht bewertete Auffassung des VwGH zu Zl 2005/04/0200 zur Antragslegitimation bzw zum Schadensbegriff, die gleichfalls vor dem Hintergrund des auch heute noch gemäß § 353 Abs 1 BVergG geltenden unionsrechtlichen Schadensbegriffs gemäß Art 1 der RL 89/665/EWG ergangen ist, und die insoweit lautet:

[...]

Damit lässt sich die Sicht des Verwaltungsgerichtshofs dahin zusammenfassen, dass kein Schaden durch Entfall der Möglichkeit der Teilnahme am Folgeverfahren gegeben ist, wenn der Bieter selbst gegen die Ausschreibungsbedingungen oder gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstoßen hat, also - anders gesagt - dass der selbst nicht ausschreibungs- bzw vergaberechtskonform agierende Bieter nicht schützenswert ist. ...

[...]

Konform damit legt der erkennende Senat hier ausdrücklich auch die Rechtsmeinung des Generalanwalts beim EuGH in dessen Schlussanträgen zur Rs C-249/01 zu Grunde, wie sie in der dortigen Rdnr 62 dargelegt ist, und die lautet:

 

... Daraus ergibt sich, dass ein Bieter nicht den Zuschlag erhalten kann, wenn er selbst gegen Ausschreibungsbestimmungen oder gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstoßen hat. ...

 

Mangels (grundsätzlicher) Zuschlagserhaltsmöglichkeit in Relation zur hier in Streit gezogenen Beschaffung von der Zuschlagsempfängerin kann nach hg Auffassung auch kein eingetretener oder drohender Schaden iSd Art 1 RL 89/665/EWG idgF bzw gemäß § 353 Abs 1 BVergG für die ASt vorliegen.

3.2.6. Wenn die ASt im Gefolge ihrer Angebotslegung im Vergabeverfahren über den Abschluss der streitgegenständlichen "Rahmenvereinbarung",

ohne dass zuvor die in der Ausschreibung vergaberechtskonform gemäß § 154 BVergG vorgesehene Auswahlentscheidung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird, jemals auch an die ASt kommuniziert wurde,

das Vergabegeschehen insoweit akzeptiert hat, als dann unstrittig rücksichtlich dieser "Rahmenvereinbarungsausschreibung" Abrufe bei der ASt jedenfalls auch im vergaberechtlichen Oberschwellenbereich insb von Landesauftraggebern vorgenommen wurden; und die ASt rücksichtlich dieser Umsätze auch umsatzprovisionsähnliche "Servicegebühren" an die BBG gezahlt hat, die aus der "Rahmenvereinbarungsausschreibung" heraus als geschuldet normiert waren,

hat die ASt ein Verhalten zu verantworten, das gegen die Bestimmungen der auch von der ASt unangefochten gelassenen Ausschreibung verstößt und damit gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstößt.

Wenn nämlich die ASt einerseits den § 154 Abs 4 BVergG zu beachten hatte und andererseits die Rz 144 der Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen dahin lautet, dass die Frist zur Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung geschlossen werden soll, 2 Monate nach Ende der Angebotsfrist endet, hatte für die ASt in gebotener gesetzeskonformer Auslegung der Ausschreibung klar zu sein, dass ohne eine vorangehende Auswahlentscheidung iSv § 154 Abs 4 BVergG - bei sonstiger absoluter Nichtigkeit derselben - keine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern abgeschlossen werden darf.

Musste der ASt aber die vorangehende Auswahlentscheidung iSv § 154 Abs 4 BVergG als Bedingung für eine existente Rahmenvereinbarung und für einen vergaberechtskonformen Ablauf klar sein, durfte die ASt bei den bei ihr aus dem Titel dieser "Rahmenvereinbarung" erfolgten Abrufen nicht mehr von der Vergaberechtskonformität dieser von ihr selbst lukrierten Abrufe, sprich "Einzelaufträge aus Basis der Rahmenvereinbarung" ausgehen.

Die von der ASt bei ihr selbst akzeptierten Abrufe, die auf die "Rahmenvereinbarung" gestützt und danach unstrittig abgewickelt wurden (- dies samt Servicegebührenzahlungen der ASt an die BBG aus dem Titel der "Rahmenvereinbarung" -), sind der ASt daher als ein objektiv vergaberechtswidriges Verhalten im Sachverhaltsbereich dieser ausgeschriebenen "Rahmenvereinbarung" anzulasten.

Wegen dieses eigenen vergaberechtswidrigen Verhaltens der ASt,

sprich deren Akzeptanz von dem BVergG unterliegenden Beschaffungen ohne notwendig vorangehende Auswahlentscheidung iSv EuGH Rs C 81/98 iZm einer Rahmenvereinbarungsausschreibung und "Abrufen" und zudem ohne Rechtsmäßigkeitsbestreben der ASt gemäß § 334 Abs 5 BVergG

im gegenständlich durch die Ausschreibung abgesteckten Beschaffungsgeschehen, sprich im Sachverhaltsbereich dieser ausgeschriebenen "Rahmenvereinbarung" fehlt der ASt rücksichtlich der oben wiedergegebenen Passagen aus VwGH zu Zl 2005/04/0200 der Schaden gemäß §353 Abs 1 BVergG bzw die Antragslegitimation nach dieser Bestimmung,

die ASt erscheint iSd VwGH maW nicht mehr durch vergaberechtliche Rechtsbehelfsmöglichkeiten vor dem BVwG schützenswert bzw ist die ASt insoweit nicht schutzbedürftig, wenn dann andere UnternehmerInnen in gleicher Weise Umsatz aus einer vergaberechtswidrigen bzw nichtigen "Rahmenvereinbarung" erzielen, den die ASt dann eben nicht gemacht hat.

3.2.7. Vergleicht man innerstaatlich den Rechtsweg gemäß § 1 UWG wegen eines vorwerfbaren Rechtsbruchs mit dem Antragslegitimationssystem des § 353 Abs 1 BVergG, ist festzuhalten, dass der Schaden iSv § 353 Abs 1 BVergG bzw die Antragslegitimation nach dieser Bestimmung iSv VwGH Zl 2005/04/0200 bei einem eigenen Vergaberechtsverstoß im jeweils streitgegenständlichen Vergabegeschehen entfallen, während Unterlassungs- und Schadenersatzklagen nach UWG (samt UWG - eV- Antragstellungen, und wohl auch naturalrestitutive Klagsbegehren gegen Auftraggeberentscheidungen) auch bei eigenem Rechtsverstoß zulässig erachtet werden, so in Verneinung des "unclean hands - Einwands" zB der OGH zu 4Ob380/77; 4Ob399/77; 4Ob328/82; 4Ob23/06w; 4Ob125/06w; 4Ob51/08s; 4Ob113/08h; 4Ob107/08a; 4Ob43/14y; 4Ob155/16x; 4Ob170/16b; 4Ob95/17z; 4Ob85/17d; 4Ob185/17k; 4Ob35/18b; 4Ob229/17f mit dem jeweiligen Rechtssatz

Das Klagerecht des Mitbewerbers nach § 14 UWG wird durch eigene, gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht beeinträchtigt.

Beachtet man insoweit weiters, dass UWG - Prozesse mit großem Kostenrisiko gemäß §§ 41ff ZPO belastet sind; und nach dem OGH insb iSv 4Ob 216/11k Klagen nach UWG jedenfalls dann ohne vergabekontrollrechtliche Feststellungsentscheidung zulässig sind, wenn [hier interessierend] vor dem BVwG keine Antragslegitimation besteht,

so erscheint es verfassungskonform gleichheitsrechtlich sachgerecht, wenn der VwGH zu Zl 2005/04/0200 klargestellt hat, dass der eigene Vergaberechtsverstoß eines Bieters, wie hier das aufgezeigte vergaberechtswidrige Verhalten der ASt, dazu führt, dass der im Punkte des Prozesskostenrisikos privilegierte Rechtsweg wegen vorgebrachter Vergaberechtsverstöße von vergaberechtsgebundenen Auftraggebern zu Gunsten von Konkurrenten vor dem [hier:] BVwG verschlossen ist,

sondern der Bieter, hier die ASt, dann eben auf den risikoreicheren Rechtsweg gemäß UWG verwiesen ist, wo von der ASt der Auftraggeber und der Konkurrent als wettbewerbsrechtliche Mit-, Bestimmungs- oder Beitragstäter mit einem hohen Prozesskostenersatzrisiko rücksichtlich dann zweier Prozessgegner zu verklagen sein werden und dort neben anderen Beweiserfordernissen und gesteigerten Prozesskostenrisken insb auch der nach UWG vorwerfbare Rechtsstoß gegen Vergabevorschriften sehr oft über drei Instanzen, mit allenfalls mehreren dortigen Verfahrensgängen, bewiesen wird werden müssen.

 

3.2.8. Insoweit die ASt im Verfahren maW vorgebracht hat, dass erst seit der Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Rs C-274/21 ua nachträglich klar wäre, dass die Rahmenvereinbarung gemäß § 154 BVergG ein Auftrag wäre, ist die ASt vorerst darauf zu verweisen, dass § 154 BVergG die Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung mangels Auswahlentscheidung bereits im Zeitraum der Einleitung des Vergabeverfahrens für die streitrelevante "Rahmenvereinbarung" vorgesehen hat und Art 1 RL 89/665/EWG idgF bereits damals, also 2020 bzw 2021, unionsrechtlich Rahmenvereinbarungen als Aufträge verstand.

Zudem kommt, dass nach den Entscheidungen des VfGH zu B 1160/00 und des VwGH zu Zl 2001/04/0121 Auslegungsurteile des EuGH wie eben in der Rs C-274/21 ua bewirken, dass die nationale Rechtslage immer so auszulegen und anzuwenden ist, wie sie der EuGH ausgelegt hat.

Insoweit spricht der Zeitpunkt des Ergehens des Auslegungsurteils des EuGH zu Rs C-274/21 ua entgegen der Auffassung der ASt nicht gegen die Beurteilung,

gegenständlich von der Nichtigkeit der "Rahmenvereinbarung" auszugehen;

bzw auch nicht gegen die Beurteilung, das Verhalten der ASt iZm der nichtigen "Rahmenvereinbarung", der keine Auswahlentscheidung gemäß § 154 Abs 4 BVergG vorangegangen ist, als vergaberechtswidrig iSv VwGH Zl 2005/04/0200 zu qualifizieren, wenn die ASt idZ selbst Eigenumsatz (sogar im Oberschwellenbereich) ohne vergaberechtskonform geltende "Rahmenvereinbarung" auf Basis einer Rahmenvereinbarungsausschreibung akzeptiert.

3.2.9. Sofern die ASt vorbringt bzw zugesteht, dass sie im Zusammenhang mit der gegenständlichen "Rahmenvereinbarungsausschreibung" im Oberschwellenbereich nur Abrufe von Landesauftraggebern iSd Art 14b B-VG abgewickelt hat und diese einzeln betrachtet nichts mit der gegenständlich als nichtig beurteilten "Rahmenvereinbarung" zu tun hätten, sondern von den Landesvergabekontrollinstanzen je für sich zu beurteilen wären, ist die ASt darauf hinzuweisen, dass sie sachverhaltsmäßig in der Verhandlung am 09.05.2023 nach Thematisierung durch den vorsitzenden Richter wie folgt ausgeführt hat:

[vorsitzender Richter]: Nach dem Aktenstand dürfte es sich so zugetragen haben, dass keine Auswahlentscheidung an die jeweils anderen 75 Unternehmen ausgeschickt wurde, mit denen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen worden sein soll. Weiters wird der Sachverhalt derzeit so bewertet, dass die „Abrufe“ bei den Antragstellerinnen und bei den 3 ggst. Zuschlagsempfängerinnen nach dem ggst. teilweise vorgebrachten „Rahmenvereinbarungsabschluss“ erfolgt sind.

Daher die Frage an die Antragstellerinnen, ob der Sachverhalt dahingehend zu bewerten sein könnte, dass die Auftraggeberseite mit der Konstruktion „Rahmenvereinbarung ohne vorangehende Auswahlentscheidung“ in wahrer wirtschaftlicher Betrachtungsweise an die Antragstellerinnen eine anstehende Wahl einer Direktvergabe kommuniziert haben könnte, die vor den angefochtenen Einzelabrufen bekannt war. Wollen Sie sich dazu äußern?

[namens der ASt]: Nach Ansicht der ASt war seitens der Auftraggeber zu keinem Zeitpunkt der Abschluss einer Direktvergabe beabsichtigt. Dem widerspricht insbesondere die EU-Bekanntmachung über den beabsichtigten Abschluss einer Rahmenvereinbarung und die folgende Vorgangsweise durch die Auftraggeber.

 

Das BVwG geht daher - wiederholend -auf Sachverhaltsebene davon aus, dass die ASt sehr wohl aus dem angenommenen Titel und damit wegen einer für sie nutzbaren "Rahmenvereinbarungsvergabe", bei deren Vergabeverfahren die BBG für Bundes- und Landesauftraggeber iSd Art 14b B-VG tätig gewesen war, eigene Lieferungen an Landesauftraggeber durchgeführt und dafür Servicegebühr an die BBG gezahlt hat.

Damit ist aber die oben zu Lasten der ASt aufgezeigte, dieser insb bereits auf Basis des Wortlauts des § 154 Abs 4 BVergG auch vorwerfbare Vergaberechtswidrigkeit jedenfalls eine solche, die iSv VwGH 2005/04/0200 hier wertend zu Lasten der ASt geht.

 

 

3.2.10. Verfahrensrechtlich ist noch festzuhalten wie folgt:

- Der zurückweisungstragende Sachverhalt wurde in der mündlichen Verhandlung angesprochen und erörtert; und danach insb auch noch durch die Schreiben des BVwG, OZZ 57 und 64, mit der ASt umfangreich und konform mit VwGH Zl 2007/04/0012 zusätzlich erörtert.

- Bei dem vorstehenden Verfahrensergebnis kann dahinstehen, ob auch aus anderen Gründen zurückzuweisen wäre; und kann dahinstehen, dass in § 334 Abs 3 Z 1 BVergG zentral auf die Rechtswidrigkeit des Zuschlags abgestellt wird, wenn die ASt insb mit der Eingabe, OZ 67 des Gerichtsakts, auf aus ihrer Sicht erst während des Verfahrens eingetretene "Klarstellungen" durch den EuGH in den Rs C-274/21 ua iZm Rahmenvereinbarungsabschlüssen als Vertragsabschlüssen bzw Zuschlägen hinweist.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt.

Gegenständlich liegt nach hier vertretener Auffassung eine derartige revisible Rechtsfrage jedenfalls einmal deshalb vor, weil noch keine gefestigte VwGH - Rsp zu den vergaberechtlichen Antragslegitimationsbestimmungen mit dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art 1 Abs 1 RL 89/665/EWG dahin vorliegt, ob der insoweit sehr sachgerecht erscheinende Schutzbedürftigkeitsapekt iSv VwGH Zl 2005/04/0200, der nach hier vertretener Auffassung va auch dem Fairnessgebot des Art 47 GRC entspricht, nach Ergehen des EuGH - Urteils in der Rs C-355/15 weiter angewendet werden kann, wenn der EuGH - nach hier vertretener Auffassung mitunter anders als zuvor in der Rs C-249/01 - in der hier erstgenannten Rechtssache zu C-355/15 - zu einem nicht ganz vergleichbaren Sachverhalt - synchron mit dem Art 2a RL 89/665/EWG idgF formal [- und nicht materiell zwei Bieter wegen deren jeweiliger Vergabefehler iSd Verwerfung des unclean hands - Einwands wie vergleichend in der österreichischen UWG - Praxis gleichbehandelnd-] darauf abgestellt hat, dass ein Bieter bereits endgültig aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen gewesen sein muss, damit diesem dann die vergabekontrollrechtliche Antragslegitimation [hier:] vor dem BVwG bei einer kritisierten Vergabe zu Gunsten eines Konkurrenten fehlt.

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